Rise Against
Im Gespräch mit Bassist Joe Principe
Interview
RISE AGAINST veröffentlichen in Kürze ihr neuntes Album “Nowhere Generation”. Dabei behandelt die Band das Thema des sogenannten American Dream, der sich nur für einen kleinen Teil der amerikanischen Bevölkerung realisieren lässt. Was genau hinter dieser These steckt, wie die Band den Ausgang der Präsidentschaftswahlen in ihrem Heimatland gefeiert hat und vieles mehr, verriet Bassist Joe Principe im Gespräch mit metal.de.
“Nowhere Generation” bezieht sich inhaltlich auf den verfehlten American Dream. Kannst Du etwas näher darauf eingehen?
Seit etwa siebzig oder achtzig Jahren existiert eine amerikanische Arroganz. Meine Großeltern kamen damals aus Italien in die USA um den American Dream zu leben. Aber es war eine Enttäuschung, denn sie wurden wie Einwanderer behandelt. Obwohl ja dieses ganze Land eigentlich fast nur noch aus Einwanderern besteht. Für meine Großeltern war es also wirklich hart. Es klingt heutzutage so einfach, wenn man hört: “Wir haben es endlich geschafft, haben einen Job, gründen eine Familie und kaufen ein Haus.” Aber wenn die Kids die Schule absolviert haben, gibt es keine Garantie dafür, so ein Leben zu führen. Darum ist der American Dream in meinen Augen verfehlt. Er sollte eigentlich bedeuten, dass man eine Garantie für ein besseres Leben bekommt.
Meine Kinder sind zwölf, zehn und sieben Jahre alt. Doch sie wissen nach den letzten vier Jahren während Trumps Amtszeit mehr über das Recht und Unrecht auf dieser Welt, als sie es für ihr Alter eigentlich tun dürften. Und obendrein haben wir jetzt die Pandemie. Aber sie sollen ihr Leben genießen und keine Angst vor der Entscheidung haben, welchen Weg sie später gehen wollen.
Habt Ihr Joe Bidens Wahlsieg gefeiert?
Ja (lacht)! Aber das ist so eine Sache. Natürlich wird er nicht alles im Handumdrehen verändern. Es wäre vermessen zu denken, dass ein einziger Mann das könnte. Ab es ist beruhigend, dass wir einen Präsidenten haben, der sich für den Planeten und für ein Thema wie zum Beispiel die Erderwärmung interessiert. Den perfekten Präsidenten kann es aber nie geben. Biden muss nun vieles wieder aufbauen, was Trump zerstört hat.
Glaubst Du, dass das Leben heute härter als beispielsweise Anfang der 90er Jahre ist? Damals war eine ganze Generation junger Menschen hoffnungslos, was letztlich in der Grunge-Bewegung als Lebenseinstellung gipfelte…
Ich wuchs auf, bevor die ganze Social-Media-Sache förmlich explodiert ist. Damals lebte man regelrecht isoliert. Und so dachte man, es gäbe keine Probleme auf dieser Welt. Meine Freunde und ich machten einfach unser Ding. Ich wollte professionell Bass spielen, Skateboard fahren und Konzerte besuchen. Die Musik die ich hörte, war zwar auch politisch. Aber das fuhr bei mir zum damaligen Zeitpunkt noch nicht ein.
Jetzt gibt es das Social Media und das hat vieles verändert. Wenn man ein Instagram-Profil hat, wird man automatisch mit globalen und nationalen Problemen konfrontiert. Mein zwölfjähriger Sohn hat einen Gruppen-Chat mit seinen zwölfjährigen Kumpels. Darin diskutieren sie über George Floyd und sehen sich das Video seiner Ermordung an. Einerseits sollen die Kids auch wissen, das diese Dinge tagtäglich passieren. Man kann auch gar nicht verhindern, dass sich die jungen Leute solche Videos gegenseitig zeigen und darüber diskutieren. Man muss sie dabei aber begleiten, damit sie nicht so ignorant sind wie ich damals in den 90ern (lacht).
Es könnte sicherlich einen besseren Zeitpunkt geben, ein neues Album auf den Markt zu bringen, als während einer globalen Pandemie. Wie wichtig war die Entscheidung für Euch, dennoch genau jetzt “Nowhere Generation” zu veröffentlichen?
Genau das ist der Punkt, wieso die Band schon eine ganze Zeit lang besteht. Mit unseren Texten haben wir ja etwas zu sagen und ich glaube auch, dass wir den Leuten damit manchmal helfen. Immerhin sind die Lyrics meistens positiv und spenden vielleicht Trost. Als ich aufgewachsen bin, hat mich Musik durch schwierige Zeiten gebracht, miese Beziehungen zum Beispiel. Ich werde die Songs nie vergessen, die hörte als ich von einer Freundin fallengelassen wurde. Aber ja, wenn ich mit einem Fan spreche und er mir erzählt, dass unsere Musik ihn dazu inspiriert hat, Vegetarier zu werden, dann ist das großartig. Mehr kann ich wirklich nicht erwarten.
Fühlt Ihr Euch nicht manchmal machtlos, wenn Eure Bemühungen zu Tierrechtsfragen quasi niemanden interessieren? Immerhin steht meistens der höchstmögliche Profit im Vordergrund…
Du hast natürlich recht. Das kann schon frustrierend sein. Aber wenn es ein oder zwei Leute gibt, die ich davon überzeugen kann, dass Massentierhaltung oder das Spritzen von Steroiden für Kühe scheiße ist, dann ist das doch schon etwas. Leute die dem veganen Lebensstil gegenüber nicht aufgeschlossen sind, denken oft man würde predigen und sind überfordert. Ich denke, dass es gut ist, den Leuten nicht alles unter die Nase zu reiben. Man kann ja auch mal einen Link zu einer Website zur Verfügung stellen. “Schau doch mal rein, wenn Dir langweilig ist. Darum bin ich vor zwanzig Jahren Vegetarier geworden.”
Als ich mit meinen Kumpels in der Hardcore-Szene rumgehangen bin, waren einige davon militante Veganer. Ich muss zugeben, dass mich das anfangs echt abgeturnt hat. Als ich dann aber zufällig in einem Tattoo-Shop auf eine Anzeige von PETA aufmerksam wurde, änderte sich das schlagartig. Es ging dabei um Tierversuche für Kosmetikprodukte. Als ich das Bild von dem gequälten Hasen sah00 wusste ich, dass ich damit nichts zu tun haben und diese Industrie sicherlich nicht unterstützen will. Ich glaube einfach, dass es um Aufklärung geht. Es gibt ja mittlerweile so viele Alternativen, sich vegan zu ernähren. Selbst in Fastfood-Ketten bekommt man Veggie-Burger oder Veggie-Hotdogs. Man kann also einfach mal etwas versuchen ohne gleich die komplette Ernährung umzustellen.
Aber es kann hart sein. Besonders mit den Freunden meiner Kinder. Ich muss mich da wirklich immer zurückhalten, um nicht so ein Elternteil zu sein, der mit dem Finger wedelt und Dinge sagt wie: “Warum trinkst Du überhaupt Milch?” (lacht). Jeder soll machen, was er will. Aber manchmal ist es wirklich schwierig für mich, meinen Mund zu halten (lacht).
Das kann ich gut verstehen. Aber kommen wir zurück zu “Nowhere Generation”. Was haben die übereinander gestapelten, leeren Röhrenbildschirme auf dem Cover für eine Bedeutung?
Für mich sind diese Bildschirme wie eine leere Leinwand. Ich mag an dem Cover, dass du darin sehen kannst, was du willst. Wir werden diese Monitore auch als Bestandteil unserer Live-Shows auf der Bühne haben und können verschiedene Botschaften, Logos oder Bilder darüber sichtbar machen. Außerdem hatten wir bisher noch nie ein schwarz/weißes Album-Cover. Damit grenzen wir “Nowhere Generation” noch klarer von den übrigen Platten ab. Also in dem Sinne, dass einem in einem Plattenladen – und ich bin sicher, dass es immer noch Plattenläden gibt – das Cover sofort ins Auge fällt.
Der verantwortliche Art Director ist Brian Roettinger. Er hat schon viele große Sachen mit JAY-Z und BEYONCÉ gemacht. Letztlich ist er in der Punk- und Hardcore-Szene groß geworden und ich glaube, dass wir deshalb so gut mit ihm harmonieren. Wir gaben ihm lediglich den Album-Titel, er hat das Artwork designt und wir waren sofort überzeugt. Es war ganz einfach.
Was sind Deine Erwartungen an 2021 und 2022?
Nun, ich hoffe wieder weltweit reisen zu können. Ich weiß, dass die meisten Länder unterschiedliche Impfkampagnen verfolgen und verschiedene Pandemie-Maßnahmen haben. Aber ich würde gerne all meine Freunde wiedersehen, die auf der ganzen Welt verteilt sind. Und es ist ja auch so, dass die Öffnungen langsam wieder zunehmen, zumindest hier in Chicago. Ja, ich freue mich wirklich darauf, wieder ins normale Leben zurück zu kehren.
Und Eure Fans in Europa freuen sich schon darauf, wenn Ihr wieder auf Tour seid…
Oh ja, daran arbeiten wir schon.