Hekate
Hekate
Interview
"Tempeltänze" nennt sich die neueste Veröffentlichung, in Form einer MCD, der reinland-pfälzischen Formation Hekate, mit der sie ein weiteres Mal unter Beweis stellen wie vielfältig, in thematischer als auch musikalischer Hinsicht, Folk-Musik sein kann. Axel Heinrich Menz und Arne Thau standen uns Rede und Antwort.
Welche Stätte ist denn auf Eurem Cover abgebildet und in welcher Verbindung steht das Bild mit der CD bzw. dem CD Titel „Tempeltänze“?
Axel: Auf dem Cover sind Wikinger – Grabfelder abgebildet. Es sind die Grabfelder von „Badelunda“, die bedeutendsten Fundorte der Wikingerzeit im heutigen Schweden. Auf unserem Cover befindet sich eine Schiffbeisetzung in der Nähe des sogenannten „Anunds – Hügels“. Der Anundshügel diente bis ins 13. Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung als Tingplatz. Tingplätze galten unseren heidnischen Vorfahren als geheiligte religiöse Plätze. Ähnlich wie bei den Kelten galten auch bei den Wikingern Plätze in der Natur als geheiligt, als natürliche Tempel.
Wie ist der Stand der Dinge bei tao-records, warum wurde „Tempeltänze“ wieder auf Well Of Urd nicht dort veröffentlicht?
Axel: Bei taos- records ist es in der letzten Zeit etwas ruhiger geworden. Anfang des Jahres haben Achim und ich eine Picture -Vinyl von Chorea minor produziert. Gegen Ende der Jahres wird es eine auf 350Stück limitierte Picture von Cascadeur geben, anlässlich des 100- jährigen Bestehens der Wandervogelbewegung. Hekate wird auch weiterhin bei Well of Urd produzieren, da uns die Zeit und die finanziellen Möglichkeiten fehlen uns selbst zu produzieren.
War Heimat bisher ein zentrales Thema von Hekate, berührt auf „Tempeltänze lediglich „Mithras‘ Garden“ dies am Rande. Warum?
Axel: Weder auf der „Sonnentanz“ noch auf „Tempeltänze“ war es beabsichtigt dem Heimataspekt eine große Rolle zu geben. Der Heimatgedanke auf der „Sonnentanz“ hat sich eher zufällig aufgrund der Stückauswahl ergeben.
„Mithra’s Garten“ ist der Titel eines Stückes Eurer CD. Der Begriff Mithraeum ist mir zwar bekannt, aber von einem Mithras Garten habe ich noch nie gehört. Könntet Ihr dazu vielleicht einige erläuternde Worte verlieren?
Axel: Mithra`s Garden ist eher eine persönliche Geschichte von mir. Es hat nichts mit einem festen Kultur oder gar mit einem Kunstbegriff zu tun.
Am Ende der CD, durch eine längere Pause getrennt, befindet sich ein Stück, dass nicht in der Tracklist aufgeführt ist. Was hat es mit diesem Lied auf sich, dass ihr offensichtlich getrennt von den anderen Lieder wissen wollt?
Axel: Im Morgennebel…“ von Erich Scholz ist erstmalig im Liederbuch der „Rotte Brabant“ 1935 erschienen. Das Lied wurde erst mal in den zwanziger Jahren von den Danziger Pfadfindern gesungen. Danzig galt als „freie Stadt“, d,h. sie wurde nach dem 1. Weltkrieg vom Deutschen Reich abgetrennt und war nur durch den sog. polnischen Korridor erreichbar. 1935 wurde es von vielen illegalen Gruppen im Reich gesungen. Wieder kam es zu einer ähnlichen Situation. Jugend war in ihrer freien Endwicklung und Entfaltung bedroht. Wie schrieb uns ein erst kürzlich ein Freund: „Heute im Reich der Seelenlosen und Konsumzombies passt es genauso gut hinein“. Dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen. Ursprünglich war das Lied für die limitierte Picture -Vinyl gedacht. Durch einen Fehler des Presswerks ist es mit auf die CD gelangt.
Ein anderes Stück ist „Henry M. – A Wild Dream“ betitelt. Der Text scheint sich auf den Schriftsteller Henry Miller zu beziehen. Was fasziniert Euch an dem Schriftsteller, dem der Ruf als „der wahrscheinlich obszönste Schriftsteller der Weltliteratur“ (Heribert Read) ?“ vorauseilt, dabei in seinen Büchern eigentlich über die Kunst, wahr zu leben, nachsann ?
Arne: Entweder du bist auch ein Freund von „dirty old Henry“, oder du hast dich sehr gut informiert. Das Lied handelt tatsächlich von Henry Miller; der Text dazu ist meine tiefe Verbeugung vor einem großen Literat und Lebemann. Die Auszeichnung „der obszönste Schriftsteller der Weltliteratur“ zu sein, stammt von Sir Herbert Read, der sich sicherlich sehr darüber gefreut hat, dass Millers Bücher oft als pornographische Schriften verboten wurden, und dir den Fauxpas „Heribert“ sicherlich nicht so schnell verziehen hätte 😉
Miller fasziniert in seinen Romanen und Erzählungen durch die Zeichnung farbenfroher, lachender sozio-historischer Abbilder seiner Zeit. Wie Horváth könnte man ihn einen Chronisten nennen. Nur zeigte Miller nicht Dummheit und Stillstand, sondern Esprit und Verve. Mich begeistert immer wieder die Art und Weise, wie er sein Werkpersonal darstellt. Trotz chronischen Geldmangels – unter dem auch Miller lange Zeit litt – leben sie das dolce vita, trinken, lachen, vögeln und feiern sich selbst, obwohl gerade die 20er und 30er Jahre mit der Weltwirtschaftskrise und den Nazis nur wenig zum Lachen für sie bereithält. Gerade in den Romanen „Stille Tage in Clichy“ und „Opus Pistorum“ habe ich sehr viel Wissen und Humor gefunden, und bilde mir ein, ein wenig aus ihnen gelernt zu haben. Wenn es aber überhaupt ein Werk Millers gibt, in denen sich ein Fünkchen Pornographie findet, dann in „Opus Pistorum“. Charles Bukowski legt Henry Chinaski folgendes über Miller in den Mund: „Er war gut, wenn er gut war, und umgekehrt.“ Kurz: Er war immer gut – Bukowski bzw. Chinaski musste es wissen; er lebte und schrieb auf gleiche Weise. Im Zusammenhang mit „Henry M. – A Wild Dream“ bin ich übrigens sehr stolz darauf, dass es sich unser Freud Matt Howden – dessen Solo-Alben übrigens grandios sind – nicht nehmen ließ, Violine für uns zu spielen. Er hat seine Spuren extra mit einer sehr alten Geige eingespielt, um das Lied authentisch klingen zu lassen – ein millerhafter Schalk…
In Hekate kommt auch Eurer Interesse an vergangenen Epochen zum Ausdruck. Welche Bedeutung haben die Vergangenheit, Kulturen und Mythologien für Euch?
Arne: Zunächst einmal freut mich das „auch“ in deiner Formulierung; viele Journalisten formulieren, als sei es unser einziges Anliegen. Dennoch: Es ist sicherlich eines unserer Hauptanliegen unsere Hörer auf uns interessant erscheinende Aspekte der Folklore und Historie hinzuweisen. „Die Geschichte ist ein Faustschlag“ und deswegen treten wir ihr in unseren Liedern mit gebührendem Abstand gegenüber. Der Alltag und die Vergangenheit beweisen uns Tag für Tag, wie dumm, ignorant und gleichgültig ein Großteil der Menschheit der Geschichte gegenübertritt. Das können wir so nicht akzeptieren. Sicherlich: Wir wollen keine Moralpredigten halten, zu anderen Religionen bekehren oder helfen, den Wahlzettel auszufüllen. Allerdings: Wir geben mit manchen Liedern Hinweise, Anreize zum Nachdenken oder stecken ein, zwei Finger in eine offene Wunde. Unser Hauptaugenmerk liegt sicherlich auf Europa und seiner Vergangenheit, seinen Religionen und Mythen. In unseren Liedern, Bühnen- und Bookletgestaltungen finden sich Hinweise französischer, römischer, deutscher, preußischer oder keltischer Mythen und Riten. Wir halten es einfach für wichtig, auf die Vergangenheit aufmerksam zu machen – die Auseinadersetzung mit ihr ist für uns spannend und lehrreich. Allerdings ist sie nur ein Aspekt in Hekates Horizont: das menschliche Verhalten, Sehnsuchten, der Alltag mit all seinen Nachteilen und Annehmlichkeiten – das alles treibt uns. Nichtsdestotrotz wird die Zukunft ein besonderes Maß an Auseinandersetzung mit Mythen für uns bereithalten.
Welcher Epoche schenkt Ihr besondere Aufmerksamkeit bzw. welche hättet Ihr gerne einmal miterlebt?
Arne: Die Beantwortung der vorangestellten Frage sollte deutlich gemacht haben, dass wir keine Epoche einer anderen vorziehen. Den zweiten Teil deiner Frage kann ich nur für mich beantworten. Ich bin sehr froh j e t z t zu leben, und nicht zu einer anderen Zeit. Ich bin kein großer Freund des Eskapismus‘. Auch wenn es für viele Menschen eine Art Nische darstellt, eine Fluchtmöglichkeit vor der Stupidität, die der Alltag für sie bereithält, glaube ich, dass die Flucht in die Vergangenheit für die Meisten mehr Probleme als Angenehmes schafft. Vielleicht wäre ich gerne einmal mit „Henry“ durch die dunklen Straßen und Cafés des Paris‘ der zwanziger Jahre gezogen; wahrscheinlich wäre aber auch dort eine Nacht ausreichend gewesen, da ich mir sicher bin, dass sie einen ganz üblen Kater nach sich gezogen hätte. Frag mich lieber nach erlebten Momenten, die ich gerne wiederholen würde. Oder nach Orten, die ich (gerne noch einmal) erleben möchte. Mit Madrid, Cas Concos oder Wien wüsste ich gleich mehrere.
Wie steht Ihr zu anderen Bands der Szene, wie z.B. Orplid, Empyrium, Of the Wand and the Moon oder Scivias? Gibt es Kontakte, einen Gedankenaustausch?
Axel: Die oben genanten Bands haben wir bisher noch nicht näher kennen gelernt. Aber es gibt durchaus Kontakte, Freundschaften zu Bands und Musikern der Szene (Hagalaz Runedance, Sol Invictus, Ordo Rosarius Equilibrio, Allerseelen u.s.w .
Auf Eurer CD „Sonnentanz“ wurden Bilder der Edelweißpiraten verwendet und in Stücken, wie beispielsweise „Dos Kelbl“, „Du mein einzig“ oder „Die Gedanken sind frei“ verwendet Ihr „historische“ Texte. Wie stoßt Ihr auf diese Dokumente und Texte ? Verbringt Ihr viel Zeit in Antiquariaten und sucht mehr oder weniger gezielt nach Interessantem ( nicht nur speziell für Hekate Veröffentlichungen ) oder ist da auch oft der Zufall im Spiel ?
Axel: Oh ja, es ist eine Leidenschaft von mir Trödelmärkte aufzusuchen. Gerade hier suche ich alte Photographien oder ganze Alben. Darüber hinaus sammle ich alte Liederbücher und Texte aus der Zeit der Jahrhundertwende. Die Bilder der Edelweißpiraten stammen von meinem Großvater.
Der Text von „Ich hab die Nacht geträumt“ stammt von einem gewissen Zarnack (1820)? Handelt es sich hierbei um August Zarnack? Wenn ja, dürfte Euch sein bekanntestes Werk geläufig sein, oder? Wie seid Ihr auf Ihn gestoßen?
Axel: Oh, da bist du besser Informiert als ich. Den Text haben wir in einem alten Liedbuch gefunden. Die dazugehörige Melodie hatte eine große Faszination auf uns ausgeübt.
Gibt es eigentlich eine Beziehung zwischen den Alben „Sonnentanz“ und „Tempeltänze“, was die Titel vielleicht nahe legen ? Nach dem „Sonnentanz“ die „Tempeltänze“. Von der Natur zum Menschen?
Axel: Es gibt keine direkte Verbindung von beiden Alben. Es handelt sich nur teilweise um Stücke, die wir zur gleichen Zeit wie die für die Sonnentanz -Platte fertig gestellt hatten. Darüber hinaus faszinierte mich der Gedanke des Tempeltänze -Titels sehr. Der Begriff Tempel hat für mich sehr viel mit meiner eigenen Vorstellung vom Tempel des Glaubens zu tun. Der Tempel ist hier eine Metapher für einen natürlichen Glaubensstandort. Bildlich gesehen kann es ein heiliger Platz in der Natur, ein besonderer Baum, ein besonderer Ort, der mir Kraft gibt, sein. Von dem Zeitpunkt an wo ich ihn im Herzen trage ist er mein persönlicher „Tempel“: Ein heiliger Ort meiner Heimat, der Kraft gibt und der vielleicht im Leben unserer Vorfahren eine ähnliche Rolle gespielt hat. Der Tanz ist immer etwas besonderes. Er drückt verschiedene Stimmungen aus und befreit von verschiedenen Zwängen. Das Stück „Die Sonne im Geiste“ ist für mich das wichtigste Stück von Hekate. Es ist ein Glaubensbekenntnis an die göttliche Kraft der Erde und an die Lebenskraft der Sonne. Daher auch der Titel „Sonnentanz“.
Welche Rolle spielt die Band Hekate und Musik im allgemeinen in Eurem Leben
Axel: Ich kann an dieser Stelle nur von mir sprechen, aber ich denke dies trifft im Prinzip auch auf die anderen zu. Die Band Hekate ist einer der wichtigsten Teile in meinem Leben. Sehr vieles baut aufeinander auf. Die Auseinandersetzung mit Texten, der Musik als solches, die Begegnung von Gleichgesinnten, die Auseinandersetzung mit Bühnenaufbau und die Illustration der Platten. Dies ist alles sehr zeitaufwendig und wäre nicht möglich, wenn es nicht zu einem festen Bestandteil meines Lebens geworden wäre. Leider müssen wir alle unsere Jobs tun. Der eine mehr, der andere weniger, manchmal wünsche ich mir noch mehr Zeit für die Musik, aber es wird sich sicherlich entwickeln.
Ihr scheint bereits ein neues Album zu planen. Ist schon abzusehen, wann die Arbeiten daran abgeschlossen sein werden und welcher Thematik widmet Ihr Euch auf diesem.
Axel: Oh ja, wir arbeiten an einem neuem Konzeptalbum. Es wird nächstes Jahr erscheinen und viele unserer Freunde werden uns musikalisch unterstützen. Die Thematik möchte ich noch nicht verraten, aber nur so viel: Wir lassen uns sehr viel Zeit mit der Erarbeitung. Daher werden wir bis nächstes Jahr im Herbst nur noch vereinzelte Konzerte spielen.
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