Hatebreed
Kämpfen statt aufgeben
Interview
Auf „The Weight Of False Self“ gehen HATEBREED ihrem musikalischen Weg unbeirrt weiter. Gleichzeitig handeln auch die Texte wie gewohnt von Selbstermächtigung und dem Kampf gegen ein ungerechtes System. Gitarrist Frank Novinec erklärt, warum sich an diesem Kurs niemals etwas ändern wird.
Auf der Suche nach dem eigenen Selbst
Hey Frank, ich hoffe, bei dir ist alles gut. Die neue HATEBREED-Platte ist kürzlich erschienen. Eigentlich sollte sie sogar schon im Frühjahr rauskommen und wurde wegen der Pandemie verschoben. Mögliche Liveshows sind weiterhin nicht am Horizont erkennbar. Warum habt ihr das Album jetzt trotzdem veröffentlicht?
Ich denke, Menschen brauchen neue HATEBREED-Musik aktuell mehr denn je. Seit dem vorherigen Album sind vier Jahre vergangen. Das ist eine lange Zeit. Die Platte war schon fertig, bevor die Pandemie zuschlug und war bereit, auszurollen und das Tor zur Hölle zu öffnen.
Das Album trägt den Titel „Weight Of The False Self“. Was genau meint ihr mit dem falschen Selbst? Ist es eine Anspielung auf die Masken, die sich Menschen auf Social Media aufsetzen?
Wie viele unserer Albumtitel, lässt er verschiedene Interpretationen zu. Ich denke, der Titel bezieht sich darauf, wie sich Menschen in unserer Gesellschaft heutzutage geben, auch über die Grenzen von Social Media hinaus. Durch unsere Lebensumstände und das, was in der Welt vor sich geht, werden wir manchmal gezwungen, jemand zu sein, der wir nicht wirklich sind.
Das Artwork von Eliran Kantor zeigt einen Mann, der eine Skulptur anfertigt. Was ist die Bedeutung dieses Bildes und wie steht es in Verbindung zum Albumtitel?
Meiner Meinung nach ist es ein kraftvolles Kunstwerk, das Emotionen, Identität und den Kampf des dualen Selbst abbildet.
„Wir reden hier immer noch von HATEBREED“
Ähnlich einer Band wie AC/DC haben HATEBREED einen ganz eigenen Sound, der auch auf „Weight Of The False Self“ präsent ist. Anders als die australischen Rocker neigt ihr aber zu gelegentlichen Experimenten. Wie findet ihr die Balance zwischen neuen Sounds und der typischen HATEBREED-Musik, wenn ihr neue Songs schreibt?
Ich denke, dieses Album lässt sich ganz gut mit den beiden vorherigen vergleichen. Es repräsentiert einfach, wo die Band gerade steht. Wir kennen unsere Grenzen, werden sie aber immer etwas erweitern, ohne die Mauern komplett zu durchbrechen.
„Instinctive (Slaughterlust)“ handelt davon, die eigenen Instinkte die Kontrolle übernehmen zu lassen, das innere Tier raus zu lassen. Diese Art von verhalten wird in unserer technologisierten Gesellschaft stetig seltener. Handelt es sich bei dem Track um eine Kritik daran, dass Technologie immer größere Teile unseres Lebens übernimmt?
In weiten Teilen ist die Welt heutzutage verweichlicht, oft gilt das auch für Musik und die dazugehörigen Lyrics. Wir reden hier immer noch von HATEBREED. Es kann nicht immer nur positiv sein und von Selbstermächtigung handeln, es muss zu unserem Yang auch ein Ying geben.
Kritik an unserer Gesellschaft ist ein wiederkehrendes Thema bei HATEBREED, oft in Kombination mit Selbstfindung und Selbstermächtigung, wie du sie schon angesprochen hast. Auf der neuen Platte trifft das neben dem Titelsong sehr stark auf „Set It Right (Start With Yourself)“ zu. Was macht dieses Thema so wichtig für euch?
Ich will nicht klingen wie ein Sprung in einer Schallplatte, aber das ist eben unser Ding, darüber zu singen, wie man die Welt zu einem besseren Ort für sich selbst macht und die Dämonen bekämpft, die uns herunterziehen wollen. Unsere Fans verlassen sich dahingehend auf uns, sie nutzen die Musik als eine Art Kompass, der sie durch das Leben führt. Es geht um mehr als headbangen und Moshpits.
Denkst du, dass dieser Prozess der Selbstfindung jemals abgeschlossen ist? Oder siehst du es eher als lebenslange Reise, da man stetig Neues lernt, was einen verändert?
Je älter ich werde, desto mehr habe ich das Gefühl, dass das Leben und die Welt sich schneller verändert. Nächstes Jahr werde ich 50, die Zeit vergeht wie im Flug und was mir heute wichtig ist, ist nicht das, was mir vor 20 Jahren noch wichtig war. Deswegen denke ich, dass es schwierig ist, sich selbst zu finden, weil die Ansprüche sich ständig verändern.
HATEBREED verkriechen sich nicht
Einer meiner Favoriten auf der Platte ist „Let Them All Rot“. An wen ist dieser Song gerichtet? Wer sind die Menschen, die verrotten sollen?
Es geht um uns, die Arbeiterklasse, die sich gegen die großen Konzerne und Politiker wendet.
HATEBREED standen immer für eine positive Attitüde. In vielen Songs geht es darum, sich nicht in ein Loch aus Angst und Depressionen ziehen zu lassen. Viele Menschen haben angesichts der Pandemie Probleme damit, nicht in eine solches Loch zu fallen. Vor allem die, die zuvor schon an psychischen Krankheiten litten. Was machst du, um in der aktuellen Situation nicht den Verstand zu verlieren? Welchen Ratschlag kannst du Menschen geben, die unter solchen Problemen leiden?
Zurzeit genieße ich mein Leben in Florida, wo ich wohne. Ich bin superglücklich darüber, zu Hause zu sein, weil ich hier sonst nie Zeit wie ein normaler Mensch verbringen kann. Vergangenes Jahr habe ich zum ersten Mal geheiratet, ich weiß diese Zeit zu schätzen, weil wir irgendwann wieder da raus gehen werden. Mein Ratschlag wäre, sich bewusst zu machen, dass wir alle gemeinsam durch diese Zeit müssen und niemand allein damit ist. Und auch das wird vorei gehen. Wir verkriechen uns nicht, wenn es schwierig wird, sondern kämpfen.
Große Anspannung
Hier in Europa geht es in dem Medien oft darum, dass euer noch-Präsident Donald Trump die Pandemie nicht ernst genug nimmt. Viele denken, sein Verhalten sei der Grund für die hohen Zahlen an Corona-Toten in den USA. Wie nimmst du die Situation wahr?
Ich glaube sowieso kaum etwas von dem, was uns Medien und Politiker erzählen. Man muss frei denken und seinen gesunden Menschenverstand nutzen. Es scheint einfach zu sein, sich einer Seite anzuschließen und mit dem Finger auf andere zu zeigen.
Kürzlich haben die USA einen neuen Präsidenten gewählt. Die knappen Wahlergebnisse zeigen, dass das Land gespalten ist. Denkst du es ist möglich für Joe Biden, die Dinge zum besseren zu wenden und wirklich eine Veränderung herbeizuführen? Nicht nur im Hinblick auf die Pandemie, sondern generell.
Man hofft immer, dass die Welt und das Land, in dem man lebt, ein besserer Ort werden. Die Zeit wird es zeigen, denke ich mal, aber hier herrscht derzeit zweifellos eine große Anspannung.