Ad Infinitum
Du kannst zwanzig Jahre immer das gleiche Album schreiben, das ist aber langweilig. Wir wollen uns weiterentwickeln!

Interview

Die schweizerisch-deutsche Band AD INFINITUM veröffentlicht im Oktober ihr viertes Studioalbum “Abyss“. Dieses Album markiert zugleich den Beginn einer neuen Albumtrilogie, deren weitere Teile “Surface“ und “Elysium“ heißen werden. Zum Anlass der Veröffentlichung haben wir mit Gitarrist Adrian und Bassist Korbinian gesprochen, die uns ein paar spannende Details von den Aufnahmen und den Videodrehs erzählt haben.

Hallo Adrian und Korbinian! Herzlich willkommen und vielen Dank, dass ihr euch heute die Zeit für ein paar Fragen nehmt!

Adrian: Hi und klar, gerne.

Dann steigen wir doch gleich mal mit dem Thema des neuen Albums ein. Was ist denn die Story bzw der Hintergrund zu Abyss?

A: Textlich wird Abyss das düsterste Kapitel der kommenden Trilogie markieren. Es wird sich um sehr persönliche Erfahrungen und Zustände einer Person wie Kontrollverlust und Depression drehen, und der daraus resultierenden Wut und Kraft, die eben dazu führt, dass man sich auch selbst ermächtigen will. Also in manchen Songs wird’s bereits angedeutet, dass wir zum nächsten Album “Surface“ hin textlich und thematisch vorgreifen, wie z.B. im Song “Euphoria“.

Bei euren früheren Alben wurdet ihr eher beim Symphonic Metal eingeordnet. Lief die Entwicklung hin zum Modern Metal eher natürlich ab, oder war das gezielt geplant?

K: Beides ist richtig. Es hat sich in gewisser Weise für uns schon auch so ergeben. Unser Songwriting Prozess entwickelt sich ja auch, und wir kommen währenddessen dem Punkt immer näher, an dem wir gerade auch sind. Als wir anfingen die Songs zu schreiben, spricht man natürlich drüber, und wir haben festgestellt, wir hören das symphonische nicht mehr hauptsächlich so, sondern wir bauen das einfach ein, wenn es nötig ist. Adrian, ich glaube das hast sogar du gesagt. Und es war halt auch nicht nötig. Wir haben an den Songs richtig intensiv gearbeitet, und musikalisch haben die Songs ganz einfach etwas anderes verlangt. Außerdem wollten wir nicht immer nur das Gleiche machen. Du kannst zwanzig Jahre immer das gleiche Album schreiben, das ist aber langweilig. Wir wollen uns weiterentwickeln. Wir drücken etwas Neues aus, es ist eine neue Trilogie mit wesentlich persönlicheren und tieferen Geschichten, nicht mehr mit historischen Figuren. Das verlangt einfach einen ganz anderen Rahmen.

A: Long Story Short: bevor wir anfingen zu schreiben, haben wir die Entscheidung getroffen, sofern die musikalische Situation nach symphonischen Elementen verlangt, werden wir uns dem auch nicht versperren. Aber symphonische Elemente der symphonischen Elemente wegen ist halt eine relativ unmusikalische und unauthentische Entscheidung, weshalb wir im Rückblick festgestellt haben: das hat es gar nicht gebraucht. Wir erzielen auch so den nötigen Effekt, den wir haben wollten. Auch diese Soundlayers mehr ausdünnen, um eben auch eine deutlich kantigere Produktion zu schaffen. Je mehr du einen Song vollstopfst nach dem Motto “Oh, hier noch `ne Geige, und da noch ne Posaune, und vielleicht noch n paar Pauken oder sowas, desto mehr überlädt es die Band, und desto mehr muss der Mischer letzten Endes raus balancieren, und auch was von der Band und der Kraft der Band wegnehmen, damit das alles Platz hat im Mix. Deshalb haben wir gesagt, wir wollen das alles mal ein bisschen runterfahren und ein bisschen zielgerichteter produzieren. Damit es schön reinpuncht, weißt du.

Ich finde, das ist euch auch sehr gut gelungen. Was ich da gehört hab, hat mir extrem gut gefallen. Für mich stechen zwei Songs sehr heraus. Zum Einen “Euphoria“, das mir richtig im Ohr hängen geblieben ist, und zum Anderen “Surrender“. Letzteres könnte ich gerade in Dauerschleife hören, aber es schlägt total aus der Art mit dem poppigen Clubsound am Anfang und dem akustischen Ausklang. Wie kam es denn dazu?

A: Wir hatten das erste Songcamp im November, und wir haben alle unsere “Vibes“ mitgebracht, von denen aus wir anfangen zu arbeiten. Also so eine Art initiale Ideen. Melissa hatte “Surrender“ mitgebracht, das war auch der Arbeitstitel. Erst mal war es nur eine Melodie für den Vers, und sie hatte so ein Retro Achtziger Geigenpart, das man ganz am Anfang auch noch hören kann da drin, und das klang erst mal so nach dem “Stranger Things“-Soundtrack. Nick, unserem Drummer, hat es erst einmal gar nicht gefallen in diese Richtung zu denken. Wir haben dann die Entscheidung getroffen, lasst es uns wirklich einmal ausformulieren, denn wir haben alle diesen Achtziger-Vibe gefeiert. Wir mögen auch alle die Serie “Stranger Things“ total. Wir rechtfertigen oder legitimieren das, indem wir eben einen unfassbar harten Twist rein bauen, der dann rückblickend Sinn ergibt. Im Grunde ist die zweite Strophe dann ein Revival der ersten Strophe, nur eben mit dem klassischen Bandsound. Es war eben auch so dass wir dachten dass zum Beispiel in Bezug auf Bands wie SLEEP TOKEN die Metal Community das wahrscheinlich checken wird, dass man das durchaus kombinieren kann. Natürlich auch mit dem Fokus auf dem allerersten Breakdown, dass der das so ein bisschen rechtfertigt und die Hörer so zurücksaugt so “ah, hier bin ich“.

Das Video passt ästhetisch auch super dazu. Grad auch bei den aktuell veröffentlichten Videos sieht man meiner Meinung nach einen krassen Unterschied zum vorherigen Album. Da lag der Fokus ein bisschen auf dem Element Feuer, jetzt ist alles eher kalt, steril, und Farben wie schwarz, silber, blau und weiß dominieren. Dazu haben die Videos krasse Effekte, wie z.B. eine Unterwasserszene in “My Halo“. War das nur ein Effekt, oder war Melissa da wirklich unter Wasser?

A: Ja, das war ein mitternächtlicher Pool-Dreh im Pool des Nachbarn unseres Videografen. Der wurde so auf 30 Grad erhitzt, dann konnte man da schon ein paar Shots drehen. Das war auf jeden Fall ein sehr, sehr langer Abend!

Und Outer Space? Waren das dann auch eher Effekte, oder hing sie in den Szenen in “Schwerelosigkeit“ dann an einem Trapez oder so etwas ähnliches?

K: Da war sie tatsächlich angeseilt. Da kamen auch extra zwei Leute, die haben dann dieses Rig quasi installiert, damit das auch sicher ist. Die haben Melissa dann eingespannt, und dann hat sie erst mal üben und rauskriegen müssen, wie das so funktioniert. Sie wurde von den beiden dann eingewiesen. Danach hat glaub ich jeder von uns sich da mal rein gezwängt und es versucht, und es ist wahnsinnig schwer. Du brauchst wirklich eine krasse Körperspannung, es ist schon sehr beeindruckend, dass sie das dann innerhalb kürzester Zeit dann so raushatte.

A: Auch den Überschlag muss man sich erst mal trauen! Aber Melissa ist ja unfassbar fit, macht extrem viel Sport und Pole Dance, das kam ihr da dann sehr zugute.

Der Effekt kommt im Video auf jeden Fall super rüber!

K: wir wollten halt auch mal was Neues machen. Du findest immer irgendwas, was andere Bands schon mal getan haben, aber wir wollten jetzt nicht mehr die offensichtlichen Wege für uns gehen, sondern uns so ein bisschen neu entwickeln. Deswegen sind auch ein paar kleine Gimmicks drin, wie zum Beispiel die lustige Funk-Gitarre in “Surrender“

Wenn wir gerade bei “Surrender“ sind, wer hatte dann die Idee für den Drehort? Der sieht aus wie ein Strommast?

K: Das ist das Tetraeder in Bottrop.

A: Das ist einfach nur ein Aussichtsturm mit einem futuristischen Gerüst. Ich weiß gerade nicht wie hoch das genau ist, fünfzig oder sechzig Meter? Mir haben schon ein bisschen die Knie geschlackert, als wir da hoch sind. Jedenfalls hat das unser Videograf ausgesucht, weil er auch die Konstruktion ein bisschen in die Storyshots einbinden wollte. Also wenn Melissa dann auf die Konstruktion rauf gejagt wird zum Beispiel. Der Mirko hat da schon immer coole Ideen für die Locations in Nordrhein-Westfalen, wo wir immer drehen.

Am Ende des Videos sieht es ja so aus, als würde sie sich das Auge selbst einsetzen. Geht die Geschichte im nächsten Video dann weiter?

A: Ja, die Videos sind alle zusammenhängend. Also zum Beispiel dieses Flimmern in ihrer Hand, als sie die Wächterin schockt, das ist ja bereits in Outer Space schon aufgetaucht. Dass sie eben Zugang zu gewissen Fähigkeiten hat. Und ich kann mal anteasern, es wird immer mehr dazu verlaufen, dass sie sich immer mehr verändert und immer mehr Sachen bzw Prothesen aufnimmt, die sie von ihrer Ursprungsgestalt entfremden. Das wird auf jeden Fall da ansetzen und noch viel, viel krasser werden!

Ihr geht jetzt im Herbst auf Support-Tour für KAMELOT, und im Frühjahr für ELUVEITIE. Habt ihr eine Headliner-Tour in Planung?

K: Ich glaube das können wir schon sagen, dass wir das definitv planen, aber wir können noch nichts Genaueres dazu sagen. Wir hatten tatsächlich heute Morgen ein längeres Gespräch mit unserem Management, da ging es unter Anderem darum. Man darf sich also auf eine Headline-Tournee von uns freuen. Der genaue Zeitraum hängt noch von ein paar Faktoren ab, aber höchstwahrscheinlich nächstes Jahr.

Sind auch Festivals in Planung?

K: Selbstverständlich. Dieses Jahr waren wir weniger auf Festivals vertreten. War einerseits schön, weil wir alle nach den Albumaufnahmen gestresst waren, aber andererseits tut es immer auch ein bisschen weh, man vermisst es schon. Wir hatten zwar einige wenige Festivals, aber nächstes Jahr planen wir mehr. Einfach, um das Album den Festivalsommer über auch präsentieren zu können.

Habt ihr, wenn ihr euch entscheiden müsstet, einen Lieblingssong?

A (wie aus der Pistole geschossen): “Follow Me Down“.

K: Für mich ist es tatsächlich “My Halo“. Der fühlt sich für mich am rundesten an. Das war auch einer der ersten, die wir in der neuen Soundrichtung fertig hatten.

A: Der Song ist laut meiner Erinnerung am Anfang des zweiten Camps entstanden, und da waren ja schon fünf oder sechs Ideen relativ ausformuliert, aber du hast Recht, dass “My Halo“ nach der Fertigstellung nochmal rückwirkend bestimmt hat, wie alle anderen Songs produziert werden könnten. Auf dieser Basis wurde an den anderen dann auch nochmal rumgedoktert. Für mich ist es auf jeden Fall “Follow Me Down“. Das Riff geht einfach in die richtige Richtung, die Struktur stimmt einfach von vorne bis hinten, und meiner Meinung nach ist es einer der besten Refrains auf dem ganzen Album.

Sind das dann auch die Songs, auf die ihr euch live am meisten freut?

A: Ja, auf jeden Fall!

K: Die neuesten machen immer am meisten Spaß. Die sind noch recht unverbraucht. Ich weiß nicht wie es dir geht, Adrian, aber für mich fühlen sich manche Songs schon wieder alt an. Ich hab Bock auf was Neues!

A: Wir hören live nicht, wie es draußen klingt, nur auf den In-Ears. Aber ich finde schon auch, dass die neuen Sachen am besten klingen. Ich weiß nicht genau, woran es liegt. Aber da ist dieser extra Schub an Druck, dieses Schwebende. Dieses Gefühl, wenn man die Produktion auf dem Ohr hat und gleichzeitig live spielt, ich hab da am meisten das Gefühl dass ich auf so `ner Soundwelle einfach nur runter surfe. Das ist ein unglaublich geiles Gefühl, und das hab ich am meisten bei allen Songs vom neuen Album.

Gab es einen Song, bei dem ihr euch bei Aufnahme und Produktion dachtet “Ohje, das wird nie was“, oder waren alle total easy und glatt?

K: Wir hatten natürlich mit allen Songs sehr viel Arbeit. Am meisten jedoch tatsächlich mit “Follow Me Down“, den gab es in gefühlt zwanzigtausend Varianten. An der finalen Variante haben wir wirklich viel arbeiten müssen. Es gab auch etliche Songs, die es gar nicht auf das Album geschafft haben. Wir sind letztens noch mal ein paar Dinge durch gegangen und sind dann auf solche gestoßen und mussten dann kurz überlegen, was war das nochmal? Wir schlagen uns da schon künstlerisch auch die Köpfe ein.

A: Auch “Surrender“ war am Anfang schwierig. Ich kann mich noch erinnern, dass unser Drummer Nick anfangs kein Fan davon war und erst etwas dazu sagen wollte, nachdem die Ideen ausformuliert waren. Das entwickelte sich dann allmählich in Richtung “ach, ist schon irgendwie witzig, und wir wollen ja auch die ganzen Reaktionen sehen, und mal gucken wie die Fans reagieren“. Das hat dann ja auch zu nem kleinen Backlash geführt, dass sich da viele persönlich angefasst gefühlt haben, dass da eine Minute lang so eine Synthwave-Eighties-Hymne da antanzt, bevor es erst zum Metal wird. Aber wir haben halt gedacht, der Song lässt sich noch besser erklären, wenn es eben auch eine Single ist und wir ihn auch ordentlich promoten können und eben auch ein Video dazu entsteht, das auch das Konzept dazu ein bisschen klarer macht. Viele alte Metalheads haben sich trotzdem sehr auf den Schlips getreten gefühlt. Aber das ist uns sehr egal.

Du kannst es sowieso nicht richtig machen. Machst du zwanzig Jahre das gleiche, wird sich auch jemand beschweren, weil du zwanzig Jahre das gleiche machst.

K: Richtig!

A: Ja!

K: Wir haben kein Problem mit schlechten Kommentaren, das ist uns wie gesagt ziemlich wurst. Was aber gar nicht ok ist, ist wenn in den Kommentaren dann sexistische Sachen auftauchen, oder Dinge unter der Gürtellinie. Da fragen wir uns dann einfach, was stimmt mit manchen Menschen nicht? Da sollte man einfach ein bisschen Awareness schaffen. Keine Ahnung, vielleicht müssen wir noch mehr in die Richtung machen? Ansonsten, wenn es einem nicht gefällt, hört man eben was anderes.

A: Ich bin überzeugt, dass Aufmerksamkeit alleine Hate generiert, da kannst du machen was du willst. Aber wenn du eine bestimmte Menge an Menschen erreichst, hast du immer dieses laute ein Prozent, das besonders aktiv ist in den Kommentaren, das lässt sich glaube ich nie vermeiden.

Leider nicht, aber dann muss man hoffen, dass die anderen lauter sind!

A: ja, genau!

Zum Abschluss noch die famous last words: was möchtet ihr unseren Lesern gerne mitteilen, was ich euch nicht gefragt hab?

K: Wir freuen uns auf den Albumrelease und auf die Zukunft. Wir bedanken uns bei allen, die dieses Album feiern und diesen neuen Schritt mit uns mitgehen. Wir wissen, dass wir jetzt aus dem Symphonic ein bisschen raus einen Schritt nach vorne gemacht haben. Wir freuen uns über jeden, der diesen Schritt mit uns geht, der die Kunst zu schätzen weiß, der die Musik mag, und bedanken uns für die Unterstützung.

A: Die kommende Tour wird im Zeichen des neuen Albums stehen, und wir haben richtig richtig Bock! Wir haben ein neues Bühnenkonzept, neue Stageoutfits geplant, wir bringen die ganzen Alben und Versionen mit auf die Tour, auch unterschrieben, und es wird eine richtig richtig spannende Sache, dieses Set zu spielen. Wir sind unglaublich am Ackern, dass diese Tour mit dem neuen Album eine ganz fantastische Sache wird. Wir sind auf jeden Fall überzeugt dass wenn wir etwas machen das unserem Geschmack entspricht, dass es auch Leute gibt, mit denen es resonieren wird. Deswegen sind wir da relativ furchtlos, neue Wege zu gehen.

Vielen Dank, Adrian und Korbinian, für das sympathische Gespräch!

Quelle: Interview mit Ad Infinitum
09.10.2024
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