Leprous
Interview mit Einar Solberg zum neuen Leprous-Album "Aphelion"
Interview
Hey Einar, vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst und uns die Möglichkeit gibst, mit dir über das neue LEPROUS-Album „Aphelion“ zu sprechen! Das ging ja ziemlich schnell. Kannst du sagen, zu welchem Zeitpunkt während der Pandemie ihr euch entschieden habt, direkt das nächste Album nach „Pitfalls“ aufzunehmen?
Das hat sich irgendwie Stück für Stück ergeben. Schon vor Beginn der Pandemie hatten wir eine Handvoll Songs, für die es erste EP-Pläne gab. Das war der Ursprungsplan, bevor es mit Corona losging und das verfolgten wir auch eine Weile so. Letzten Sommer gingen wir dann ins Studio um „Castaway Angels“ aufzunehmen. Der Song stand zu dem Zeitpunkt zwar noch für sich, sollte aber auch auf die EP kommen. Und dann merkten wir, dass wir mittlerweile fünf Songs hatten und es sich mittlerweile etwas zu lang für eine EP anfühlte. Warum machen wir also nicht ein Album daraus?
Das Schöne an den Arbeiten an „Aphelion“ war, dass die Gesamtatmosphäre sehr entspannt war und nicht so stressig, wie es sonst oft ist. Wir hatten keine Studio-Deadlines sondern schrieben Song für Song und nahmen sie dann einzeln auf. Um also auf deine Frage zurückzukommen: Die Entscheidung für ein neues vollwertiges Album fiel im Sommer 2020.
Du beschreibst den Prozess als entspannter. Aber es war auch weniger strukturiert und ihr habt in verschiedenen Studios aufgenommen. Was hat das mit dem Kreativprozess gemacht?
Es gab nicht den einen Kreativprozess sondern eher zehn einzelne Kreativprozesse. Einer für jeden einzelnen Song. Es war das erste Mal, dass wir wirklich je einen Song geschrieben und ihn dann direkt aufgenommen haben. Das war ein neuer und spannender Weg, so ein Album aufzubauen.
Der Grund, warum wir in drei verschiedenen Studios aufnahmen, waren die Reisebeschränkungen der wir durch die Corona-Pandemie unterlagen. Wir konnten nicht nach Schweden fahren. Also entschieden wir uns, ein paar Studios in Norwegen auszuprobieren. So stellten wir uns bei Ocean Sound vor, über das wir sehr viel Gutes gehört hatten. Dort wurden „Castaway Angels“ und ein weiterer Song aufgenommen. Eigentlich sollte es zunächst nur „Castaway Angels“ werden, aber wir hatten noch etwas Zeit übrig und improvisierten im Studio vor uns hin. Am Ende war „Alle The Moments“ im Kasten.
Anmerkung: Die Ocean Sound Studios liegen im äußersten Nordwesten von Norwegen am Strand der kleinen Insel Giske. Der Name ist also Programm. A-HA waren schon hier. Aber auch GRAVEYARD, MOTORPSYCHO und NEW MODEL ARMY. Im oben eingebundenen Video zu „Castaway Angels“ sieht man zu Anfang die Lage des Studios aus der Luft.
Um ehrlich zu sein, spukte die Idee schon seit Jahren in unseren Köpfen umher, den Songwriting- und Recording-Prozess mal etwas freier zu gestalten, Zeit im Studio zu haben und dort an einzelnen Songs zu arbeiten. Im Gegensatz dazu, das komplette Album schon vor Betreten des Studios bis ins kleinste Detail ausgearbeitet zu haben. Denn Studios können deutlich inspirierender sein als deine Wohnung oder dein Haus. Deswegen war es wirklich cool, diesmal im Studio der Kreativität freien Raum zu lassen.
Könntet ihr euch auch vorstellen, demnächst euer eigenes Studio einzurichten, um beim Komponieren und Aufnehmen noch freier zu sein?
Wir könnten wahrscheinlich schon jetzt alles zuhause recorden – die Drums vielleicht ausgenommen. Aber ich persönlich mag es, aus den alltäglichen Routinen auszubrechen, wenn ich mich mit der Musik beschäftige. Natürlich schreibe ich auch zuhause viel und ich habe jede Menge Equipment, um auch zuhause ordentliche Vocals aufzunehmen. Aber ich mag es einfach, alles Technische zur Seite zu legen und sich nur auf den kreativen Part zu konzentrieren, wenn ich im Studio bin. Aber du hast recht, mit einem eigenen Bandstudio wäre man vermutlich noch ökonomischer unterwegs. Aber nicht unbedingt mit besserem Ergebnis.
„Aphelion“ ist ein guter Start für LEPROUS-Neulinge
Das Ergebnis ist auf jeden Fall facettenreicher als LEPROUS zuletzt klangen. Es gibt wieder mehr Gitarren, aber Synths, Klavier und „Pop“ im Sinne von großer Eingängigkeit spielen trotzdem weiter eine wichtige Rolle. Liegt dieser stilistische Bogen auch im Produktionsprozess begründet?
Ich stimme zu, dass „Aphelion“ eines unserer Alben mit der größten Bandbreite ist. Für jemanden, der LEPROUS neu entdeckt, stellt dieses Album sicherlich einen guten Startpunkt dar.
Es ist in keiner Richtung wirklich extrem – weder extrem proggy noch extrem poppig. Aber irgendwie steckt alles drin. Wir hatten nicht den exakten Plan, „Aphelion“ so klingen zu lassen. Wir haben einfach Song für Song geschrieben und am Ende stand das, was wir jetzt in den Händen halten. Warum es im Ergebnis so klingt, wie es klingt, hat viel mit Zufällen und Spontanität zu tun.
Wenn du es mit „Pitfalls“ vergleichst: Das ist ein sehr ruhiges und strukturiertes Album. Mit „The Sky Is Red“ gibt es aber auch einen der weirdesten und progressivsten Song darauf, die wir je gemacht haben. Definitiv kein Easy Listening.
Und so ist es eben mit der Kreativität. Als wir „Pitfalls“ geschrieben haben, hätte ich zu keinem Zeitpunkt gedacht, dass so ein Song am Ende stehen könnte. Es ist einfach passiert und wir sind mit dem Flow gegangen. Das ist auch unser einziges Versprechen an unsere Fans, wann immer wir etwas Neues machen: Wir werden unserer eigenen musikalischen Vision und unseren Leidenschaften treu bleiben. Ob die Leute das dann am Ende mögen – darauf haben wir sowieso keinerlei Einfluss. Deswegen denken wir über solche Sachen auch gar nicht allzu sehr nach.
Darum geht es ja gerade, wenn man Künstler ist: Man muss fühlen und vertreten können, was man macht.
Exakt. Für mich ist es immer wichtig, dass ein neues Album seinen eigenen Vibe hat. Und bei „Aphelion“ ist es eben diese Bandbreite, die den Vibe ausmacht.
„Pitfalls“ war sehr konzeptionell aufgebaut und drehte sich um deine mentalen Probleme und Kämpfe. Ein übergreifendes Konzept gab es diesmal nicht. Hattest du an irgendeinem Punkt die Befürchtung, dass ihr am Ende mit zehn tollen Songs dastehen würdet, die sich aber nicht wie ein zusammenhängendes Album anfühlen?
Nein, solche Befürchtungen hatten wir nicht. Es gab auch einfach nichts zu verlieren. Wir waren mitten in der Pandemie und sind da komplett erwartungsfrei drangegangen. Daraus entsprang ja die große Freiheit, die wir hatten. Wenn wir am Ende zwei Songs nicht so sehr gemocht hätten, wären es vielleicht Bonus-Tracks geworden. Aber dazu kam es nicht. Wir lernten des Flow des Albums sehr bald zu schätzen. Am Ende lässt sich aus LEPROUS-Songs in der Regel auch ein kohärentes Album formen.
Wir gehen nie mit Ängsten oder Befürchtungen an die Dinge ran, wenn wir komponieren. Die Einstellung ist eher: Es wird sein, wie es sich fügt und meine Erwartungen ändern da wenig dran. Als wir zusammensaßen und uns die „Aphelion“-Songs angehört haben, haben wir aber schnell gemerkt, dass sie sehr gut zusammen funktionieren und sich wie ein Album anfühlen. Nicht alles muss bis ins letzte Detail durchgeplant sein, damit es am Ende funktioniert.
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Stile | Progressive Rock/Metal |
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