Imperial Triumphant
Dystopisch und retrofuturistisch

Interview

Imperial Triumphant – 2020

IMPERIAL TRIUMPHANT mischen  seit ein paar Jahren mit ihrem eigenwilligen Mix aus Jazz und dissonantem Black/Death Metal in Nordamerika die Szene auf. Bereits Vorgänger „Vile Luxury“ hat ein Bild zwischen Opulenz und verrottender Dekadenz ihrer Heimatstadt New York gezeichnet. „Alphaville“ setzt dies nun fort. Wir konnten Mastermind und Gitarrist Zachary Ilya Ezrin zum Fragenhagel bekommen. Über das Verhältnis von Musik zu seiner Stadt, warum alle Bandmitglieder sehr cinephil sind, er ungern anderen vorschreibt, was man hören kann und was nicht, so wie vieles mehr gibt er im Folgenden Auskunft.

 

metal.de: Korrigier mich, wenn ich falsch liege, aber ihr seid ja alles New Yorker, bzw. in New York situiert. Ich persönlich hab noch nie die Reise über den Teich gemacht und war in den Staaten, aber in meinen Augen hat New York immer so ein bisschen Amerika als ganzes symbolisiert: Es gibt Reichtum und Glamour, tolle menschliche Leistungen und Erfindungen, Broadway, Big Apple, Wallstreet, auf der anderen Seite liegen Korruption, Gewalt, Ghettos. Zwei Seiten derselben Medaille. New York ist ein Schmelztiegel der Kulturen, natürlich auch historisch in der Musik, wenn man an Jazz, Hip-Hop, Rock, Hardcore und natürlich auch etwa Death  Metal denkt. Euer erstes Album „Vile Luxury“ war bereits eine Art Liebes- bzw. Hassbrief an die Stadt. Wie inspiriert euch New York bei eurer Musik und wie unterscheidet sich „Alphaville“ von „Vile Luxury“?

Zach: Großartige Frage! Die Inspiration ist sehr mannigfaltig und du hast sie eigentlich schon perfekt beschrieben: Der multikulturelle Aspekt, die Dualität der Stadt, die unterschiedlichen Level an sozialen Verhältnissen. Aber auch die Energie, Architektur, die Geräusche, Gerüche und Sehenswürdigkeiten der Stadt. All diese Dinge haben mich musikalisch, lyrisch und auch konzeptionell in jeglicher Weise bei IMPERIAL TRIUMPHANT beeinflusst. Ich suche ständig nach neuen Wegen, diese Einflüsse in der Musik zu interpretieren. Ich denke, dass „Vile Luxury“ hat tatsächlich ein wenig mehr eine „luxuriöse“ Seite, falls man davon reden kann bei unserer Musik. „Alphaville“ ist da mehr dystopisch und retrofuturistisch. Findest du das auch?

Im Hinblick auf den Vibe, den die Musik zusammen mit dem Cover auslöst, definitiv ja. Kommen wir einfach mal zum Cover. Davor muss ich aber noch sagen, das erste was ich mit dem Titel assoziiert habe, war die deutsche Pop-Gruppe ALPHAVILLE, nicht der Film von Jean Luc Godard, auf den sich natürlich aber auch die zuerst genannten berufen. War mir in dem Moment noch gar nicht so bewusst. Der visuelle Aspekt zieht sich auch schon konzeptionell seit euren letzten zwei Alben würde ich sagen ganz durch IMPERIAL TRIUMPHANT. Zusammen mit euren Liveperformances, wo ihr die Masken trägt, was ein rundes Ganzes gibt. Auch das geniale Cover von „Alphaville“ aus der Feder von Zbigniew Bielak hat ganz offensichtlich Anleihen an die goldene Filmära der 20er Jahre wie Fritz Lang’s METROPOLIS. Seid ihr in der Band alle so cinephil?

Wir haben den Namen definitiv nicht von der Popgruppe genommen (lacht). Ja, ich würde definitiv sagen, dass wir alle in der Band Filme sehr gern mögen. Unser Bassist Steve ist wahrscheinlich der größte Movie-Buff von uns. Aber wir mögen es alle, Filme, oft auch unbekannte und obskure, zu entdecken, zu sehen und uns davon inspirieren zu lassen. Wie man sehen kann, wollen wir nicht nur Namen referenzieren, sondern auch Optik und Konzepte auf unserem neuen Album.

Ich denke, dass das dem ganzen eine gute Kohärenz gibt. Wenn wir von den Texten reden, was sind die Hauptthemen des Albums?

Ich denke hauptsächlich die dystopische Zeit im momentanen Jetzt. Natürlich geht es viel um New York, aber es geht auch um „Kontrollzentren“, die überall auf der Welt existieren, ebenso in New York und verschiedene Perspektiven aufs Leben, ein wenig die esoterischen Aspekte im urbanen New York und der Kultur, die gern sonst schnell übersehen werden.

„Alphaville“ hat wieder viele Gastmusiker. Viele kamen auch schon auf „Vile Luxury“ vor, aber „Alphaville“ setzt da noch einmal gewaltig einen drauf. Wie sind die Kontakte zustande gekommen?

Wir kennen alle Personen die auf dem Album vorkommen persönlich. Nicht erst seit gestern. Es ist nicht so als ob wir ein paar Namen aus dem Hut zaubern und entscheiden mit denen gemeinsam zu arbeiten. Wir wissen, wer in Frage kommen könnte. Der Kontakt mit Tomas Haake beispielsweise ist über unseren Drummer Kenny zustande gekommen. Er war sehr aufgeregt mit uns zusammen zu arbeiten und war sehr gespannt, mit den Taiko Drums zu arbeiten. Das sind Möglichkeiten, die sich im Leben oft nur einmal und mit Glück ergeben. Das schwierigere war tatsächlich mit den jeweiligen einzelnen Künstlern unsere Terminkalender unter einen Hut zu bekommen.

War das bereits geplant oder haben sich die Gäste während des Songwritings einfach so ergeben?

Nein. Das war schon geplant. Wir arbeiten immer gern mit Gästen zusammen auf unseren Alben und etwa die Idee mit den Taiko Drums existierte schon seit den Aufnahmen zu „Vile Luxury“ und kam von Steve.

Dieses Mal habt ihr auch zwei Cover auf dem Album von zwei Künstlern die eigentlich nicht mehr an gegenüberliegenden Spektren liegen könnten: VOIVOD und THE RESIDENTS. Wie ist die Entscheidung für diese beiden Stücke gefallen?

Wir wollten unsere Fans überraschen mit der Auswahl. Steve wollte schon immer mal ein VOIVOD-Cover machen und ich wollte immer schon mal mich an THE RESIDENTS versuchen. Wir wollten sie nicht einfach covern, sondern wirklich die IMPERIAL TRIUMPHANT-Version davon erschaffen, in einer Linie mit dem Rest von dem Album und ich bin echt happy damit, wie sie geworden sind.

Ihr habt wieder mit Trey Spruance (MR. BUNGLE) und Colin  Masterson (GORGUTS, KRALLICE) produziert, welcher auch schon auf „Vile Luxury“ involviert gewesen ist. Seid ihr dieses Mal anders an die Aufnahmen gegangen?

Trey dabei zu haben war schon anders. Für uns war das das erste Mal, einen Produzenten dabei zu haben und nicht alles hauptsächlich alleine zu produzieren. Sein Input war sehr hilfreich. Jedes Mal wenn du neu im Studio aufnimmst, lernst du etwas. Das war dieses mal auch wieder so: Wir wollten gewisse Dinge ändern, die auf dem vorigen Album unserer Meinung nach nicht so gut gelaufen sind. Du startest aber jedes Mal wieder bei Null in gewisser Hinsicht. Du kannst experimentieren und neue Dinge ausprobieren. Wir haben uns dieses Mal sehr viel Zeit gelassen bei dem Tracken und der Auswahl. Wollen wir doch lieber noch einen anderen Amp ausprobieren oder eine andere Snare nehmen? Solche Dinge waren entscheidend.

Wie geht ihr etwa einen Track wie „Atomic Age“, der eine Menge unterschiedliche Passagen hat, an? Wie entscheidet man sich für die einzelnen Stellen?

Das ist echt interessant, weil das noch niemand bislang gefragt hat. „Atomic Age“ basiert eigentlich nur auf einem einzigen Rhythmus. Und zwar dem, den man sofort zu Anfang des Songs hört. Da kommen dann natürlich verschiedenen Instrumente dazu, verschiedene Akkorde und so weiter, aber der Rhythmus ändert sich nie während des ganzen Songs. Das war ein Song, den wir beim Jammen ausgearbeitet haben. Welche Struktur er haben sollte. Als wir dann final das Thema, also diese Atombombentests um die 1950er Jahre, festgesetzt hatten, haben wir uns erneut rangesetzt. Hier sollte die Gitarre klingen wie ein Fliegeralarm, das ist der musikalische Punkt an dem die Bombe gezündet wird und so weiter. Wir haben sogar echte japanische Fliegersirenen in den Song mit eingebaut. Es ist sogar einer der älteren Songs und wir haben eine ganze Menge Takes gemacht, wieder verworfen, solange dran gearbeitet, bis es sich perfekt für uns angefühlt hat.

Das ist überraschend für mich zu hören, da der Track im Gegensatz zu den anderen sehr viel strukturierter und wohlüberlegter klingt. Dann zu erfahren, dass er nur auf einer einzigen musikalischen Idee entstanden ist und Jam-mäßig drum herum gebaut wurde ist faszinierend. Wie beeinflusst euch die momentane Situation in New York, nicht nur durch Corona, aber auch das Black Lives Matter-Movement. Wie beeinflusst euch das im täglichen Leben?

Das Leben ist für uns nicht großartig anders, es geht wie zuvor eigentlich. Es wird aber definitiv besser, die Stadt öffnet langsam wieder, die Tode gehen – zumindest hier in New York – wieder zurück. Das einzig nervige ist das Verschieben des Drehs für unser Musikvideo vor etwa drei Monaten. Wir versuchen das neu zu  planen. Wir mögen Musikvideos sehr, sie sind ein toller Ausdruck für unsere Kunst. Wir haben mit Animationen und Stock-Fotos experimentiert in der Zwischenzeit, einfach um etwas als Ersatz zu haben. Aber es ist natürlich besser, wenn wir komplette Kontrolle  und kreative Freiheit haben.

Also trifft das dann auch auf eure erste Single „Rotted Features“ zu?

Ja, das ist genau die Single zu der wir eine Art Ersatzvideo dann hatten, da wir ja nichts drehen konnten.

Aber das geplante Video war dann für einen anderen Song gedacht, oder? Habt ihr sonst noch weitere Singles vor Albenrelease geplant?

Ja, ich hoffe wir kommen noch dazu ein Musikvideo zu drehen, so schnell wie wir können.

Ihr mischt musikalisch die eher abgründige Metalseite, mit sehr vielen Dissonanzen, mit Jazz. So weit ich es verstehe, haben nicht nur du, sondern auch Steve und Kenny einen Jazz-Background. In welcher Musiksparte seid ihr mehr zu Hause, was ist eure „Heimat“ wenn man so will?

Das ist hart zu sagen, wir alle lieben Musik im Allgemeinen. Ich bin mit Metal aufgewachsen und das gilt für Steve genauso. Wir haben uns in Jazz dann erst später verliebt. Kenny, unser Drummer, hat anfangs eher Latin gespielt und ist dann später erst so richtig in Metal eingestiegen. Er hat also eine ganz andere Palette an Fähigkeiten als ein Drummer, was uns denke ich definitiv zugute kommt. Aber ich kann mich da nicht für eine favorisierte Richtung entscheiden. Ich liebe fast jede Musikrichtung die es gibt.

Wenn du dich allerdings entscheiden müsstest, was wäre da in deiner engeren Auswahl? Das Jahr ist erst etwa halb rum, aber angenommen es würde nun enden, was wären deine Top 3 bisher?

Ich habe definitiv die neue ORANSSI PAZUZU sehr genossen, was gibt es noch… Muss es Metal sein?

Nein, es kann jegliche Musikrichtung sein.

Warte, da muss ich erst überlegen. PYRRHON kommt bald mit einem neuen Album heraus. Alle Singles bislang von denen waren echt stark. Was mich auch überrascht hat war das neue TOMBS-Album.

Gibt es aus New York sonst noch Bands, die vielleicht nicht so bekannt sind,  man aber definitiv auschecken sollte?

Das ist schwer, denn die meisten Bands die ich wirklich mag aus New York sind eh schon sehr bekannt. Ich glaube die Band ist nicht mehr aktiv, aber ich liebe COUCH SLUT. Die Gitarristin von COUCH SLUT hat eine Band namens EPISTASIS, in der auch Alex Cohen, einer unserer Session-Drummer, gespielt hat. Es hat definitiv eine Herangehensweise, die IMPERIAL TRIUMPHANT auch hat: Ein Mix aus unterschiedlichen Musikrichtungen, um wirklich hässliche, eklige Musik zu schaffen.

 

Mehr oder weniger über Zufall bin ich auf den Facebook-Post von dir gestoßen, wo du dich für eine Top-5-Liste von Bands im Revolver-Magazin entschuldigt hast, die mittlerweile nicht mehr einsehbar ist. Das Problem scheint die rechte Gesinnung einiger Bandmitglieder der angesprochenen Bands gewesen zu sein. Nun seid ihr alles andere als rechts, aber diese Distanzierung bzw. die Forderung nach Distanzierung liest und sieht man immer häufiger bei Künstlern, die etwa ihre musikalischen Vorlieben von sich geben. Manche Künstler in ihrer Funktion als Bandsprachrohr, aber auch als Privatperson trennen dann für sich Künstler und Kunst bei anderen Bands und hören die trotz fragwürdigem Hintergrund, aber als in der Öffentlichkeit stehende Person ist das schwieriger, auf solche Vorwürfe nicht zu reagieren. Manche ignorieren es, andere wollen sich erklären und schreiben eine Entschuldigung, so wie du. Wie hältst du es damit? Wo ziehst du persönlich für dich die Linie?

Ich denke, es ist eine delikate Balance. Zum einen würde ich mit dir überein stimmen, dass man ja sonst gut zwischen Künstler und Kunst trennen kann, auf der anderen Seite sollte es so Dinge wie NSBM natürlich gar nicht erst geben. Black Metal muss nicht so sein, um gut zu sein. Ich würde sagen, im Allgemeinen ist eine solche Situation einfach nur frustrierend. Ich denke, die Leute die sich darüber aufregen wollen heimlich die Band mögen, weil sie die Musik toll finden, aber nicht die Leute dahinter, deswegen kommt es zu einem innerlichen Konflikt.

Diese Frage zwischen der Trennung zwischen Kunst und Künstler stellt sich ja auch bei anderen Musikgenres, aber auch etwa im Film: Darf man immer noch Michael Jackson hören, kann ich mir noch Kevin Spacey-Filme anschauen und so weiter.

Ja, es wird eine ziemliche Gratwanderung, wenn man Kunst mag, die von Leuten produziert wurde, die einfach nur böse Menschen sind. Ich denke es ist einfach eine subjektive Entscheidung jedes einzelnen. Was er tun möchte oder auch nicht. Ich bin niemand, der anderen Leuten nun vorschreiben wollen würde, was sie hören können und was nicht. Ich wünschte nur, dass es nicht so ein großes Problem wäre, was man privat gerne hört. Ich denke in anderen Genres wo andere Künstler vielleicht auch Inspiration von anderen problematischen Individuen haben sieht man diese Aufregung nicht so häufig wie im Metal.

Ich denke, es ist immer schwer, die Einstellung von Menschen anhand solcher Vorlieben einzuschätzen, da man immer aus seiner eigenen Blase heraus schaut. Ich kenne ein paar sehr links eingestellte Menschen, die trotzdem manche relativ rechts verortete Bands gern hören. Das spielt sich dann aber in einer sehr privaten Blase ab. Wenn keiner das weiß und man das für sich behält, gäbe das kein großes Problem. Als Künstler selbst ist das natürlich schwerer, da man in der Öffentlichkeit steht, einen gewissen Einfluss hat, auch Verantwortung. Wenn Leute dann eine öffentliche Rechtfertigung für gewisse private Vorlieben etwa fordern, kann man das nur entweder ignorieren oder probieren sich zu erklären. Was du ja getan hast. Besonders interessant wird es in Hinblick auf DEATHSPELL OMEGA, die ja auch im Interview von dir genannt wurden und mit ihrer dissonanten und avantgardistischen Musik definitiv einen künstlerischen Einfluss im europäischen Black Metal hinterlassen haben. Musikalisch gesprochen finde ich, dass ihr etwas Ähnliches in Amerika mit IMPERIAL TRIUMPHANT versucht. Nicht als Derivat, sondern in neuer Weise, eben auch mit New York als Einfluss.

Absolut. Wir wollen ähnlich wie DSO probieren, in neue Nischen zu stoßen und neue Sounds in die Musik der Szene zu bringen. Ich denke, niemand  hat etwas derartiges wie „Alphaville“ schon gehört. Ich bin sehr aufgeregt, es final mit allen teilen zu können.

Es gibt viele Metalbands, die Dissonanz und unharmonische Musik spielen und auch Einflüsse aus dem Jazz nehmen, wie etwa GORGUTS. Aber das ist meist nur in sehr kleinen Dosen und nicht als Haupteinfluss wie bei euch. Das ist finde ich die Ausnahme, die euch ins Spotlight stellt. Würdest du das auch so sehen?

Danke sehr, das ist ein nettes Kompliment, das bedeutet mir viel.

Ist das eure Anspruchshaltung, der Grund warum ihr morgens aufsteht und anfangt Musik zu komponieren? Also dieses Hervorstoßen in neue, unbekannte Territorien?

Wir probieren ganz natürlich an neue Musik heranzugehen und zwingen uns zu nichts.  Und ich glaube, diese Herangehensweise lässt uns herausstechen. Denn heutzutage gibt es viele dissonante Death- und Black-Metal-Bands, die auch ein wenig Jazzeinflüsse inkorprieren und das meiste davon fühlt sich viel zu gezwungen und gewollt an. Wir probieren nicht zu sehr den Fokus auf das eine oder andere zu legen. Es muss einfach ein natürlicher Mix aus allen Einflüssen sein.

Denkst du, dass es auch eine gewisse Freiheit in musikalischer Beschränkung geben kann? Mir fällt da spontan gerade die niederländische Black-Metal-Band DODECAHEDRON ein, die einige Songs auch auf Zahlen, etwa für ein bestimmtes Rhythmusgrundgerüst, aufbauen, sich also limitieren um daraus etwas neues kreatives zu erschaffen. Wäre das auch etwas, was du für eigene Kompositionen für IMPERIAL TRIUMPHANT tun würdest?

Ja, die kenne ich, klasse Band. Ich wusste nicht, dass sie so komponieren. Aber klar, warum nicht? Weißt du, das ist ein klassisches „Spiel“ in der Musikschule. Bau etwas tolles aus so wenig wie möglich. Moderne klassische Komponisten haben diese Herangehensweise sehr oft benutzt. So weit ich weiß hat etwa Johann Sebastian Bach viele seiner Stücke so aufgebaut. Ich denke wenn man außerhalb der Box denken will, muss man erst einmal die Box bauen. Also da ist diese Beschränkung, ohne die man nicht neu denken kann. Das pusht einen dann, neue, frische und interessante Wege für neue Kompositionen zu finden. Wenn man zu viele Optionen hat, ist man einfach zu verloren in den Möglichkeiten. Zumindest geht mir das so.

Wenn wir über Inspiration sprechen, nicht nur musikalisch, aber von Kunst ganz generell, was hat dich am meisten in New York inspiriert? Was sind Dinge, die man als Neuling oder Reisender definitiv sehen sollte, abseits der Touristen-Hotspots?

Das Chrysler-Gebäude. Man kann es sich auf dem Computer in so vielen Bildern und Winkeln ansehen wie man will, aber wenn man persönlich davor steht, sechs Uhr abends wenn die Sonne untergeht, es ist unbeschreiblich. Es ist so inspirierend, so herrlich. Die Farben mischen sich nicht wie beim Empire State. Es ist wahrscheinlich das Lieblingsgebäude, nicht nur von mir, sondern allen in der Band.

Wenn der Lockdown vorbei ist und in Zukunft alles wieder mehr oder minder normal ist, was sind eure Pläne? Gibt es Bands mit denen ihr gerne auf Tour sein würdet?

Das ist ein wenig Wunschdenken, da es momentan noch überhaupt nicht absehbar ist, wann sich alles ändert und wie auch der Markt aussieht, aber falls möglich, würde ich es lieben mit PORTAL auf Tour zu gehen. Ich weiß sie spielen nicht mehr so viel. Aber sie würden perfekt zu uns passen. Es wäre eine sehr herausfordernde und wilde Erfahrung.

Ich denke, damit bin ich so weit durch. Wenn du noch etwas zu sagen hast, hier ist der Platz dazu.

Ich bedanke mich fürs Interview und empfehle, „Alphaville“ so schnell wie möglich als LP zu ordern, denn die gehen schnell weg. Das Coverartwork kommt so einfach am besten raus, es gibt wahnsinnig viele Details und sieht umwerfend aus.

Das bringt mich spontan zu einer weiteren Frage, entschuldige bitte. Ziehst du vom Sound her Vinyl digital vor? Es gibt diese Diskussion immer wieder und viele mögen einfach die haptischen und optischen Qualitäten eines physischen Produktes wie einer Platte, aber die Qualität hängt eigentlich hinter dem digitalen hinterher, wenn man objektiv ran geht. Vinyl hat meist Kompression und weniger Dynamik, damit die Songs auf die Platte passen, jeder Platten-Spieler ist unterschiedlich, die Rillen oder Nadel können abnutzen, was auch den Klang ändert und so weiter.

Ich mag Vinyl wegen all den Dingen die du gerade angesprochen hast, aber auch die Praktikabilität der digitalen Formate. So brauch ich nicht einen Zentner Platten mit mir rumschleppen, etwa auf Reisen. Musikalisch präferiere ich definitiv Vinyl. Ich mag die kleinen Ungenauigkeiten, die Kratzer, den etwas unebenen Sound, wenn man eine Platte abspielt. Das gehört für mich einfach dazu. Ich liebe diese leicht abgefuckte, leicht anders klingende Qualität der Musik, gerade bei älteren Platten die vielleicht schon länger rumliegen und qualitativ schlechter geworden sind. Ich hab eine Menge eigenen Platten aus den 60ern, die so geworden sind. Es gibt der ganzen Musik eine düstere, leicht mysteriöse Seite. Ich habe da eine besondere Verbindung zu. Das ist keine Schwäche für mich, das ist eher eine Qualität. Wenn ich könnte, würde ich alle IMPERIAL TRIUMPHANT-Veröffentlichungen als diese abgefuckten, alten Vinyls mit all ihren Fehlern verkaufen.

Interessant, mit so einer Antwort hätte ich nicht gerechnet. Viel Erfolg mit „Alphaville“ und bis hoffentlich bald live!

 

 

 

 

Quelle: Century Media, Zachary Ilya Ezrin
25.07.2020
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