Hokum
Hokum
Interview
HOKUM sind mal wieder ein Beispiel dafür, welche unglaublichen Perlen sich im deutschen Metal-Underground tummeln. Von der breiten Masse bisher noch weit unentdeckt, veröffentlichten die Bayern bisher ein Demo, eine EP und kürzlich auch ihr erstes, vollständiges Album namens "Pi", auf welchem sie ziemlich eigenständigen, klassischen und progressiven Thrash Metal auf technisch verdammt hohem Niveau zocken. Dabei lassen es die Granaten niemals an Durchschlagskraft missen und stellen eine gute Symbiose aus Härte und Aggressivität einerseits, Melodie und technischer Anspruch andererseits dar. HOKUM haben sich also Anerkennung und Unterstützung verdient, und dazu soll auch dieses Interview, geführt mit Bassist Jonas Fischer aka JoeC, beitragen. Support the Underground!
Hallo Jonas! Bitte stelle doch zuerst einmal die einzelnen Bandmitglieder vor und erzähle uns, wie es 2000 zur Bandgründung kam, was damals eure Ziele waren und was die bisherigen wichtigsten Stationen von HOKUM waren!
Hallo, grüß dich! Wir, HOKUM, sind vier Jungs aus dem Landkreis Freising im Münchner Norden, zwei Gitarren, ein Bass, ein Schlagzeug, klassische Rockbesetzung also. Benji, unser Sänger, bedient dabei die Rhythmusgitarre, Voge ist Leadgitarrist, unser Drummer hört auf den Namen Nico und schließlich ich, JoeC, als Bassist.
Als wir unsere Band 2000 gegründet haben, damals noch mit anderem Schlagzeuger, hatte jeder gerade erst begonnen, sein Instrument zu lernen, wir haben also quasi alle miteinander bei Null angefangen. Natürlich wollten wir damals möglichst schnell ultraberühmte Rockmusiker werden, was sonst! (lacht) Unseren ersten Gig hatten wir aber erst ziemlich genau 3 Jahre später, als wir uns unseren Instrumenten einigermaßen gewachsen fühlten. Eine gute Entscheidung, meiner Meinung nach, man sollte sich immer ausreichend Zeit gönnen, bis man wirklich mit sich selbst zufrieden ist.
Im Jahr 2005 erschien dann unsere erste Demo „First Blood“, in zweieinhalb Tagen in kleinem Rahmen aufgenommen. Den ersten Schritt in eine etwas internationalere Öffentlichkeit wagten wir dann 2006 mit der Veröffentlichung unserer EP „No Escape“, die in wirklich vielen nationalen und internationalen Zines wirklich gute Reviews abstauben konnte, freundlicherweise auch bei euch, nochmals Merci! 2006 haben wir uns auch von unserem alten Schlagzeuger getrennt und Nico mit in die Band aufgenommen, der echt ein toller Drummer ist und völlig neue Akzente im Songwriting von HOKUM gesetzt hat. Nach ein paar Monaten Songwriting und einer Promo-DVD mit drei live aufgenommenen Tracks ist jetzt unser selbstvertriebenes Debutalbum „Pi“ erschienen, auf das wir wirklich stolz sind.
Wofür steht eigentlich euer Bandname HOKUM?
HOKUM haben wir aus verschiedenen Gründen gewählt. Anfangs dachten wir aufgrund irgendeiner verqueren Quelle, dass HOKUM ein Name für einen Werwolf sei, was sich aber schnell als Ente herausstellte. Nach gründlicherer Recherche fanden wir die eigentliche Bedeutung, „Schund“, „Unsinn“, auf gut bayrisch „Schmarrn“, heraus und waren sehr glücklich drüber, da es einen wunderbar ironischen Unterton hat, seine Band nach etwas eigentlich Irreführendem zu benennen. Und schließlich hat HOKUM einfach einen coolen Klang, egal ob englisch oder deutsch ausgesprochen. Wir sind mit beidem einverstanden. Jedenfalls stellen wir immer wieder fest, dass das Wort Interesse weckt und relativ leicht zu merken ist. Perfekt!
Ihr spielt ja ein verdammt progressives Brett! Ich darf annehmen, dass ATHEIST, DEATH, CYNIC und Konsorten euch nicht ganz unbekannt sind?
Oh, wunderbar, vielen Dank für’s Lob! Für mich persönlich bedeuten diese Bands wirklich viel, allesamt hatten unglaublich tolle Bassisten und waren äußerst wegweisend für den Metal. Ich habe die progressiven Vertreter der Extremen Musik schon immer geschätzt, und ja, ich bin mir sicher, dass sie mich in meiner Herangehensweise an die Musik wirklich immens beeinflusst haben.
Daneben würde ich noch die alten METALLICA als auch TESTAMENT als weitere Einflüsse für euren Sound nennen, richtig? Welches sind eure weiteren Einflüsse?
Jou, das dürfte es ungefähr umreißen! Kompliment an deine Ohren! Man muss allerdings dazu sagen, dass bei uns jeder seine eigenen speziellen Vorlieben hat. Natürlich haben wir viele Überschneidungen, was den Musikgeschmack angeht, aber jeder legt seine Vorlieben in eine andere Richtung. Voge und Nico sind zum Beispiel beide große DREAM THEATER-Fans, wobei Voge zusätzlich noch eine Vorliebe für Sologitarrenheroen wie STEVE VAI oder BUMBLEFOOT hat und Nico Fan von modernen technischen Sachen wie PROTEST THE HERO und ähnlichem ist. Benji geht hingegen noch weiter in die eher straighte Metalrichtung mit Klassikern wie SLAYER und PANTERA, ich würde hingegen meine Primärvorlieben in die technische und brutale Death Metal-Schiene einordnen.
Aber im Grunde genommen ist das Schwadronieren über Lieblingsmusikrichtungen sowieso obsolet, wenn’s rockt, dann rockt es! Geschmäcker ändern sich konstant, wahrscheinlich hätte ich dir morgen eine ganz andere Antwort auf deine Frage gegeben. Nur eins sei festzulegen: Wer mit Scheuklappen durch das weit gefächerte Angebot der Musikstile geht, verpasst einiges, Schubladendenken ist völlig überbewertet
Wie viel Zeit verwendet ihr, um euer Spiel zu verbessern? Wie oft trefft ihr euch im Proberaum, und wie entstehen neue Stücke bei euch?
Wir proben üblicherweise einmal in der Woche gemeinsam. Wie viel wir jeweils alleine mit unserem jeweiligen Instrument üben, ist denke ich von Person zu Person und von Tag zu Tag unterschiedlich. Es gibt Zeiten, vor allen Dingen während des Semesters, wo ich tagelang nicht dazu komme, meinen Bass in die Hand zu nehmen, dann finde ich wieder einmal einen Tag, wo ich 3 Stunden straight spiele. Klar, nicht die optimale Lösung, konstantes Üben wäre effizienter, aber für mich ist es so in Ordnung.
Neue Songs entstehen bei uns inzwischen im Proberaum, wobei das nicht immer so war. Einige frühere Stücke kommen fast komplett aus der Feder von Voge, der sie damals quasi fertig auskomponiert zur Probe mitgebracht hat. Inzwischen bringt jeder seine eigenen Ideen mit, und diese werden dann songdienlich abgewägt und aneinandergebaut. Es kann schon einige Wochen dauern, bis ein neuer Song dann komplett fertig ist, und noch mal ein paar Wochen mehr, bis das Stück dann seine Livepremiere hat. Schließlich muss das Lied gut sitzen.
Euer Debütalbum „Pi“ ist ja wirklich hervorragend! Wie waren denn die bisherigen Reaktionen? Damit sollte doch auch mal ein Plattenvertrag drinnen liegen, oder?
Nochmals vielen Dank für die Blumen, freut uns, dass dir das Album so gut gefällt! Die Reaktionen waren bis jetzt überwiegend wirklich positiv, vor allen Dingen unsere Fans stehen mit dem Release komplett hinter uns, an dieser Stelle einmal ein Riesenkompliment an alle, die uns bis jetzt auf unserem Weg unterstützt und den Rücken freigehalten haben!
Manche Hörer haben sich etwas verdutzt über die noch kantigere Ausrichtung des Albums gegenüber der EP geäußert, aber ich glaube, das legt sich mit dem mehrfachen Anhören von „Pi“. Ich will gar nicht verneinen, dass wir dem Hörer den Einstieg nicht allzu leicht machen, Fahrstuhlmusik ist es halt einfach nicht.
Auf alle Fälle wäre ein Plattenvertrag natürlich super und wünschenswert, aber ich schätze die Großzahl der Plattenfirmen als zu risikounfreudig ein, einfach so eine doch nur Undergroundband zu signen. Was wir uns wirklich wünschen würden wäre jemand, eine Firma oder ein einzelner Mensch, der einfach komplett hinter uns steht und uns unterstützt, weil er an uns glaubt und nicht nur auf blanken Cash aus ist. Jemand wie John und Marsha Zazulla, die damals METALLICA in ihrer Anfangszeit unterstützten, weil sie an sie glaubten. Gibt es so jemanden noch? Hoffentlich.
Ja, es gibt sie noch, diese einzelnen Idealisten, welche den Underground unterstützen. Ich wünsch euch jedenfalls, dass ihr eine solche Unterstützung findet, verdient hättet ihr es! Was kannst du uns über eure Texte berichten, worüber handeln diese?
Unsere Texte stammen allesamt von unserem Sänger Benji. Als ich die Texte bei den Aufnahmen das erste Mal durchlesen konnte, war ich echt wieder positiv überrascht, wie unabgedroschen die lyrischen Konzepte und deren Umsetzung sind. Besonders ans Herz gewachsen ist mir in der Hinsicht der Song „Live To Suffer“, der eine wunderbar verquere Herangehensweise an ein heikles Thema beweist, Selbsthass. Darin wird beschrieben, dass Selbstmord als Konsequenz von Selbsthass eigentlich unlogisch sei, denn schließlich würde er dem Dasein ein kurzes Ende bereiten. Wer sich selbst bis auf’s Blut nicht ausstehen kann, müsste eigentlich Wert darauf legen, möglichst lange zu leben, um sich mit der eigenen Existenz so lange wie möglich zu quälen. Wunderbar paradox!
Weshalb habt ihr euch für den griechischen Buchstaben „Pi“ als Albumtitel entschieden? Was wollt ihr damit ausdrücken?
Das hat auch mehrere Gründe. Zum einen basiert der Albumtitel auf dem gleichnamigen Instrumentaltitel am Ende der CD, der wahrscheinlich einer der ersten Songs war, der für das Album fertig wurde. Die Grundlagen für den Song wurden schon gelegt, als Nico noch gar nicht Schlagzeuger bei uns war. Damals haben er, Voge, ein befreundeter Gitarrist und ich ab und zu miteinander instrumental gejammt, und nach und nach drei Songs geschrieben.
„Pi“ war der dritte Song, der damals entstanden ist, er wurde aber nie vollendet. Als dann Nico unser Drummer wurde, haben wir den Song fertig geschrieben. Nur war’s jetzt nicht mehr nur der dritte Song, sondern ein bisschen mehr. Und ein bisschen mehr als 3 ist nun mal 3,141… So kam der Song zu seinem Titel. Zudem hat die mathematische Kreiszahl Pi einfach eine mysteriöse Aura, bedingt durch die schiere Unendlichkeit ihrer Nachkommazahlen. Alles kann in dieser Zahl stecken!
Was kannst du uns über die Aufnahmen im SmartArts Studio in Moosburg berichten?
In den SmartArts Studios haben wir nur den Gesang für das Album aufgenommen, die Instrumentaltracks haben wir mit einem befreundetem Tonmeister, Michael Maier, selbst aufgenommen. Der gesamte Aufnahmeprozess dauerte insgesamt nur 9 Tage, wir haben sehr fokussiert gearbeitet und wirklich unser ganzes Herzblut in die Recordings gesteckt. Die Arbeit mit Michi Maier sowie Chris Czarnetzki und Thomas Scharl von den SmartArts Studios war wirklich sehr professionell und fruchtbar. Der Aufnahmeprozess war zwar anstrengend, aber wir sind wirklich stolz auf das Ergebnis!
Wie siehst du heute eure erste Veröffentlichung, die Demo-CD „First Blood“?
Nun ja, es ist und bleibt nur eine Demo. Der Sound ist retrospektiv betrachtet wirklich mickrig. Aber es war und ist unser erstes Release, auf das wir zu dem Zeitpunkt sehr stolz gewesen sind. Schließlich hatten wir zum ersten Mal etwas für die Ewigkeit auf Tonträger gebannt. Und das ist schließlich der wahre Traum eines jeden Musikers.
Wie würdest du eure eigene Entwicklung seither beschreiben?
Natürlich haben wir uns seit „First Blood“ sowohl musikalisch als auch songwritingtechnisch enorm weiterentwickelt. Wäre ja langweilig, wenn das nicht so wäre. Insgesamt wurden wir technischer und Benji hat enorm an seiner stimmlichen Bandbreite gearbeitet. Während auf der Demo fast durchgehend ultratiefe Growls vorherrschten, werden diese inzwischen durch höhere Shouts und auch Sprachpassagen durchsetzt. So ist das Ganze, glaube ich, inzwischen noch um einiges abwechslungsreicher geworden.
Spielt ihr eigentlich viele Auftritte?
Wir haben bis jetzt nicht wenige Auftritte in unserer Laufbahn gespielt, es müssten aber noch signifikant mehr werden. Leider kommt man ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr ohne Bookingfirma aus, welche aber hauptsächlich Bands mit Labeldeal unter Vertrag nehmen. Und Labels nehmen hingegen nur Bands, die sich wirklich den Arsch abspielen. Ein Teufelskreis. Wenn das Interview hier mal von Bookern oder Veranstaltern gelesen wird: Nehmt uns, wir sind bereit, uns den Arsch abzuspielen. (lacht)
Welches sind für dich die fünf wichtigsten Thrash-Platten aller Zeiten?
Hah, Platz eins auf meiner Liste dürfte wohl die Band belegen, mit der ich zum Metal gekommen bin: METALLICA mit „Kill ’Em All“. Ein Klassiker. Dann wird’s schon schwierig, denn offen zugegeben bin ich eine Null, was Musikwissen angeht. (lacht) Was natürlich auch ein Ohrenöffner war: SLAYER mit „Reign In Blood“. Standardantwort, nehme ich an. Mein erstes TESTAMENT-Album war „Practice What You Preach“, immer noch eins meiner Faves. Nicht wirklich Thrash Metal, aber eben auch nicht richtig Death Metal sind in meinen Augen ATHEIST, welche mich schon beim ersten Hören total umgehauen haben, „Unquestionable Presence“ hat diesen Übersong „And The Psychic Saw“, der mich immer noch zum Spontanpropellerbangen in meiner Bude verleitet. Und da ich auch auf das moderne Zeug stehe, darf MASTODON mit „Remission“ nicht fehlen! Was für eine Liveband!
Was steht in nächster Zeit so alles noch bei euch an bzw. was ist geplant?
Am 20. September sind wir wieder beim Bandclash in unserem Landkreis eingeladen, wo an einem Abend unglaubliche 26 Bands dieselbe Bühne bespielen werden! Das ist immer eine Riesenparty, bei der wirklich jeder Musikstil vertreten ist. Jede Band hat 10 Minuten Spielzeit, die Bude ist voll und jeder hat eine Mordsgaudi! Wirklich empfehlenswert! Das Ganze findet im Lindenkeller in Freising statt, ist also mit der S-Bahn von München erreichbar, falls wer Lust bekommen hat. Ansonsten sind wir schon wieder fleißig am Songwriting und schauen uns demnächst noch nach ein paar Giggelegenheiten um.
Vielen Dank für das Interview! Die letzten Worte gehören dir!
„Schwachkopf! Schwabbelspeck! Krimskrams! Quiek!“
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