Heaven Shall Burn
Mit der homöopathischen Dosis Weiterentwicklung
Interview
HEAVEN SHALL BURN hauen mit „Of Truth & Sacrifice“ das erste Mal in der Bandgeschichte ein Doppelalbum raus, das auch gleich in unserem Soundcheck den ersten Platz abräumt. Zeit also, Gitarrist Maik Weichert an den Telefonhörer zu holen. Das Interview ging 30 Minuten, leider sind davon insgesamt knapp zwölf Minuten im digitalen Nirvana gelandet und nicht aufgezeichnet worden.
Maik, hast du überhaupt noch Zeit, über das neue Album zu sprechen bei dem, was so alles in der Welt und in Deutschland passiert?
Das verschafft mir ja gerade etwas Zeit.
Auf der „Mein grünes Herz in dunklen Zeiten“-DVD habt ihr das Zitat drauf, dass sich eure Haltung eine Band gesucht hat und nicht die Band eine Haltung. Ist es für dich da wichtiger, über das Album zu reden als über das, was so alles in der Welt passiert?
Das kann man ja auch in Relation miteinander setzen. Gerade bei dem zentralen Thema der Wahrheit wird es ja bei den aktuellen Problemen auch deutlich, was es da für Problematiken gibt. Das kann man sehr gut miteinander verbinden.
Dann kommen wir direkt zum Album „Of Truth & Sacrifice“. Es ist ein Doppelalbum mit der Unterteilung in „Of Truth“ und „Of Sacrifice“. Steckt ein Konzept dahinter oder ist es eine lose Ansammlung an Songs, die in diese Richtung gehen?
Musikalisch ist es kein Konzept, obwohl man auf die Idee kommen könnte, dass auf der ersten Scheibe alle HEAVEN SHALL BURN-Songs und auf der zweiten alle experimentellen Songs sind. Aber das ist eigentlich Zufall, denn die Aufteilung fand eher nach den Lyrics statt. „Of Truth“ ist eine Kampfansage, ein Mutmacher, empowerment-mäßig und sehr straight nach vorne, was die Lyrics angeht. Und die zweite Platte beleuchtet die Opferbereitschaft, die viele Leute dafür aufbringen.
Gibt es einen Text, der dir besonders am Herzen liegt, oder sind das alles deine Kinder?
„Terminate The Unconcern“, bei bem auch Andy Dörner von CALIBAN mitgesungen hat. Wir haben mit Florian Schäfer einen Fan der Band, der im Sterben liegt und den wir im Hospiz besucht haben. Wir haben ihm das Mikro hingehalten, und er sollte einsprechen, was er wollte. Er ist 26 Jahre und vollkommen unverbittert oder mit seiner Situation hadernd. Er hat eher an die Zukunft der Welt und an andere gedacht als an sich. Ich bin total dankbar, dass wir Florian dann nochmal getroffen haben. Wir kannten ihn schon mehrere Jahre und er mochte CALIBAN auch sehr, und dann haben wir den Andy auch noch für den Song eingeladen. Ich glaube, das hat ihm ganz gut gefallen und insofern ist das ein sehr emotionaler Song für uns. Der sticht schon raus vom Feeling her.
Sind wir da wieder bei der aktuellen Situation? Die Leute interessieren sich nicht für „Fridays For Future“ und jetzt beim Coronavirus rennen sie weiterhin in die Eisdielen.
Das ist eher so ein Zeichen der absolut fortgeschrittenen Entsolidarisierung der Gesellschaft. Die Leute haben keinen Horizont mehr, in dem nicht nur sie stattfinden, sondern auch die Gesellschaft oder Leute, die beschützt werden müssen oder für die man sich einsetzen muss. Das ist absolut symptomatisch für solche Erscheinungen. Das wundert mich dann doch nicht. Das sieht man auch an Sachen wie der Debatte zur Organspende, wie viele Leute einen Organspenderausweis haben und wie viele bereit wären, ein Organ anzunehmen.
Wie würdest du die Musik beschreiben? Ist es ein typisches HEAVEN SHALL BURN-Album, und wie würdest du es vielleicht zu den anderen Alben abgrenzen?
Es ist eine Doppel-LP, sodass sich jeder ultra-orthodoxe HEAVEN SHALL BURN-Fan aus den Songs auch ein ultra-orthodoxes HEAVEN SHALL BURN-Album zusammenstricken kann. Natürlich mit der homöopathischen Dosis Weiterentwicklung, die es sonst auch gab. Dafür wurden wir immer gelobt, dass wir das machen, was die Fans lieben, aber mit einer Spitze Weiterentwicklung. Das ist auf jeden Fall auf der Platte enthalten, aber auch nur zur Hälfte. Die andere Hälfte sind dann schon experimentelle Sachen, die wir uns vorher nicht getraut haben. Das würde ich auf dieser Platte hervorheben, denn sie sind nicht nur als einzelner Part in einem Song vorhanden oder als überraschendes Riff, sondern großflächiger. Das ist ja ein Unterschied, ob du zehn oder 20 Songs machst, da traust du dich ja auch mehr Experimente hineinzunehmen.
Kommen wir mal auf eins der Musikvideos zu sprechen. Wie seid ihr auf Isaac Nabwana aus Uganda gekommen? Wie lief die Zusammenarbeit und die Kommunikation ab?
Das ist total entspannter, cooler Typ. Ich bin auf ihn durch das Internet gestoßen, ich habe einen Artikel gelesen über diesen afrikanischen Regisseur, der so wahnsinnig verdammte Filme macht und habe mir gleich ein Video von ihm angeschaut und war total begeistert. Eigentlich war es nur eine Schnapsidee, ihn mal zu fragen, ob er uns ein Video macht. Er hat sich dann aber sofort zurückgemeldet. Ich hab ihm dann etwas Geld runtergeschickt und gesagt, er soll mal machen. Ellenlange Mails hab ich ihm geschickt, dass ich auch gerne mal ein paar Frauen als Actionhelden hätte, was ja auch ein großes Statement für einen afrikanischen Film ist und er hat nur geschrieben, dass das klar geht. Ein paar Wochen kam dann gar nichts mehr und dann kam er mit dem Video. Schau es dir an und sieh, was er da für einen Aufwand für die Kampfszenen und so reingesteckt hat.
Das Video haben aber nicht viele Leute kapiert, wenn man sich die Kommentare zu dem Video anschaut.
Ja, da war „My Heart And The Ocean“ einfacher zu verstehen. Man bekommt aber auch immer mehr Aufmerksamkeit mit einem negativen Kommentar als wenn man es einfach mit „cooles Video“ kommentiert.
Sprechen wir mal über das Cover der „Protector“-Single. Das haben vor euch auch schon zwei Bands verwendet.
Ich weiß nur von einer kleinen Band aus Leipzig.
GOAT EXPLOSION aus Leipzig, die haben letztes Jahr auch auf dem Party.San gespielt, und EXXPLORER, Power Metal aus den USA.
Das Bild ist ein Ausschnitt aus einem Gemälde von Thomas Cole aus seinem Bilderzyklus „The Course Of Empire“ und ist sehr kraftvoll, wenn jemand etwas beschützt, was schon am Untergehen und am Verbrennen ist. Ein sehr starkes Bild, das ich schon immer als Cover haben wollte. Wenn du bei irgendwelchen Stock-Footage-Firmen nach dem Bild anfragst, die wollen dann so zwei- oder dreitausend Euro für das Bild haben. Ich hab dann in den USA bei dem Museum angefragt, wo das Bild hängt, und die haben das für 120 Dollar rausgegeben. Ob GOAT EXPLOSION sich da auch Gedanken darüber gemacht haben, kann ich nicht sagen. Aber das ist bei einer Auflage von 500 CDs auch ganz was anderes, und das Coole am Underground, dass du das auch einfach machen kannst.
Was jetzt noch ganz neu ist, du machst jetzt einen Podcast mit dem Titel „Zart wie Kruppstahl“ mit dem Herrn Parabelritter. Er ist jetzt die Tage zum ersten Mal erschienen, ich hatte noch keine Zeit reinzuhören. Wie kam denn die Zusammenarbeit?
Das ist ja auch jemand, der sehr polarisiert, und das fand ich immer sehr interessant. Ich bin nicht mit allem einer Meinung, was er so sagt, denkt und macht. Ich hab ihn aber in ein paar Interviews schon als smarten und ehrlichen Typen wahrgenommen. Und wenn wir irgendwo zusammen waren, haben wir über Gott und die Welt geplaudert und sind vom Kleinen ins Große gekommen.
Wie oft habt ihr denn angedacht was zu veröffentlichen?
So alle zwei Wochen sollte ein Podcast schon erscheinen. Kommt drauf an, wie das Coronavirus mich lässt. Von Weimar nach Halle zu Alex gibt es eine direkt Zugverbindung, sodass das klappen sollte.
Da unsere Zeit fast zu Ende ist und noch einige Themen auf meiner Liste stehen, gib mal bitte ein paar Stichworte dazu:
Fangen wir mit was negativem an, Carl-Zeiss Jena.
Was ist denn daran negativ?
Die stehen auf dem letzten Platz.
Dann ist Corona vielleicht zur richtigen Zeit gekommen.
Nächstes Stichwort: Eure Tour.
Welche Tour? Das ist schon unfair, man macht zwei Jahre Pause, ist heiß auf die Tour und dann muss man sie absagen. Aber geht ja nicht anders, und Marcus (Bischoff, Sänger von HEAVEN SHALL BURN, bjg) hat sich auch gleich wieder zum Dienst gemeldet. Er ist ja Pfleger auf einer Intensivstation.
Maik, ich danke dir für das Interview.