Hate
Die Faszination der Geschichte
Interview
Bei einem Interview gibt es wenig Ärgerlicheres als einen Gesprächspartner, dem man jede Antwort aus mit der Kneifzange aus der Nase ziehen muss. Im Gegenzug führt sich ein Interview mit einem so redefreudigen Gegenüber wie Adam „ATF Sinner“ Buszko quasi von selbst. Der HATE-Chef entpuppte sich bei unserem Plausch als angenehmer und intelligenter Zeitgenosse, der nicht nur ausführlich und mit großem Enthusiasmus über das neue Album „Rugia“, sondern auch über seine Faszination für slawische Mythologie und Geschichte sprach.
HATE auf den Spuren der alten Slawen
Hi Adam, wie geht es dir? Ich hoffe du bist bisher unbeschadet durch die Pandemie gekommen.
Ja, bisher bin ich intakt geblieben. Es war natürlich unschön, dass wir wegen der Pandemie keine Konzerte spielen konnten, aber wir haben versucht, das Beste daraus zu machen. Nachdem wir unsere Europatour mit SUFFOCATION und BELPHEGOR unterbrechen mussten, haben wir angefangen zu proben und neue Songs zu komponieren.
Nach acht oder neun Monaten habe ich mich bei unserem Label gemeldet und Bescheid gegeben, dass wir mit dem Album fertig sind und jetzt ins Studio gehen könnten. Sie gaben uns grünes Licht und dann haben wir auch direkt mit den Aufnahmen begonnen. Ohne die Pandemie hätten wir sicherlich länger gebraucht und das neue Album wäre vielleicht erst nächstes Jahr erschienen, so hat das Ganze also auch seine positiven Aspekte.
Ich finde euer neues Albums sticht aus eurer Diskographie hervor, weil ihr euren Sound auf den letzten Alben ja ziemlich verändert habt. Auf „Auric Gates of Veles“ war eure Black-Metal-Seite prominenter, während eure Death-Metal-Wurzeln eher im Hintergrund blieben. Auf “Rugia” habt ihr viele der Black-Metal-Elemente beibehalten, das Album hat aber auch wieder einen ordentlichen Death-Metal-Punch. Habt ihr nach der perfekten Kombination dieser beiden Elemente gesucht oder war das schlicht eine natürliche Entwicklung?
Tatsächlich wollten wir ein Stück weit zu unseren Wurzeln zurückkehren, also zum Death Metal der 90er Jahre. Entsprechend sind auf „Rugia“ mehr am Death Metal orientierte Parts und das Album klingt dadurch technischer und aggressiver. Das war also absolut beabsichtigt.
Ein Grund für die Entwicklung ist außerdem unser neuer Drummer (Nar-Sil), der auch schon die letzte Tour mit uns gespielt hat. Unser alter Drummer Pavulon hatte mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen und schlug selbst vor, dass wir uns für diese sehr wichtige Europa-Tour einen Ersatz suchen.
Als uns klar wurde, dass Pavulon aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht zurückkehren würde, haben wir beschlossen, Nar-Sil als festes Mitglied aufzunehmen und die Gelegenheit zu nutzen, unsere technische Seite etwas weiter in den Vordergrund zu stellen. Obwohl er noch sehr jung ist, haben wir einen ähnlichen Musikgeschmack, denn seine Eltern sind Metalheads und daher hatte er eine gute Grundlage.
Das neue Material ist also sehr Death-Metal-lastig, aber die düstere Stimmung und Atmosphäre des Black Metal ist weiterhin vorhanden. Außerdem haben wir viel an den Vocals experimentiert und verbessert, womit ich sehr zufrieden bin.
Was die Lyrics betrifft ist „Rugia“ eine Fortführung der letzten beiden Alben, denn schon auf „Tremendum“ habe ich angefangen, mich vermehrt mit slawischem Mystizismus und slawischer Mythologie zu befassen.
Das bringt mich tatsächlich auch direkt zu einer meiner nächsten Fragen. In der Vergangenheit habt ihr euch ja eher mit esoterischen und religiösen bzw. anti-religiösen Themen befasst. Nun beschäftigt ihr euch aber hauptsächlich mit slawischer Geschichte und Mythologie. Gab es ein Schlüsselerlebnis, das dein Interesse an dieser Materie geweckt hat und gibt es vielleicht sogar ein übergreifendes Konzept?
Ich interessiere mich schon seit vielen Jahren für slawische Geschichte und Mythologie, damals dachte ich allerdings nicht, dass ich das jemals für ein HATE-Album verwenden würde. Irgendwann habe ich aber verstanden, dass jede Art von Mythologie im Grunde eine Ansammlung von Geschichten und Überzeugungen mit universeller Bedeutung ist. Daraus habe ich versucht einen Rahmen zu schaffen, der vielleicht ein paar interessante Ansätze für moderne Menschen bereithält.
Das ist also ein sehr inspirierendes und auch persönliches Thema für mich, denn ich suche nach einem tiefgreifenderen Selbstverständnis. Für mich ist das eine Reise in die Vergangenheit, zurück zu diesen Kulturen und Stämmen, die irgendwann im Laufe der Geschichte verschwunden sind, deren Erbe aber weiterhin präsent ist und entdeckt werden kann.
Der Titel „Rugia“ bezieht sich ja auch auf die deutsche Insel Rügen, die ein religiöses Zentrum für die westlichen Slawen und sogar bis ins 12. Jahrhundert eine der letzten Bastionen des slawischen Heidentums war. Polen selbst war da schon seit 200 Jahren christianisiert. Auf Rügen gab es den für das slawische Heidentum sehr wichtigen Tempel Arkona, der für die westslawischen Stämme eine zentrale Bedeutung hatte und „Rugia“ ist ein Tribut an diese alten Stammeskulturen.
Heute kennt man Rügen ja hauptsächlich als Reiseziel für Touristen. Hast du einen persönlichen Bezug zu der Insel?
Ich war selbst noch nie dort, eine Reise dorthin ist aber definitiv geplant. Ich habe erst vor kurzem einige Artikel und Bücher über Rügen gelesen und natürlich ist es einerseits ein Reiseziel für Touristen, andererseits aber auch eine archäologische Ausgrabungsstätte, an der erst kürzlich wieder alte Kultstätten entdeckt wurden. Inzwischen sind es glaube ich ein Dutzend.
Diese starke Konzentration mythologischer und religiöser Aspekte an nur einem Ort zeigt die immense Bedeutung der Insel für die alten slawischen Kulturen. Im Jahr 942, wenn ich mich da richtig erinnere, gab es einen militärischen und leider sehr blutigen Aufstand gegen die Christianisierung in dieser Gegend, bei der alle christlichen Tempel zerstört und die Priester getötet wurden.
Das hat die Christianisierung dieser Region für über 200 Jahre aufgehalten. Rügen war also wirklich eine der letzten Bastionen des slawischen Heidentums in Westeuropa und ist damit von enormer historischer Bedeutung.
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