Horresque
"Eine Ballade wird es nicht geben."

Interview

Vielen sind HORRESQUE wegen ihrer intensiven Liveshows schon länger ein Begriff, jetzt hat die Band, die sich irgendwo zwischen Blast Beats und Verzweiflung einordnen lässt, mit „Chasms Pt. II – The Devouring Exorbitance“ ihr zweites Album veröffentlicht. Die darauf enthaltene Musik gleicht einer Reise in Alptraumwelten und vereint Virtuosität mit tiefgehender Lyrik. Man darf gespannt sein, was Sänger M.R. und Gitarrist S.D. (u.a. NOCTE OBDUCTA, HERETOIR, SCHAMMASCH) über das Songwriting und das Gefühl auf der Bühne zu erzählen haben.

Hey Jungs! Herzlichen Glückwunsch zu „Chasms Pt. II – The Devouring Exorbitance“. Die Platte wurde ja durch die Bank weg mehr als nur positiv aufgenommen. Wie geht es Euch damit? Seid Ihr vielleicht sogar ein bisschen stolz?

S.D.: Wie soll ich es sagen, damit es nicht so böse klingt… Es hat einen kleinen Faktor von Genugtuung. Es liegt ja in der Natur der Sache, dass man versucht, Musik, die man hört, irgendwie zu kategorisieren und irgendwelche Schubladen zu stecken. Und wir haben irgendwie immer das Gefühl gehabt, dass wir nicht so richtig verstanden werden, obwohl wir ja eigentlich einen relativ – wie ich finde – gar nicht mal so verqueren Hybrid aus Black und Death Metal machen. Aber ich hatte immer so ein bisschen das Gefühl, dass die Leute damit irgendwie nicht so warm geworden sind. Aus Gründen, die mir nie so eingeleuchtet sind. Weil ich immer das Gefühl hatte, dass wir eigentlich relativ catchy sind, was Melodien und Refrains und sowas angeht. Aber ich habe das Gefühl, mit dem zweiten Album ändert sich das gerade ein bisschen. Ansonsten war für uns eigentlich fast immer – da kann ich wohl für alle sprechen – das Live Konzert eher der Gratmesser als jetzt ein Review oder eine Besprechung. Letztlich war die Platte ein hartes Stück Arbeit. Und wir haben auch zwei neue Leute. Es gab einen kleinen Line-Up-Wechsel und die erste Platte hat ja tatsächlich ein Kumpel von uns als Session-Schlagzeuger eingespielt. Und insofern haben wir jetzt natürlich ein bisschen gebraucht, bis wir erstmal den Tristan und den Michi auch integriert hatten und dann irgendwann das Songwriting auch losging. Im Nachhinein habe ich das Gefühl, dass wir  ein Album übersprungen  haben mit der neuen Platte. Es ist so viel passiert, als hätten wir jetzt noch einen kleinen Time Warp eingelegt und hätten unseren Stil definiert. Das klingt sehr hochnäsig, ist aber gar nicht so gemeint. Wir haben jetzt die Zutaten haben wir jetzt beieinander, die zusammenpassen. Ob das dann jetzt schon geil ausdifferenziert ist oder so, das überlasse ich dann dem Hörer.

M.R.: Genau. Also ich kann mich eigentlich allem anschließen. Persönlich bin ich mega froh, dass die Platte endlich raus ist. Und ja, ich bin auch einfach sau stolz, dass ich zu dieser Truppe gehöre. Weil wir uns einfach sau gut verstehen und das auch menschlich passt. Natürlich sind auch Frustmomente da. Wie immer, wenn man was zusammen macht. Unsere erste Platte ist ja genau vor der Pandemie rausgekommen. Und dann war das natürlich für uns ganz schlimm, weil wir alle Gigs absagen mussten. Der Lockdown hat der Veröffentlichung dann das Momentum genommen. Das war einfach schwierig und da kommst du dann nicht mehr raus. Wenn der Moment weg ist, dann hast du verloren. Auch jetzt hat sich aus diversen Gründen wieder alles etwas in die Länge gezogen, was auch immer ein bisschen frustrierend ist. Deswegen ist es jetzt einfach unfassbar schön, dass die Platte endlich raus ist. Die Leute hören sie -und ja – in den meisten Fällen sind wir sehr froh und begeistert, dass sie so gut angenommen wird. Dein Review da ganz zuallererst hat uns natürlich total gefreut. Danach ist dann auch wirklich was passiert. Also nach deinem Review haben wir gesehen, dass da mehr Leute reingehört haben. Wenn wir die Chance kriegen, dann schaffen wir es auch,  viele Leute zu überzeugen. Und das ist auch genau das, was wir live machen. Auf der Bühne kriegen wir die Leute wirklich abgeholt. Und danach kommen ganz viele, die halt richtig begeistert sind, uns das auch sagen und auch mal ein Shirt oder so mitnehmen. Jedenfalls haben wir den Eindruck, dass diejenigen, die uns mal live gesehen haben und dann die Platte hören,  sich irgendwie mehr Zeit lassen. Wir wissen auch, dass die Platte beim ersten Mal nicht immer sofort zündet. Manche brauchen wirklich 345 Durchläufe.

Mir ging es ehrlich gesagt ganz ähnlich. Zuerst habe ich Euch auf der Bühne erlebt und das war quasi der Türöffner für mich, Eure Musik genauer unter die Lupe zu nehmen. Aber wie habt Ihr eigentlich zueinander gefunden? Es soll Leute geben, die Euch mehr als Nebenprojekt von NOCTE OBDUCTA sehen…

S.D.: Wie soll ich sagen? <Natürlich werden wir kein Internetphänomen mehr, was aber auch gar nicht schlimm ist. Es gibt ja so Bands, die gehen so plötzlich so völlig ab und du fragst dich, was ist denn da überhaupt los? Und oft haben diese Bands noch nie eine Bühne betreten. Das werden wir nicht mehr. Wir haben uns eigentlich auch immer schon als Liveband verstanden. Ich habe aber  nicht das Gefühl, dass wir als Nebenprojekt wahrgenommen werden, eigentlich eher das Gegenteil. Bei der aktuellen Presserunde war es eher so: „Da ist jetzt schon dieser Typ von NOCTE dabei und die Platte ist es schon wieder kein Klassiker geworden.“ Da fühle ich mich tatsächlich relativ missverstanden. Nur weil ich in einer bekannten Band spiele, heißt das nicht automatisch, dass ich weiß, wie man einen Szeneklassiker schreibt. Man kann sich schon fragen, mit welchem Maßstab überhaupt an die Platte herangegangen wird. Der scheint schon höher zu sein, als wenn wir einfach irgendeine Band wären, in der keine Leute dabei sind, die man schon mal irgendwo anders auf einer Bühne gesehen hat. Marco hat sich ja mit DISCREATION auch einen guten Namen gemacht. Insofern ist es vielleicht menschlich, aber ich finde den Ansatz ein bisschen  schief. Von wegen „da sind ja jetzt Leute dabei, die wissen noch, wie es geht. Warum ist das jetzt nicht der neue Oberhammer?“ So funktioniert es halt einfach nicht.

Wir haben uns kennengelernt, weil wir in der gleichen Gegend schon Musik gemacht haben. Ich in Mainz mit NOCTE und Marco und unser früherer Drummer mit einer Band namens ERASERHEAD in Limburg. Auf einem Konzert in Limburg habe ich gesehen und sofort gesagt: „Der Sänger und der Trommler sind geil.“ Und irgendwie kamen dann der Sänger und der Trommler über irgendwelche Umwege zu mir. Auf jeden Fall haben wir uns in Mainz getroffen und beschlossen mal etwas zusammen zu machen. Diesen kreativen Output hatte ich auch nötig, weil bei NOCTE läuft das klar auf Marcel raus und die Band arrangiert die Songs gemeinsam. Das ist für alle cool, aber ich hatte zu der Zeit Hummeln im Hintern und hatte Bock, mal wieder etwas zu schreiben.

M.R.: Das war nachdem wir NOCTE in Mainz gesehen hatten. Wir haben Dich angequatscht und  waren komplett begeistert. Matze meinte: „Den müssen wir reinholen, den müssen wir nerven, der muss bei uns Gitarre spielen.“ So kam es zu der genannten Verabredung und die Sympathie war gleich da. Und dann haben wir uns ein paar Wochen später im Proberaum getroffen und da ging es los. Ich glaube, ihr hattet auch sehr viel geschrieben, Du und der Matthias, der Matze damals noch. Genau. Wir mussten erstmal noch andere Musiker finden. Unser zweiter Gitarrist Rüdiger kam dann dazu. Unser erster Gig war auch dann 2016, mit selbstgemachten Demos in einer 50er Auflage. Die Leute standen nach dem Gig Schlange um noch ein Demo abzukriegen. Dass wir sofort so großartig angenommen wurden ist großartig. Dann hatten wir Stress mit unserem alten Drummer, der uns verließ. Als wir dann wieder komplett waren, kam Corona.

S.D.: Wir haben uns dann die Drumtracks vom ersten Album rausrechnen lassen und im Proberaum über die PA abgespielt. Wir haben um die zwei Jahre nach einem neuen Schlagzeuger gesucht. Gerade weil es hier im Rhein-Main-Gebiet auch nicht zwanzig Leute gibt, die sowas spielen können oder wollen. Immerhin sind die Gigs auch ziemlich anstrengend.

Sprechen wir noch einmal über neues Album. Inhaltlich ist die Platte nicht gerade eitel Sonnenschein. Wie geht Ihr denn an die Lyrics ran? Und gleich noch eine Anschlussfrage: Wird es auch noch „Chasms Pt. III“ geben?

M.R.: Wenn ich Texte schreibe, verliere ich mich eigentlich nie in Fantasiewelten. Es gibt so viele schlimme Dinge auf der Welt. Ich habe ein paar Jahre damit verbracht, extreme Geschichten über Serienkiller, Kriegsverbrechen oder auch irgendwelche abstrusen, wahnsinnigen Geschichten zu sammeln. Darum habe ich einen riesigen Fundus. Zwar hatte ich schon grundlegende Ideen, aber ein richtiges Konzept gab es anfangs noch nicht. Irgendwann ist dann der Gedanken entstanden, dass wir uns an den sieben Totsünden orientieren könnten. Allerdings interpretieren wir das Thema modern. Und letztlich haben wir zwei dieser Sünden als Kategorien auf Platte gebannt. Bei „Chasms Pt. I – Avarice And Retrebution“ (Rache und Neid) war das jedenfalls so. Jeweils vier Songs, die grob zum Thema gepasst haben.

Um diese menschlichen Abgründe geht es auch auf „Chasms Ot. II – The Devouring Exorbitance“ (Völlerei und Maßlosigkeit). „Chasms Pt. III“ ist auf jeden Fall das Ziel. Aber es sollte dann eigentlich schon noch weitergehen. Wir haben voll Bock drauf und wollen auch nicht wieder vier Jahre vergehen lassen. Übrigens kann man auf Bandcamp mehr zu den Quellen für die Lyrics finden. Es wäre schon ganz geil, wenn sich die Leute ein bisschen tiefer mit den Texten beschäftigen.

Eure Konzerte sind wie gesagt, sehr intensiv und emotional… Macht es Euch eigentlich Spaß auf der Bühne zu stehen? Glückliche Gefühle sehen ja grundsätzlich anders aus.

M.R.: Nun, ich mache das schon zu 99 % um live zu spielen. Auf der einen Seite sind wir nicht nur eine Band, sondern auch Kumpels, die extrem viel Zeit miteinander verbringen. Auf der anderen Seite ist es aber auch eine Art Ventil, auf der Bühne zu stehen. All diese Geschichten, durch die ich mich teilweise regelrecht durchgezwungen habe, sind ja sehr emotional. Vielleicht bin ich sogar ein bisschen masochistisch in der Hinsicht.

Was Du auf der Bühne siehst, haben wir nicht einstudiert. Irgendwo macht das voll Spaß, aber es ist auch super anstrengend und ich brauche ein paar Minuten um reinzukommen. Genauso brauche ich aber auch ein paar Momente nach dem Gig, um wieder runterzukommen. Weil es auch für uns intensiv ist.

S.D.: Ein Konzert zu spielen lässt sich mit nichts vergleichen. Man kann das nur schwer beschreiben. Zwar stehen wir auf der Bühne, aber es ist ja kein Theaterstück. Du bist auf der Bühne mit einem anderen Mindset, als beispielsweise im Proberaum. Das klingt vielleicht ein bisschen hochgestochen, aber tatsächlich haben damit einen gemeinsamen Raum gefunden. Auf der Bühne willst Du ja auch in erster Linie, dass das Zeug geil rüberkommt. Man blendet das irgendwann aus und ich persönlich bekomme nach zwei Songs kaum noch etwas mit. Wenn ich später Handyaufnahmen von dem Konzert sehe, habe ich aber schon oft das Gefühl, dass es uns allen fünf ähnlich geht. Wir sind voll und ganz drin, was nicht zwingend bedeutet, dass alle Texte im Kopf herumschwirren.

M.R.: Aber auch bei den Proben entsteht eine gewisse Atmosphäre. Natürlich sind wir da nicht geschminkt oder sowas. Das ist bei einem Konzert schon noch einmal anders. Es ist wie ein Ritual, wenn man sich vorher schminkt und in sich geht. Und dann sind da natürlich die Leute im Publikum. Wenn Du gutes Feedback bekommst, pusht das zusätzlich. Das kennt jede Band und das ist schon geil.

S.D.: Energieaustausch findet natürlich statt.

Unlängst habt Ihr ein Video zu „A Mendacious Myth“ veröffentlicht, das ja alles andere als Hoffnung hinterlässt. Nach einem beschissenen Tag kann Eure Musik einen schon rutnerziehen. Ist Euch das bewusst oder wie geht Ihr damit um?

S.D: Wir hatten mit Viktor (Produzent) so eine Situation im Studio. Nach zwei Wochen sehr intensiven Zusammenseins, haben wir die Rough Mixes zusammen durchgehört. Man will sich ja vergewissern, dass wirklich alle Spuren drauf sind und nichts vergessen wurde. Viktor meinte danach, dass er jetzt erstmal einen Heimatfilm gucken müsste. Das ist schon unfassbar, was da an negativer Realität auf einen niederprasselt, oder? Alles, was Marco in seinen Texten zitiert, ist ja wirklich passiert. Bei mir hat das aber auch schon immer dazu gehört und die Texte, die am meisten hängen geblieben sind, waren keine Unterhaltung. So wie Zombies und Splatterkram im Death Metal.

Je länger unsere Band existiert, desto dichter wird die Atmosphäre, desto mehr driften wir in den Black Metal ab. Und das kann in meinen Augen kein reines Entertainment sein. Natürlich machen wir keine Gute-Laune-Mucke und knallen den Leuten etwas vor den Latz. Aber was jeder daraus macht… Es beschäftigt sich ja längst nicht jeder wirklich mit den Texten, oder?

Wir wissen schon, was wir den Leuten da hinlegen und dass das echt auch keinen Spaß macht. Wenn man sich das zu Herzen nimmt, ist es, glaube ich sogar bisweilen belastend. Je nachdem, wie du halt an so einem Tag drauf bist. Wenn man nach einem beschissenen Tag nach Hause kommt und sich entspannen will, ist es vielleicht nicht die richtige Idee, „Chasms Pt. II“ zu hören, während das Textblatt daneben liegt.

M.R.: Natürlich ist es nicht unser Ziel, den Leuten so auf den Sack zu gehen, bis sich alle schlecht fühlen. Aber bei unseren Texten ist es mit der Hoffnung eben schwierig. Weil all diese Dinge schon so lange passieren und es einfach nie endet. Das macht einen unfassbar wütend und lässt einen verzweifeln. Wir kleinen Menschen können das auch nicht ändern. Aber wenn unsere Musik und unsere Texte den Anstoß geben würden, dass einige Leute ein paar Dinge in ihrem Leben ändern würden, dann wäre das großartig. Darüber würde ich mich am meisten freuen. Aber das ist natürlich mir schon klar, dass die wenigsten überhaupt mit Texten beschäftigen.

Es gibt Aktivisten oder Wissenschaftler, von denen ich auch großer Fan bin, die wirklich versuchen, positiv zu bleiben. Den Kopf in den Sand zu stecken ist ja auch Quatsch. Aber das kann ich in meinen Texten so nicht verfassen.

Ehrlich gesagt, glaube ich schon, dass sich ausgerechnet die Menschen, die Eure Musik hören, auch mit den Texten beschäftigen. Die Musik transportiert die Lyrics und das auf eine ziemlich ungeschönte Art und Weise. Im Video zu „A Mendacious Myth“ agiert Ihr dann mit dem Thema Suizid…

M.R.: Ja, schon. Das steht für die letzte Verzweiflung. Der Mensch, der sich zu lange mit den gezeigten Themen beschäftigt, trifft irgendwann aus Hoffnungslosigkeit diese Entscheidung. Das hast Du vollkommen recht. Aber wir wollen damit eher eine Art Warnschuss darin sehen. Es gibt immer einen anderen Ausweg. Die Zeit ist aber gekommen, ein paar Dinge zu verändern.

Lassen wir die traurigen Dinge hinter uns. Was war denn der beste Moment in Eurer Bandgeschichte?

M.R.: Ui, ich hoffe, der kommt noch. Einfach, weil der Höhepunkt dann noch in der Zukunft liegt.

Dann frage ich noch einmal anders: Was war der bisher beste Moment?

M.R.: Mit den Jungs gab es so viele großartige Momente. Im Bandkontext sticht vielleicht die Geschichte heraus, als Stefan in seiner unermüdlichen Art im Kesselhaus in Wiesbaden einfach mal angefragt hat, ob noch eine regionale Band für den selben Abend gesucht wird..

S.D.: Uns war ein Slot in Bochum weggebrochen. Wir wollten eigentlich eine Mini-Tour machen und dann ist direkt die erste Show geplatzt. Auf meine Anfrage bekam ich tatsächlich eine Antwort und musste mir schon die Augen reiben.

M.R.: Das hat wirklich geklappt und alleine das war ja schon cool. Was dem ganzen aber noch eins draufgesetzt hat, war, dass Eric vom Party.San den Merchstand in dem Laden besetzt hatte. Dadurch hat er unsere Show gesehen und war so angetan, dass er uns im Folgejahr auf die Herbstoffensive eingeladen hat. Und die ganze Geschichte endet nun damit, dass wir dieses Jahr auf dem Party.San spielen. Das ist für mich persönlich ein kleiner Meilentein, ein kleiner Traum. Weil ich seit 2006 fast jedes Jahr dort bin und dieses Festival einfach atme. Und jetzt darf ich selber dort spielen.

Das geile daran ist aber, dass wir uns den Gig erspielt haben, weil wir die Leute live richtig überzeugt haben und zwar mit unserer Leistung und nicht nur mit Glück. Ok, ein bisschen Glück war natürlich auch dabei.

S.D. Bei mir ist das De Mortem Et Diabolum im vergangenen Dezember am meisten hängen geblieben. Es gibt manchmal Momente, in denen du merkst, dass die Leute ganz intensiv dabei sind. Da sind wir auch wieder so kurzfristig reingerutscht, weil eine andere Band krankheitsbedingt ausgefallen war. Während unseres Konzerts wurde die Energie immer stärker und irgendwann merkten wir, dass da was zurückkommt und das sich eine unfassbar intensive Atmosphäre im Saal gebildet hat. Du kommst um 16:30 Uhr von der Bühne und denkst Dir: „Was mache ich jetzt mit dem Tag? Was soll jetzt noch passieren?“ Das war ein geiles Erlebnis.

Machen wir uns nichts vor: Eure Live-Qualitäten sind, wie gesagt, extrem hoch. Und ich glaube, dass wisst Ihr auch. Könnt Ihr da andere Bands auf der Bühne noch einfach genießen oder schwingt immer ein Hauch Professionalität mit?

M.R.: Natürlich gehe ich gerne als Besucher auf Konzerte. Aber ich muss zugeben, dass ich mich manchmal dabei ertappe, mehr draußen zu stehen und mit Leuten zu reden. Dann stehe ich in der Location und bin schneller gelangweilt und will wieder raus und mich mit Leuten unterhalten. Das ist über die Jahre vielleicht ein bisschen mehr geworden. Vielleicht liegt es aber auch einfach am Alter und weil man schon so vieles gesehen hat.

Wenn ich ein Konzert anschaue, achte ich ehrlicher Weise immer etwas mehr darauf, was ich selber auch mache. Der Sänger ist also unter ständiger Beobachtung. Dabei lasse ich mich wirklich gerne inspirieren. Andererseits bin ich auch viel kritischer geworden. Raushängen würde ich das aber nie lassen, weil Arroganz natürlich nichts Cooles ist.

S.D.: Ich gehe unheimlich viel auf Konzerte. Aber die Musikerpolizei hasse ich und will sie selbst auch nicht sein. Aber klar, man hat natürlich von Natur aus ein anderes Gehör, oder? Und man kann auch recht gut die Körpersprache von den auf der Bühne stehenden interpretieren. Da merkt man schnell ob jemand unsicher ist oder ob etwas schiefläuft. Das habe ich selber schon mannigfaltig erlebt. Insofern empfinde ich es eher so, dass ich immer wieder etwas dazu lernen kann, wenn ich erlebe, wie andere mit Problemen auf der Bühne umgehen. Arroganz steht uns nicht zu und mir läge auch nichts ferner als das. Egal wie routiniert du bist, es kann immer etwas sein. Bei manchen großen Bands habe ich einfach das Gefühl, dass sie ihr Programm nur noch runterspulen. Da gehe ich gerne mal ins JUZ, diese ganz kleinen Dinger. Die haben inzwischen manchmal mehr Charme, als das fünfte Mal auf dem Summer Breeze zu sein.

Welche musikalischen Grenzen würdet Ihr nicht überschreiten?

M.R.: Clean Gesang. Also jedenfalls keine längeren Parts. Alleine wegen der Musik an sich und den Texten, muss der Gesang verzweifelt, brutal und wütend sein. Eine Ballade wird es auch nicht geben.

S.D.: Instrumental würde ich uns aber keine Grenzen setzen. Es wird halt keine drei Minuten langen Postrock-Passagen geben. In den Deathcore wird unsere Musik auch nicht abrutschen. Sie wird schon immer groovig bleiben. Würden wir jedes Wort auf die Goldwaage legen, könnte man ja auch sagen, dass wir mal als Oldschool-Death-Metal-Band angefangen haben. Ansonsten wird es auch keine 20-Minuten-Songs mit ewigen Instrumentalparts geben. Das können andere besser.

M.R.: Wir haben jetzt auch mal einen kleinen Chor angerissen. Der hat super gepasst und wir machen uns schon viele Gedanken, was funktionieren könnte. Aber das wird sich dann wahrscheinlich keinen Weg ins grundsätzliche Songwriting bahnen. Und genau das ist ja das Schöne daran. Wenn es etwas Besonderes bleibt.

Sehr geil Jungs, vielen Dank für Eure Zeit und macht es gut.

01.05.2024

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