Hour Of Penance
Interview mit Giulio Moschini zum Album "Regicide"
Interview
HOUR OF PENANCE – ein Quartett aus Italien- haben sich mit ihrem aktuellen Album „Regicide“ deutlich gesteigert und gezeigt, dass es auch in diesem Bereich noch Bands gibt, die sich weiterentwickeln und nicht zwangsläufig immer die vorgetrampelten Pfade ablatschen. Wir sprachen mit dem sympathischen und redseligen Gitarrist Giulio Moschini über die sechste Platte der rabiaten Römer, seine musikalischen Anfänge und die politische Situation in Italien „…Die italienische Bevölkerung ist passiv, du kannst auf sie pissen und sie sagen kein Wort…“.
Bitte stell uns HOUR OF PENANCE vor und erzähl mal, wie es dazu kam, dass ihr gemeinsam Musik macht
Dieses Jahr ist jetzt schon das 15. unserer Karriere und um die lange Geschichte mal ganz kurz halten, wir haben über Prosthetic Records vor kurzem unser sechstes Album „Regicide“ veröffentlicht. Das ursprüngliche Line-up ist tot und vergessen, wir haben uns im Laufe der Jahre immer wieder neu zusammengewürfelt, bis es zur aktuellen Zusammenstellung kam.
Unser Sänger Paolo ist jetzt seit 2010 dabei, also seit 4 Jahren. Wir haben die Texte für „Regicide“ und „Sedition“ zusammengeschrieben und ich habe ihn vor einigen Jahren in Rom getroffen, zu dieser Zeit hat er aber noch bei einer anderen Band gespielt. Dann ist da noch unser Schlagzeuger James, er kam 2012 zu uns ist einer der besten Schlagzeuger, die wir je hatten. Wahrscheinlich der kreativste und talentierteste, den HOUR OF PENANCE überhaupt jemals hatten. Kann man auf dem neuen Album gerne mal nachhören. Ihn kenne ich ungefähr seit 2006, er war Fan von unserer Band uns wir haben uns unterhalten, über Musik und extremen Metal. Der neue Bassist Marco ist unser letzter Neuzugang und kam in diesem Jahr dazu. In seinem Studio haben wir auch das Schlagzeug und den Bass für „Regicide“ aufgenommen, noch dazu ist er ein höllisch guter Bassist. Für mich ganz persönlich steht er im Ranking, der Veröffentlichungen seit unserem ersten Album „Disburbance“, ganz oben… verdammt 2003 ist auch schon eine Weile her.
Glückwunsch noch zu eurem Album „Regicide“, das Album ist wirklich deutlich besser, als alles was ihr davor gemacht hat. Es scheint mir detaillierter und atmosphärischer – wo siehst du selbst Unterschiede und habt ihr jetzt mit dem neuen Team an eurer Arbeit etwas geändert?
Vielen Dank! Ich denke, dass uns die Erfahrung, die wir über die Jahre auf Tour und im Studio gemacht haben, uns wirklich geholfen haben, um letztendlich bessere Ergebnisse erzielen zu können. Es war eine Heidenarbeit, aber das ist letztendlich notwendig um solche Resultate bekommen. Jedes Album, das wir bis jetzt veröffentlicht haben, ist nur ein Ausschnitt von dem, zu dem wir im jeweiligen Moment fähig waren. Wir haben viel gespielt, viel geübt und sind letztendlich bessere Musiker geworden. Ganz natürlich und mehr ist eigentlich nicht passiert, so sollte es eigentlich bei jeder Band laufen. Wenn man einer Band anhört, dass sie stagniert und jedes Album komplett gleich klingt, na ja… keiner will immer und immer wieder das gleiche Zeug hören, richtig?
Wir waren die Rückmeldungen zu „Regicide“ bis jetzt?
Bis jetzt haben wir einige gute Kritiken bekommen und die Fans haben richtig Spaß mit dem Album: wir werden weiterhin Rückläufe bekommen, die Veröffentlichung ist ja noch nicht so lange her, man kann eigentlich noch nicht richtig darüber urteilen. Die Zeit wird es zeigen!
Habt ihr schon mal negative Kritik für ein Album bekommen, mit der ihr echt was anfangen konntet? Etwas, dass man als Band wirklich umsetzen und verbessern kann?
Ich bin immer offen dafür, konstruktive Kritik zu hören und Vorteile aus anderen Meinungen zu ziehen. Aber um ehrlich zu sein – meistens kommt das von Nicht-Musikern und Leuten, die nicht wirklich viel über das Genre und die Hintergründe wissen. Musikgeschmack ist subjektiv und wenn es um unsere Musik geht, dann wird es immer positive sowie negative Meinungen geben. Es macht keinen Sinn melodischer oder einprägsamer sein zu wollen, um noch mehr Fans zu kriegen, es muss uns ins erster Linie selbst befriedigen. Wenn es um die Produktion geht oder Vorschläge wie das Master klingen soll, dann bin ich dankbar für Vorschläge, aber der Rest hängt ausschließlich davon ab, wie unsere Band klingen will.
Sicherlich werde ihr einen bestimmten Prozess haben, wenn ihr Lieder erschafft und es entsteht bei euch nichts im Chaos oder während Jam-Sessions. Wie läuft das bei euch ab, hat jeder seinen Schwerpunkt?
Ja, da hast du Recht. Wir arbeiten erst individuell an den Songs und wenn wir uns dann im Proberaum treffen, dann definieren wir die Strukturen der Songs und schauen, ob es in einer Live-Situation funktionieren würde oder nicht. Der übliche Weg ist, dass ich dann alles auf meinem Computer aufnehme und wenn ich damit zufrieden bin, dann schicke ich es an die Jungs. Das ist leider eine Notwendigkeit, denn wir leben innerhalb Italiens sehr weit auseinander, die fortgeschrittene Technologie ist uns also sehr hilfreich. Paolo hat für „Regicide“ die Texte und den Gesang komplett selbst ausgearbeitet, wir haben vorab etwas über die Themen diskutiert, die wir auf dem Album behandeln wollen und ab da, war er vollkommen frei zu tun was er möchte.
Und wie lange habt ihr dann insgesamt an dem Album „Regicide“ gearbeitet?
In der Regel fange ich dann an, an einem neuen Album zu schreiben, wenn ich das Gefühl habe ich brauche neue Musik zum Spielen und zum Hören, so war das auch bei „Regicide“. Während der Erschaffung eines neuen Albums, versuche ich mich so weit wie möglich von Metal fernzuhalten, das hilft mir. Dieser Verzicht hilft mir sehr beim Lieder schreiben, mir kommen dann viele neue Ideen… so habenn wir also 14 Stücke in weniger als 8 Monaten zusammengekriegt. Sobald ein Song fertig ist, gehe ich umgehend zum nächsten über, die Ideen sprudeln dann nur so, wenn man mal im Fluss ist und ich brauche dann auch keine Pause. Je mehr ich spiele, umso mehr Riffs entstehen.
Was hat dich denn dazu gebracht, überhaupt Gitarrist zu werden und welche Gitarre spielst du heute?
Während ich ganz viele andere Musik hörte, formte sich der Wunsch ein Teil davon zu werden – das war eigentlich die Hauptinspiration, ich wollte in einer tourenden Band spielen! Momentan bin ich sehr umfänglich ausgerüstet. Digitale Amps, den Kemper, na ja so den Standard für tourende Musiker mit ESP Gitarren.
Also die ersten Songs auf der Gitarre werden wohl nicht gleich aus dem Technical Death Metal-Bereich gekommen sein, oder? Was war denn der erste Song, den du auf der Klampfe gezockt hast?
Das waren MISFITS-Songs und einige Stücke von „Chaos A.D.“ von SEPULTURA. Ich hatte nie Unterricht, habe auch nie klassisch irgendein Instrument gelernt. Eines Tages ging ich zu einem Laden für Musikinstrumente und kaufte einen dieser Starter-kits mit Gitarre und einem beschissenen Verstärker. Das lustige daran ist, dass meine Eltern immer wollten, dass ich ein Instrument spiele, als ich noch klein war. Ich habe mich irgendwie immer dagegen gesträubt, ich war einfach nicht motiviert, weißt du was ich meine? Was mich dann letztendlich dazu gebracht hat dran zu bleiben, war also die Musik selbst.
Ich habe schon von einem Musiker aus dem Technical Death Metal-Bereich gehört, dass sie gerne Jazz hören. Trifft das auch auf dich zu und was sind deine Favoriten?
Ich höre wirklich Querbeet und achte nicht mehr darauf, aus welchem Genre es kommt. Ich mag elektronische Musik von Drum’n’Bass bis zu 80er Jahre Synthie Pop. Ich höre diese Solo- Gitarrenspieler-Alben und Jazz-Sachen aber nicht, das finde ich tierisch langweilig. Da zeigt einer, was er technisch drauf hat und das unterhält mich nicht wirklich.
Vor ein paar Wochen war ich auf einer kleinen Insel in Italien und es war schwer für mich Metal zu hören. Die Landschaft und die Leute waren so freundlich und friedlich, irgendwie hat es überhaupt nicht gepasst. Und in diesem Moment habe ich mir überlegt, ob das der Grund sein könnte, dass so wenig brutaler Metal aus Italien kommt. Oder ist diese Spielart generell für den Underground und ich liege total falsch? Erzähl mal über die Metalszene in Italien, gibt es einen starken Zusammenhalt und was ist dort am stärksten vertreten?
Es gibt auf jeden Fall eine Menge extreme Metalbands aus Italien im Moment, einige sind richtig gut und spielen auch viel außerhalb von Italien. Italien ist ein schönes Land, aber lass‘ dich nicht in die Irre führen. Es gibt auch hier viel Hass und genug Antrieb für Bands dieser Art. Das Problem warum diese Bands nicht über die Grenzen hinaus bekannt sind ist eher, dass es keine Szene dafür gibt und es für eine Band enorm schwer ist Auftritte zu spielen, eine Fanbase aufzubauen und genug präsent zu sein, um auch außerhalb aufzufallen. Wir hatten Glück, denn als wir vor 15 Jahren anfingen waren wir eine der wenigen Bands hier, die einen richtig guten Plattenvertrag bekamen, mit einem ausländischen Label. Wir konnten dadurch außerhalb spielen und wären sonst wohl unbekannt in Italien begraben worden.
Auf „Regicide“ geht es ja darum frei zu sein und nicht unter der Knechtschaft eines Königs, das Album hebt dieses Thema lediglich auf eine andere Ebene. Was kann man denn deiner Meinung nach im „richtigen Leben“ gegen schlechte Herrschaft und falsche Könige tun?
Ein wichtige Punkt ist schon überhaupt dagegen zu sehen und achtsam gegenüber solcher Zustände. Die italienische Bevölkerung ist passiv, du kannst auf sie pissen und die sagen kein Wort. So sind wir ja überhaupt erst in diese Situation gekommen, durch Ignoranz und Nichtanerkennung von Problemen – das hat uns ja in die tiefe Krise gestürzt, unter mehreren Aspekten.
Welche Song von euch bündelt die Stärken von HOUR OF PENANCE am besten und warum?
Hmm, das ist echt scher zu sagen und ehrlich gesagt haben wir ja auch mit 6 Alben viele gute Songs angesammelt. Einen, den ich sehr gerne spiele und nach dem die Fans auch immer fragen, ist auf jeden Fall „Misconception“ vom Album „The Vile Conception“, der vereint ziemlich viel von uns einem einzelnen Stück.
Das Albumcover ist ein echter Blickfang, wer hat es gemacht und erzähl mal was über die Bedeutung?
Wir haben wieder mit Gyula Havancsak zusammengearbeitet, er hat auch schon die Bilder für „Paradogma“ und „Sediction“ gemacht, er ist ein toller Künstler und hat dies mit „Regicide“ erneut bewiesen. Die Idee ist ganz einfach und versucht das Thema des Albums auf den Punkt zu bringen. Oder ganz detailliert: Die Statue, die du in der Mitte der Szene sehen kannst, ist die Statue von Italien, geschändet und hinterrücks erstochen vom Papst, der wiederum umgeben ist von anderen Priestern und Politikern, die sich von der Polizei schützen lassen…das ist so ungefähr die Situation unseres Landes, politisch und sozial gesehen. Die Entscheidungen des Vatikans können unsere Regierung beeinflussen und die Bevölkerung wird dadurch maßgeblich geschädigt.
Sag mir mal spontan drei Dinge, die du sofort mit Metal in Verbindung bringst
Schwarze T-Shirts, lange Haare und Bier.
BEHEMOTH haben in diesem Jahr ein wirklich grandioses Album veröffentlicht, auf dem sie sehr detailverliebt vorgingen und endlich wieder einen besonders guten Sound hingekriegt haben. Ihr habt euren Sound auch toll dekoriert, aber eben nur ein wenig und nicht so viel, euer Sound hat noch das das gewisse Barbarische. Ist das einer eurer Ansprüche, soundtechnisch roh zu bleiben?
Na ja, die Produktion von „The Satanist“ und „Regicide“ ist sehr unterschiedlich. Ich habe nichts gegen Alben die überproduziert sind oder „zu glatt“, das liest man immer wieder von Leuten im Internet. Wirklich schwer ist eher, wenn du ein Album im Studio aufnimmst und produzierst und merkt, dass du wenig davon auf die Live-Situation übertragen kannst. Mit „Regicide“ haben wir versucht, dies immer im Auge zu behalten, so weit es ging. Also alles möglichst unberührt zu lassen und im gleichen Moment gaben wir jedem Instrument seinen Raum im Mix. Eines Tages haben wir sicherlich auch ein größeres Budget, um mit größeren Produzenten zusammenzuarbeiten… es wäre sehr interessant zu hören, was dann dabei rauskommt.
Was war denn das letzte Album, das dich wirklich beeindruckt hat?
Das neue Album von TRIPTYKON, ich mag den obskuren Vibe der Aufnahme, das ist wirklich sehr ungewöhnlich zu hören heutzutage.
Was war die schönste Erfahrung mit HOUR OF PENANCE bis jetzt?
Wahrscheinlich die Tour in Australien / Asien, die wir im letzten Jahr mit BEHEMOTH gemacht haben. Wir hatten die Chance Sehenswürdigkeiten zu besuchen und auch Zeit dazu, einige Tempel in Indonesien zu besuchen, normalerweise wären wir da nie hingekommen. Außerdem haben wir ein Festival dort als Headliner gespielt und zwar vor 8000 Leuten!
Was sind eure Pläne für die nahe Zukunft?
Wir kommen zurück nach USA für eine Tour mit unseren Freunden von FLESHGOD APOCALYPSE und SEPTICFLESH im September, dann fliegen wir nach Australien um CANNIBAL CORPSE auf deren Australien-Tour zu begleiten. Wir planen auch Shows in Europa und hoffen, dass wir eine richtige Tour dort im Herbst oder Winter spielen können. Wir sind auf jeden Fall umtriebig.