Ihsahn
Es ist großartig und muss nicht kompliziert sein. Man muss die Musik einfach nur zulassen.

Interview

IHSAHN veröffentlicht sein bereits achtes Studioalbum, das trotz klarer musikalischer Zuordnung wieder eine neue Richtung einschlägt. Auf „Ihsahn“ präsentiert der Norweger neben einem normalen Metal-Album parallel ein zweites als Orchesterversion.

Die Voraussetzungen für ein derartiges Mammut-Projekt waren mit der pandemiebedingten Live-Auszeit situativ gegeben, und ein Blick in den Release-Katalog seit Erscheinen des letzten Albums macht schnell klar, dass der Künstler nicht untätig war. Die Entstehungsphase sieht IHSAHN pragmatisch, auch wenn diverse ursprüngliche Pläne zum Scheitern verurteilt waren, als sich die Welt in Zwangsisolation befand.

Hier ein kurzer Abriss der Geschehnisse bis zur Veröffentlichung von „Ihsahn.“

„Mein letztes Album „Àmr“ ist 2018 erschienen. Dazwischen liegen sechs Jahre, was für mich eine sehr lange Zeit ist. Bis dahin habe ich ständig alle zwei Jahre ein Album veröffentlicht. Ich kam einfach an einen Punkt, an dem ich etwas anderes machen wollte. Also habe ich kurz vor der Pandemie diese 2 EPs aufgenommen. „Pharos“ war sehr experimentell, fast poppig, und zur gleichen Zeit habe ich „Telemark“ veröffentlicht, eine EP nur auf Norwegisch, wie Rock, Black Metal mit einem Saxofon, zwei sehr unterschiedliche Sachen. Die ganze Idee mit diesen EPs war, dass sie der Ausgangspunkt für zwei individuelle Touren sein sollten, eine, auf der ich nur das experimentelle, progressive Material spielen würde, und eine Tour, auf der ich nur Sachen aus meinem Black-Metal-Katalog spielen würde. Das war alles geplant und dann kam die Pandemie…“.

„Ich schätze, ich brauchte einfach ein bisschen Abwechslung und dann hatte ich die Zeit dazu. Ich habe mit Matt Heavy gearbeitet, ich habe „Ibaraki“ produziert, ich arbeitete an Orchesterparts und Keyboard-Layern für das letzte TRIVIUM-Album und an anderen Sachen, die ich gerne machen wollte. Aber dann fing ich an, an diesem Album zu arbeiten. Ich habe auch ein separates EP-Projekt für die URM Academy gemacht, wie die „Fascination Street Sessions“, wo ich ein paar Songs geschrieben habe. Das war Teil des Ausbildungsprogramms, das sie entwickelt haben. Ich war also nicht faul, sondern habe mich auch an anderen Dingen beteiligt. Natürlich hat mich die Pandemie und alles andere dazu gebracht, mir Zeit zu nehmen, um etwas zu schaffen, das extravaganter ist als alles, was ich in der Vergangenheit kreierte. Es war ein großes persönliches Projekt, und das war der Ausgangspunkt. “

„Ich habe bei jedem Projekt versucht, neue Element einzubauen. Es geht darum irgendwann kreativ und künstlerisch Basis den Punkt der Vollkommenheit zu erreichen. Es ist ein schrittweises Vorgehen, ein Schritt nach dem anderen, aber ich vergleiche mich mit niemandem. Aber für mich, der ich mir alles selbst beigebracht habe, ohne musikalische Ausbildung, nichts. Dieses neue Album mit den zwei Schichten und dem Versuch, zwei Alben übereinander zu schreiben, war eine gewaltige Herausforderung für mich.“

Am Anfang steht also eine Vision mit Fragmenten und Skizzen? die es niederzuschreiben gilt. Hattest Du eine klare Vorstellung vom Konzept für das selbstbetitelte Album?

Das mache ich immer so, vor allem, weil ich die meiste Zeit allein arbeite. Wenn man in einer Band ist, gibt es natürlich den Kompromiss der verschiedenen Geschmäcker und Vorlieben der einzelnen Mitglieder und all das, was man nicht hat, wenn man im Alleingang arbeitet. Man muss sich ein paar andere Beschränkungen auferlegen, um den Fokus beizubehalten, denn ich will keine Platten machen, die einfach nur aus 10 verschiedenen Songs bestehen und sie auf ein Album packen, wo sie nicht miteinander verbunden sind. Ich bin mit IRON MAIDEN und solchen Bands aufgewachsen und es hat mich immer beeindruckt, ein Artwork zu sehen und die Musik dazu zu hören. Schau dir „Powerslave“ an und hör das Album dazu. Es ist ein Gesamtkunstwerk und genau das wollte ich mit meinem Skizzenbuch erreichen. Es ist nicht so, als hätte ich sofort die ganze Musik im Kopf, aber irgendwann ist es einfach soweit. Plötzlich weiß ich, wann ich ein Album in mir habe. Das klingt vielleicht metaphysisch, aber genauso fühlt es sich an.

Dann hast du ein Konzept mit Kunstwerken und auch mit den Texten erstellt, das zu deiner Stimmung für das Albumsystem passt?

„Bevor ich die Texte geschrieben habe, habe ich eine Art Exposee für einen Roman gemacht, wie eine traditionelle Geschichte. Danach habe ich die Zeilen wie Szenen geschrieben. Ohne es zu sehr zu verkomplizieren, beginnt der Protagonist meiner Geschichte mit einem Traum in einem Traum. Ein traditionelles Volksmärchen. Das ist die Geschichte, der das Orchesteralbum folgt. Es sind also zwei völlig unterschiedliche, parallele Geschichten, die aber einer ähnlichen Handlung folgen. Als sie fertig waren, habe ich sie einigen Freunden und Kollegen vorgespielt, die nicht wussten, dass es eine Story oder so etwas gibt. Viele Leute sagten, sie hätten das Gefühl, einen Film zu sehen, und so wusste ich, dass es funktionieren würde.“

War das Cineastische und Bombastische in der Musik von Anfang an so geplant oder hat es sich ganz natürlich entwickelt? Ist das das Thema, das sich wie ein roter Faden durch die beiden Alben zieht?

„Ja es ist nicht zu überhören, dass es einige Melodien gibt, die in verschiedenen Stücken vorkommen. Es gibt Leitmotive, die charakteristisch an Filme angelehnt sind, wie John Williams und Jerry Goldsmith und all diese Dinge. Das hat mich inspiriert. Weißt Du, mit der verschiedenen Musik, die zu den verschiedenen Filmen passt.“

Was ist es das deine Musik ausmacht? Es gibt noch immer eine Menge Dunkelheit darin, aber es ist schon weit von dem entfernt wo du angefangen und es scheint für Dich da auch keine echten Grenzen zu geben? Die Mischung ist spannend und vielseitig, denn im Grunde genommen umfasst es den Kern, den Du immer umrissen hast. Man hört den Vibe mit deinem Gesang und natürlich auch im Gitarrenspiel – da ist weiterhin viel Black Metal zu vernehmen?

Es wäre sehr traurig, wenn ich nichts Neues mehr machen würde. Obwohl es nie meine Absicht ist, das Publikum zu provozieren, ist das einfach meine Art mich musikalisch auszudrücken. Verzerrte Gitarren und schreiender Gesang das ist für mich die Sprache, die ich am besten beherrsche. Es wird immer ein Teil von der Musik sein, die ich kreiere. Die Gitarre in dieser Musik, es ist sehr natürlich und wichtig. Natürlich kann ich mich verändern und mit Dingen experimentieren, die damit zusammenhängen. Aber ich wollte niemals wie jemand anderes klingen.
Ich schätze, ich habe das schon sehr früh gelernt, denn jetzt, wo EMPEROR eine Art Phänomen aus einer Zeit geworden ist, die mit einer Menge Nostalgie verbunden ist. Wir besitzen das Privileg, diese alte Musik überall in der Welt aufzuführen. Es ist überwältigend zu sehen, wie viele Menschen mit dieser Musik auf die gleiche Weise verbunden sind wie ich – mit der Musik, die ich liebe. Es ist großartig das zu erleben, es ist eine gemeinsame Erfahrung.

Ich glaube, die Leute vergessen, dass die alten EMPEROR-Alben als herauskamen von den Mainstream-Metal-Medien ausgeschlachtet wurden, als wäre das das lächerlichste, dümmste, schlechteste Material aller Zeiten.

Aber dann anlässlich des 20-jährigen Jubiläums von „In The Nightside Eclipse“ sah ich einen Clip direkt nach BLACK SABBATHs ersten Album, und der Titel lautete: Die 30 einflussreichsten Metal-Alben der letzten 50 Jahre. Die Wahrnehmung der Leute von dem, was du tust, ändert sich, darauf hast du keinen Einfluss. Ich verlasse mich nur auf mich selbst. Ich muss begeistert von dem sein, was ich tue, und meine Faustregel lautet: Wenn ich nicht enthusiastisch bin, wenn es nicht mein Ziel ist, das bestmögliche Album zu machen, das ich kann, wäre es sinnlos.

„Ich erinnere mich noch gut daran, als „Prometheus“ herauskam und alle Leute völlig überfordert waren, weil sie etwas ganz anderes erwartet hatten. Und so sehe ich ein neues Prüfungsalbum immer auf die gleiche Weise. Du forderst dich selbst und den Hörer heraus und wirst sehen, ob es funktioniert.“

„Manchmal funktioniert es und manchmal eben nicht und ich habe keine Ahnung warum. „Das Seelenbrechen“ ist wahrscheinlich mein experimentellstes Album mit viel Improvisation. Der meist gestreamte Song auf Spotify ist „Pulse“ von eben diesem Album. Er ist fast wie ein Popsong und das macht keinen Sinn.
Ich war überrascht, weil ich auch den Eindruck hatte, als wir „Prometheus“ gemacht haben, dass die Leute, die Fans der alten Schule, das mochten. Was zum Teufel sollte das bitte sein? 7-saitige Gitarren und derart komplexes Gitarrenspiel. Aber später habe ich mit der jüngeren Generation von Musikern gesprochen, zum Beispiel mit Mark Holcomb von PERIPHERY, und auch mit meinem Kontakt von Ibanez und du glaubst nicht, wie viele der progressiveren Djent-Musiker durch das extreme Gitarrenspiel das „Prometheus“-Albums beeinflusst worden sind und wie sie zu dieser Art von tiefer gestimmten Gitarrensounds gekommen sind. Als ich das hörte, hat mich das schwer beeindruckt.“

„Als ich damals mein drittes Album mit Saxofon und 8-Saiter Gitarre gemacht habe, war das nicht interessant für die Leute. Es mussten erst einmal 10 Jahre vergehen, ehe man es zu schätzen wusste. Nichts ist sofort interessant, aber inzwischen weiß ich auch das zu schätzen. Es ist noch immer das gleiche Gefühl wie, als ich 16 war ohne viel Erfahrung. Du gehst dann einfach nach Deinem Bauchgefühl und irgendwann scheint es langweilig zu werden immer „I Am The Black Wizards“. Aber es ist nie langweilig, damit live aufzutreten. Denn hier kommen die Energie der Sonne, unsere Erinnerungen von damals, das Publikum, individuelle Erinnerungen zusammen.“

„Das ist großartig und muss nicht kompliziert sein. Man muss die Musik einfach nur zulassen.“

 

15.03.2024

- perfection is the end of everything -

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