Heilung
"Bei den Aufnahmen wurden Menschen verletzt."
Interview
Vor Kurzem haben die Neofolker HEILUNG ihr zweites Studioalbum „Futha“ veröffentlicht. Nachdem sie in den letzten Jahren vor allem durch ihre eindrucksvollen Live-Shows Bekanntheit erlangten, legen sie nun also neues Material nach. Auch dieses wird seinen Weg bald auf die Bühnen finden. HEILUNG selbst nennen ihren Stil „Amplified History“, denn ihre Quellen stammen allesamt aus historischen Funden.
Musikalisch setzen sie neben authentischen Instrumenten vor allem auf in der Natur aufgenommene Geräusche. Wie sie uns im Interview erzählen, ist die Authentizität eine ihrer obersten Prioritäten. Um an ihre Sounds zu kommen, testen sie auch gerne mal die Grenzen des guten Geschmacks aus. So berichten HEILUNG, bestehend aus Christopher Juul, Kai Uwe Faust und Maria Franz, in einem sehr lockeren und unterhaltsamen Interview über Skype mit einem Augenzwinkern von Gewalt gegen Frauen, Gewalt gegen Männer und modernen Foltermethoden.
Hallo ihr drei! Danke, dass ihr euch die Zeit nehmt. „Futha“ ist laut eurer Aussage ein feminineres Album als das erste HEILUNG-Album „Ofnir“. Könnt ihr da ein wenig mehr ins Detail gehen und uns sagen, was es zu einem femininen Album macht?
Maria: Das zu beantworten, ist glaube ich mein Part, als femininer Teil dieses Trios hier. Wir haben uns von der rohen, weiblichen Energie inspirieren lassen, als wir „Futha“ gemacht haben. Das kam alles sehr natürlich, nachdem wir uns bei „Ofnir“ mehr mit Schriften, die auf Speerschäften und Waffen im Allgemeinen gefunden wurden, beschäftigt hatten. Die maskulineren Energien also. Alles, was bei HEILUNG passiert, planen wir nicht wirklich, sondern es passiert organisch. Es gab eine organische Entwicklung hin zu den feminineren Energien, würde ich sagen.
Wir reden hier nicht über Kätzchen und Cupcakes, sondern die Rauheit der Geburt, Löwinnen bei der Jagd, deinen Nachwuchs zu schützen. Das ist oft ziemlich brutal, aber Teil der Naturordnung. Keine blinde Gewalttätigkeit, sondern zweckorientiert. So sehe ich die weibliche Gewalt darin. Sie hat ihre Gründe. Jedenfalls, wenn man nicht gerade PMS hat und irrational ist [alle lachen].
Christopher: Das ist auch eine Gewalt.
Maria: Stimmt, das ist auch eine. Darüber haben wir aber keine Songs. Aber Spaß beiseite. Wir haben den weiblichen Vocals etwas mehr Raum auf dem Album gegeben, wie du bestimmt gehört hast. Habt ihr noch was hinzuzufügen?
Kai: Ja. Maria hat die Quellen ja schon angesprochen. Auf dem Album verwenden wir Texte, die wir aus alten Aufzeichnungen und Gedichten haben, in denen weibliche Erzählerinnen sprechen. In „Traust“ haben wir zum Beispiel die neun Segen, die eine Mutter für ihren Sohn spricht. „Galgaldr“ beginnt mit den Worten einer weiblichen Zauberin. Hier sprechen also buchstäblich die Frauen des Wikingerzeitalters zu uns. Wir nehmen die Originalaufzeichnungen und geben ihnen eine Stimme und einen Rhythmus, um ihnen wieder einen Klang zu verleihen.
Christopher: Es ist auch wichtig, zu erwähnen, dass wir mit diesem Werk kein Gender-Mainstreaming betreiben wollen. Das haben wir auch im Press-Release geschrieben. Und dass die Menschen nicht gleich, aber von gleichem Wert sind. Auf diesem Album behandeln wir zwar die weibliche Seite der Dinge, was aber nicht heißt, dass irgendjemand ausgeklammert sein soll. Ich will, dass die Leute eine starke menschliche Verbindung empfinden, wenn sie sich „Futha“ anhören. Ganz egal, wer sie sind.
Könnt ihr uns auf eine kleine Reise durch „Futha“ mitnehmen und uns mehr Hintergrund zu den einzelnen Songs geben? Zum Beispiel Stücke, die euch besonders viel bedeuten oder bei denen es euch wichtig ist, den Leuten mehr darüber zu erzählen.
Christopher: Wir machen Alben als großes Ganzes. Natürlich kann man sich einen Song rauspicken und ihn gesondert anhören, aber wir erschaffen unsere Alben wirklich als ein Gesamtwerk, das zusammengehört. Ich würde also sagen, wir haben nicht wirklich Favoriten, außer natürlich das Album ans Ganzes. Was interessiert dich? Die Texte und die Geschichten?
Die Texte, die Inspirationen, …
Christopher: Also, wir nutzen ja viele natürliche Elemente. Wir haben zum Beispiel einen Song über Feuer, „Elddansurin“. Die Musik darin ist komplett mit Feuer erzeugt. Wenn man mit diesen Naturgeräuschen arbeitet, lässt man sich auf gewisse Weise treiben. Man kann die Natur nicht bitten, ein bestimmtes Arrangement zu produzieren. Man hört sich an, was man bekommt, und nutzt es als Ausgangspunkt. Wir haben auch einen Song, bei dem wir auf Eis spielen, „Elivagar“. Hier haben wir versucht, den Klang eines Gletschers, der einen Berg hinunterfließt, zu erzeugen. Das vierte Bandmitglied bei HEILUNG ist oft die Natur selbst.
Maria: Das Album beginnt mit dem Ende der Welt, mit „Galgaldr“. Das ist natürlich gleichzeitig eine Wiedergeburt. Das Szenario einer Geburt war eine große Inspiration für den Ausbruch im Mittelteil. Es war sehr interessant, daran zu arbeiten, und jetzt arbeiten wir an der Live-Umsetzung. Gerade eben, bevor wir dich angerufen haben, haben wir darüber gesprochen, wie wir alles zusammenführen und es von der Aufnahme hinaus in die Realität tragen können.
Der zweite Song auf dem Album, „Norupo“, ist mir sehr wichtig, denn es ist das altnorwegische Runengedicht. Es war sehr interessant, mit dem Text zu arbeiten. Zuerst habe ich versucht, mir vorzustellen, wie es wohl ausgesprochen wird. Es ist eine tote Sprache, also weiß das keiner so wirklich. Dann hat Kai vorgeschlagen, dass ich meinen eigenen norwegischen Dialekt benutzen könnte, damit die Worte ihre eigene, persönliche Bedeutung für mich bekommen. Das habe ich gemacht, und es fühlt sich einfach großartig an. Ich liebe es, das zu singen, es war wundervoll, es aufzunehmen, und es ist ein wunderschönes Gedicht, das durch all die Runen des jüngeren Futharks führt.
Kai: Das nächste Stück übernehme ich. „Othan“ ist ein Song, in dem es wieder um das Kämpfen geht. Hier nutzen wir uralte Zauberformeln, die mit der Schlacht zusammenhängen. Wir sehen Maria in der Rolle der Kampfzauberin. Wenn wir live spielen, siehst du all diese Krieger mit ihren Schilden und Speeren. Dann kommt sie und singt unter den Schilden die Zauberformel, damit die Krieger heil und unversehrt in die Schlacht ziehen, so auch wieder nach Hause kommen, und beschützt sind, wohin auch immer ihr Weg sie führt. All diese Sprüche stammen aus Originalquellen, die sich seit dem frühen Mittelalter erhalten haben. Es geht darum, in eine Kampfestrance zu verfallen, den magischen Segen zu erhalten, sich erhaben zu fühlen, wenn man in die Schlacht zieht, und mental schon gewonnen zu haben.
Maria: „Traust“ ist eine sehr schöne Kombination aus Quellmaterial. Wir wollten die Situation nachstellen, in der man ums Lagerfeuer sitzt, jemand singt und die ganze Horde den Gesang erwidert. In jedem alten Volkstum gibt es diese traditionellen Lieder, bei denen man durch das Singen zusammenkommt.
Christopher: Das wird heute noch auf den Färöer-Inseln praktiziert.
Maria: Ja, an vielen Orten. Dann hatte Kai diese tolle Idee.
Kai: Ja, das haben wir für die Bridge genommen. Es ist eine sehr alte Quelle, die aus dem neunten oder zehnten Jahrhundert in Deutschland stammt. Es ist ein Lösesegen. Fast genau denselben Segen findet man auch in Island um das Jahr 1300. Im Song haben wir den deutschen und den isländischen Segen aneinandergereiht. Wenn wir das live spielen, führen wir auch aus, was im Text beschrieben wird. Der deutsche Spruch beschreibt ziemlich genau, wie ein Krieger gefangen genommen und gefesselt wird. Es wird über Knoten und Stricke gesungen. Und das stellen wir dann auf der Bühne nach. Du siehst dann, wie ein Krieger mit einem wirklich komplizierten Knoten gefesselt wird. Während des Songs wird der Krieger auf sehr plötzliche und überraschende Weise befreit. Wir wollen das, was wir besingen, auch sichtbar machen, nicht nur hörbar.
Christopher: Das ist die Sache mit HEILUNG. HEILUNG ist nicht nur ein Audio-Projekt, es ist auch ein visuelles Projekt. Deshalb nennen wir es selbst auch nicht Pagan Folk oder was auch immer, wir nennen es Amplified History.
Maria: Es ist sogar schwierig, zu sagen, dass wir ein Konzert spielen. Da passiert einfach so viel. Wir haben deshalb angefangen, es einfach Performance oder Ritual zu nennen.
Christopher: Das ist es ja im Grunde ja auch.
Maria: Ja, stimmt. Der nächste Song ist „Vapnatak“. Das ist der einzige Song, zu dem wir die Lyrics nicht veröffentlicht haben, weil… Kai?
Kai: Es ist ein sehr persönliches Stück für mich. „Vapnatak“ beginnt mit einer Szene, in der Krieger unter ihren Schilden das Ende eines Angriffs abwarten. Sie stehen unter Beschuss und Pfeile regnen auf ihre Schilde herab. Es ist ein Gedicht, dass sich an den höchsten Kriegsgott, aber auch an den Erschaffer der Welt richtet. Es ist in meinem heimischen Dialekt, der sehr alt ist und zur moselfränkischen Dialektgruppe gehört. Im Namen steckt schon die Zugehörigkeit zu den Franken.
Der Dialekt ist mehr oder weniger ausgestorben. Es gibt ein paar kleine Projekte, bei denen sich Leute damit beschäftigen, aber er wurde nie sorgfältig transkribiert, wie zum Beispiel einige norwegische Dialekte. Ich erinnere mich noch, dass mein Großvater ihn immer gesprochen hat und Hochdeutsch in der Schule gelernt hat. In meiner Generation gab es noch Versuche, den Dialekt zu erhalten, also hatten wir mündlichen Unterricht in der Schule. Aber die Generation meiner Kinder wird wahrscheinlich nicht mehr in der Lage sein, ihn zu sprechen oder überhaupt zu verstehen.
Christopher: Der Song zeigt auch, wie weit wir manchmal bei den Aufnahmen im Studio gehen. Kai hat dabei buchstäblich unter einem Schild gesessen. Wir hatten schon den Sound der Pfeile, und damit haben wir ihn dann wirklich in diese Stimmung versetzt. Das ist keine sehr angenehme Situation, mit Pfeilen bombardiert zu werden. Wir gehen also sehr weit dabei, uns selbst in die Stimmung zu versetzen, die wir einfangen wollen.
Galerie mit 20 Bildern: Heilung - Summer Breeze Open Air 2018Maria: Ja, auf jeden Fall. Was kommt jetzt? „Svanrand“.
Christopher: Oh, Maria, der ist für dich.
Maria: Das ist solch ein schönes Stück, ich kann es gar nicht erwarten, das zu performen. Obwohl das ziemlich knifflig wird. Es sind die 72 Namen der Walküren, wie sie überliefert sind. Kai hat die ganzen Namen gesammelt und daraus ein wirklich intrikates Gedicht nach dem Vorbild der altnordischen Dichtung gemacht. Es gibt verschiedene Systeme, wirklich sehr kompliziert, sehr intelligent, und man sieht deutlich, dass diese Leute im Winter nichts anderes zu tun hatten, als rumzusitzen, Gedichte zu schreiben und eine Ewigkeit darüber nachzudenken [alle lachen]. Die Rhythmik, die Anordnung der Buchstaben, die Anzahl der Silben und wie das alles zusammengefügt ist, ist ein wahres Rätsel. Ich war total beeindruckt, also ich angefangen habe, mich mit Kais Hilfe damit zu beschäftigen. Wie lange hast du an dem Stück gearbeitet?
Kai: Ewig. Das alles zu schreiben, war ein fortlaufendes Projekt. Immer, wenn ich den Namen einer Walküre gefunden habe, habe ich ihn in mein Notizbuch geschrieben, und irgendwann war die Sammlung vollständig. Oder, was ich als vollständig erachte. Es hat immer ein wenig geköchelt, aber gegen Ende hat es sich wirklich offenbart, als ich ein paar Tage hier saß und daran geschmiedet habe.
Christopher: Ich denke, was sehr interessant an dem Arrangement ist, ist, dass es einen sehr komplizierten Rhythmus hat, und auf einer anderen Ebene noch einen simpleren. Dieser simplere Rhythmus entsteht durch das Betonen jeder zweiten Silbe der Namen, was in sich wiederum neue Namen entstehen lässt. Dazu gehört auch der Titel des Songs. Der ist also fast auf magische Weise entstanden, wie ich gerne sage.
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Band | |
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Stile | Folk, Hörspiel, Instrumental, Neofolk |
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Wer das nicht mag, ist einfach ein Kulturbanause. Ja, manchmal ist das Leben so einfach..
blub
Ignorieren war keine Option? Ja, dieser verdammte Geltungsdrang.. i feel you haha.
I taste the serpents poison
On the lips of the one I love.
She brings this gift of witchcraft.
I wear the cat-skin-gloves.
Ich mein‘ das eingangs schon ernst, aber.. euch muss man nicht mal einen Brocken hin werfen, da reicht schon ein Stück Luft.. lol
Smoke of my sacrifice.-
Journey to the Isle of the
Blessed.-
Grant my soul your glory.
Du denkst wirklich, das ärgert mich oder so, nicht wahr? 😀
Danke, Nili! Ohne Dich (bzw. die Reaktionen auf Dich) wäre Metal.de nur halb so lesenswert!
Echt jetzt Nili? Meine Fresse 😂
„Ignorieren war keine Option? Ja, dieser verdammte Geltungsdrang.. i feel you haha.“ – Joey DeMaio
„Sorry, falls das etwas streitlustig rüber kam. Metal (und die Hitze) macht halt etwas aggressiv.“ – Pontius Pilatus
😛
„Wer das nicht mag, ist einfach ein Kulturbanause.“
H.P. Baxxter
„Ja, manchmal ist das Leben so einfach..“ – Kurt Cobain
„euch muss man nicht mal einen Brocken hin werfen, da reicht schon ein Stück Luft“
Kim Jong Un
„Du denkst wirklich, das ärgert mich oder so, nicht wahr?“
Hitler zu Churchill
Das hält euch ja richtig auf Trab, haha..
„Das hält euch ja richtig auf Trab, haha..“ – Pablo Escobar
Go for it, Nili!!!
Hat irgendwie was vom Pawlowschen Hund hier…
Siehst du, das regt zum Nachdenken an und ist keinesfalls nur Blödelei, sondern Post-Internet Art..
oder einfach „das Sommerloch ist da“.
Wohl eher „das Lebensloch“.. lol