Hasmik Hovhannisyan - Teil II
"Wir hatten eine Aktion, dass jeder mit einem Metalshirt, der zu uns kommt, einen Rabatt bekommt..."

Interview

Teil II

Dass Metalbands auch gerne mal in Comics auftauchen, konnte man die Jahre über immer mal wieder sehen… Ob als Promogag bei SLAYER und METALLICA und weiteren Bands, etwa der eigenen Comicwelt „The Amory Wars“ von COHEED & CAMBRIA und auch vielen anderen. Dass auch Ashmedi, Fronter von MELECHESH mal in einem Comic stattfinden würde, hätten dieser und Fans sich wahrscheinlich auch nicht träumen lassen. Ist aber so geschehen, in  „Emissary of the Anunnaki“, herausgekommen im Verlag Metal Depot der armenischen Kreativ-Powerfrau Hasmik Hovhannisyan. Im ersten Teil des Interviews haben wir mit ihr darüber gesprochen wie es zum Kontakt mit Ashmedi gekommen ist, wie der Entstehungsprozess des Comics war und ob sie zufrieden mit dem Erfolg ist. Im zweiten Teil geht es etwas persönlicher zu. Filme, andere Comicserien und Reinterpretationen von Werken stehen auf dem Plan. Viel Spaß! 

Der kreative Prozess war manchmal… ungewöhnlich…

Fortsetzung von Teil I. Der Einstieg unten schließt an die letzte Frage an, ob sich Arbeit noch nach Arbeit anfühlt, wenn man sein Hobby zum Beruf gemacht hat und leitet dann zu der wohl bekanntesten harten Band mit armenischen Wurzeln über – SYSTEM OF A DOWN (Anm. d. Redaktion).

Ich glaube, für eine Band ist es dasselbe: Du musst die negativen Seiten aushalten können, wenn du nur wegen dem Geld oder dem Fame hinterher bist, wirst du es entweder nicht aushalten auf Dauer oder es ist einfach nicht das richtige. Da du aus Armenien bist, hättest du Lust auf eine bestimmte Band aus den USA mit eben jenen Wurzeln, die schon lange kein Album mehr veröffentlicht hat und könntest du dir vielleicht mit der eine Kollaboration vorstellen?

Da Metal Depot ja Stories erzählen soll und auch irgendwo Armenien der Welt näher bringen, und sich das natürlich auch in den Lyrics und der Haltung von SYSTEM OF A DOWN widerspiegelt, ja natürlich. Wir haben sie noch nicht angeschrieben oder so, aber SOAD sind natürlich hier in Armenien auch sehr bekannt und geschätzt, also denke ich, könnte das viele Leute ziehen. Ich weiß nicht, ob das passieren wird, es wäre aber schon ein kleiner Traum von mir.

Ich denke, das wäre eine tolle Kollaboration, aber so wie es momentan mit der Band aussieht, könnte das schwer werden. Serj Tankian und Daron Malakian waren beide ja nach der Frage zu einer SOAD-Reunion nicht ganz so gut aufgelegt.

Richtig, niemand weiß was die Zukunft bereit hält. Ihr Konzert damals in Armenien bei einem Outdoorfestival, ich glaube das größte, was jemals in Armenien stattgefunden hat, war der Wahnsinn. Es hat geregnet ohne Ende, aber war trotzdem mit die beste Konzerterfahrung, die ich je hatte. Wenn sich das wiederholen würde eines Tages, wäre ich dafür sehr dankbar.

Es wäre speziell interessant, da SOAD ja auch über den armenischen Völkermord in ihren Texten schreiben und auch sonst in Form von Musik und Lyrics die Welt ein wenig an der armenischen Kultur teilhaben lassen. Ähnlich ist es ja im Prinzip auch bei MELECHESH. Ich meine, SOAD erzählen eher über Probleme in der echten Welt und MELECHESH hat mehr die Mythologie im Vordergrund. Ist es dir bei Comics eigentlich wichtig, dass eine Message dahinter steht, der Leser etwas lernt oder ist simple Unterhaltung auch ok?

Ich denke die Message ist in Comics etwas sehr persönliches für den Leser. Wenn ich nun probiere, eine persönliche Message in „Emissary of the Anunnaki“ unterzubringen und jemand mit breitem Hintergrundwissen liest das nun und kommt auf Ungereimtheiten oder zu seinen völlig eigenen Schlüssen, kann man da nichts gegen machen.

Wenn es zu anderen Comics kommt, kannst du auch vielleicht in Werken die unpolitisch sind – ob es nun eine Spaceopera ist oder eine vermeintliche Liebesgeschichte – vielleicht trotzdem unterschwellig politische Botschaften finden.

Vielleicht gibt es diese auch in „Emissary of the Anunnaki“ und Leute interpretieren oder finden solche Messages, für andere ist es wieder nur ein cooler Comic über die Mythologie und andere sehen einfach nur die Story von MELECHESH, ein wenig aufgepeppt mit Mythologie, darin. Ich weiß nicht, in wie weit das deine Frage beantwortet.

Ich denke sie ist beantwortet. Für die meisten Musiker stellt es sich ja ähnlich dar: Nach Bedeutung ihrer Texte gefragt, sind die meisten entweder genervt oder sagen ebenfalls, dass sich der Leser seine eigenen Gedanken machen soll.

Manchmal ist es auch so, dass während des Schreibprozesses etwas persönliches oder politisches hinein kommt und das später einfach nicht mehr bedacht wird. Zu diesem Zeitpunkt war es vielleicht etwas sehr persönliches, was eingeflossen ist, im Endprodukt aber keine große Rolle mehr spielt. Es gibt keine „geheimen Botschaften“ oder so etwas.

Vielleicht ist da ein Charakter, der einen an einen Freund aus Kindheitstagen erinnert hat oder in der Zeichnung einfach Merkmale von bekannten Personen oder Gegebenheiten aus dem eigenen Leben übernommen wurden, ohne dass das nun für den Leser ersichtlich ist oder irgendeinen Mehrwert bietet.

Das ist mehr so eine Sache der Autoren, die so persönliche Dinge in ihre Werke mit einbringen. Wie Künstler das vielleicht manchmal in ihren Bildern getan haben, etwa ihre Signatur irgendwo versteckt untergebracht haben. Das macht aber auch den Spaß an diesem Prozess aus, kreativ zu sein und etwas von sich selber in der Kunst unterbringen zu können.

Ich glaube, das ist der Prozess des Künstlerischen, nicht nur etwas zu schaffen, sondern auch ein Stück Persönlichkeit von sich oder jemand anderem dort unterzubringen.

Ja, Künstler wollen eine kleine Message an ihre Fans oder vielleicht nur für sich selber unterbringen, so dass sie bemerkt werden kann, aber nicht zwangsläufig erkannt werden muss.

„Emissary of the Anunnaki“ ist nun schon seit einiger Zeit in Armenien und ich vermute mal auch in Russland auf dem Markt bzw. direkt vor Ort in den Handlungen, wie sieht der Absatz bislang aus? Zufriedenstellend?

Wir haben den Comic und auch unsere anderen Comics in Buchläden in Armenien und Russland raus gebracht, aber die Zahlen unseres Onlinestores verrieten uns, dass die großen Zahlen von außerhalb kommen, also hauptsächlich EU und US. Ich kann nicht behaupten, dass die Zahlen uns jetzt reich machen oder wahnsinnig groß sind, aber von Zeit zu Zeit kommen immer wieder Bestellungen herein.

Wir haben die Wichtigkeit guter Werbung definitiv unterschätzt, als wir den Comic final raus brachten. Nach der Anfangsphase verflog das Interesse. Wir haben ebenfalls an einigen Comic-Cons teilgenommen und es war echt lustig: Wir hatten eine Aktion, dass jeder der mit einem Metalshirt zu uns kommt einen Rabatt bekommt und es kamen tatsächlich eine Menge Leute zu unserem Stand in Metalshirts.

Eine Frau kam, fragte uns ob das Metal sei und wir bejahten, nachdem sie die Comics gesehen hatte. Sie sagte, dass sie ihrem Sohn Bescheid gebe zu kommen, da dieser ebenfalls großer Metalfan sei. Ich denke der Comic ist langsam aber sicher dabei, seine Leser zu finden.

Verstehe. Ein wenig Werbung hat noch keinem geschadet, natürlich ebenfalls Cross-Promotion von Metalheads und Comicfans. Du hast die Filme, Comics… ich mein heutzutage gibt es viele Produktionsfirmen, die klein sind, aber dann eben auf Formate wie Kickstarter und ähnliches zurückgreifen, da sie das alleine nicht finanziell stemmen können. Da kann man sich schon anderen Franchises bedienen, um sich weiter aufzustellen.

Ja, auf jeden Fall. Natürlich weiß man auch mit guter Promotion nie, wie viele sich letztlich auch dann etwas kaufen, aber es funktioniert jedenfalls, andere Leute mit anderen Interessen einzubeziehen… sei es Metalheads für Comics zu begeistern oder Comicfans für Metal. MELECHESH sollten auch auf Tour Exemplare des Comics mit dabei haben – zumindest hoffe ich das.

Der Plan wäre es, ihnen diese zu kommen zu lassen. Das geht auf Tour in der Türkei natürlich besser als in Amerika oder so, einfach aufgrund der räumlichen Nähe. Das könnte man dann mit Fanfragen an Ashmedi oder so verbinden. Wir haben das in der Produktionsphase für die Comicfans teilweise so gemacht. Ich weiß, dass wir das nicht bei allen Konzerten machen können, aber wäre eine gute Gelegenheit, ein wenig Aufmerksamkeit zu erregen. Trotz all dieser Dinge müssen wir noch viel dafür tun, um besser zu promoten und weitere Leser zu finden.

Ich wünsche viel Erfolg und drücke die Daumen, dass das klappt. So werden hoffentlich mehr potentielle Fans eingefangen. Wenn alles gut läuft und ihr ein neues Projekt starten könntet, was würdet ihr gern noch tun in Zukunft?

Meinst du für Metal Depot, oder … ?

Alles, kann auch ein Film oder ähnliches sein.

Ich habe zu viele Ideen, die ich noch gern angehen würde. Zum einen vielleicht einen Film oder eine weitere Graphic Novel mit Stories aus Armenien, unserer Mythologie und unseren Geschichten, aber auch für Metal Depot. Wir sind im Gespräch mit einer Band, aber da darf ich noch nicht allzu viel verraten, da noch nicht alles in trockenen Tüchern ist.

Es gibt auch andere Bands die ich höre und welche ich gern in einem Metal-Depot-Comic sehen würde. Natürlich muss das dann auch alles mit den Bands abgesprochen werden. Ich hab verrückte Träume, aber wer weiß, vielleicht wird es ja mit denen etwas.

Hat mit „Emissary of the Anunnaki“ ja in einem Fall schon geklappt. Es gibt ja auch schon andere Bands, die ebenfalls Comics haben. Kennst du etwa COHEED & CAMBRIA?

Ja, ich kenne die Band, höre sie aber eher weniger. Aber in letzter Zeit haben die auch wenig Comics raus gebracht, oder? Ich hab lange nichts mehr gehört.

Ich glaube mit dem neuen Album stehen potentiell auch wieder neue Comics an. Das neue Album hatte schon eine Graphic Novel in der Limited Edition mit dabei, glaube ich. Also wird es in Zukunft wohl mehr geben.

Wahrscheinlich. Es ist witzig, die Verbindung von Comics mit Metal ist ja nicht so neu. Selbst manche Bands die auf unserer Wunschliste standen, haben schon ihre eigenen Comics. Aber es geht immer um die Interpretation. Ich würde gerne neue machen, selbst wenn bestimmte Bands schon eigene Comics haben. Es gibt einfach zu viele Stories, die noch erzählt werden wollen.

Wenn wir über Comics sprechen, magst du Filmadaptionen von Comics, etwa das Marvel- und DC-Universe, die ja mittlerweile zu wahren Franchises geworden sind?

Ich denke es ist fantastisch, dass solche ehemaligen Nischenthemen heute ein so großes Publikum haben und in spektakuläre Filme übertragen werden. Ich muss aber zugeben, dass ich persönlich nie der Superheldenfan war, besonders in Comics. Aber ich liebe es, dass dieses Franchise so viele Leute weltweit begeistert und inspiriert.

Ich mein, ich bin ja selber auch in Filmproduktion involviert und für Leute, die mit diesen alten Comics aufgewachsen sind, diese nun im Kino sehen und ihre Kindheit ein Stück weit wieder erleben können, ist das schon toll. Auf diese Art können sie vielleicht ihre eigenen Kinder dazu bekommen, die Originalcomics zu lesen. Ich denke, es ist eine tolle Kultur, die ein gewisses Franchise für immer verändern kann.

Das kann ich nachvollziehen. Persönlich mag ich einige Comics oder ihre Reinterpretationen, nehmen wir BATMAN als Beispiel, der in verschiedenen Filmen auch unterschiedlich porträtiert wurde. Mangas oder andere Comics die später zu Filmen wurden, fallen mir da auch noch ein. Etwa WATCHMAN, das war auch ein Sleeper-Hit für mich.

Ja, das ist exakt das, was ich meine. Ich liebe zum Beispiel die „Saga“-Comicserie von Brian Vaughan, die ein so großes, fantastisches Universum beinhaltet und könnte mir vorstellen, das in Form eines Films eines Tages zu sehen. Ich denke nicht, in nächster Zeit einen solchen Film mit HY Productions stemmen zu können, aber wer weiß, vielleicht eines Tages…

Es muss ja keine große Produktion sein. Andere interpretieren Stoffe für Theater um oder Musik. Man könnte ja etwa die Comics von Metal Depot oder einer anderen Sparte nehmen und probieren mit bestimmten Charakteren daraus etwas zu erarbeiten. Die Musik mancher Metalbands ist ja auch inspiriert von alter Literatur oder Mythologie, wie etwa bei MELECHESH oder auch H.P. Lovecraft, der bei vielen Death- und Black-Metal-Bands als lyrische Inspiration auftaucht. Dieses Nehmen von Einflüssen und daraus etwas neues machen, ist das, was die Kunst für mich so toll macht. 

Ja, es gibt einfach so viele inspirierende Quellen der Inspirationen, mit denen gearbeitet werden kann. Diese ursprüngliche Story oder der Charakter kann dann zu etwas vollkommen Eigenem umgearbeitet werden.

Wo wir gerade bei Filmen sind: Du warst ja auf der Berlinale letztens, aber auch darüber hinaus, gibt es Empfehlungen oder wertvolle Filme, die du in letzter Zeit gesehen hast?

Ich war in der Woche vor der Berlinale in Rotterdam und hab dort viele Filme gesehen, von denen ich viele auch toll fand. Wenn ich mich auf einen beschränken müsste, würde ich sagen „Our Time (Nuestro Tiempo)“ von Carlos Reygadas, einem mexikanischen Regisseur. Er ist sehr lang, aber wirklich wunderschön und inspirierend.

Ein weiterer Film, dessen Message mich tief berührt hat, war „Capernaum“ von Nadine Labaki. Sonst hab ich nicht so viel gesehen im letzten und auch diesem Jahr oder zumindest nichts, was mich irgendwie tiefgehend getroffen hat. Also aus den letzten Jahren wären es diese beiden Filme.

Danke für die Empfehlungen, tatsächlich Filme die ich nicht kenne. Ich glaube, das ist auch ein großes globales Problem: Während es bei vielen Filmfestspielen hauptsächlich irgendwelcher Hollywoodscheiß oder europäisches Autorenkino rein schaffen, ist der Rest der Welt, der vielleicht auch Talente vorzuweisen hat und gute Stories erzählen kann, immer irgendwie außen vor. Auf diese Weise wäre es vielleicht gut, das stärker in die Köpfe der Menschen zu bringen.

Ja, ich denke die meisten Filme die man auf Festivals sehen kann sind oft die, welche die Filmliebhaber oder vielleicht auch Filmkritiker als wichtig für sich ansehen und konsumieren wollen, aber die aufgezählten Filme hätten ebenso eine Chance verdient, sie sind echt gut.

Ich hab eine Filmliste, die immer länger wird, auch wenn ich viele weg bekomme…

Ich habe dasselbe Problem, es gibt einfach zu viele gute Filme und zu wenig Zeit, um alles zu sehen, besonders wenn man noch mit der Arbeit beschäftigt ist und jedes Jahr einfach mehr und mehr heraus kommen.

Ich probiere selber ein Liste zu pflegen, um mich an die zu erinnern, welche ich sehen wollte. Zum Beispiel den „Lords of Chaos“-Film, den wollte ich unbedingt noch nachholen.

Hast du das Buch gelesen?

Nein.

Es war mehr eine Dokumentation, weniger in der Art, wie nun der Spielfilm ist. Es gab auch noch eine richtige Dokumentation als Film: „Until the Light takes us“. Ich hab allerdings weder das Buch gelesen, noch die Filme gesehen.

Mhm. Als wir an „Emissary of the Anunnaki“ arbeiteten, stießen wir auf einen Comic über die Anfänge und heute berühmt gewordenen Vorgänge im norwegischen Black Metal, der sehr interessante Graphic-Art hatte. Das war etwas, was wir uns vorher angeschaut haben, einfach um ein wenig Inspiration zu bekommen.

Der Stil war jetzt nicht so meins, passte aber für den Comic. Es war auch keine einfache Nacherzählung der Story der norwegischen Black-Metal-Szene, sondern schon eigen und mit Fiktion durchzogen, eine Re-Interpretation. Der Comic hieß glaube ich „Tales from the Black Circle“ oder so ähnlich.

Cool. Danke für die Empfehlungen und danke fürs Interview. Viel Erfolg auch weiterhin mit Metal Depot und den Comics!

Danke dir!

Quelle: Hasmik Hovhannisyan
23.03.2019
Exit mobile version