Hellfield Conspiracy
Alles über die Hellfield Conspiracy
Interview
Es ist ein kühler Herbsttag. Bäume stehen Spalier zur Auffahrt auf den umfunktionierten, alten Bauernhof im oberbayerischen Bichl. Ein Ort in der Nähe von Bad Aibling, das wiederum in der Nähe von Rosenheim liegt. Gerade legt sich der Bodennebel, als ein hölzernes Scheunentor quietschend geöffnet wird. Dahinter erscheint ein Mann mit langem, zotigem Bart. Auf dem Kopf trägt er ein Trucker-Cap, mit dem Schirm im Nacken. Darunter wallen lange Haare über die Schultern. Es handelt sich um Stefan Landinger, seines Zeichens Kopf und Schöpfer der HELLFIELD CONSPIRACY. Ein Projekt, dass für extremen Heavy Metal genauso steht, wie für Alternative Rock oder Jazz oder Sludge mit Bläserarrangements. Aber vor allem steht die HELLFIELD CONSPIRACY für Freundschaft und eine lokale Szene. Letztlich stellt das Projekt ein Konvolut aus verschiedenster Musik dar, an dem eine ganze Menge Musiker unter der Leitung von Landinger Songs aufnehmen, die von dem sympathischen und bodenständigen Bayern im Alleingang gemischt und gemastert werden.
An diesem Nachmittag lädt uns Landinger in sein Studio ein. Das befindet sich neben einigen Proberäumen einheimischer Bands, auch in dem Kuhstall. Es riecht ein wenig muffig, hier und da hängen Poster und Tourplakate windschief an der Wand, ein Kühlschrank brummt. Im Studio werden heute die Vocals für einen Old-School-Death-Metal-Song für das zweite Album “Sharks And Swans” aufgenommen. Dabei geht Landinger hemdsärmelig vor. Ohne einen separaten Regieraum oder gar ein überdimensioniertes Pult, dafür mit pulsierendem Sinn für Musik und einer buchstäblichen Nähe zum Geschehen, entstehen in ländlichem Idyll peu a peu acht Songs.
Wir konnten mit Stefan über die Entstehung der Band, die örtliche Szene und die Bedeutung vom Musizieren in diesem familiären Klima sprechen.
Erzähl doch mal, was es mit dem Namen HELLFIELD CONSPIRACY auf sich hat.
Vorbild für den Namen war schon ein bisschen die CAVALERA CONSPIRACY. Zwar sind die beiden ja Brüder, aber der Klan aus Freunden hier unten wird von vielen als zweite Familie bezeichnet. Wir kennen uns teilweise seit 25 oder 30 Jahren und machen jetzt das erste Mal zusammen Musik. Das hat dann schon etwas familiäres. Hellfield war die Bezeichnung unseres früheren Proberaums, der halt im Ort Heufeld war. Das klang uns einfach nicht genug nach Metal. Jedenfalls probten dort völlig verschiedene Bands aus den Bereichen Rock´N´Roll und Glamrock bis hin zu Death- und Thrash Metal. Aber wir waren immer eine “Familie des Stahls”, wie es ein Freund ausdrückte. Am Wochenende hängen wir auch immer noch alle miteinander ab.
Wie groß ist diese Familie dann?
Die Stammbesetzung umfasst schon etwa dreißig Leute. Natürlich verändert sich das Umfeld auch mal. Die einen bekommen Kinder, die anderen ziehen woanders hin.
Du sprichst ja einwandfreies Bayrisch. Wo liegt Hellfield genau?
Zwischen München und Rosenheim. Wirklich in der Pampa. Eine Musikszene gab es hier Ende der Neunziger jedenfalls nicht. Vielleicht ein paar Bands in Bad Aibling und zwei in Heufeld. Aber mit der Zeit wurde es dann immer mehr und es hat sich eine Szene in einem Ort entwickelt, in dem man es eigentlich nicht erwarten würde. Insofern würde ich auch nicht von einer Metal-Szene sprechen. Es gibt halt eine Metal-Band, eine Hardcore-Band, eine Rock-Band. Das ist ja auch die Grundidee der HELLFIELD CONSPIRACY: Zwar hören wir alle verschiedene Stilrichtungen, aber man kann mit jedem etwas Anderes machen.
Das klingt ja schon nach einer recht eingeschworenen, ländlichen Umgebung. Das ist nicht despektierlich gemeint. Aber denkst Du, dass so etwas in einer Großstadt wie München überhaupt möglich wäre?
Puh. Das kann ich nicht sagen. Aber es könnte schwierig sein, weil man szenemäßig viel gebundener ist. Metal-Bands spielen dort in erster Linie nur mit Metal-Bands und so weiter. Aber so war es bei uns ja nicht. Da gab es Line Ups im JUZ, da hätte jeder Booker die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Da hat schon mal eine Indie-Band mit einer Hardcore-Kapelle zusammengespielt, weil sonst einfach gar nichts passiert wäre. Also sind solche Events immer vom Kern ausgegangen und man hat in erster Linie seine Freunde dazu eingeladen. Ob das so ähnlich in einer großen Stadt funktionieren würde? Ich glaube ja, aber nur unter erschwerten Bedingungen. Anfangs glaubte ich auch daran, dass es mit der HELLFIELD CONSPIRACY klappen würde. Ich hab halt mein Handy durchforstet und überlegt, wer Lust hätte, mitzumachen. Mittlerweile sind ja auch Leute aus München, Rosenheim oder Nürnberg dabei, die ich durchs Musikmachen kennengelernt habe. Insofern ist das natürlich überhaupt nicht auf die Region beschränkt. Eric 13 (COMBICHRIST, Anm. d. Red.) hat seine Sachen zum Beispiel ja auch in Amerika aufgenommen und mir zugespielt…
Wer ist neben Eric noch dabei? Gibt es “Zugpferde” mit denen Du gearbeitet hast?
Darum geht es doch überhaupt nicht. Wenn es um einen gewissen Bekanntheitsgrad geht: Die RAYGUN REBELS sind Teil der CONSPIRACY und wahrscheinlich die bekannteste Band aus dem Landkreis. Meine frühere Band WITH OPEN ARMS war auch deutschlandweit im Bereich Hardcore unterwegs. Aber das ist ja schon zehn Jahre her, wir sind schon in die musikalische Rente gegangen. Aber ich bin wirklich nicht auf der Suche nach einem “Zugpferde”, wie Du es ausdrückst. Es geht mir um Leute, die ich kenne und mit denen ich Bock habe, Songs zu machen. Mit Eric habe ich keinen Song wegen einer Reichweite gemacht, sondern weil er angeboten hat Triangel zu spielen (lacht)… Das wäre dann aber doch verschwendetes Talent gewesen und so hat er natürlich gesungen. Domi von WALDGEFLÜSTER ist auch dabei. Aber nicht wegen seiner Band, sondern weil er ein guter Freund von mir ist.
Einen kommerziellen Hintergedanken hinter dem Projekt gibt es ohnehin nicht, weil das überhaupt keinen Sinn machen würde.
Warum nicht?
Weil die Musik einfach viel zu breit gefächert ist. Es gibt halt einen Metal-Song, zwei Punk-Songs und so weiter. Es gibt genug Leute, die nur einen Teil der Songs gut finden, das komplette Album aber nicht anhören können. Es geht bei dem Projekt in erster Linie um Spaß und das ich die Ideen aus meinem Kopf rausbekomme. Nach meiner letzten Band habe ich überlegt: “Was machst Du jetzt? Punk, Metal, alles?”. Dadurch bin ich auf die Idee gekommen, ein genreübergreifendes Album zu machen.
Und jetzt steht schon Album Nummer 2 an…
Genau.
Also hat Dich die Idee nicht mehr losgelassen, oder was war los?
Das zweite Album war eigentlich schon fertig, als das erste gerade herausgekommen war. Und auch jetzt ist es so, dass ich schon wieder an neuen Songs arbeite. Und dann gibt es auch so unfassbar viele Leute, die einfach Bock haben auch mal was Neues auszuprobieren, ihre Komfortzone zu verlassen. Bluessänger, die gerne Punkrock hören und einen Song einsingen wollen. Oder Leute, die in einer Alternative-Rock-Band spielen und einen ENTOMBED-Death-Metal-Song machen wollen. Ich habe auch Leute dabei, die haben noch nie in ihrem Leben einen Song geschrieben.
Von welcher Musik bist Du am meisten beeinflusst worden? Und bei allem Ideenreichtum und “Sich-Öffnen”, welchen Sound wird es bei der HELLFIELD CONSPIRACY niemals geben?
Meine Einflüsse liegen hauptsächlich im Extreme Metal. Besonders im Winter passt halt Black Metal am besten, zumal ich fast im Wald wohne (lacht). Aber schon früher konnte es passieren, dass IRON MAIDEN oder WIZO und direkt danach CYPRESS HILL oder MASSIVE ATTACK bei mir gelaufen sind. PORTISHEAD kann zum Beispiel genauso gut laufen, wie die letzte IMMORTAL-Scheibe. Auf dem Album finden sich zu 95 % Einflüsse von Gitarrenmusik wie den FOO FIGHTERS und GASLIGHT ANTHEM bis KILLERS oder MUSE und dann wieder Extreme Metal. Auf dem ersten Album gab es einen Triphop-Thrash-Song mit einer Jazz-Sängerin. Ihr habe ich jetzt einen Metal-Song angeboten. Sowas hört sie eigentlich gar nicht, aber es ist spannend zu sehen, was passiert.
Hast Du alles aufgenommen, was Du an Material gesammelt hast oder haben es einige Ideen nicht auf das Album geschafft?
Beim letzten Album habe ich festgestellt, dass es zu lang geworden ist. Dieses Mal, war es mit den acht entstandenen Stücken einfach eine runde Sache. Und trotzdem geht die Platte über 35 Minuten, also länger als “Reign In Blood” (lacht). Abgesehen davon, sind auch gar nicht alle Songs die ich hatte, fertig geworden. Die spare ich mir einfach für eine EP auf.
Du hast schon ein paar sehr spannende Videos veröffentlicht, oder?
Es gibt bisher zwei zum letzten Album. Einmal zu “Vergessen Wie Man Schafkpoft” (ein auf Bayrisch gesungener Sludge-Black-Metal-Song mit Tuba-Arrangements, Anm. d. Red.), dass witziger Weise sogar auf dem YouTube-Kanal vom Ringlstetter gefeatured worden ist. Ich meine, da kommt einfach unser Song und man sieht uns beim Uno-Spielen, das war schon echt strange. Auch dass dann Bayern 2 den Track gebracht hat. Wir haben jetzt für das neue Album ein neues Video gemacht. Das wird auch wieder eher lustig, weil wieder ausschließlich Freunde beteiligt waren und wir natürlich in erster Linie Spaß haben wollten. Der eine kennt sich mit Kameraführung aus, eine andere macht den Schnitt. Alles DIY, weil auch irgendwie alle Bock hatten, einfach mitzumachen.
Mal angenommen Geld würde keine Rolle spielen… Hättest Du Lust, die HELLFIELD CONSPIRACY auf die Live-Bühne zu bringen?
Das war schon geplant, aber derzeit geht es ja ohnehin nicht. Ich habe mal mit meiner ehemaligen Punk-Band ein kleines Open Air bei uns draußen organisiert. Ganz klein mit 200 Leuten für 10 € Eintritt und 11 Bands. Wenn es dieses Festival noch einmal gibt, wäre das für mich der Termin, bei dem ich mit der HELLFIELD CONSPIRACY spielen würde. 90 % der Musiker wären sowieso vor Ort. Dort würde ich mich wohlfühlen. Ansonsten würde sich ein Druck aufbauen, bei dem am Ende sowieso alles nur schiefgehen kann. Bei der Anzahl von Musikern dreht jeder normale Tontechniker durch. Aber ich mag Chaos.
Das Artwork zu “Sharks And Swans” erinnert an einen modernen Holzschnitt. Wer ist dafür verantwortlich?
Wie ich auf den Albumtitel gekommen bin, weiß ich zwar nicht mehr genau. Aber irgendwann hatte ich den Titel und sah das Artwork dazu vor meinem geistigen Auge. Heute kann ich sagen, dass der Titel sehr gut zu den Songs passt. Der eine ist recht ruhig und geschmeidig, der andere wieder wild und aggressiv. Zwei Songs handeln tatsächlich vom Ertrinken. Es ist schon faszinierend, wie manche Dinge im Nachhinein Sinn ergeben.
Bei “The Awekening” hat eine Freundin von meiner Schwester das Artwork geliefert, dieses Mal hat ein Mitmusiker seine Freundin ins Spiel gebracht, die als Tättowiererin arbeitet. Ich habe ihr nur gesagt, in welchen Farben und mit welchen Motiven das Cover bestückt sein soll und ihr ansonsten aber freie Hand bei der Gestaltung gelassen. Skizzen wollte ich gar nicht sehen und als sie mir dann das Ergebnis geschickt hat, meinte ich nur: “Ja, passt”.
Auch wenn Stefan Landinger als extrem bescheiden bezeichnet werden kann, wünscht man ihm und seiner HELLFIELD CONSPIRACY dennoch einen gewissen Erfolg. Immerhin finden sich nicht allzu viele Musiker, die den Mut aufbringen, ein ähnliches Projekt zu starten und wirklich authentisch jeden Stil in ihre Songs aufzunehmen.