Ihsahn
Interview mit Ihsahn zu "The Adversary"

Interview

Mit „The Adversary“ steht das erste Soloalbum von EMPEROR-Mastermind IHSAHN in den Läden, das auch seinen Namen trägt. In komplexem Gewand verarbeitet er darin die musikalischen Einflüsse, die ihn sein Leben lang geprägt haben. Dass sich auch EMPEROR dieses Jahr wieder für einige Festivalshows zusammentun, bedeutet für IHSAHN zwar eine gewisse Doppelbelastung, dürfte für der Bekanntheit seines Soloprojekts aber nur förderlich sein. Über die Entstehung seines Werks und die Wiederauferstehung EMPERORs gab der freundliche Norweger detailliert Auskunft.

Ihsahn

EMPEROR haben sich 2001 aufgelöst. Was ist seitdem geschehen?

Ich habe sehr lange und sehr hart an Musik gearbeitet. Wir haben Mnemosyne Productions [das Label, das Ihsahn mit seiner Frau Ihriel betreibt – Anm. d. Red.] aufgebaut, wir haben ein Full Length und eine EP mit PECCATUM [ehem. Band von Ihsahns Frau – Anm. d. Red.] aufgenommen, und viel Zeit in andere musikalische Projekte investiert. Gerade die PECCATUM Releases sind Dinge, die ihre Zeit brauchen, die sehr experimentell sind und nicht in Eile veröffentlicht werden. Um ein Album wie mein neues aufnehmen zu können, brauchte ich Distanz. Distanz von dem, was ich mit EMPEROR gemacht habe, um mich danach wieder objektiv nähern und mit etwas Neuem beginnen zu können.

Also musstest Du Dich ablenken?

Ja, ich musste einfach etwas anderes tun. Aufgrund meiner Leidenschaft für Musik im Allgemeinen und für das Handwerk des Musikmachens im Besonderen will ich mit Musik auf sehr vielfältige Art und Weise arbeiten. Ich hatte die Möglichkeit, das zu verwirklichen, indem ich nicht nur eine Art von Musik gemacht habe, sondern mich mit meinen vergangenen Solobemühungen bei THOU SHALT SUFFER und PECCATUM sehr unterschiedlich betätigt habe, was sehr wertvoll für mich war. Es war großartig, mit diesen Bands zu arbeiten. Jetzt mache ich zwar wieder ein vollwertiges Metalalbum, aber sicher auch wieder experimentellere Sachen in der Zukunft. Dieser Verschiedenartigkeit und dem Erfahren der unterschiedlichen Ebenen und Aspekte des Musiker- und Songwriterdaseins gehört meine Leidenschaft.

Wann entstand die Idee, ein Soloalbum aufzunehmen? Ich kann mir vorstellen, dass Du mit PECCATUM und dem Label ganz schön zu tun hattest…

Ja, es ist eine Menge Arbeit. Die Idee hatte ich seit dem EMPEROR-Split immer im Hinterkopf. Ich wollte zu einem bestimmten Zeitpunkt einfach ein Metalalbum als Solokünstler machen. Ausgelöst wurde das durch meinen Kontakt zu Rob Halford und der Idee, etwas zusammen zu machen. Diese Verbindung brachte mich wieder auf den Geschmack von Metal. Um es abzukürzen: als wir dann anfingen, das Album zu schreiben, entschied ich, das ganze sehr traditionell metallisch zu handhaben. Ich bin nicht hergegangen und habe Tracks geschrieben, die auf Keyboards basieren, sondern auf zwei Gitarrenspuren, einer programmierten Drumspur und einem Klavierpart. Da es ein Metalalbum ist, habe ich zunächst die Gitarrenriffs gemacht, und den Rest von da aus entwickelt. Aufgenommen wurde das Album mit zwei Gitarren plus Sologitarre, ohne Overdubs. Ich wollte dieses Metal-Feeling eines sehr lauten Verstärkers einfangen. Dadurch klingt das Album wohl nicht wie ein modernes Metalalbum heutzutage klingt. Ich habe nichts heruntergestimmt oder so etwas, alles ist ziemlich straight, haha.

Das ist mir aufgefallen. Der Sound ist sehr „naturbelassen“.

Das ist genau, was ich wollte. Ich habe in der Vergangenheit so viele verschiedene Dinge gemacht und denke, dass auch EMPEROR gegen Ende sehr experimentell geworden sind. Auch nach dem Ende EMPERORs habe ich sehr experimentell gearbeitet. Ich konnte meine Neugier in dieser Richtung also bereits austoben. Bei diesem Album wollte ich zwar nicht das genaue Gegenteil davon, aber dennoch sehr geradlinig und im Rahmen des klassischen Heavy Metal bleiben. Vor allem was die Art angeht, wie ich die Musik geschrieben habe und wie ich sie präsentieren will.

Als ich anfing, das Album zu hören, hatte ich einen immenses Problem mit dem Keyboardsound und bin damit immer noch nicht warm geworden.

Ich habe versucht, viele kompositorische Techniken anzuwenden. Ich versuche, bei jedem neuen Projekt dazu zu lernen. In der Vergangenheit haben wir bei PECCATUM viele Streicherarrangements verwendet. Die meisten Arrangements sind auch hier Streicherarrangements, die ich als Quartett angelegt habe. Sprich: erste und zweite Geige, Bratsche und Cello. Ich habe sehr viel Zeit darauf verwendet und es nie übertrieben. Ich habe die Arrangements so angelegt, dass sie auch tatsächlich spielbar sind. Ich habe jede Note, die eine spezielle Spieltechnik erfordert, einzeln programmiert und für jeden Part mehrere Midi-Tracks angelegt. Zum Beispiel habe ich für eine Stakkato-Note auch tatsächlich ein Stakkato-Sample aufgenommen. Das ganze ist sehr präzise geworden. Das meiste davon wird man nicht einmal heraushören, aber das macht nichts.

Ich wollte es einfach so machen. Ich verwende nicht einen durchgehenden Streichersound, sondern mehrere Samples, um ein Ergebnis zu bekommen, das so genau wie möglich ist. Es war nicht mein Ziel, ein sehr bombastisches Album mit einem Haufen Reverbs und orchestralen Parts zu schaffen. Ich wollte nur den reinen musikalischen Ausdruck. Der größte Teil des Albums ist sehr offen und transparent, man hört viele Details heraus. Bei vielen anderen Aufnahmen – auch bei EMPEROR – hat mich immer gestört, dass viele der Details im massiven Sound einfach untergehen. Diesmal habe ich nicht einmal die Gitarren mit Overdubs belegt. Heutzutage werden die Gitarren teilweise dreimal übereinander eingespielt und übereinander gelegt, um einen massiven Sound hinzubekommen. Ich wollte den Sound aber sehr rein und pur halten. Ich wollte, dass man das Plektrum auf der Saite hört, haha! Ich wollte, dass man den lauten Verstärker im Raum hört. Das ist die Philosophie, die hinter den Aufnahmen steckt.

Woher nimmst Du die Inspiration für diese Art komplexer Musik?

Aus allen Facetten meiner gesamten Existenz. Ich wollte meinen musikalischen Weg weitergehen, den ich mit EMPEROR und teils mit PECCATUM beschritten habe. Allerdings auf metallische Art. Ich wollte aber auch meine frühen Einflüsse wie IRON MAIDEN, JUDAS PRIEST oder W.A.S.P. mit einbringen. Das sollte aber nicht auf einmal geschehen. Ich wollte einige Black Metal Songs, einige Heavy Metal Songs und einige progressive Songs, aber nicht alle Elemente zusammen in einem Song. Ich wollte einfach ein paar gute Metal Songs machen.

Welche Musik hörst Du Dir denn privat an?

Das ist recht unterschiedlich. Zum größten Teil höre ich keinen Metal. Ich arbeite die ganze Zeit mit Metal, sodass ich denke, dass es gut ist, etwas Frisches mit einzubringen. Ich höre RADIOHEAD, PRINCE, manchmal alte MASSIVE ATTACK oder klassische Musik. Wenn ich mir Metal anhöre, krame ich meistens die Klassiker, wie alte PRIEST oder MAIDEN heraus. Wenn es einmal Black Metal sein soll, lande ich immer bei „Blood Fire Death“ von BATHORY.

2006 ist mit den neuen Alben von DARKTHRONE und SATYRICON und der EMPEROR Reunion ja bislang sehr Black Metal-lastig. Verfolgst Du, was um Dich herum in der Szene geschieht?

Nur zum Teil. Ich durchsuche jetzt nicht das Internet oder bewege mich in der Szene, um auf dem neuesten Stand zu bleiben. Das soll jetzt nicht arrogant klingen, aber ich hatte noch nie Interesse daran, der Szene zu folgen. Ich bin mit meinem musikalischen Schaffen sehr beschäftigt und interessiere mich nicht für die Bewegungen in der Szene.

Warum hast Du das Projekt als Soloprojekt ausgelegt und nicht als neue Band?

Einfach deshalb, weil ich nicht musste, haha! Ich arbeite gern allein. Ich mag es, im Studio zu arbeiten und Spuren aneinanderfügen. Ich habe noch nie Schlagzeug gespielt und ich nehme an, dass ich es auch nie werde. Ich wusste also, dass ich einen Drummer benötigen würde. Abgesehen davon übernehme ich Gitarren, Gesang usw. gerne selber. Ich habe einfach keinen Grund gesehen, eine komplette Band zu formieren. Wenn ich das Material live spielen soll, kann ich immer noch eine Sessionband zusammentrommeln.

Auch wieder wahr. Wirst Du denn live spielen?

Derzeit nicht, nein. Denn offensichtlich sind zur selben Zeit die Shows mit EMPEROR und wie ich schon sagte bin ich keine Band. Sessionmusiker anzuheuern und ihnen die Songs beizubringen wäre dann ein eigenständiges Projekt. Dazu käme, dass wir nur ein Album hätten, von dem wir Stücke spielen könnten. Das wäre eher ein Plan für die Zeit nach dem nächsten IHSAHN Album. Wir müssen einfach abwarten und sehen, was passiert.

Wenn wir schon bei den EMPEROR Shows sind: was ist es denn nun? Eine richtige Reunion, oder nur temporär? Der Promozettel hier sagt etwas von „extensive Touring“, in anderen Verlautbarungen heißt es, Ihr würdet nur ein paar ausgewählte Festivalshows spielen. Was stimmt denn nun?

Es handelt sich lediglich um eine temporäre Geschichte. Wir nutzen die Chance, um die Gigs nachzuholen, die wir nach der Veröffentlichung von „Prometheus“ nicht spielen konnten. Es werden hauptsächlich sehr exklusive Shows sein, es wird keine Tour geben. Bislang steht fest, dass wir auf dem Inferno Festival spielen werden. Danach spielen wir in den USA vier Shows, allerdings auf etwas kleineren Festivals. Ursprünglich war geplant, eine Show in New York und eine in Los Angeles zu spielen. Die waren allerdings so schnell ausverkauft, dass wir für jede Location noch eine Zusatzveranstaltung angesetzt haben. Der Gig auf dem Wacken Open Air ist bislang der letzte, der geplant ist. Ich würde schon sagen, dass das ziemlich exklusiv ist, haha. Wir werden sehen, was noch geschieht. Denn Angebote kommen die ganze Zeit herein.

Ihr seid dann aber schon sehr wählerisch, oder?

Wenn wir wollten, könnten wir das ohne Probleme als Fulltime Job durchziehen und einen Haufen Geld machen. Seit wir angekündigt haben, dass wir live spielen werden, hätten wir sicher schon zweimal durch die USA touren können, haha! Darum geht es uns aber nicht. Das erste Kriterium, das wir für uns festgelegt haben, war, dass wir die Sache in einem Tempo und auf einem Level durchziehen, bei dem wir sie selber genießen können; wo wir zusammenkommen, die alten Songs spielen, einfach Spaß haben und es nicht in stressiges Business ausarten lassen. Samoth und Trym haben ZYKLON, Samoth spielt jetzt noch in SCUM, ich habe viel mit Mnemosyne Productions und meinen eigenen Sachen um die Ohren. Wir haben EMPEROR nicht ohne Grund aufgelöst. Wir wollten uns auf Dinge konzentrieren, die wir wirklich tun wollen. Es ist allerdings cool, jetzt in einer Position zu sein, in der wir einfach zurückkehren können, um diese Shows zu spielen. Ich spiele Metal seit ich zehn Jahre alt bin, und jetzt bekommen wir die Möglichkeit, Wacken vor 40.000 oder 50.000 Leuten zu headlinen. Wenn Du seit Deinem zehnten Lebensjahr Metal spielst, willst Du Dir so was natürlich nicht entgehen lassen, haha!

Habt Ihr Euch nur aufgrund des Angebots der Wacken-Veranstalter wiedervereint?

Nein. Das Angebot lag bereits vor, als wir uns aufgelöst haben. Ich denke, dass wir einige Jahre lang auf dem Wunschzettel der Veranstalter standen. Ähnliche Angebote lagen uns aber auch die ganze Zeit vom Inferno Festival und anderen Veranstaltungen vor. Wir dachten uns, wenn wir jemals vorhaben, noch einmal live zu spielen, könnten wir es genauso gut jetzt tun. Wir haben uns zusammengefunden, um zu proben und zu sehen, ob es zwischen uns funktioniert. Wir gehen die Sache insgesamt sehr relaxt an.

Also ist es quasi ein Tribute an Euch selbst?

Ja, das kann man so sagen! Es ist einfach cool, das ohne den ganzen Druck zu machen, sich ständig weiterentwickeln zu müssen. Wir können es so machen, wie es uns am besten passt.

Habt Ihr je darüber nachgedacht, Faust oder Mortiis an Bord zu holen?

Diese Frage wurde schon von einigen Journalisten gestellt. Das stand aber nie wirklich zur Debatte. Natürlich würde das Spaß machen, aber es wäre ungefähr so, als wenn IRON MAIDEN Clive Burr für ein paar Songs auf die Bühne holen würden. Trym ist schon so lange unser Drummer und Mortiis hat wirklich nur ganz, ganz am Anfang Bass bei uns gespielt. Das ist ungefähr wie bei Dave Mustaine und METALLICA, haha. EMPEROR sind eigentlich nur wir drei [d.h.: Ihsahn, Samoth, Trym – Anm. d. Red.].

In einem Interview hast Du einmal gesagt, Ihr spielt diese Shows „in Übereinstimmung mit den Prinzipien des Black Metal“. Was meinst Du damit und was bedeutet Black Metal heute für Dich?

Das hat offensichtlich jemand in dieser Weise interpretiert. Die Philosophie, die dem Black Metal zugrunde liegt, basiert auf Individualismus und Crowleys „Do what thou wilt shall be the whole of the law“. Es wird immer Spekulationen über die Gründe geben, warum wir uns wieder zusammengefunden haben. Man wird uns immer nachsagen, dass es uns nur ums Geld geht usw. Unser einziges Motiv ist allerdings, dass wir es wollen. Wir wollen das jetzt, und warum sollten wir es dann nicht tun? Wie viel mehr Black Metal kann es also sein? Wenn ich etwas folge, dann meinem Herzen. Wenn Dir das nicht passt, hast Du eben ein verdammtes Problem, haha.

Was kommt nach den EMPEROR Shows?

Für die Zeit nach den Shows stehen bereits einige Projekte auf Mnemosyne Productions an, die wir verfolgen werden. Wir sind ständig auf der Suche nach neuen Talenten und bekommen viele Demos. Daneben haben wir einige Projekte, die wir in Kooperation gestalten möchten. Vor Jahresende möchte ich bereits die ersten Pläne für das nächste IHSAHN Album in Angriff nehmen und Ihriel plant neues Material für STAR OF ASH. Das sind bislang die weiteren Pläne.

Besteht die Chance, dass es PECCATUM einmal wieder geben wird?

Derzeit nicht. Wir haben es erst einmal dabei bewenden lassen und müssen für die Zukunft einmal sehen. Für den derzeitigen Zeitpunkt ziehen wir allerdings keine Wiederbelebung in Betracht.

09.04.2006

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