Helloween
Helloween
Interview
Nach einem guten Vierteljahrhundert wurde es für die deutsche Power Metal-Institution HELLOWEEN Zeit, mit „Unarmed“ eine Art Best-Of-Platte zu veröffentlichen. Mit der Idee, alte Klassiker in neuem, musikalischem Gewand zu präsentieren, werden sich die Jungs rund um Gitarrist Michael „Weiki“ Weikath nicht nur Freunde machen! Warum es trotzdem zu diesem Projekt gekommen ist, der Kürbis seit 25 Jahren im Raum steht und auch der „Keeper Of The Seven Keys“ noch immer aktueller denn je ist, hat mir Weiki bei einem entspannten Telefongespräch verraten. Der „fucking“ Kürbis inklusive…
Hallo Weiki! Danke, dass du dir für mich Zeit genommen hast. Alles klar bei dir? Wie geht es dir?
Bis jetzt eigentlich ganz gut. Ich habe ja vor eine Menge mit dir zu bereden und dann sehen wir weiter [lacht].
Im gerade vergangenen Jahr habt ihr mit HELLOWEEN euer 25-jähriges Jubiläum gefeiert. Welche Gefühle hast du dabei, wenn du auf eine solch lange Zeitspanne zurückschaust?
Ja, natürlich sind 25 Jahre eine lange Zeit. Wir sind in letzter Zeit viel unterwegs gewesen und gleichzeitig war es auch eine Rückkehr an einige Orte und Plätze, die wir schon vor Jahren besucht haben und die auch wichtig für unsere Karriere waren. Da denkt man dann natürlich schon einmal an die vergangene Zeit zurück, das ist ganz klar!
Passend zum Jubiläum erscheint mit „Unarmed“ ein ganz spezielles Best-Of-Album mit euren Klassikern in modernem Gewand. Wie kam es dazu? Wer hatte die Idee zu diesem Projekt?
Grundsätzlich hatte unser Manager diese Idee. Zu unserem 20-jährigen Jubiläum konnten wir nicht viel machen, da damals die nötigen Voraussetzungen in punkto Management einfach nicht gegeben waren. Zu diesem Zeitpunkt wurden wir nämlich neu übernommen und da kannst du dann nicht so einfach irgendwelche Ideen aus dem Boden stampfen. Auch die Situation innerhalb der Band war damals noch etwas zweifelhaft. Das sind alles Sachen, die heute einfach kein Problem mehr darstellen. Die idealen Grundvoraussetzungen sind jetzt gegeben und deswegen machen wir es nun im 25. Jahr. Das ist jetzt eine ungerade Zahl, was auch irgendwie reizvoll ist. Was sind denn schon zwanzig Jahre? Ein Datum, mehr nicht. Das ist doch eigentlich lächerlich [lacht]!
Von Metal bzw. Rock ist hier nicht viel zu spüren. Die Songs klingen teils poppig, „Dr. Stein“ ist sogar eine Ska-Version geworden. Glaubst du, dass eure Fans mit diesem Material umgehen können?
Ich habe schon viele Beschwerdemails von entrüsteten Fans bekommen! Ich kann zu diesem Thema nur sagen, dass ich das nicht ganz verstehe. Wenn Metal-Bands ein Unplugged-Album aufnehmen, dann finden die Metal-Fans das im Allgemeinen okay, akzeptieren es und kaufen im Regelfall auch die Platte. Da gibt es kein Meckern! Markus und mir hat diese reine Unplugged-Idee aber nie wirklich gefallen. Meiner Meinung nach ist LED ZEPPELIN die einzig wirklich geile Unplugged-Band und gegen so etwas kommst du einfach nicht an. Außerdem haben mir viele Platten, die von Metallern unplugged gemacht worden sind, nicht wirklich gefallen. Ohne irgendwelche Werke schmälern zu wollen, wollten wir einfach nicht eine solche Platte machen. Wenn du aber etwas in neuem Gewand präsentieren willst, musst du dir natürlich überlegen, welche Möglichkeiten es ansonsten noch gibt.
Trotzdem verstehe ich es immer noch nicht, dass Unplugged-Scheiben problemlos durchgehen, aber wenn du dir die Mühe machst, aufwendige Arrangements einzubauen, um neue Versionen daraus zu machen, dann wird das nicht wirklich akzeptiert! Natürlich steht es jedem frei, über die Platte zu denken, wie er möchte, aber ich freue mich natürlich mehr darüber, wenn Leute zu mir kommen und sagen: „Hey Jungs, das habt ihr geil gemacht!“ Das ist mir natürlich lieber [lacht]!
Zehn Songs und die altbewährte „Keeper“-Trilogie haben es aufs Album geschafft. Die Auswahl ist generell sehr „Keeper“-lastig ausgefallen, wenn man das so nennen kann. Warum habt ihr euch gerade für diese Songs entschieden?
Wir hatten zu Beginn alle zusammen eine Besprechung. Ich habe damals vorgeschlagen: „Lass uns doch ‚Giants‘ mit einem Orchester machen!“ Darauf sagt unser Manager: „Ähhh, ‚Giants‘? Das kenne ich gar nicht! War das irgendwie wichtig für euch?“ [lacht]. Na ja, dementsprechend hat sich dann die Auswahl auf die Sachen konzentriert, die es dann letztendlich auch auf die Platte geschafft haben. Natürlich hätte man auch andere Songs nehmen können und manche weglassen. Im Endeffekt waren das aber die Titel, die die Profis, die wir beauftragt haben, perfekt umgesetzt haben. Das neuere „Falling To Pieces“ war zum Beispiel eine Sache von Matthias Ulmer, der ja auch für die Arrangements der „Keeper“-Trilogie und „Dr. Stein“ verantwortlich ist und du siehst wie unterschiedlich der vorgehen kann und was für ein musikalisches Mastermind der Mann ist! Der kam dann auch noch mit „Falling To Pieces“ um die Ecke und wir fanden die Version auf Anhieb geil und deswegen musste sie auch auf die Platte drauf. Hätte das Teil jemandem nicht gefallen, wäre es nicht produziert worden. Alles in allem ist das Ganze also eine kollektive Entscheidung gewesen.
Wie war dieses Erlebnis für dich, mit Orchester und allem Drum und Dran die Songs komplett neu einzuspielen?
Ich war damals leider nicht da, als das Orchester aufgenommen hat. Ich stelle mir das aber total beeindruckend vor, denn ich bin ein großer Klassik-Fan. Ich höre viel Haydn, Mozart und solche Sachen, davon bin ich ziemlich begeistert. Die Neunzigste von Haydn ist übrigens meine Lieblingssymphonie, nur so am Rande. Auf alle Fälle kann ich daher ein wenig beurteilen, welche geile Leistung das Prager Symphonie Orchester da abgelegt hat. Es gibt genügend Fälle, bei denen einem fast das Wort „Billigorchester“ in den Sinn kommt. Davon kann bei einem solch professionellen Orchester absolut keine Rede sein, die sind einfach erste Klasse.
Hast du einen Favoriten auf „Unarmed“?
Ohne werten zu wollen, bin ich von der neuen Version von „Dr. Stein“ total begeistert. Auch eben „Fallen To Pieces“ und die drei „Keeper“-Songs sind absolut super. Gegen „A Tale That Wasn’t Right“ habe ich natürlich auch nichts, aber das wäre jetzt kein Titel, den ich gesondert erwähnen würde. Ich sage das jetzt aber nur mit Vorbehalt, denn ich finde wirklich alle Songs genial und gut umgesetzt. Da du mich aber im Speziellen fragst, würde ich dir diese drei Titel als Antwort bieten.
Das Album wird Ende Jänner erscheinen. Wird es dazu passend auch eine Tour geben oder sonstige Feierlichkeiten?
Nein, eigentlich nicht. Wir wollen „Unarmed“ einfach einmal raus auf den Markt bringen und dann hoffen wir das Beste und dass das Album vielen Leuten gefällt. Wir freuen uns auch neuerdings mit Sony Records arbeiten zu dürfen, die ein spezielles Augenmerk auf die Platte gelegt haben. Daher denke ich schon, dass ihnen die Platte gefällt. Und danach bleibt nicht wirklich viel Zeit für irgendwelche Feiern, Galas oder dergleichen, denn wir wollen verstärkt an der nächsten regulären HELLOWEEN-Platte arbeiten.
Der Kürbis verfolgt dich nun schon dein ganzes Leben lang…
Oh ja, und ich kann keine Kürbisse mehr sehen [lacht]!
Aber du hast es trotzdem nie bereut, ein Teil von HELLOWEEN zu sein?
Nein, überhaupt nicht. In der Vergangenheit gab es natürlich schon ein paar Momente, wo man darüber nachdenkt, wo das Ganze wohl hinführen wird. Ich habe damals, als es Streitereien gab, angeboten, aus der Band auszusteigen, doch das hat man mir nicht erlaubt und deswegen mussten zwei Leute ausgetauscht werden. Das war natürlich nicht besonders schön, aber die Zeit bis heute war alles in allem genial.
Weiki, Hand aufs Herz. Welches HELLOWEEN-Album ist dein Favorit und welches würdest du heute definitiv anders machen?
Dir ein Lieblingsalbum zu nennen, ist total schwierig. Du musst wissen, dass ich die „Walls Of Jericho“ gleich gern mag, wie die beiden „Keeper“-Platten oder die „Master Of The Rings“. Natürlich ist es auch klar, dass man zum Beispiel an der „Chameleon“ oder bei „Pink Bubbles Go Ape“ mehr Hand hätte anlegen können! Das sind aber Sachen und auch Überraschungen, die die Zeit für einen bereithält. Oft sitzt du einfach da und du kannst an dem gegenwärtigen Material nichts mehr ändern. Wir haben bei der „Pink Bubbles Go Ape“ miteinander telefoniert und diskutiert und ich war der Meinung, dass wir das Teil einfach rausbringen müssen. Es war fertig abgemischt, was willst du da noch groß machen? Man hätte das ein oder andere besser oder auch schlechter machen können. Ist aber nicht passiert und so ist es nun auch gut.
Du standest ja schon mit vielen Leuten auf der Bühne. Gibt es da noch jemanden, mit dem du gerne einmal auftreten würdest?
Ich könnte dir da Leute nennen, wie zum Beispiel Jeff Lynne (Anm. Red.: u.a. ELECTRIC LIGHT ORCHESTRA), aber das ist immer so eine zweischneidige Sache. Die haben wahrscheinlich noch nie von mir gehört und haben Besseres zu tun, als mit mir etwas zu machen. Deswegen ist das Ganze schwierig zu beantworten.
Seit der Veröffentlichung des dritten Keeper-Albums ist auch schon wieder etwas Zeit vergangen. Besteht die Möglichkeit, dass ihr euch noch einmal an eine Fortsetzung der Story heranwagt?
Na ja, wir könnten natürlich die „Keeper 4“ machen, aber damit lassen wir uns definitiv noch viel Zeit, wenn es überhaupt dazu kommen würde?! Vielleicht machen wir ja irgendwann noch einmal eine Platte, wo Kai Hansen oder Michael Kiske mit dabei sind. Aus einem solchen Album könnte man dann unter Umständen die vierte „Keeper“-Scheibe machen. Dazu müssten aber einige Unstimmigkeiten aus dem Weg geräumt werden, die momentan noch irgendwie im Raum stehen. Wenn das alles geregelt wäre, könnte man aber definitiv darüber reden.
Ist es leichter ein Konzeptalbum zu machen oder einfach eine normale Platte mit einzelnen Songs?
Nein, ein Konzeptalbum zu machen, ist nicht wirklich leicht. Unser letztes reguläres Album „Gambling With The Devil“ haben wir ja auch als Konzept ausgelegt. Die Thematik war von vornherein klar und dann ist es nicht so schwer, einzelne Titel zu schreiben, die thematisch miteinander verflochten sind und in die gleiche Richtung gehen. Die Songs haben wir beim letzten Mal alle auf das Grundthema „Das Spiel mit dem Teufel“ ausgelegt. Die „Keeper“-Trilogie ist ja auch kein wirklich zusammenhängendes Konzept, obwohl einige Songs genau zu dieser Geschichte passen. Beim dritten Teil, „The Legacy“, haben die einzelnen Texte dann wieder irgendwie zur „Keeper“-Story gepasst und deswegen haben wir uns damals für eine Fortsetzung, zumindest dem Titel nach, entschieden. Man kann sich das einfach machen und sagen: „So, Leute, das ist ein Konzeptalbum!“ Oder du überlässt es den Fans selbst, darüber zu entscheiden, wie sie ein Album sehen wollen. Anders sieht es da schon aus, wenn du gleich zu Beginn mit einer richtigen Syntax startest und alles Drumherum daran aufbaust und entwickelst. Dann wird es richtig schwierig!
Wie geht es nun weiter? Habt ihr schon Ideen für neues Studiomaterial?
Es wird schön langsam Zeit, dass wir uns wieder an die Arbeit machen. Wir wollen nämlich so ab März/April ins Studio und bis dahin müssen natürlich schon ein paar Ideen stehen.
Wie schaut ein normaler freier Tag im Leben des Michael Weikath aus?
Ich mache eigentlich den ganzen Tag, was ich möchte. Ich schaue mir gern Filme an, surfe im Internet, telefoniere mit Freunden und mach mir Gedanken über irgendwelche musikalischen Konzepte. Ich bin eigentlich so sechzehn bis achtzehn Stunden am Tag am Start und warte auf die zündende Idee, die vielleicht mal wieder einen tollen Titel abgeben könnte. Das geht oft soweit, dass ich nachts oftmals nicht schlafen kann, weil ich mir denke, dass da heute noch etwas kommen könnte. Da hat man dann Angst einen guten Einfall zu verpassen oder zu verschlafen. Die besten Ideen hat man sowieso meistens beim Busfahren, auf dem Klo, beim Aufstehen oder beim Einschlafen. Letzteres ist sehr nervig, denn da musst du zuerst noch aufstehen, im Halbschlaf den Computer starten und das Ganze schnell aufnehmen, damit du es nicht vergisst. Auf die Devise „Das vergesse ich bestimmt nicht!“ verlasse ich mich schon lange nicht mehr [lacht]!
Du genießt das Musikerleben also noch immer in vollen Zügen?
Ja, eigentlich schon. Wenn sich das Ganze nicht dauernd wiederholt und neue Herausforderungen entstehen und ich umfangreich und kreativ vorgehen darf, ist ein solches Leben absolut toll.
Gibt es ein einschneidendes, musikalisches Erlebnis in deiner gesamten Karriere, an das du dich noch ganz genau erinnern kannst?
Na ja, die Entstehung der „Keeper“-Titel beispielsweise. Ich war damals in einem Club und der Typ hatte da ein paar NEKTAR-Platten rumstehen. Darunter war auch das „Recycled“-Album. Ich habe ihn dann überredet, mir die Alben mal zu leihen, denn ich wollte schon immer einmal deren Musik hören. Damals in den 70ern gab es ja noch kein Internet, wo du schnell mal reinhören konntest. Du musstest in den Laden laufen, dir die Sachen holen und das Geld dafür hatte ich damals nicht. Ich hab dann einfach gefragt, ob er mir die Platten vielleicht leihen würde und er wollte natürlich wissen warum. Ich hab dann gesagt: „Guck mir in die Augen! Ich möchte mir die Platten gerne anhören und aufnehmen und dann gebe ich dir sie wieder zurück.“ Er hat sie mir dann einfach gegeben und ich wollte immer schon so ein Album machen, wie damals eben die „Recycled“ von NEKTAR, „Stranglehold“ von TED NUGENT oder „Animals“ von PINK FLOYD. Solche Sachen eben, die etwas länger und auch ein wenig progressiver sind. Das war schon ein großer Schritt damals.
Wenn du in einem Wort beschreiben müsstest, was HELLOWEEN bzw. der Kürbis für dich bedeutet, dann…
Also, der Kürbis bedeutet für mich gar nichts! Es ist aber völlig klar, dass man ein Logo braucht, um die Band zu charakterisieren. Ich habe das Logo damals entworfen und da musste natürlich so ein fucking Kürbis rein. War natürlich mehr als nahe liegend, nicht?
Passt definitiv perfekt.
Ja, und musikalisch steht HELLOWEEN für kraftvollen, süchtig machenden, melodischen und klassischen Heavy Metal mit romantischen Einflüssen. So war das von Anfang an gedacht.
So, Weiki, kommen wir langsam zum Ende. Würdest du noch gerne etwas für eure Fans hinzufügen?
Schöne Grüße und vielen Dank dafür, dass ihr uns die ganze Zeit über so toll unterstützt habt. Ich freue mich auf weitere 25 Jahre, wenn es denn so sein soll!
Weiki, dann bedanke ich mich bei dir für deine Zeit. Es war mir eine Ehre und ich wünsche dir alles Gute.
Jawoll! Danke! Ich dir auch!
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