Ancient Wargod
Die Genese des Black Metals in Deutschland
Interview
Aus meinem Interview mit CHAOS PATH wusste ich, dass Dirk Schneider, Sänger von CHAOS PATH, vor vielen Jahren in einer sehr frühen deutschen Black-Metal-Band namens ANCIENT WARGOD aktiv gewesen ist. Der ANCIENT WARGOD-Song „Time Of The Emperor“ vom einzigen Album der Band „When Darkness Rises….“ (1997) auf dem hübschen Benefiz-Sampler „Masters of Cassel“ weckte dann die Neugierde so stark, dass kurz darauf das folgende Gespräch mit Dirk entstand.
Grüß dich Dirk! Danke für die Zusage zu diesem eher ungewöhnlichen Interview. Kannst du uns einleitend eine kurze Einführung in die damalige Black-Metal-Szene in Deutschland und Kassel und ANCIENT WARGOD als Band geben? Was war eure Intialzündung, sodass am Ende ANCIENT WARGOD mit 2 Demos und einem Album entstand?
Hallo Stefan, vielen Dank erst einmal für die Anfrage für das Interview, ist nicht selbstverständlich eine seit 23 Jahren nicht mehr aktive Band zu supporten. Dann wollen wir mal: Aus der Hann. Mündener Band WARGOD, die unter verschiedenen Namen seit 1991 im Underground aktiv war, wurde 1995 mit meinem Einstieg ANCIENT WARGOD. Hann Münden liegt übrigens in Niedersachsen, ca. 20 km vor den Toren von Kassel direkt an der Grenze zu Hessen. Die deutsche Black-Metal-Szene war 1994/95 noch ziemlich übersichtlich und mitten im Wachsen. Zusammen mit Bands wie MYSTIC CIRCLE, DUNKELGRAFEN, ANDRAS, IMPENDING DOOM und den großen Wegbereitern EMINENZ waren wir in der noch jungen Szene einer der aufstrebenden Sterne des deutschen Black Metal.
Die Früh-Neunziger Werke von SATYRICON, EMPEROR und MAYHEM sowie Touren von IMMORTAL, MAYHEM, IMPALED NAZARENE oder MARDUK waren der Funke, der das Feuer in uns entzündet hatte und nordisch beeinflusster Black Metal der Pfad, den wir beschreiten wollten. Allerdings nicht als reine Nachahmer, sondern mit eigener Philosophie, Intensität, Passion und Wut, die wir in die Welt hinaus schreien wollten. Das taten wir dann auch und schon kurz nach meinem Einstieg veröffentlichten wir im Herbst 1995 das erste Demo „In a Blackened Sky“. Das Demo wurde damals vom Ablaze, einem der ersten echten Black-Metal-Magazine, mega abgefeiert und öffnete uns viele Türen im Underground für Shows, Interviews etc., so dass wir wussten, dass die Zeit für uns gekommen war.
1996 gab es nach meinem vorjährigen Einstieg noch eine wichtige weitere Umbesetzung, da Drummer Shadow aufgrund persönlicher Dinge die Band verließ. Für ihn stieg Bileeam in die Band ein und dies führte dazu, dass wir auch musikalisch einen deutlichen Sprung nach vorn machten. Mit Bileeam, Farago und Shaitan nahmen wir 1996 das „Arrival of the Dark Lords“-Demo und 1997 – nach einer weiteren Umbesetzung (Martyr kam für Shaitan) – dann unsere erste CD „When Darkness rises…“ auf. Beide Veröffentlichungen hievten uns nach tollen Rezensionen u.a. im Rock Hard, Ablaze etc. auf eine Tour mit GORGORTH und MYSTIC CIRCLE und manifestierten unseren Status im deutschen Black Metal, so dass wir z.B. auch Teil der Black Metal Bible von Matthias Herr wurden. Und auch heute noch, 23 Jahre nach der Auflösung im Herbst 1998, erinnert man sich an den uralten Kriegsgott, was mir Dein Interesse zeigt.
Wie kam es denn überhaupt dazu, dass ihr mit dieser Musik in Kontakt gekommen seid, welche Bezugsquellen hattet ihr für die Musik und wer war die treibende Kraft hinsichtlich Stil und Entwicklung von ANCIENT WARGOD?
Hier möchte ich unseren Gitarristen, zweiten Sänger und Hauptsongwriter Farago nennen, der mit seinen Riffs und Ideen die Entwicklung der Band maßgeblich beeinflusst hat. Er hatte 1991 die Band DARK IMPLORE, einen Vorläufer von ANCIENT WARGOD, gegründet und war seitdem unser Ideengeber. Mit seinen Visionen kam er in den Proberaum und dort entstanden dann unter Mitwirkung aller Musiker die Schlachthymnen des uralten Kriegsgottes. Auch Farago war ein starker Bewunderer der skandinavischen Szene und ihrer Klassiker, aber sein musikalisches Interesse ging weit über den Black-Metal-Tellerrand hinaus, da er z.B. auch Gitarrenhelden wie Yngwie Malmsteen oder John Petrucci verehrte. Letztere Einflüsse hört man besonders intensiv beim Instrumentaltrack „Ancient Wargod“ auf der CD „When Darkness rises…“. Musikalische Bezugsquellen der Bandmitglieder waren neben den eigenen CD-Käufen, den einschlägigen Magazinen auch viele persönliche Kontakte zu anderen Bands in der deutschen wie in der gesamten europäischen Szene. Damals lief viel über Demotausch, unter anderem mit Bands wie DARK FORTRESS oder auch den heute Mega-Sellern BEHEMOTH, die in der gleichen Zeit ihre ersten Demos rausbrachten. Kann man sich heute kaum vorstellen. Es war auf jeden Fall eine spannende Zeit damals.
Daran anknüpfend die Frage, welche Bands euch Anfang der Neunziger inspirierten? Wenn ich euren Sound so höre, würde ich sagen, überwiegend die zweite Welle des skandinavischen Black Metals, richtig?
Absolut richtig, Bands wie SATYRICON, IMMORTAL, GORGOROTH und EMPEROR waren für uns das Salz in der Suppe und die Bands, die uns inspirierten. Ich für meinen Teil fand zusätzliche Inspirationen bei Bands wie MORBID ANGEL, DISSECTION, CRADLE OF FILTH, DIMMU BORGIR, DISMEMBER, BESTIAL WARLUST, ISENGARD, NECROMANTIA und vielen anderen aus dieser Zeit. Und natürlich waren die großen Alten aus der ersten Welle wie VENOM oder BATHORY auch schon immer eine Inspiration.
Gab es aber vielleicht auch deutsche Bands wie EMINENZ die für euch wichtig waren?
EMINENZ waren auf jeden Fall als absolute Vorreiter des deutschen Black-Metal-Undergrounds auch für uns eine wichtige Band, die uns durch die Verbindung zu unseren Brüdern von ANDRAS im zweiten Teil der 90er auch persönlich bekannt wurden. Sie waren beeindruckende Musiker und trotz ihrer Stellung als Wegbereiter absolut angenehme und bodenständige Menschen, mit denen wir uns gut verstanden und zu denen wir teilweise heute noch Kontakt haben.
Wie steht und standet ihr zur kriminellen Seite der norwegischen Szene? Waren diese Themen für euch präsent?
Natürlich haben wir damals auch diese dunkle Seite der norwegischen Szene mitbekommen, aber da wir natürlich durch die räumliche Distanz zu Norwegen nicht direkt mittendrin waren, war das für uns hier eher ein Randaspekt. Wobei wir die Taten eines Count Grishnakh oder anderer Musiker wie Bard Faust etc. absolut nicht gutheißen und in der deutschen Szene ja ebensolche kriminellen Auswüchse hatten, man denke nur an die Taten von den Absurd-Musikern. Trotzdem hat dieser Teil – wenn man ihn so nennen will – der Black-Metal-Szene für uns keine Rolle gespielt, da er für uns nie Teil der Bandphilosophie war und wir keinerlei kriminelle Ambitionen hatten. Für uns war der Black Metal ein rein musikalisches Medium, um Gefühle und Wut auszudrücken und der Welt den Spiegel vorzuhalten.
In diesem Zusammenhang noch eine weitere Frage. Wie ernst habt ihr den satanischen Aspekt des Black Metals als Teenager genommen?
Ich gebe zu, dass das damals eine absolut wichtige Komponente war. Man fühlte sich als Black-Metal-Musiker „unendlich böse“ und deswegen hat man natürlich auch zu religiösen Komponenten wie Satan und Gott gegriffen und diese lyrisch verarbeitet. In dieser Zeit war es selbstverständlich unabdingbar, Bücher wie den Hexenhammer oder die satanische Bibel zu lesen, um einen ideologischen Unterbau zu haben. Dies war besonders für mich als Sänger und Stimme der Band wichtig, da ich die kompletten Lyrics des Songmaterials schrieb. Ohne satanische Attitüde war man nur ein Poser und das war das Schlimmste, was man einer Band damals unterstellen konnte. Allerdings kamen bei ANCIENT WARGOD auch früh nihilistische und generell religionskritische Züge zum Tragen, so dass Satanismus eine wichtige aber nicht die wichtigste Säule war.
Habt ihr neben diesen Entwicklungen in der norwegischen Szene seinerzeit schon Anzeichen für sich beginnende Ausbreitung der Politisierung im Black Metal gespürt, insbesondere natürlich der Strömung des NSBM? Wenn ich das richtig sehe, ist euer Ex-Bassist Martyr später in diese Ecke abgerutscht.
Ja, leider am eigenen Leibe. Denn das Abrutschen in die rechte Szene galt nicht nur für Martyr, auch sein Vorgänger auf der Bassistenposition (Shaitan) offenbarte 1996 rechte Tendenzen und wurde deswegen aus der Band geworfen. Martyr hat traurigerweise nach seinem Rausschmiss 1998 aus der Band (wegen anhaltender Alkoholprobleme) Shaitan nachgeahmt und ist auch dorthin abgerutscht. Dies geschah aber erst, nachdem er schon nicht mehr Teil von ANCIENT WARGOD war. Generell ist es schlimm zu beobachten, dass rechte Ideologien sich nun schon seit Jahrzehnten im Bereich der (eher linksorientierten) Metal-Musik tummeln. Das ist heute auch leider noch viel schlimmer als damals. Aber man bekam diese Strömungen bereits in den Neunzigern mit, was uns damals mächtig angepisst hat und weswegen wir bei Shaitans rechten Auswüchsen auch Null-Toleranz walten ließen. Politik hat im Black Metal nichts verloren; die Musik mag rauh, antireligiös und böse sein, aber auch diese Musik soll Menschen nicht trennen, sondern verbinden, so wie es der Metal seit den Achtzigern tut.
Ich glaube, das der Black Metal der Neunziger mit seinem von vielen gepriesenen elitären Anstrich, dem Herrschaftsanspruch des Satanismus, der Menschenfeindlichkeit, die er proklamiert, und dem Glauben die einzig wahre Musik zu sein, auch mit den Boden dafür geschaffen hat, dass rechtes Gedankengut einen Weg in den Metal gefunden hat. Und dass wir heute mit NSBM sogar eine verachtenswerte eigene Sparte in der Musik ertragen müssen. Dies ist leider kein Erbe des Black Metal, auf das man als beteiligte Band stolz sein kann.
Gibt es unabhängig davon generell noch Kontakte zu den ehemaligen ANCIENT WARGOD Mitstreitern? Hast du einen Überblick zu deren laufenden musikalischen Aktivitäten?
Zu Bileeam und Farago gibt es noch intensive Kontakte. Bileeam ist mittlerweile Schlagzeuger bei der britischen Prog-Rock Band GANDALFS FIST und bei Farago im Studio entstanden die beiden Veröffentlichungen meiner aktuellen Band CHAOS PATH. Musikalisch ist Farago aktuell mit seiner Black Metal Band SERVANT aktiv, die im November 2021 ihr Debütalbum veröffentlichen. Daneben spielt er noch bei ÜBERGANG und YUGONAUGHTY. Farago und ich sehen uns regelmäßig und tauschen uns aus, er wird im kommenden Jahr auch unsere dritte CHAOS PATH Scheibe produzieren.
Wenn du die heutige Szene mit den Anfängen vergleichst. Was war damals besser, was ist heute vorteilhaft?
Ich gebe zu, dass ich nicht mehr ganz so tief in der aktuellen Entwicklung stecke und auch heute keinerlei richtige Szene mehr beobachte. In den Neunzigern war alles im Black Metal jung, wild und ungestüm, es gab diese Art Musik vorher nicht und viele Wege und Ausprägungen mussten erst geschaffen werden. Deswegen ist es gut zu wissen, dass man damals mit ein Wegbereiter dieser Musik hier in Deutschland war. Wir hatten noch maximale künstlerische Freiheit und haben diese auch entschieden umgesetzt.
Auch heute gibt es noch sehr gute inspirierende aktuelle Bands wie MORAST, SECRETS OF THE MOON (die ja auch schon älter sind), SERVANT oder die Kasseler TIMOR ET TREMOR und VERDERBNIS. Bands, die ihren eigenen Weg gehen und Dinge ausprobieren, obwohl viele Pfade schon beschritten wurden. Das finde ich gut und da hat man das Gefühl von ehrlicher Attitüde. Dagegen klingt vieles was heute so unter dem Stempel des reinen Black Metal erscheint sehr gleich, fast stereotyp und jeder, der glaubt daheim ein bisschen rumzukreischen und ein paar Riffs mit Drumcomputer zu unterlegen hält sich heutzutage für eine tolle Band. Das war es nicht, was wir damals für unser Vermächtnis geplant hatten. Aber so etwas fördern natürlich auch die heutzutage viel besseren Aufnahmemöglichkeiten im Gegensatz zu damals, als wir noch jeden Ton live im Studio selber spielen mussten und ihn nicht daheim am Rechner geradeziehen konnten. Aber ich will nicht zu altklug klingen, solange die richtige Attitüde hinter der Musik steckt, wird sich gute Musik immer durchsetzen und man wird sich an sie erinnern. Übrigens finde ich Black-Metal-Elemente in der Musik bei Bands hingegen klasse; bei CHAOS PATH haben wir selber einige skandinavische Verweise mit drin, da unsere Gitarristen God of Carnage und Richy Backfire da ziemlich drauf abfahren.
Insbesondere die ersten beiden Demotapes, 1995 und 1996 erschienen, sind heute, auch gebraucht, nicht mehr erhältlich. Gibt es Überlegungen diese als Neuauflage zugänglich zu machen?
Wir freuen uns sehr, dass die beiden ANCIENT WARGOD Demos mittlerweile gesuchte Raritäten sind. Dies gilt übrigens auch für die CD. Ich denke jeder Besitzer wird sein Exemplar auch entsprechend hegen und pflegen. Für alle die, die damals keins bekommen haben oder die heute gerne etwas davon hören würden, haben wir eine sensationelle Nachricht: 2022 wird es zwei Vinyl-Veröffentlichungen von ANCIENT WARGOD geben, bei der auch die Demos eine Rolle spielen. Zum einen wird es eine 25th Anniversary Vinyl Edition unserer Debüt-CD „When Darkness rises…“ geben, diese wird als schwarze Vinyl-Remaster Auflage mit Liner Notes und neuen Covermotiv im Frühsommer 2022 veröffentlicht. Zum anderen wird es eine Demo Vinyl-Edition mit einer Auswahl von Stücken der beiden Demos „In a Blackened Sky“ und „Arrival of the Dark Lords“ geben, die von Farago und mir persönlich ausgewählt wurden. Auch dieses Vinyl wird schwarz sein und die Demo Tracks werden extra dafür Vinyl gemastert, bekommen Liner Notes und ein besonderes Covermotiv. Diese Demo Edition erscheint ebenso im Frühsommer 2022. Wir freuen uns sehr auf diese Wiederveröffentlichungen aus einer Zeit, in der deutscher Black Metal geboren wurde.