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humandeath-Webmaster Jochen über Chuck Schuldiner
Interview
Jochen ist der Webmaster von humandeath.de, der wahrscheinlich umfangreichsten deutschen Fansite zum Thema DEATH und Chuck Schuldiner. Über die Jahre hat er dort zahlreiche Infos und Raritäten über Chuck und seine Band zusammengetragen. Im Rahmen unseres Specials zum zehnten Todestag von Chuck haben wir Jochen als Die-Hard-Fan ein paar Fragen geschickt und ein paar wirklich interessante Antworten aus der Sicht eines altgedienten Fans bekommen. Besten Dank an Jochen an dieser Stelle!
Seit wann bist du Fan von DEATH/Chuck Schuldiner?
Auf DEATH wurde ich aufmerksam so um 1989/1990 rum. Damals waren wir noch arme kleine Metal-Kids, die kein Geld für Platten, geschweige denn für einen Plattenspieler hatten. In unserem Bekanntenkreis hatten wir aber zwei Jungs die zwei bis drei Jahre älter waren. Und einer von denen hat sich einmal im Monat immer fett mit Platten eingedeckt. Und wir haben uns damals halt mit den guten alten 90er-BASF Kassetten eingedeckt und sind immer sonntags bei dem Kollegen aufgeschlagen und haben uns die Platten alle auf Tape gezogen. Ja und eines Sonntags war da dann eine Platte mit blauem Cover der Band DEATH. Es war „Spiritual Healing“ und die Platte hat es mir sofort angetan. Ich kannte vorher schon „Leprosy“, war aber nicht so begeistert von dem Teil. Erst „Spiritual Healing“ hat mich auf den rechten Weg gebracht.
Warum bist du Fan? Welches Album und welcher Song war deine Einstiegsdroge?
Wie schon erwähnt war es das „Spiritual Healing“-Album. Mit „Scream Bloody Gore“ und „Leprosy“ konnte ich am Anfang nicht so sehr viel anfangen. Denn als klassischer Fan aus der Speed/Thrash-Ecke war mir das anfangs sicherlich zu „wild“. Ich hörte zu der Zeit als ich DEATH für mich entdeckte eher Bands wie METALLICA, OVERKILL, TESTAMENT, MAIDEN und ANTHRAX. SLAYER waren mir damals auch zu „derb“ und erst als ich etwas älter wurde und die Death-Metal-Welle losbrach, konnte ich mich dann allmählich auch für härteres Zeugs begeistern. War damals ja auch erst so um die 14-15 Jahre, als ich mich dann auf das härtere Zeugs konzentrierte.
Welches ist dein Lieblingsalbum von DEATH und warum?
Diese Antwort ist leicht – „Human“. Für mich ganz klar das Beste, was Chuck jemals gemacht hat. Das lag aber auch sicherlich an der Band, die ihn bei „Human“ unterstützt hat. Steve DiGiorgio am Bass ist so oder so erhaben. Und dazu noch Paul Masvidal und Sean Reinert, die damals von CYNIC zu DEATH kamen, machten das Line-Up perfekt. „Human“ mag ich aufgrund der sehr guten Balance aus Aggressivität und Progressivität. Die Platte ist für mich die Symbiose aus allem. Die ersten drei Alben waren reinrassige Death-Metal-Alben – die letzten drei waren technisch ihrer Zeit weit voraus. Und zwischen diesen sechs Alben steht „Human“ – quasi als Bindeglied zwischen dem traditionellen Death Metal und dem technisch progressiven Death Metal, welchen Chuck später bevorzugte. Das Songwriting auf „Human“ ist nicht von dieser Welt. Und die Rhythmus-Fraktion um DiGiorgio und Reinert ist das Beste, was im Death Metal jemals auf Platte gemacht wurde.
Welches hat das in deinen Augen am besten geratene Artwork?
Eigentlich die ersten drei Alben, da ich auch ein sehr großer Fan von Ed Repka bin. Er macht für mich die geilsten Artworks. Und es gab auch schon die eine oder andere CD in meiner Sammlung, die ich mir nur gekauft habe, weil ein Repka vorne drauf war. Aber selbst da kann man fast nichts falsch machen. Wo Repka drauf ist, ist auch fast immer was Gutes drin. Aber wenn ich mich für ein Cover entscheiden müsste, dann wäre es sicherlich „Leprosy“, welches mir am besten gefällt.
Welche Konzerte konntest du besuchen und welches war das Beste?
Ich hatte das Glück, Mitte der 70er geboren zu sein. Und als der Metal Mitte/Ende der 80er auf volle Fahrt kam, war ich schon alt genug, den ganzen großen Touren und Konzerten beizuwohnen. Und da ich bei DEATH auch schon früh angefangen habe, hatte ich auch da das Glück, bei fast jeder Deutschland-Tour dabei gewesen zu sein. Ich hatte damals auch schon mein Ticket für die Tour mit PESTILENCE, welche ja abgesagt wurde.
DEATH habe ich zwischen 1990 und 1998 ganze sechs mal live gesehen. Und darunter war natürlich auch die Tour mit KREATOR, als die Band ohne Chuck nach Europa kam. Was für mich natürlich sehr enttäuschend war. Das Jahr zuvor das Ticket wegen Absage zurückgegeben – und dann endlich DEATH live… und Chuck war nicht da. Ich muss aber sagen, ich gehörte nicht zu den Pennern, die dann im Publikum standen und sich den dämlichen „Fuck Chuck“ Rufen anschlossen. Ich saß still in einer Ecke, hab vor mich hin getrauert, mich über mein DEATH-T-Shirt gefreut und hab auf KREATOR gewartet. Die besten Konzerte waren sicherlich zum einen das in der Rockfabrik in Ludwigsburg – da haben wir damals Chuck, Steve DiGiorgio und Gene Hoglan Backstage getroffen. Und dann noch das Konzert 1998 in Offenbach in der Hafenbahn. Denn im Nachhinein betrachtet war es das letzte Konzert, das Chuck auf deutschem Boden spielte – und ich war live dabei.
Da es nun niemandem mehr vergönnt sein wird, an einem Gig mit Evil Chuck teilzuhaben, schildere doch bitte die aus deiner Sicht farbigsten Eindrücke, die ein DEATH-Konzert mit Chuck als Fronter hinterlassen konnte.
Naja, DEATH-Konzerte waren immer was ganz Besonderes. Klar bleibt einem die Begegnung mit Chuck selbst auch heute noch in Erinnerung. Oder ein Gene Hoglan der mit Cowboyhut und Gehstock mit uns zusammen die Vorbands ansah. Dann hatten DEATH-Konzerte auch immer ihre eigene Magie. Wenn das Licht ausging, wurde immer erst mal „unpassende“ Musik vom Band gespielt. Meistens war es irgendwelches Klassik-Zeugs oder Soundtracks von alten Filmen. Nachdem dann das Licht anging, die Band rauskam und die ersten Töne gespielt wurden, flippte das Publikum immer total aus. Und da waren dann ja auch die bekannten Pausen zwischen den Songs. Chuck redete nie besonders viel, sondern war immer mit dem Stimmen seiner Gitarre beschäftigt.
Er war eben ein Perfektionist, der jeden Song perfekt darbieten wollte. Zudem war er ja Sänger, Gitarrist und Mittelpunkt der Band, somit hatte er zwischen den Songs ja niemanden, der das Publikum ablenken konnte und er seine Gitarre stimmen konnte. Andere Bands hatten nen Frontman, der das Publikum bei den Songpausen mitreißen konnte. Chuck war halt alles zusammen und das haben viele nicht verstanden. Aber wer auf drei, vier, fünf seiner Gigs war, hat auch das akzeptiert und ich fand das damals nicht sonderlich schlimm.
Kannst du uns etwas abseits von dem, was uns die Presse, die Band, Chuck und das Management bereits zu den unglücklich verlaufenen Europatouren Anfang der Neunziger berichteten erzählen und vor diesem Hintergrund die Persönlichkeit von Chuck Schuldiner ein wenig beleuchten?
Ehrlich gesagt hat man ja damals nicht mitbekommen, was da los war. Das war ja ne ganz andere Zeit. Ist ja nicht so wie heute, wo man schnell mal ins Internet geht und sich die Infos dazu holt. Ich hin in einem kleinen Dorf auf dem Lande aufgewachsen. Unser Draht zur Metal-Welt hatte kein Youtube, Blabbermouth oder Myspace. Wir hatten einzig und allein den Metal Hammer und das Rock Hard. Und gelegentlich fuhren wir noch nach Heidelberg an den Bahnhof – da gab es noch internationale Presse. Und da haben wir uns hin und wieder auch mal ein teures englisches oder amerikanisches Metal-Heft gekauft. Daneben gab es für uns keinerlei Info-Quellen. Natürlich habe ich damals jeden Artikel von DEATH verschlungen – aber mir war auch klar, dass alles einen Grund haben musste.
Und ich stand damals – egal wie schlimm über Chuck berichtet wurde – immer auf seiner Seite und wusste, dass es auch mal besser wird. Was es dann ja ab „Human“ auch wurde. Sicherlich war Chuck keine „einfache“ Person. Aber wäre er das gewesen, hätte er sicherlich nicht das gemacht, was er gemacht hat. Und es wäre ja auch undenkbar, wenn Chuck der „nette, brave“ Junge von nebenan gewesen wäre. Stars wie ein Jim Morrison, Kurt Cobain, Jimi Hendrix waren nun mal keine normalen Menschen, die man in irgendeine Form pressen konnte.
Nach außen wirkten sie vielleicht immer stark und charismatisch. Aber im Inneren waren doch alle sehr sensible und introvertierte Menschen. Und genau so war Chuck sicherlich auch. Alle haben in ihm immer nur Evil Chuck gesehen, aber das war er früher nicht und später auch nicht. Erst als viele dieser Presseleute und angeblichen Freunde erkannten, wer Chuck wirklich war und mit welchen Maß an Respekt man ihn behandeln musste, erst dann erkannten sie ihn wirklich.
Damals wie heute hatte die Presse eine sehr große Macht und ich mach auch heute noch Teile dieser Presse für diese Pleiten und Pannen von damals verantwortlich. Auch die Leute um Chuck herum waren einfach zu gierig und haben das Aufkommen der Metal-Welle dazu benutzt, viele Bands einfach auszubeuten und sie zu verheizen. Hätte Chuck das einfach mit sich machen lassen, würden in seinem Erbe heute vielleicht keine sieben DEATH Alben stehen. Und DEATH hätten ein viel früheres Ende gefunden.
Schildere uns doch bitte deine Eindrücke aus den persönlichen Erfahrungen und Begegnungen mit Chuck.
Chuck traf ich 1993 während der Individual-Tour. Das Ganze geschah damals in der Rockfabrik in Ludwigsburg. Ich war der Erste, der nach dem Einlass in die RoFa stürmte – und als ich so am „Laufen“ war, kam mir ne Person entgegen – und ich merkte erst, als er an mir vorbei war, dass das Chuck war. Also erst mal „Handbremse“ gezogen, umgedreht und zum ihm hingegangen. Hab mir dann Autogramme von ihm geholt – und er bewunderte mein Shirt. Ich weiß nicht mehr warum, aber ich hatte damals kein Metal-Shirt an, sondern ein Shirt mit Cannabis Blatt und „Legalize It“ drauf. Naja, ich wusste halt, dass Chuck gerne Gras rauchte – vielleicht hab ich es deshalb angezogen. Er hat es auch gleich gemerkt und fand das Shirt cool. Meine Kollegen waren alle noch draußen – kamen kurz danach aber auch rein – aber da war Chuck schon wieder weg. Ich habe natürlich gleich von meinem Treffen berichtet, und alle anderen wollten dann natürlich auch Autogramme haben.
Später haben wir Chuck zusammen mit Gene Hoglan und Steve DiGiorgio nochmal getroffen – und dann haben sich auch meine Kollegen mit Autogrammen eingedeckt – und ich hab mir dann auch noch mal welche geholt. Auf einen Zettel auf dem hunderte kleine Figuren in verschiedenen „Fickstellungen“ drauf waren – und Chuck hat das erst nicht gesehen, aber Steve – und der hat es dann Chuck gezeigt und die beiden haben sich drüber amüsiert. Die Jungs waren super nett und wir haben uns so gut es unser schlechtes Englisch zuließ, mit ihnen unterhalten. Später sind wir dann noch zusammen mit Gene Richtung Bühne gelatscht und haben uns zusammen die Vorband angesehen. War echt ein sehr geiler Abend, den ich sicherlich nie vergessen werde.
Wie schätzt du die Bedeutung des Wirkens von Chuck/DEATH für den Metal im Allgemeinen und den Death Metal im Speziellen ein?
Naja, wie in vielen künstlerischen Bereichen gibt es auch im Musik-Business Leute, die kreieren und kopieren – Vorreiter und Trittbrettfahrer. Chuck war ein Ausnahmetalent, wie es nur sehr wenige gibt. Er war im Bereich Metal und in speziellen Death Metal seiner Zeit weit voraus. Sein Songwriting und Gitarrenspiel war einzigartig und prägte damals, heute und in der Zukunft viele Musiker.
Für mich steht Chuck auf einer Ebene mit Beethoven, Hendrix oder Morrison. Er war ein Genie in seinem Fach. Er hatte Ideen und Visionen wie kein anderer. Und wie die Geschichte zeigt, leben solche großen Musiker leider nicht lange. Aber vielleicht ist es das Schicksal solcher Menschen, in der kurzen Zeit, in der sie auf der Erde sind, solche großen Sachen zu schaffen. Und ich bin immer wieder dankbar, dass ich genau zu dieser Zeit leben durfte.
Wie erklärst du dir, dass erst nach Chucks Tod im Verhältnis zu früher die Zugänglichkeit zu Merchandise via Mailorder wesentlich besser wurde? Wie bewertest du diesen Sachverhalt?
Hmm, da hab ich eine etwas andere Meinung. Generell war die Merchandising-Versorgung früher besser als heute. Ich verweise da auf EMP. Das war von Mitte der 80er bis Mitte/Ende der 90er die Bibel, was Metal-Merchandising anging. Da bekam man von jedem Album-Release auch das passende DEATH-Merchandising. Das flachte dann nach dem Tod von Chuck ab. Aber das hatte sicherlich zwei Gründe. Erstens, dass nach dem Tod von Chuck sehr viele rechtliche Sachen zu klären waren. Und zweitens war die Zeit, in der Chuck verstarb, eine sehr schwere Zeit für den Metal. 1998–2002 war ja wie ich meine ein absoluter Tiefpunkt im Metal. Das zeichnete sich auch beim Merch-Verkauf ab.
Schau dir einfach mal einen EMP- oder Nuclear Blast Katalog von 1999 an. Da kriegt man als Die-Hard-Metal-Fan das große Kotzen. Ab 2003/2004 erlebte der Metal seinen zweiten Frühling – und seit es eBay und Co. gibt kommt man auch an alte Sachen ran. Viele Hersteller legen die alten Shirts wieder auf und das neue Merch schaut auch wieder besser aus. Also ich denke, dass man bis auf wenige Jahre eigentlich durchgehend an DEATH-Merch rangekommen ist.
Wie glaubst du, würde sich die Mucke anhören, die uns Chuck heute um die Ohren hauen würde, lebte er noch?
Ich denke, dass uns Chuck mit jedem weiteren DEATH-Album überrascht hätte. Das war es ja, was DEATH ausmachte. Kontinuierliche Weiterentwicklung von Album zu Album, ohne sich zu wiederholen. Immer wieder was Neues machen, und immer wieder noch nen Schritt weiter zu gehen. Ich würde auch behaupten, dass Chuck auch ähnlich wie Bands wie SLAYER, METALLICA, ANTHRAX und Co. wieder etwas mehr zurück zu den alten Wurzeln gekommen wäre. Auch mit CONTROL DENIED hätte er sicherlich noch viel vorgehabt. Das hören wir ja hoffentlich bald in Form des zweiten Albums seines Nebenprojekts.
Wobei ich mir persönlich bei CONTROL DENIED Warrel Dane von NEVERMORE am Gesang gewünscht hätte. Chuck wollte ihn ja damals beim ersten Album haben. Was mir persönlich sehr recht gewesen wäre, denn NEVERMORE sind auch eine ganz große Band, die ich schon viele Jahre verehre.
Berichte doch bitte etwas über das Betreiben deiner Website… wie es dazu kam, welche Erfahrungen du (auch mit anderen Fans) gemacht hast und was dich umtreibt, dich noch immer um die Site zu kümmern.
Die Page entstand so um 2000/2001 rum – damals habe ich wie viele erfahren, dass es Chuck schlecht geht und er Hilfe braucht. Also setzte ich mich an meinen PC und surfte durchs Internet mit dem Ergebnis, dass es von DEATH damals so gut wie keine Infos, geschweige denn Fan- oder Homepages gab. Da ich schon immer ein sehr kreativer Mensch war und ich ein bis zwei Jahre zuvor damit angefangen hatte, die ersten Internet-Seiten zu basteln, sah ich da eine Lücke, die gefüllt werden musste. Also hab ich mich hingesetzt und hab angefangen, die Page aufzubauen. Da ich auch ein sehr gründlicher Mensch bin – und wenn ich etwas mache, ich es richtig machen will – stellte ich mir die Aufgabe, die umfassendste DEATH-Page zu bauen, die es gibt.
Am Anfang stand ja auch noch die Aufgabe der finanziellen Hilfe für Chuck an. Ich habe damals diverse Bands angeschrieben (KREATOR, SODOM und Co.) und habe um Hilfe gebeten. Ich wollte von den Bands Drumsticks, Pleks und Shirts haben, die ich dann bei eBay verkaufen und den Erlös an die Stiftung von Chuck spenden wollte. Ich habe auch die eine oder andere Antwort bekommen, leider hat mich damals keine dieser Bands wirklich unterstützt.
Ich habe dann einige Sachen aus meiner eigenen (damals noch kleinen) Sammlung verkauft und so 50-75 DM irgendwo hin überweisen. Ob das Geld jemals angekommen ist, weiß ich nicht. Aber ich konnte von mir sagen, dass ich was getan habe.
Mittlerweile sehe ich meine Page als Vermächtnis des künstlerischen Schaffens von Chuck an. Und habe es mir zur Aufgabe gemacht, auch noch die kommenden Generationen Metal-Kids an der Musik von Chuck teilhaben zu lassen. Das Ganze kostet mich jeden Monat Webspace-Gebühren, die ich aber weiterhin aus der privaten Tasche bezahlen werde. humandeath.de wird es so lange geben, so lang es mich gibt. Also freut euch auf weitere Jahre mit der Page.