Apallic
"Autark irgendwo leben, ohne in Kontakt mit anderen zu kommen"

Interview

APALLIC aus Emden veröffentlichen mit „Edge Of Desolation“ ihr zweites Album und holen sich mit Raimund Ennenga von NAILED TO OBSCURITY lokale Unterstützung. Sänger Eike Scheubach stellte sich unseren Fragen zum neuen Album, der Pandemie und warum es gerade in Ostfriesland so viele aufstrebende Death-Metal-Bands gibt.

Apallic – Edge Of Desolation – Cover Artwork

Hey Eike, wie bist Du bisher durch die Pandemie gekommen persönlich und mit der Band?

Persönlich und auch mit der Band sind wir insgesamt gut durch die Pandemie-Zeit gekommen. Es war aber bedauerlich, dass die Proben phasenweise nicht mehr stattfinden konnten und der persönliche Kontakt somit fehlte. Das hat uns alle schon ziemlich genervt. Wir sind von daher ins Digitale gewechselt. Jeder hatte sein privates Homeoffice zum Aufnehmen von Songs eingerichtet. Wir haben regelmäßig Skype-Sessions abgehalten. So konnten wir über die Pandemie hinweg unser Album fertig schreiben. Unser Gitarrist Frank und Bassist Kristian hatten bereits gute Erfahrungen mit Home-Recording, sodass wir entsprechendes Knowhow in der Band hatten. Wir haben dadurch gemeinsam mehr experimentieren und Erfahrungen sammeln können.

Ostfriesland entwickelt sich ein wenig zum Death-Metal-Eldorado. Woher kommt Deine Inspiration? Sind NAILED TO OBSCURITY oder BURIAL VAULT Vorbilder?

Die Inspirationsquellen sind unterschiedlich. Für mich persönlich als Sänger haben verschiedene Personen eine Vorbildfunktion, da jede von ihnen sowohl Stärken als auch Schwächen hat, sei es Joann Hegg, Tuomas Saukkonen, Anders Fridén oder Raimund Ennenga. Die Liste könnte ich problemlos verlängern. Jeder hat seine Stimme individuell gestaltet und im Laufe der Jahre für sich persönlich perfektioniert, seine Bühnenpräsenz entwickelt und die Nähe zu den Leuten dementsprechend aufgebaut. Dies gilt auch für Gitarristen, Bassisten, Schlagzeuger und andere Instrumentalisten. Jeder von uns hat seine persönlichen Vorbilder, die inspirierend und auch einen fördernden Charakter besitzen. Es ist halt faszinierend, wie stark eine Band jemanden in den Bann ziehen kann. Bei einigen Bands spürt man diesen „Wow“-Effekt und man ist von Sekunde Eins an mit dabei und dieses Gefühl wollen wir zusammen als APALLIC auch an andere vermitteln. Auf der Bühne stehen kann jeder, aber auch die „Magie“ wirken zu lassen kann nicht jeder.

Raimund Ennenga ist bei „Perishing Void“ als Gastsänger zu hören. Gibt es mit NAILED TO OBSCURITY mehr Gemeinsamkeiten als nur Genre und regionale Herkunft?

Wir haben mit NAILED TO OBSCURITY einen guten Kontakt, weil wir einfach auf derselben Wellenlänge sind und sich einige in beiden Bands schon seit vielen Jahren kennen. Wir laufen uns bei lokalen Konzerten öfter mal über den Weg. Die Jungs hatten uns gefragt, ob wir sie als Opener bei dem Start ihrer „Black Frost“-Tour im Januar 2019 in Aurich supporten wollen, wo wir natürlich nicht nein gesagt haben. Als „Edge Of Desolation“ fast fertig war, haben wir überlegt, was wir noch an Feinheiten mit unterbringen können und da kam der Gedanke, mal einen Gastsänger bei einem der Songs einzuladen. Da wir Raimunds Stimme als auch unglaubliche Bühnenpräsenz sehr mögen und er einfach ein saunetter Typ ist, haben wir ihn gefragt und er sagte zum Glück auch recht schnell zu. Das Resultat kann sich aus unserer Sicht hören lassen.

„Edge Of Desolation“ ist vielschichtiger und abwechslungsreicher als „Of Fate And Sanity“

Im Promoscheiben werden APALLIC dem Melodic Death Metal zugeordnet. Viele Songs auf „Of Fate And Sanity“ und „Edge of Desolation“ weisen eine gewisse Komplexität auf, so dass mehr als nur eine progressive Note zu spüren ist. Wo sieht APALLIC sich selbst?

Wir sehen uns aktuell nicht nur im reinen Melodic Death Metal, sondern  wie du es schon bereits erwähnt hast, sind die progressiven Einflüsse deutlich zu spüren. Dazu kommt noch ein Hauch atmosphärischer Black Metal. Es ist ein Mix aus diesen Richtungen, der uns ausmacht. Wir waren nie ein Freund vom typischen Schubladendenken und werden das wohl auch nie wirklich sein. Jede Band entwickelt sich über die Jahre und von Album zu Album weiter und kreiert somit ihren eigenen persönlichen Stil, uns mit eingeschlossen. Jeder von uns hat seine Einflüsse und trägt dementsprechend seinen Teil dazu bei. Wir haben nach den Aufnahmen zu „Of Fate And Sanity“ schon gemerkt, dass wir zukünftig mehr in Richtung der Songs „Days Before The Black“ oder „A Taste Of Lethe“ gehen wollen. Auf dem ersten Album waren zum Großteil noch sehr gradlinige Songs. „Edge Of Desolation“ ist deutlich vielschichtiger und abwechslungsreicher.

„Bow To Nothing“ beschreibt ein zu sehendes Szenario bezüglich Klimawandel im Kontext Hitze, Feuer, Regen und Flut. „Torn“ erzählt dagegen eher die persönliche Zerrissenheit. Folgt „Edge Of Desolation“ einem Konzept wie der Vorgänger „Of Fate And Sanity“?

Nein, die Geschichte aus  „Of Fate And Sanity“ ist abgeschlossen. Die Option, die Story fortzuführen, wurde nach einigen Überlegungen verworfen und wir fühlten uns wohler, die neuen Songs nicht in ein vorgegebenes Konzept zu pressen, sondern davon losgelöst neue Texte zu schreiben. Die Themen auf „Edge Of Desolation“ hängen trotzdem stellenweise etwas zusammen, da wir auch hier wieder zum Beispiel Texte mit Bezug zur griechischen Mythologie untergebracht haben, wie wir es auf dem ersten Album getan haben und wir gerne Querverweise zu anderen unserer Songs einbauen.

Das übergeordnete Thema der neuen Texte ist die Isolation und Abkehr von der Menschheit, welche sich in fast allen Songs, auf die eine oder andere Art wiederfindet. Der Text zu „Bow To Nothing“ behandelt in erster Linie die Macht der Natur. Egal, was der Mensch zustande bringt, irgendwann holt sich die Natur alles zurück, auf die eine oder andere Weise. Natürlich funktioniert der Song auch in Hinblick auf die aktuellen Klimaprobleme, was jedoch nicht die Intention des Tracks ist. „Torn“ behandelt, wie du schon erkannt hast, eine Person, die mit Depressionen kämpft. Auf einer anderen Ebene könnte es auch ein weiterer Text des ersten Albums sein, wenn auch nicht beabsichtigt.

Autark irgendwo leben, ohne in Kontakt mit anderen zu kommen

Wie auf „Of Fate And Sanity“ ist mit „Solitude“ der Langläufer des Werks ans Ende der Scheibe gesetzt worden. Zufall oder Absicht?

Es ist eher eine Mischung aus Zufall und Absicht. Die einzelnen Bruchstücke zu diesem Song existierten schon länger, doch hatten diese zu Anfang einzeln nie richtig zusammengepasst. Wir hatten die Songfragmente dann erstmal beiseitegelegt, bis wieder jemand mit passenden Riffs und Passagen ankam. An diesem Song haben alle Bandmitglieder mitgeschrieben. Als das Ende des Songs stand, war für uns schnell klar, dass der Song ans Ende des Albums muss und wir somit wieder einen epischen Ausklang geschaffen haben. „Solitude“ hat nochmal alle Elemente, die auf „Edge Of Desolation“ zu finden sind.

Die Lyrics bei „Solitude“ sprechen die negativen Auswüchse der Gesellschaft an und das nur Einsamkeit diese heilt. Wie ist der Text entstanden? Das klingt, als wäre die Minimierung der sozialen Kontakte in der Pandemie ein Segen?

Der Text stand schon vor der Pandemie, hat dazu keinen Bezug und basiert auf einer Grundidee von unserem Bassisten Kristian. Die Rücksichtslosigkeit und der Egoismus einiger Menschen lassen einen manchmal verzweifeln. Das führt dazu, dass es Phasen gibt, wo wir uns einfach gerne von allem isolieren würden und der Menschheit den Rücken kehren möchten. Autark irgendwo leben, ohne in Kontakt mit anderen zu kommen, um gängigen Verhaltensmustern und Beeinflussung durch andere zu entgehen. Im Endeffekt ist diese Sichtweise als Bild auf dem Albumcover zu sehen. Diesen sich isolierenden Menschen aus dem Song, der jedoch auf eine Welt blickt, welche im ersten Song „Bow To Nothing“ beschrieben wird – so schließt sich dann wieder der Kreis.

Von Null zu knapp 800 Leuten war ein krasser Bruch

Wir müssen auf das Thema Bühne zu sprechen kommen. Wie ist die Situation für euch als Undergroundband? Tut sich was in lokalen Clubs?

Wir hatten Mitte August einen Auftritt beim Let The Bad Times Roll-Open Air Festival in Ostfriesland, was für uns nach anderthalb Jahren Pause ein echtes Highlight war. Von quasi null Live-Präsenz und einem Jahr intensiver Arbeit am Album inklusive Studio zu knapp 800 Leuten vor einem, das war schon ein krasser Bruch. Wir haben den Auftritt jedoch zu jeder Sekunde genossen, da wir nicht wissen, wann die nächsten Konzerte, vor allem Indoor, anstehen. Es wäre wünschenswert, im Winter noch einige Gigs mit dem neuen Album spielen zu können, aber wenn die Fallzahlen wieder steigen sollten, wird sich der Wunsch wohl nicht erfüllen. Wir wollen alle sicher durch diese Zeit kommen und da wäre es für alle Beteiligten unverantwortlich, bei hohen Infektionszahlen Konzerte stattfinden zu lassen. Zur Not muss die Anlage im Wohnzimmer bei den Hörern zuhause unser neues Album ordentlich durchhämmern.

Bisher waren eure Auftritte primär lokal. Soll das auch zukünftig so bleiben? Ist etwas zum Release Anfang September geplant?

Um es kurz zu machen, nein wir wollen keine lokale Band bleiben. Wir hatten in der Vergangenheit bereits auch Auftritte außerhalb, wie zum Beispiel in Wuppertal, Braunschweig, Hamburg, Solingen und einmal in den Niederlanden, nahe der belgischen Grenze, aber es waren leider einzelne Gelegenheiten, um mal Außerhalb spielen zu können. Wir wollen das natürlich ändern, aber ohne hohen Bekanntheitsgrad lässt sich erahnen, dass privat und ohne gute Kontakte keine hohe Reichweite generieren werden kann. In Zukunft wollen wir mit unserem neuen Album mehr überregional spielen, damit mehr Leute unsere Band und ihr Potenzial kennenlernen können. Wer dies also liest und Interesse an uns als auch unsere Musik hat, kann sich jederzeit bei uns melden!

Danke für das Interview, die Schlussworte gehören Dir.

In dieser schweren Krise müssen wir alle zusammenhalten und uns gegenseitig stärken, daher müssen wir ausdrücklich Danke sagen an alle, die uns und alle anderen in dieser Zeit der Pandemie immer weiter supportet haben und dies auch weiterhin tun. Wir von APALLIC sind einfach nur begeistert von allen Unterstützern und wir freuen uns sehr darauf, unser neues Album auf euch loszulassen.

29.08.2021

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