Imperial State Electric
Der gütige Diktator verscherbelt Riffs: Nicke Andersson im Interview
Interview
Schweden ist in vielen Bereichen das gelobte Land der verzerrten Gitarre. Und Nicke Andersson ist eine seiner prägenden Figuren. Mit IMPERIAL STATE ELECTRIC und „Honk Machine“ hat er dem großen Vulkan ROCK einmal mehr zu einem beeindruckenden Ausbruch verholfen. Und im Grunde wäre er auch bereit, die Welt zu retten. Mit einem Riff, einer Melodie – und natürlich Gerechtigkeit. Ein Gespräch über Musik, Kreativität, Geschmack und Politik.
Mr. Andersson, was kann man mit einer derart raffiniert erdachten und kraftvollen „Honk Machine“ erreichen, wenn man sie richtig bedient?
Vielen Dank! Erleuchtung, piece of mind und peace on earth. Und natürlich Rock’n’Roll.
Kommt das Album hauptsächlich von dir als Präsi des IMPERIAL STATE ELECTRIC oder ist es eher ein Band-Album?
IMPERIAL STATE ELECTRIC ist auf jeden Fall eine Band. Aber ein General ist nichts ohne seine Soldaten und die brauchen jemanden, der vorweggeht. Ich bin dieser General. Oder meinetwegen der Präsident, der Boss, Bandleader oder wie auch immer du es bezeichnen möchtest. Jede Band braucht jemanden, der sie antreibt. Und obwohl ich glaube, dass Demokratie politisch gesehen das beste System darstellt (oder wenigstens das am wenigsten schlechte), glaube ich nicht, dass sie im Band-Kontext funktioniert.
Mehr denn je kombinierst du auf „Honk Machine“ verschiedene Stile der Gitarrenmusik. Und du klingst dabei nie wie jemand, der versucht, wie die 60er, die 70er usw. zu klingen. Deine Songs klingen vielmehr ziemlich authentisch. Was ist der Trick?
Vielen Dank, das nehme ich als großes Kompliment. Ich weiß nicht, ob es da wirklich irgendwelche Tricks gibt. Einer könnte sein, nicht zu viel nachzudenken. Ich glaube, dass jede gute Band eine Art Filter hat, durch den alle Einflüsse und alles Inspirierende gehen, damit das Ganze dann wie etwas Eigenes klingt. Ich stehe so gesehen total aufs Klauen und vielleicht habe ich über die Jahre ein gewisses Geschick dabei entwickelt. Jedenfalls hoffe ich das.
Du hast es mal wieder geschafft, einige großartige Melodien und Hooks zu erschaffen. „All Over My Head“ bekommt man zum Beispiel kaum noch aus dem Kopf. Baust du deine Songs um die Melodie? Oder was ist der Ausgangspunkt einer Andersson-Komposition?
Ich stehe auf Riffs. Ich liebe Riffs. Aber ein Riff ist für mich nicht viel wert ohne eine passende Gesangslinie. Wenn ich Songs schreibe, schnappe ich mir normalerweise einfach eine Gitarre und klimpere herum in der Hoffnung, dass dabei etwas Brauchbares herauskommt, was zu einem Song werden könnte. Nebenbei: Ich habe noch eine Wagenladung voll Riffs ohne passende Gesangslinie in der Schublade. Die könnte ich eigentlich verkaufen. Die sind billig; nur 50 € pro Riff. Und Rabatt gibt’s auch, wenn du mehr als drei nimmst.
Da wir gerade bei „All Over My Head“ waren – ist dessen melancholischer Text autobiografisch?
Das sind meine Texte mehr oder weniger immer. Manchmal glaube ich, ein Song handele von jemand anderem, aber nach einer gewissen Zeit merke ich dann, dass er genauso von mir handelt. Meistens geht es dabei eher um ein bestimmtes Gefühl als um ein bestimmtes Ereignis. Hoffentlich können dadurch auch andere Menschen etwas mit meinen Texten anfangen.
„Honk Machine“ mangelt es nicht an Abwechslung. Und du warst in so unterschiedlichen Bands wie ENTOMBED, THE HELLACOPTERS und THE SOLUTION und hast zum Beispiel auch bei der Entwicklung das „Rock Science“-Spiels mitgemacht. Bist du (immer noch) ein Plattensammler?
Ich habe mich nie Plattensammler genannt und kaufe dennoch eine Menge Musik. Ich habe mich nur nie um spezielle Pressungen oder rares Zeug gekümmert. Für mich ist es die Musik, die zählt.
Ich habe manchmal das Gefühl, dass heutzutage zu viel Musik verfügbar ist. Man hat einfach nicht genügend Zeit, um in all die Platten einzutauchen, dies es verdienen würden. Wieviel Zeit verbringst du damit, Musik (anderer) zu hören?
Damit verbringe ich viel Zeit; das ist es im Wesentlichen, was ich mache: Ich mache Musik und ich höre Musik. Das ist mein Leben. Meine eigene Musik höre ich mir allerdings überhaupt nicht mehr an, nachdem sie veröffentlicht wurde.
Gibt es heute eigentlich mehr NEW BOMB TURKS oder mehr BEATLES in deinem Leben?
Gerade würde ich sagen NEW BOMB TURKS.
Könntest du einige Alben abseits der üblichen Verdächtigen nennen, die jeder Rock- und Metal-Fan besitzen sollte?
Wenn du Rock’n’Roll oder Hard Rock magst und „Electric Jewels“ der Kanadier APRIL WINE nicht kennst, dann erwartet dich hier Großes. It’s from ’73 and it kicks ass. Ein anderes verlorenes Kleinod ist ein Album namens „Buy American“ von DB COOPER aus dem Jahr 1980. Ich würde es als eine Kreuzung aus THIN LIZZY und ELVIS COSTELLO beschreiben. Und wenn du ein Metal-Fan bist und „Evil Invaders“ von RAZOR nicht kennst, dann schäm‘ dich!
Hast du einen Lieblingsstil neben denen mit elektrischen Gitarren?
Ich mag akustische Gitarren auch etwas. Ich mag frühen Blues sehr. BLIND WILLIE McTELL ist einer meiner Favoriten. Und an dem akustischen BOB DYLAN ist auch nichts verkehrt.
Und schließlich: Wenn der IMPERIAL STATE ELECTRIC irgendwo Realität würde… Wie wäre das Leben als Bürgerin oder Bürger in diesem Staat? Welche Gesetze würden verabschiedet?
Es wäre großartig für alle! Ich wäre natürlich der gütige Diktator. Frauen würden das Gleiche verdienen wie Männer. Es gäbe keinen Rassismus. Niemand wäre arm und schweinereich wäre auch keiner. Jede Religion wäre verboten. Schrottmusik wäre verboten. Und ein Großteil der 80er würde aus den Geschichtsbüchern gestrichen.
Gibt es sonst noch etwas, das du den Leserinnen und Lesern von metal.de mitteilen möchtest?
Vote for me as Planet Earth Dictator in 2016!