In Legend
Interview mit Bastian Emig zu Ballads 'N' Bullets
Interview
Am 20. Mai 2011 erscheint das Debütalbum „Ballads ‚N‘ Bullets“ der Piano Metal Band IN LEGEND. Vorangegangen ist dem Album die 2010 erschienene EP „Pandemonium“ und zwei Touren mit VAN CANTO, bei denen Bastian Emig (Piano, Vocals), Daniel Wicke (Bass) und Dennis Otto (Drums) bereits unter Beweis stellen konnten, dass sich auch mit gitarrenfreiem, klavierbasiertem Metal Circle Pits bilden lassen. Dass IN LEGEND ausgerechnet mit VAN CANTO auf Tour waren, liegt weniger daran, dass sich die Musiker beider Bands durch eine Gitarrenallergie verbunden fühlen, als an der beide Bands verbindenden Person Bastian Emig.
Nachdem sich Bastian zahlreiche Jahre durch Europa und China getrommelt hat, war es an der Zeit, dem zweiten wichtigen Instrument in seinem Leben die verdiente öffentliche Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Nachdem sich IN LEGEND live bewähren konnten und uns auch „Ballads ‚N‘ Bullets“ überzeugen konnte, wollten wir der Band mit einem ausführlichen Interview die verdiente öffentliche Aufmerksamkeit zukommen lassen.
Frei nach dem Motto „Musiker muss man nehmen wie sie kommen“ baten wir Bastian Emig zum Interview als er im Rahmen der GRAVE DIGGER „The Clans Will Rise Again“-Tour als ORDEN OGAN-Ersatzdrummer in München war. In diesem Artikel geht es um allgemeine Fragen zur Entwicklung und Musik von IN LEGEND, das detailierte Song by Song findet Ihr in unserer Specials-Rubrik.
Ihr redet in Eurem Promotext von einem zehnjährigen Reifungsprozess der Band. Was hat zehn Jahre gedauert und wo ist der Startpunkt gesetzt?
Das ist eine gute Frage. Ich habe mich das auch letztens gefragt, wann denn eigentlich die Vision dieses Sounds, den wir mittlerweile fahren, begonnen hat. Was heißt mittlerweile? Zu dem es jetzt geworden ist! Wann die so ihren Ursprung hatte und das kann ich leider nicht mehr sagen. Ich weiß nur, dass ich in der Phase, in der ich in meinen Augen am weitesten von der Musik entfernt war, nämlich als ich studiert habe, sehr intensiv geschrieben und bewältigt habe. Da ist, glaube ich, viel von dem Sound entstanden und das dürfte mit 2001 mitten im Studium gewesen sein.
Geschrieben im Sinne von?
Ausprobiert, viel ausprobiert. Also viele Lieder geschrieben und am Klavier gesessen und dann auch viel mit dem Klaviersound experimentiert. Was man machen kann, wie weit man gehen kann. Alles am Maß des Machbaren, der Erträglichkeit. Ein gutes Maßband von dem was noch zumutbar ist und was nicht.
Du sagst ja selber immer wieder, dass Du keine Noten schreiben kannst. Wie schreibst Du Deine Kompositionen auf, oder nimmst Du das immer sofort auf?
Also das Gehirn speichert viel, aber es ist tatsächlich so, dass ich viele Ideen, die ich habe, die es mir wert erscheinen, dass ich daran in Zukunft noch mal arbeite, dass ich die auch wirklich aufnehme. Früher klassisch mit Kassettenrekorder, dann mit Mehrspurgeräten, jetzt mit, was weiß ich, was grad zur Hand ist. Ich habe mehrere Bibliotheken voll und meine ganzen Tapeten stehen voller Blätter, auf denen irgendwelche Teile kartographiert werden, die ich aufgenommen habe und auf die ich noch mal zurückkommen möchte.
Hat sich der Schreibprozess in der Zwischenzeit verändert? Während des Studiums wird das sicherlich anders abgelaufen sein als jetzt. Vor allem wenn sich der Sound der Band erst im Laufe der Zeit herausgebildet hat.
Also ich glaube Melodiebögen oder Hooklines als solche nicht. Ich glaube, das ist der ureigene Stempel, den jeder Musiker so ein bisschen in sich trägt, was für Melodien er schreibt und wie er sich musikalisch vermittelt. Aber die Art und Weise wie er die präsentiert, wie er die einbettet, in welchen Sound der Band, wie das rübergebracht wird, das hat sich definitiv verändert. Das hat aber auch einen externen Schub bekommen als Charlie Bauerfeind das zum ersten Mal gehört hat und da auch gute Ansätze gesehen hat.
Ich hatte nach dem Studium viel weiter geschrieben und bevor ich nach China gegangen bin, habe ich das erste Demo in die Richtung fertig gemacht. Als ich wiederkam bin ich mit VAN CANTO ins Studio und da hat Charlie das Demo zum ersten Mal gehört. Er hat das Ganze dann in eine deutlich härtere und energetischere Richtung haben wollen. Da kam es noch mal zu einem Schreibprozess, der deutlich punktuierter und fokussierter auf diesen härteren Stil war, der sich etabliert hat. In den natürlich auch so ein Drumsound, wie Charlie ihn letztendlich gemacht hat, reinpasst.
Das war so der Werdegang der letzten Jahre. Lieder wurden am laufenden Band geschrieben, aber der Sound der Band findet mit dem Debütalbum eine erste Repräsentation. Wo es beim zweiten und dritten hinkommt, weiß ich noch nicht, aber das Ergebnis der Soundsuche der letzten Jahre ist schon mal ein erster Schritt.
Gibt es einen Song, der noch danach klingt bevor Charlie Bauerfeind darauf eingewirkt hat? Also wenn es durch seinen Einfluss härter geworden ist, wie klang die Musik vorher?
Ja nicht härter, aber das Demo – das übrigens auch „Ballads ‚N‘ Bullets“ hieß – hatte viele schicke Lieder, aber die Vielgestaltigkeit, die Bandbreite war deutlich weiter gefasst als auf dem „Ballads ‚N‘ Bullets“-Album, wie es letztendlich geworden ist.
„Prestinate“ ist ein Song, der damals auf dem Demo war. Den habe ich jetzt zwar noch mal ein bisschen geändert, aber den Song hat Charlie schon gehört. Aber sonst ist da keiner. Viele Songs, die ich in Zukunft wieder aufgreifen werde, aber alles andere ist danach entstanden.
Also ist „Prestinate“ der älteste Song auf dem Album?
Ja. Obwohl, hast Du die Liste da? Ist doch wunderbar! Der Refrain von „The Healer“ ist schon auf dem Demo zu finden und „Universe“ ist ziemlich im Original. Aber „Universe“ ist auch so ein klassischer Midtempo Song, der ist ja schon in sich sehr ambivalent. Das ist ein sehr softer Start und dann wird’s einfach nur breit, mächtig. Jetzt nicht wirklich hart, aber Härte definiert sich in dem Bereich ja ohnehin anders. Also alle die glauben nur CANNIBAL CORPSE ist hart, für die ist dieses musikalische Erlebnis wohl eher ein Griff ins Klo.
Die verpassen dann was, würde ich sagen.
Das hoffe ich.
Dann zu einer sehr schönen Beschreibung: „Ein Raum, ein Klavier, ein Gefühl“. Das hast Du scheinbar letztes Jahr auf die Frage geantwortet, wie der Songwritingprozess verläuft.
Das stimmt, ja.
Und dann?
Nix.
Wie geht es danach weiter?
Das ist wie ein Ehezimmer, was hinter der Tür passiert, wissen nur die beiden.
Ja, aber da gehe ich nicht ganz mit. Denn gerade Deine Texte sind sehr unterschiedlich. Manche scheinen sich auf die Worte zu konzentrieren, andere eher auf den Inhalt der Worte; während einige sehr abgehackt sind, weisen manche klare Reimschemen auf, bei anderen scheint wiederum die Geschichte im Vordergrund zu stehen. Da muss ja, zumindest wenn es an die Texte geht, noch ein bewusster Schreibprozess stattfinden. Die Aussage „Ein Raum, ein Klavier, ein Gefühl“ klingt aber nach einem sehr emotionalen Prozess.
Das stimmt, aber das ist auch wirklich in den meisten Fällen zu trennen. Die Musik, die Entstehung der Musik, hat bislang – also auf der Platte jetzt – in den seltensten Fällen was mit der Entstehung der Texte zu tun. Der Entstehungsprozess der Texte ist ein ganz anderer als der der Musik. Die Musik kommt zu mir, die Texte muss ich ziehen, holen. Das ist der große Unterschied. Bis auf „Life Is Up To You“, das ist sehr nah, da ging der Entstehungsprozess Hand in Hand und bei „Soul Apart“ ehrlich gesagt auch.
Da sind sozusagen Musik und Text zusammen entstanden?
In dem Moment, genau so. Das war in dem einen ein sehr positives Gefühl, in dem anderen ein sehr negatives Gefühl. Das ist eigentlich ganz gut, die beiden kann man sehr schön gegenüber stellen.
Ja, zu dem Zeitpunkt als ich die Drums aufgenommen habe, gab es noch gar keinen Schlagzeuger für die Band als solche. Und Daniel hat die Songs mit seinem geilen Basssound angewumst.
Mehr nicht?
Nein. Geschrieben und arrangiert habe den Kram erstmal ich. Und dann mit den vor allem produzierenden Kräften an der Seite daran gefeilt: Charlie Bauerfeind, Jürgen Lusky und Stefan Schmidt von VAN CANTO hat auch viel produziert.
In Stefs Studio, den Exajoule Studios, haben wir den Sound gebastelt und daran gefeilt. Mit Jürgen Lusky habe ich das im HOFA gemischt und gemastert. Da ging es darum, die Transparenz im Sound der Band herzustellen und Schwerpunkte zu geben, wo genau das Klavier liegt und wo nicht. Das ist ein riesen Problem! Das Klavier hat einen Frequenzgang von ganz unten bis ganz oben, es ist einfach überall. Die Gitarre ist schön mittig, deswegen kannst Du die schön platzieren und auch sehr hart gestalten. Ein Klavier ist dagegen überall und das dann so einzusetzen, dass eine Bassdrum und der ganze andere Kram – schön fetter Bass genauso wie der Gesang – auch noch seine Präsenz hat, das ist sehr schwer. Da habe ich viel mit Jürgen im Nachhinein gebastelt. Das Ergebnis kann sich hören lassen, wie ich finde.
Besteht das Problem live genauso? Macht die größere Bandbreite des Klaviers da ebenso Probleme?
Ja klar. Aber man muss erstmal gedanklich weg vom klassischen Bandaufbau. Es sind halt nicht zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug und gut ist, sondern die Impulse werden viel vom Klavier gesetzt. Das Klavier ist aber gleichzeitig ein melodieführendes Instrument.
Dann hast Du ein Riffing, das von beiden Händen getragen wird und gleichzeitig ist die linke Hand überwiegend dafür da, Akkordwechsel zu stellen. Das heißt, was in einer normalen Band drei Instrumente machen, machst Du mit zwei Händen. Der Bass wirkt da unterstützend, keine Frage, aber viel von dem was sich sonst zwei Gitarristen teilen, teilen sich in dem Fall „nur“ zwei Hände. Also ein Instrument von dem der ganze Sound ausgeht.
Das macht es nicht einfach. Im Studio habe ich da viel mit Charlie rumgerätselt, was wir wann unterstützen, den Gesang, das Klavier, die rechte Hand, die linke Hand, den Chordwechsel, oder doch eher das Riff.
Live gestaltet sich das dann eher durch die Frage, wie die Lautstärkeverhältnisse sind: Wie platziere ich was gegenüber den Elektrosounds, die auch noch dabei sind, und der Mehrstimmigkeit wenn Daniel singt. Aber das würde ich nicht als Problem sondern als Herausforderung bezeichnen.
Die Ihr ja schon auf zwei Touren mit VAN CANTO gut gemeistert habt. Aber zurück zu „Ballads ‚N‘ Bullets“, worum geht es in den Songs?
Ich stelle fest, dass alle Texte persönlich sind und sich damit auseinandersetzen, wie man sich selbst im Leben platziert. Sie behandeln die Höhen und Tiefen oder Schwierigkeiten, die man hat um der Selbstverwirklichung nachzugehen und das Leben auch zu nutzen. Oder gewissermaßen der inneren Stimme zuzuhören, was man wirklich will und eben dann in letzter Instanz auch die Eier hat, das so durchzusetzen. Ich denke, das ist ein Konflikt, den jeder irgendwo mit sich hat oder in sich trägt und als Musiker – sei es in der Ausübung als Musiker oder sei es auch nur in der Fertigstellung der Musik – da gibt es Hürden noch und nöcher. Sich da selbst treu zu bleiben und den Zweifel in Schach zu halten, das sind glaube ich schon die Themen.
„Heya“ ist beispielsweise unheimlich positiv, ist eine Kampfansage, „The Healer“ genauso. Das sind wertvolle Statements, die mir selbst auch helfen, mich an neuerlichen Hürden gewissermaßen auszuprobieren. Die helfen mir sozusagen selbst über aktuelle Sachen hinweg. Das ist ganz gut.
Gut, das passt auch zu meinem Eindruck von den Texten, thematisch würde ich Euch durchaus in die „Inner Strength“-Schublade stecken.
Die gibt es, die „Inner Strength“?
Ja, das wurde zum Beispiel VAN CANTO in der Encyclopaedia Metallum zugeordnet.
Inner Strength? Geil! Na da lass ich mich gerne reinstecken. Na wobei, VAN CANTO, Hero Metal A Cappella, ist ja wirklich „Faust in die Luft“ und „gemeinsam schaffen wir das“. Der Ansatz ist es definitiv nicht! Also ich setze mich schon auch mit dem Scheitern auseinander. Das ist deutlich existenzieller. Ich singe da auch von den Schattenseiten und da, wo der Spagat ganz besonders weh tut. Was nicht weniger positive Aussage haben muss oder weniger „Inner Strength“ letztlich sein muss, aber ich thematisiere auch, dass der Erfolg als solcher eine ambivalente Sache ist. „Elekbö“ ist beispielsweise ein Song der unheimlich tief geht, genauso wie „Heaven Inside“.
Du hast im Song by Song bei „Heaven Inside“ Deinen China-Aufenthalt angesprochen. Letztes Jahr hast Du „RockCon“, eine NGO, die Du mit René Pickhard gegründet hast, in einem Interview erwähnt, da hieß es noch „mal schauen, was draus wird“. Wie sieht es momentan aus?
Also René ist ja wieder zurück in Deutschland, hat aber unter RockCon in China ein paar Konzerte veranstaltet, unter anderem mit ASSASSIN, die jetzt auch bei SPV gesigned sind (Anm. d. Red.: IN LEGEND wurden Anfang 2011 bei SPV gesigned). Das ist definitiv ein Projekt, das zwar jetzt gerade durch die „Ballads ‚N‘ Bullets“-Veröffentlichung auf Eis liegt, aber das wird vorangetrieben. Und ich denke, dass ich im Sommer wieder nach China fliegen werde, René wird mich wahrscheinlich begleiten und drüben sitzt der Yang. Wir haben viele Pläne, suchen jetzt gerade nach Sponsoren, die das mit unterstützen wollen damit der Austausch von Bands auch stattfinden kann. Also, dass viele Bands von hier nach China können und chinesische Bands in Europa Fuß fassen. Da sind wir dran, da wird es bald Neuigkeiten geben.
Ja, das ist aufgegangen! Ich war da ja persönlich etwas skeptisch, aber wir haben ein kleines Team im Hintergrund – René, Lisa und Robert. Die haben diese Idee gemeinsam mit uns ausgearbeitet und wir haben das dann einfach mal probiert. Das Ganze war ein voller Erfolg! Der größte Teil derer, die sich das runtergeladen haben, hat auch gespendet. Das war überraschend. Auf der Tour mit VAN CANTO hatten wir für eine Band, die eigentlich noch kein Album draußen hat, sondern „nur“ eine EP, auch eine umwerfende Resonanz. Wir haben mittlerweile eine fantastische Fanbase, eine Gruppe von Supportern, die sich zum Beispiel selbst ein T-Shirt gemacht hat als wir noch keinen offiziellen Merch hatten. Was die alles auf die Beine gestellt haben, das war ein fantastisches Gefühl, das hätten wir nie gedacht. Da merkt man, dass man auch nur Teil einer ganz großen Sache ist die Spaß macht und wir tragen da mit unserer Musik ein bisschen was bei. Momentan formiert sich ein Streetteam und es werden jede Menge neue Sachen geplant.
Und was erwartet uns von IN LEGEND dieses Jahr noch, außer der „Ballads ‚N‘ Bullets“ Veröffentlichung am 20. Mai?
Viele schöne Konzerte hoffentlich. Wir buchen gerade, also wir sind am Konzerte ausmachen. Ansonsten sehr gute, lustige Videos und ich würde einfach sagen, immer mal wieder die Webseite besuchen für News. Wer mag kann sich auch einfach im Newsletter eintragen oder mal auf Facebook gucken, was geht. Es ist spannend, wir erfahren viel positive Resonanz, die schön ist, über die wir uns sehr freuen und wir sind gespannt auf das Kommende.
Mal gucken. Die Welt ist nicht genug!
Nicht? Was wollt Ihr denn noch haben?
Mal schauen, wir haben ja Lieder wie „Universe“.