In Aphelion
Kinder, Katzen und Konzertpläne

Interview

Gerade mal ein halbes Jahr nach dem neuen NECROPHOBIC-Album schnitzt sich Gitarrist und Songwriter Sebastian Ramstedt mit seinem Side-Project IN APHELION ein tolles neues Album namens “Reaperdawn” aus der Hüfte. Wie es dazu kam, woher der sträflich unterschätzte Gitarrenvirtuose seine Inspiration nimmt und was es über seine uralte Gitarrenpartnerschaft mit Johan Bergebäck zu erzählen gibt, erfahrt ihr im Interview auf metal.de.

Grüß dich, Sebastian und danke, dass du dir für dieses Interview Zeit nimmst. 2024 war ja ein aufregendes Jahr für dich. Immerhin kann nicht jeder von sich behaupten, in so kurzer Zeit gleich zwei gleichwertig starke Alben veröffentlicht zu haben.

Es fühlt sich gut an. In Wirklichkeit aber waren 2022 und 2023 die geschäftigen Jahre. Ein Album aufzunehmen dauert ungefähr sieben Monate. Das fand also schon in den Jahren davor statt. Dieses Jahr beschäftigen mich hauptsächlich die ganzen Interviews.

Weißt du, ich mag alten Metal und Rock sehr. KISS haben in den Siebzigern quasi alle sechs Monate ein Album veröffentlicht. Ich habe mir ein wenig die Herausforderung gesetzt, etwas Ähnliches zu schaffen. Ich wollte immer schon mal zwei Alben im Jahr veröffentlichen. Ich wollte aber keine Abstriche bei der Qualität machen, also musste ich schon hart arbeiten. Bisher schaut es so aus, als würden die Leute beide Alben mögen.

Ja, das wäre meine nächste Frage: Wie kommt das Album bei den Leuten an? “In The Twilight Grey”, das aktuelle Album von NECROPHOBIC, erhielt ja sehr gute Resonanzen.

Meine persönlichen Feeds waren mit wirklich guten Kommentaren bezüglich “Reaperdawn” geflutet. Als wir “In The Twilight Grey” veröffentlichten, geschah das eher auf der Bandpage. Speziell im Vergleich mit dem letzten Album “Moribund” ging die Resonanz für “Reaperdawn” in die Höhe, das freut mich sehr. Es übertrifft sogar meine Erwartungen, denn wir sind eine kleine Band und es ist außerdem nicht die Band, für die ich sonst bekannt bin.

Das freut mich sehr zu hören. Gab es etwas, das du im Vergleich zu “Moribund” verändern wolltest?

Ich wollte einen anderen Produzenten. NECROPHOBIC arbeiten seit “Hrimthursum” von 2006 immer mit Fredrik Folkare [Gitarrist von u. a. UNLEASHED, ersetze Sebastian selbst von 2011 bis 2016 bei NECROPHOBIC – Anm. d. Red.] zusammen. Wegen des Budgets und der Pragmatik haben wir auch auf “Moribund” mit ihm zusammengearbeitet.

„Ich mag eigentlich keinen Death Metal“ – Sebastian Ramstedt

Dieses Mal hatten wir aber ein größeres Budget und beschlossen, Tore Stjerna [u. a. WATAIN, OFERMOD – Anm. d. Red.] hinzuzuziehen, der mehr Black-Metal-Bands produziert. Wir wollten uns mehr vom Death Metal wegbewegen. Ich meine, NECROPHOBIC ist eine Black-Death-Metal-Band, aber ich bin eigentlich kein großer Death-Metal-Fan. Ich stehe eher auf Black, Heavy und Thrash Metal. Ich wollte uns mit diesem Album stärker als Black-Metal-Band fokussieren. Das wollte ich auch mit dem Sound unterstützen.

Ich würde noch mal auf diesen “KISS-Rhythmus” zu sprechen kommen. Hast du dir selbst Druck gemacht oder bist du sozusagen eine kreative Seele und die Songs kommen ganz natürlich aus dir heraus?

Wenn der kreative Fluss ein Mal eingesetzt hat, ist es für mich sehr leicht, ihn am Laufen zu halten. Wenn ich mich dann mit etwas Anderem beschäftige, kann es manchmal dauern, bis ich wieder reinkomme. Heutzutage benötigt man aber auch weniger Zeit zum Aufnehmen, Analysieren und so weiter, weil die Technik mittlerweile so viel besser geworden ist. Wenn du zum Beispiel zu Hause ein Demo aufnimmst, kannst du die Gitarrenspuren für die eigentlichen Aufnahmen mitunter wiederverwenden. Es ist in gewisser Weise einfacher geworden, gute Songs zu schreiben und sie gleich am Rechner zu arrangieren. Früher musste man viel mehr im Proberaum ausprobieren, weshalb das Songwriting Jahre gedauert hat.

Ist zufrieden: Sebastian Ramstedt. (Foto: Stefan Schumann, metal.de)

Jedenfalls habe ich eine gewisse Arbeitsdisziplin, aber ich kämpfe nicht gegen Druck, weißt du? Dann würde ich das Projekt beenden. Ich würde keine Alben unter Druck veröffentlichen. Wie jeder andere von uns habe ich schon immer einen regulären Vollzeit-Job; dementsprechend ist die Musik dazu da, mich zu befriedigen. Für mich ist es ein Vergnügen und ein Bedürfnis, mich in Musik auszudrücken. Aber es ist natürlich Arbeit und sie erfordert Geduld und Verständnis von den Menschen um dich herum. Du brauchst einen verständnisvollen Arbeitgeber, eine verständnisvolle Ehefrau, verständnisvolle Freunde.

NECROPHOBIC ist eine Band, bei der die Leute ziemlich konkrete Erwartungen haben, wie sie klingen soll, nehme ich an. Bei IN APHELION dürfte das nicht in dem Maße der Fall sein. Mir ist zum Beispiel auch aufgefallen, dass die Lead-Gitarren-Arbeit noch ein gutes Stück ausgefeilter ist als bei deiner Stammband. Deswegen frage ich mich, ob IN APHELION für dich möglicherweise auch die persönlichere Band ist.

Sie ist es, auf jeden Fall ist sie das. Ich war bei NECROPHOBIC kein Gründungsmitglied. Ich musst in die Fußstapfen von David Parland treten, der ein exzellenter Musiker und ein echter Visionär war [Parland ist 2013 verstorben – Anm. d. Red.]. Ich nahm seinen Platz bei NECROPHOBIC ein und versprach, sein Erbe zu wahren; vor allem nun, da er tot ist. Ich wollte niemals seine ursprüngliche Idee von der Band verfälschen. Die Band ist außerdem seit vielen Jahren eine starke Gruppenleistung. Ich schreibe zwar die meisten Songs und ich schreibe Songs, die ich wirklich schreiben will, aber ich kann bei NECROPHOBIC nicht einfach tun, was ich will. Ich mache die Songs auf eine Weise, die ich nicht wählen würde, wenn ich sie nicht für Joakim, Johan und Anders schreiben würde.

IN APHELION: Zu drei Vierteln NECROPHOBIC?

Bei IN APHELION genieße ich den Luxus, dass ich freier bin und mir nicht um Death Metal Gedanken machen muss. Wie ich schon sagte, mag ich Death Metal im Vergleich zu früher nicht mehr so besonders; wobei ich schon noch gern solche Riffs schreibe – ich höre sie mir nur bei anderen nicht mehr gern an. Ich muss nur daran denken, wie ich den Song an sich haben will. Bei NECROPHOBIC ist außerdem das sehr persönliche Drumming von Joakim Sterner fundamental, an das ich mich anpassen muss beim Komponieren. Bei IN APHELION schreibe ich die Drums einfach, wie sie mir gefallen und Marco [Prij – Anm. d. Red.] setzt das problemlos um. In zehn Jahren gibt es solche Erwartungen vielleicht auch bei IN APHELION, keine Ahnung.

Sind die Drumparts dann allesamt deine Ideen oder bringt Marco auch etwas ein? Mir ist auch aufgefallen, dass sie wesentlich technischer als bei NECROPHOBIC sind, deswegen fragte ich mich, ob das deine oder seine Neigungen sind.

Ich schreibe eigentlich für beide Bands die Drums. Ich schreibe 90 Prozent von Joakims Drums und 90 Prozent von Marcos Drums. Aber Marco und Joakim haben jede Freiheit, etwas zu ändern. Ich bin aber auch ganz gut darin geworden, ihnen etwas anzubieten, was sie mögen und sowieso tun würden. Marco hat natürlich einige Dinge geändert, weil er im Gegensatz zu mir ein echter Drummer ist. Aber das meiste kommt von meinen programmierten Drums und das funktioniert auch bei NECROPHOBIC, weil ich inzwischen sowieso weiß, was Joakim an einer bestimmten Stelle spielen würde.

Eine echte Band – IN APHELION (Foto: Leo Bergebäck)

Da Bassist Tobias Cristiansson nun wie Johan und du auch bei beiden Bands spielt, stellt sich die Frage, ob es eigentlich leichter oder schwerer ist, Dinge zu organisieren, wenn sich drei Typen in zwei Bands überschneiden.

Es ist sehr einfach. Ich finde, Tobias ist der beste Bassist, mit dem ich je zusammengespielt habe. Er ist nicht deswegen Bassist, weil er ursprünglich mal der schlechteste Gitarrist in der Gruppe war. Bei 90 Prozent der Bassisten im extremen Metal ist das  der Fall. Tobias hat seinen Background wie ich im melodischen Hard Rock. Er kann der Musik mit dem Bass richtig Seele geben, weil er eben nicht nur die ganze Zeit so hart wie möglich Sechzehntel Noten schrubbt. Leider ist er auf “Reaperdawn” nicht zu hören, weil er etwas zu spät beigetreten ist.

Tobias Cristiansson (Foto: metal.de)

Tobias half uns aber auch bei den Live-Gigs, daher war es naheliegend, dass wir ihn als erstes fragten. Es war aber eigentlich nicht die Absicht, gleich drei Leute von NECROPHOBIC in der Band zu haben [lacht]. Überraschenderweise interessiert das aber niemanden. Wir sind eben keine verdammten Rockstars. Niemanden juckt es, was Sebastian tut [lacht erneut].

Natürlich waren zunächst nicht alle bei NECROPHOBIC glücklich darüber. Es ging aber für alle in Ordnung, als sie verstanden, dass es kein Wettbewerb ist. Weißt du, es gibt unterschiedliche Motivationen in dieser Band. Manche sind glücklich damit, alle sechs Jahre ein Album zu veröffentlichen und ich könnte am liebsten alle sechs Monate ein neues Album herausbringen. Somit war es für alle am Ende eine Win-Win-Situation.

Mich hat es ehrlich gesagt auch nicht übertrieben überrascht. Mein Freundeskreis und ich machen oft Witze darüber, dass schwedische Musiker eurer Generation häufig auf vier, fünf legendären Alben ganz verschiedener Bands gespielt haben.

[schmunzelt zustimmend]

Das bringt mich aber zu einer weiteren Frage. Ich finde es wirklich cool, dass du beinahe in jeder Band, in der du in den letzten 30 Jahren gewesen bist, gemeinsam mit Johan Bergebäck als Gitarrenpartner gespielt hast. Was ist das Besondere an eurem Zusammenspiel und eurer Kommunikation?

Diese Beziehung existiert schon so lange, dass wir kaum noch darüber sprechen müssen, was der jeweils andere will. Ich muss ihm auch nicht erklären, was ich spiele oder was er spielen soll. Wir waren noch nicht mal richtig erwachsen, als wir uns kennenlernten. Ich war 17 und er 16. Unser Gitarrenspiel klingt zusammen einfach wie eine Einheit. Wenn du einen von uns wegnimmst, fehlt etwas.

Seit mehr als 30 Jahren Gitarrenkumpels: Sebastian und Johan, hier live mit NECROPHOBIC (Foto: metal.de)

Wir haben auch unterschiedliche Prioritäten. Während ich jeden Morgen aufwache und versuche, herauszufinden, wie man besser Soli spielt, wacht er jeden Morgen auf und fragt sich, wie man die Band voranbringen und promoten könnte. Mir hingegen fällt es schwer, mein ‘Produkt zu verkaufen’. Wenn ich meine eigenen Sachen anhöre, denke ich schon, ‘das ist gut.’ Aber ich würde niemals davon ausgehen, dass jemand am anderen Ende der Welt Geld dafür ausgeben würde. Dann kommt Johan hinzu und sagt ‘Sebastian, wir müssen das veröffentlichen. Alle werden es lieben!’ Er ist natürlich auch ein sehr guter Musiker, aber wir haben unterschiedliche Herangehensweisen. Er möchte gern ein Rhythmus-Gitarrist sein und hat noch nie oberhalb des zwölften Bundes gespielt.

Du hast in mehreren Interviews den Einfluss von klassichem Hard Rock und Heavy Metal auf dein Spiel und Songwriting betont und auf “Reaperdawn” gibt es wirklich eine Vielzahl von grandiosen Gitarrensoli. Mit welcher toten oder lebendigen Person würdest du gerne mal auf einem Album so richtig einen wegshredden?

[seufzt] Ich denke an Jake E. Lee, der bei OZZY OSBOURNE auf “Bark At The Moon” und “The Ultimate Sin” spielt. Er ist einer meiner Alltime Faves. Ich weiß aber auch, dass Lead-Gitarristen häufig introviert und schwierig zum Zusammenarbeiten sind. Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee wäre [schmunzelt]. Auch an Warren DeMartini von RATT denke ich. Sein melodischer Stil und mein Stil könnten zusammen zu etwas ganz Coolem beitragen. Auch wenn ich britische Musik mehr mag, liebe ich vor allem die L.A.-/US-Gitarristen der Achtziger, die Bands wie MAIDEN oder PRIEST in Sachen Technik und Einfallsreichtum um Lichtjahre übertroffen haben.

Glenn Tipton und K. K. Downing haben perfekte Soli für die Art von Musik, die sie gemacht haben, gespielt. Aber Eddie Van Halen, Steve Vai und Jake E. Lee haben die Möglichkeiten auf der Gitarre ohne jedes Limit neu erkundet. Jeden Tag bin ich davon beeinflusst.

Da ihr nun schon einige Shows mit IN APHELION gespielt habt – hast du dich inzwischen daran gewöhnt, dass du nicht nun auch der Sänger und Frontmann in einer Band bist?

Ich singe und spiele tatsächlich schon Gitarre seit meiner Schulzeit – wir hatten da eine Punk-Band. Bei NECROPHOBIC habe ich auch direkt nach “Darkside” Chöre und Backing Vocals mitgesungen. Auf “In The Twilight Grey” singe ich die letzte Strophe des Titelsongs. Aber ich habe das noch nie für 60 Minuten gemacht, was die Herausforderung darstellt. Die Stimme für eine Stunde aufrechtzuerhalten, ängstigt mich ehrlich gesagt zutiefst. Wenn ich mich nicht gut höre und zu Beginn eines Sets zu viel Lautstärke kompensiere, laufe ich Gefahr, meine Stimme zu verlieren, da ich nicht über diese modernen Techniken verfüge. Ich nehme aber die Herausforderung an, so wie ich Gitarrensoli gelernt habe, die eigentlich über meinen Fähigkeiten liegen. Es war harte Arbeit, weil auch die Riffs sehr kompliziert sind, aber es hat sich gelohnt. Gene Simmons konnte auch alles gleichzeitig singen und spielen, was nötig war [lacht].

Wollt ihr mit IN APHELION eine Tour machen? Was sind eure Zukunftspläne mit dieser Band?

Daran arbeite ich sogar gerade, wir buchen gerade etwas zusammen. Das Problem bei Touren mit IN APHELION ist, dass wir in unseren Fünfzigern sind und Jobs, Häuser und Familien haben. Ich habe vier Kinder und fünf Katzen – diese Dinge kosten Geld! Wie also bringt man eine Band so klein wie IN APHELION auf Tour ohne Geld zu verlieren? Jetzt mit Century Media könnte das funktionieren, aber bisher war das der Grund, weshalb wir noch nicht auf Tour waren. Wir können uns nicht mehr wie mit 18 benehmen. Aber es wird etwas passieren!

Danke für deine Zeit und das tolle Interview, Sebastian. Einen schönen Abend dir noch!

Cheers, bye und danke!

Quelle: Sebastian Ramstedt | Fotos: Leo Bergebäck, metal.de
14.09.2024

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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