Harmful
Harmful

Interview

Wenn eine Band jahrelang nicht nur zu den Kritikerlieblingen gehört, sondern auch mit den ganz Großen der Branche tourt, aber trotzdem nie den Durchbruch schafft, dann sollte man meinen, dass irgendwann Resignation, Frustration und Depression einen festen Bestandteil in diesen Muckerhaushalten bilden. Warum das bei Harmful nicht so ist, verrieten Chris (Bass) und Nico (Drums) bei einem Bierchen im Berliner Kato. Die Rhythmusfraktion des Trios nahm sich außerdem jede Menge Zeit, um ausführlich über die neue Platte, Majors und Iggy Pop zu plaudern.

HarmfulWas ja erstmal alle gewundert hat, war das etwas andere Cover. Harmful zum ersten Mal selber auf dem Cover, dazu noch bonbonfarben, nicht mehr so steril…

Chris: Fandest du es vorher steril?

Na ja, es war auch immer irgendwie dasselbe. Mal gab es ein Flugzeug, dann zweimal die Dame in der Strumpfhose, ich meine nichts gegen die Dame in der Strumpfhose, aber…

Chris: Hat auch keiner was dagegen gehabt, haha.

Nico: Bis auf ’n Schweizer.

Chris: Ne, du meinst wahrscheinlich so das Stilmittel. Ja, also ganz einfach: Wir haben die Musik ein bisschen abgeändert. Die Entwicklung war halt so, dass wir gesagt haben, wir wollen einen Schritt machen und das wollten wir auch im Cover machen. Da haben wir unserem üblichen Verdächtigen, dem Philipp, halt auch gesagt: Hier, unsere Scheibe klingt ein bisschen anders, hör‘ dir das mal an. Da hat er sich das angehört und hat auch versucht was anderes mit dem Cover auszudrücken und das hat er super gemacht.

Wie kamt ihr eigentlich jetzt gleich zu dem Support für Alter Bridge (Anm.: Creed-Nachfolgeband)?

Chris: Warst du da? (grinsend)

Ich war nicht da.

Chris: Hahaha…

Ich hab nur gehört…

Chris: Ja, sag die Wahrheit…

Also was man so im Internet lesen konnte, haben sich viele beschwert. Es hieß grob gesagt: Sound scheiße, Sänger scheiße, der kann nicht Gitarre spielen und alles scheiße.

Nico: Ehrlich???

Ich hab’s von drei verschiedenen Seiten gelesen, die meinten: Alter Bridge war geil, aber die Vorband so scheiße. Das hat mich auch gewundert, weil eigentlich haben Harmful ja gerade den Ruf, eine ziemlich gute Live-Band zu sein.

Nico: Na ja, ich meine guck dir die Leute an, die auf das Konzert gegangen sind, dann guck dir die Leute an, die auf unser Konzert gehen – da gibt es wohl kaum eine Schnittmenge, würde ich sagen, oder?

Chris: Für uns sind das ja die ersten Shows gewesen seit über 6 Monaten und wir haben die Stücke von der neuen Scheibe auch zum ersten Mal live präsentiert und das gleich Leuten, die uns überhaupt nicht kennen. Für uns war das mehr oder weniger so ’ne Warm-Up-Geschichte – super Gelegenheit gleich vor so vielen Leuten halt – und das dabei auch Leute sind, die das nicht gut finden und sich dann auch wunderlicher Weise darüber im Gästebuch äußern, gibt es dann natürlich auch. Für mich stellt das immer so eine Frage dar: Inwieweit beschäftigst du dich dann mit ’ner Band, die dir eigentlich gar nicht gefallen hat?! Und du bemühst dich dann in Foren oder in Gästebüchern deine Meinung kund zu tun, weißt du was ich meine? Ich würde so was zum Beispiel nie machen, wenn ich eine Band absolut scheiße oder nicht so gut finde.

Das ist ja das Phänomen des Internets, dass sich viele berufen fühlen, ihren Senf zu allem dazuzugeben.

Nico: Aber wenn du dir überlegst, wir haben auf diesen vier Konzerten vor knapp 4000 Leuten gespielt. Wenn da 10-20 schlechte Reaktionen bei rauskommen, ist das wirklich nichts, worüber du dir den Kopf zerbrechen solltest.

Also ihr seht das nicht als vertane Chance?

Nico: Ne, überhaupt nicht. Ich bin mir auch sicher, dass es Leute gab, die das Alter-Bridge-Konzert nicht gut fanden und nur wegen den Jungs da hingegangen sind. Gibt es mit Sicherheit auch drei, vier Stück jeden Abend.

Chris: Noch mal zum Thema Schnittmenge: Wir finden die gut, in dem Sinne, dass sie genau wissen, was sie machen. Sie bedienen halt die Musikrichtung, die sie da machen, super gut, benutzen aber halt im Gegensatz zu uns viele Klischees, die wir NIE machen würden. Feuerzeuglieder, weißt du so was…

Haha.

Chris: …war da halt! Ballade auf dem Hocker und so. Und sich auf den Boden schmeißen und das gab’s ja alles bei denen. Das sind ja Sachen, die uns eigentlich eher widerstreben, also die wir jetzt nie machen würden, nur damit wir die Showmakers oder Posers sind.

Ja genau, das war auch noch so ein Kommentar, dass der Bassist ein Poser ist.

Nico & Chris: Hahaha.

Chris: Ja, ich meine, also wenn du dir so was halt immer zu Herzen nimmst, dann gehst du ja kaputt. Zum Glück ist es ja auch nicht jedes Mal, dass so was drin steht wie: ihr seid Kacke oder das war scheiße. Das zeigt halt wieder nur, dass jeder eine subjektive Meinung hat, weil wenn ich jetzt sagen müsste, wer für mich ’n Poser ist, ähm, das wären für mich ganz andere Geschichten. Ich denke nicht, dass es so ist. Aber abgesehen davon: ein bisschen Posing macht ja auch Spaß.

Nico: Vor allem würde ich mir darüber echt nicht den Kopf zerbrechen. Also ich hatte ein ganz anderes Gefühl aufgrund der Reaktionen der Leute, die uns gesehen haben. Ich denke der Applaus war in Ordnung.

Also es war nicht so, dass sich die Leute umgedreht haben?

Nico: Nein, auf gar keinen Fall, im Gegenteil, die Leute waren aufmerksam, haben uns beobachtet und haben uns nicht ausgelacht oder ausgebuht oder wie man es jetzt eigentlich sehen sollte, aufgrund dieser Gästebucheinträge. Das waren 3-4, die sich da mal ausgekotzt haben, denen es wahrscheinlich überhaupt nicht gefallen hat.

Chris: Vielleicht potenziert sich das ja noch irgendwie. (lachen)

Bei euch ist es ja auch so, wenn man sich die alten Live-Berichte anschaut, heißt es immer: eigentlich ’ne geile Band, aber wieder bloß 40 oder 50 Zuschauer. Von daher schätze ich, dass ihr auch mal froh gewesen sein werdet, dass es diesmal nicht Auftritte vor so wenigen Leuten waren.

Nico: Ja, natürlich. Das ist ein riesen Erlebnis, mal vor über tausend Mann zu spielen.

Ist es eigentlich frustrierend, wenn man über Jahre hinweg das Gefühl hat, nicht so richtig vom Fleck zu kommen?

Nico: Frustrierend, wenn du dann vor tausend Fans spielst, die nicht deine Fans sind oder was meinst du?

Ne, ich meine generell. Ihr habt ja jetzt wieder ein fettes Tourprogramm und seid eigentlich für das Jahr an den Wochenenden schon wieder ausgebucht.

Nico: Frag‘ uns nach der Tour noch mal, wie’s dann aussieht. (lachen) Im Moment sind wir optimistisch und guter Dinge, dass sich das vielleicht mal potenziert.

Zumindest pressereaktionsmäßig habt ihr ja mal wieder ordentlich Feedback von allen Seiten gekriegt.

Chris: Besser wie früher eigentlich. Also rundrum sind die Kritiken eigentlich echt super, bis euphorisch, sag ich jetzt mal so.

Was vielleicht auch nicht verwunderlich ist, dass sie beim Rock Hard ein bisschen weiter unten gewesen sind. Aber wahrscheinlich, weil es denen auch nicht hart genug sein wird, im Vergleich zu früher.

Chris: Das ist halt wieder so das Ding. Für den Visions, sag ich mal, ist es vielleicht eine perfekte Mischung und beim Rock Hard und Metal Hammer ist es dann vielleicht schon wieder zu weit weg von Metal oder Hardrock, obwohl wir eigentlich alle Metalheads waren oder immer noch sind. Ich meine, wir stehen immer noch auf diese Sachen und verleugnen das auch nicht.

Nico: Aber wenn man jetzt mal den Hammer durchblättert, ist man eigentlich ganz froh, nicht unbedingt in der letzten Ausgabe mit drin zu sein.

Chris: Man kann auf jeden Fall sagen, dass man da so oder so nicht reinpassen würde, weil wir einfach als Personen, die die Band auch repräsentieren, gar nicht da reinpassen würden. Das ist ganz komisch.

Nico: Das meine ich ja. (Ein Schelm, wer anderes dachte. – Anm. d. Verf.)

Es heißt ja auch, dass ihr auf der neuen Platte viel Pop mit drin habt. Dabei muss ich sagen, dass mich die Platte heute beim ersten Hören gar nicht so begeistert hat. Erst nach 3-4 Durchläufen hat sich dann dieses Gefühl eingestellt, dass es irgendwie doch gut rockt. Kann man das mit Absicht irgendwie machen, dass sich eine Platte erst entwickeln muss?

Chris: Ne, ich denke mal, Kurt Cobain hat das „Nevermind“ auch nicht so gemacht. Das war ein Album, das hörst du halt beim ersten Mal und da gefällt dir eigentlich jedes Lied, aber das hat der bestimmt nicht bewusst gemacht. Also ich glaub‘ nicht, dass man das kalkulieren kann. Als Band ist man ja immer so mit sich und der Musik beschäftigt, dass man das vielleicht gar nicht mehr so sieht. Und du hast ja gesagt, dass es von vielen Seiten hieß, dass wir poppiger geworden sind, aber wir sind ja für viele immer noch zu hart.

Nico: Man kann halt schon sagen, dass ein Pop-Einfluss mit reingekommen ist, wenn man die ersten Scheiben hört. Relativ dazu ist es poppig geworden, aber unter POP versteh‘ ich was komplett anderes.

Chris: Ich bin auch froh, dass wir das mal gemacht haben, weil es mir wichtig war, dass wir diese Stärken, die wir auf der neuen Scheibe haben, auch mal zeigen. Jeder kennt uns als brachiale, kompromisslose Band, die live jeden killt und vielleicht auch an die Wand spielt. Vielleicht hat immer so ein bisschen das Sensible gefehlt. Es ist gut, dass das rüberkommt, weil das auch unsere Seiten sind und wir haben das auch erreicht, ohne dabei unbedingt an Härte zu verlieren.

Was in der Presseinfo neben dem Pop-Einfluss auch angedeutet wurde, war dieser Armenien-Einfluss für euren Frontmann.

Chris: Der ist mittlerweile raus, haha.

Nico: Seit der Alter-Bridge-Tour, ja.

Chris: Seit den Kritiken im Internet.

Nico: Hast du nicht Lust?

Ich glaube, das wollt ihr nicht wirklich.

Chris: Ja, scheiße, äh, also… ach ja, wegen dem Album, genau. Das war eigentlich schon immer so eine Sache, die wir angesprochen haben, aber irgendwie haben wir es nie geschafft, das zu integrieren. Der Aren, der ja Armenier ist, der hat schon immer so diese melancholischen Harmonien auch in den alten Sachen mit drin. Aber so wie jetzt, also auch mal Samples zu verwenden oder Instrumente, die wirklich aus der Kultur stammen, das haben wir jetzt erst integriert und es hat wunderbar geklappt. Das wirst du nachher noch sehen, auf dem Konzert, wo wir das auch live per Sample oder halt digital versuchen einzubinden. Und das ist auch schon wieder ein neues Element, das dann hoffentlich auch das Konzert aufwertet, so dass auch die Alter-Bridge-Fans sich wieder zurückbesinnen. (schmunzelt)

Im Vorfeld zu diesem Interview habe ich auch auf eurer Homepage vorbeigeschaut. Was mir bei der Aufzählung im Bereich „Bands, die euch interessieren könnten“ aufgefallen ist, dass da zum Beispiel auch Clutch drin sind. Die haben ja eigentlich nicht soviel vom Sound her mit dem zu tun hat, was Harmful machen. Wie kommt ihr zu denen? Ich hab gesehen, dass da mal tourmäßig was war… Beim Hören des neuen Albums hätte ich eher gedacht, dass ihr vielleicht Bush oder Tool gut findet.

Chris: Ich glaube, dass denkst du vielleicht, weil Clutch mehr diesen Blues-Ansatz haben. Den haben wir nicht, weil wir keine Blueser und keine Südstaatler sind. Wir sind aus Frankfurt, Deutschland, haha. Da gibt es auch einen anderen Blues, aber den Drogen-Blues. Die Band ist einfach wahnsinnig groß, der Sänger hat ein Organ und Texte…

Also mehr so eine persönliche Vorliebe von euch?

Chris: Ja, absolut.

Nico: Man muss ja auch nicht immer das hören, was man selbst spielt, oder?

Aber ihr habt ja auch so mit den klassischen Dingern angefangen. Lag es nicht nahe, dass man sich dann auch in Richtung Black Sabbath entwickelt oder wann war so der Punkt, wo ihr euch gesagt habt, dass zu machen, was ihr heute macht?

Nico: (überlegt) Gab es da überhaupt eigentlich so einen festen Punkt? Nö, eigentlich nicht. Also es gab mal Punkte, da hat die Plattenfirma so ein bisschen versucht zu forcieren, dass wir vielleicht mehr so in die Richtung gehen, wie wir jetzt sind, vor einigen Jahren, aber da waren wir noch nicht soweit…

Nicht zufällig, wo ihr bei einem Major unter Vertrag wart?

Nico: Nja… müssen wir jetzt nicht näher drauf eingehen, aber das war vielleicht irgendwie so der Start, wo die Plattenfirma halt meinte: Jungs, ein paar Hits auf der Platte würden euch ganz gut tun. Mittlerweile hat sich das musikalisch ganz einfach ergeben. Die Entwicklung in uns und mit uns zusammen ist dann einfach in diese Richtung abgedriftet. Und es macht richtig Spaß, ohne dass wir irgendwas konstruieren, ohne dass wir irgendwas spielen müssen, was wir gar nicht wollen. Es ist halt einfach eine gesunde Entwicklung passiert, finde ich.

Chris: Was ich dazu noch sagen würde, ist, dass dieser Plattenfirmeneinfluss ja immer irgendwo mal da ist, wenn du beim Major bist und gerade hier, wo Rock ja eh nicht so ein Major-Ding ist, wo du Millionen verkaufst, einfach weil das Land auch so klein ist, ist es so, dass wir da immer auch das Gegenteil gemacht haben. Wir waren zwar bei einem Major, haben auch poppige Demos – also viel, viel poppigere Demos aufgenommen, als unsere Platte jetzt ist – und dann halt das Gegenteil als Album veröffentlicht. Das war natürlich auch nicht immer in deren Sinne, haha. Aber es lag vielleicht auch daran, dass wir in der Hinsicht – zumindest ist das bei mir so, wenn ich jetzt drüber nachdenke -, dass wir vielleicht immer das Gefühl hatten, wir haben früher so geile Musik gemacht, dieses brachiale, harte, was es SO auch von keiner anderen Band gab, dass wir eigentlich immer auch mit dem Zeug das zurückkriegen wollten, was wir uns vielleicht verdient haben. Deswegen haben wir da auch vielleicht immer so hart weiter gemacht und wollten nicht unbedingt den Daumen von oben bekommen, von jemanden, der nicht von Anfang an dabei war. Vielleicht waren wir in der Hinsicht stur und haben einfach immer ein bisschen „brachialo“ weitergemacht, mit ein paar Einflüssen, die wir zugelassen haben, aber das ist jetzt vorbei, weißt du. Wir wollen jetzt einfach andere Musik machen.

Das kennt man ja auch von vielen Bands, wenn die Plattenfirmen Blut lecken und gerade wieder so eine Phase haben oder wenn mal jemand drin sitzt, der sich dafür interessiert, dann geht das so zwei, drei Jahre und dann auf einmal wieder nicht. Den meisten ist dann die Hauptsache noch ein bisschen Kohle abzukassieren, denn man verdient ja sicher auch nicht ganz schlecht.

Nico: Na gut, das war aber nicht unser Grundgedanke für das neue Album.

Das ist klar, jetzt seid ihr ja bei Nois-O-Lution, aber warum wechselt man dann überhaupt erst dahin (zu einem Major).

Chris: Du kannst halt mehr erreichen. Wenn wir das Album jetzt als dritte Platte gehabt hätten oder als vierte, da hätten wir vielleicht alleine nur von dem Background her… nichts gegen Nois-O-Lution, wir sind super zufrieden, es ist aber Fakt, dass es ein Indie ist (mit zwei Mann Besatzung – Anm. d. Verf.), der natürlich im Vergleich zum Major, wenn er wollte, nicht könnte, wie ein Major. Die haben halt einfach mehr Kohle und wenn du sagst, wir machen jetzt eine Amerika-Tour, ihr bezahlt, das könnte Nois-O-Lution zum Beispiel nicht machen.

Ich muss auch sagen, dass so richtig „poppig“ für mich auf der neuen Platte eigentlich höchstens ein Song wie ‚Art Of Rebellion‘ ist.

Chris: Fandest du den schon zu poppig?

Nö. Ich bin da sowieso für alles offen, solange irgendwie Emotionen rüberkommen.

Nico: Es muss nur ehrlich sein. Das ist für mich eigentlich das Wichtigste.

Chris: Du musst dahinter stehen können, auf jeden Fall. Ich meine, wir hatten schon zwei, drei Jahre früher für unsere Verhältnisse damals noch viel kommerziellere Songs, aber da standen wir überhaupt nicht dahinter. Wir haben sie zwar geschrieben und auch fertig gemacht, damit wir die zumindest auch haben. Da weiß ich aber genau, dass ich mich da zum Beispiel extrem gesträubt habe, gegen ein Lied wie ‚Consequence‘, was wir mal hatten.

Nico: Das war aber auch, wo ich schon sagte, dass die Plattenfirma da irgendwo forcierte, so einen Popcharakter bei uns reinzubringen. Da haben wir halt wirklich konstruierte Pop-Rock-Musik gemacht, hinter der wir nicht standen. Das ganze Umfeld fand’s gut, wir haben Demos aufgenommen, es waren alle begeistert, die Plattenfirma fand’s riesig, alle unsere Bekannten haben auch gesagt: Jungs, das ist euer Durchbruch! Aber die einzigen drei, die nicht dahinter standen, waren wir – mehr oder weniger, der eine etwas mehr, der andere nicht ganz soviel – und im Endeffekt ist von diesen ganzen Pop-Demos kein einziger Song auf die Platte gekommen, wo die Plattenfirma halt mit gerechnet hatte. Als sie die fertige Platte dann auf dem Tisch liegen hatte, sind die Kinnladen natürlich runtergefallen.

Auf der anderen Seite habt ihr auf der neuen Platte ja auch wieder mal mit Guido Lucas gearbeitet.

Chris: Eigentlich jede Scheibe…

Nico: Eigentlich war es jetzt die erste, die wir mehr oder weniger ohne Guido gemacht haben.

Weil er nur am Mix beteiligt war?

Nico: Richtig. Die Produzentenarbeit hat der Kurt gemacht, von Blackmail, und der Guido… (Anm.: Beide spielen unter anderem auch bei Scumbucket, außerdem gibt es Verbindungen zu Genepool, Ken, Union Youth usw.)

Chris: …ja, der war beim Mix dabei. Der hat zum Beispiel ‚Interiors‘ und ‚Chance‘ gemacht. Und der Guido war bis jetzt bei jeder Scheibe irgendwie dabei und gehört halt irgendwie immer mit dazu.

Nico: Seine Meinung ist uns schon wichtig und das wird wahrscheinlich auch immer so bleiben. Guido ist halt mehr für den Krach zuständig und der Kurt eher für, äh…

Aber das finde ich immer interessant. Eine Band schreibt doch die Songs eigentlich schon vorher. Wie kann dann der Produzent überhaupt noch großen Einfluss nehmen? Er schreibt euch doch im Prinzip nicht neue Parts?

Nico: Kann auch passieren, aber auch soundtechnisch, dass zum Beispiel auf einmal das Lied mit einer komplett anderen Gitarre eingespielt wird oder solche Geschichten. Der Produzent hat schon viel Einfluss.

Chris: Es war auch so, dass wir diesmal viele Fragmente hatten, mit denen wir ins Studio sind. Aber wir haben ganz viel davon nicht verwendet, sondern haben auch recht viel spontan im Studio entstehen lassen. Da ist es dann natürlich so, dass wir nicht zu dritt im Studio waren, sondern zu viert oder zu fünft und jeder hat so seinen Senf dazugegeben.

Spielen dann die Leute sozusagen auch mehr oder weniger mit?

Chris: Klar, ich meine, wenn man neue Stücke schreibt, dann ist man ja nicht von Anfang an so 100%-ig festgelegt, sondern du fragst natürlich auch, ob du das eher so oder so machen solltest. Das führt dann natürlich auch dazu, dass das in eine andere Richtung geht, wenn du jemanden hast, der nicht unbedingt wie wir aus der Brachialecke kommt. Der Kurt ist ja zum Beispiel mehr so ein sehr emotionaler Spieler, was die Gitarre angeht. Das hat ihm halt immer so ein bisschen bei uns gefehlt, deswegen hat er versucht das mehr rauszukitzeln.

Nico: Das hat er auch gut gelöst. Wir kamen dann auch ins Studio und der Kurt wusste, dass wir einen Schritt in eine andere Richtung gehen wollten, aber die Songs waren für ihn nicht so, wie er sie sich vorgestellt hatte. Also haben wir, wie schon gesagt, nur einige Fragmente von fertigen Songs genommen, haben sie umgeschrieben, nur die Strophe genommen oder einen neuen Refrain dazugesetzt. Das hat super funktioniert und riesen Spaß gemacht.

Ihr habt ja jetzt auch viel von Härte geredet. Wobei ich auch sagen muss, dass für die Leute auf metal.de, wo ja auch viel Thrash, Death und Metalcore stattfindet, das wahrscheinlich nicht so hart ist. Es ist eher Musik, wo man sagen würde, dass man die schon wieder hört, wenn man mal nicht so ganz so krass drauf ist – also mal aus der Metal-Sicht gesehen.

Nico: Sagst du das jetzt?

Würde auch ich so sagen, ja.

Nico: Na gut, das ist halt Definitionssache. Was ist Härte? Für den einen ist AC/DC schon ultra hart, dem anderen ist Alter Bridge schon zu hart, dem anderen ist Six Feet Under noch zu soft. Das ist wirklich Definitionssache.

Okay, ich muss auch sagen, dass ich euch bis heute noch nicht live gesehen habe.

Nico: Live kommen die Wurzeln definitiv durch und die Wurzeln würden wir auch nie verleugnen oder verlieren. Also wir würden jetzt keine komplette Pop-Platte machen. Das könnten wir, glaube ich, auch gar nicht. Da würden sich unsere Hände weigern, was zu tun. Die gesunde Mischung macht es halt. Ein Produzent, der weiß, was in uns steckt, der das aus uns rauskitzelt, wo wir auch noch Spaß dabei haben.

Chris: Du hast ja vorhin gesagt, dass du die neue Platte nicht unbedingt so weich findest. Also es gibt schon noch Musik, die noch weicher oder poppiger sein könnte, auch von uns?

Ja, nehmen wir doch zum Beispiel ‚Art of Rebellion‘. Ich finde, das war ein Ansatz, aber im Vergleich zu den ganzen Alternative-Bands aus Amerika, wie Bush oder 3 Doors Down, sind die insgesamt viel zugänglicher und eingängiger und auch weicher, als das, was es jetzt auf der „Sis Masis“ zu hören gibt.

Chris: Für mich stellt sich halt gerade so die Frage, was als nächstes kommt. Ich mache mir da schon jetzt Gedanken drüber, ob wir noch poppiger werden sollen oder wieder mehr Gas geben wollen und die Leute erschrecken.

Was ich so mitgekriegt habe, war es für euch auch wichtig, dass ihr euch immer ein bisschen verändert. Gerade die vorletzte Platte hat ja dann glaube ich auch schon Kritik bekommen, weil die Leute gesagt haben, dass da kreativer Stillstand war und nicht mehr genug Unterschiede im Vergleich zu den anderen Platten.

Chris: Kann sein. Das ist das Ding. Der Arne (Anm.: Labelchef) und ich haben gerade auf der Fahrt hierher darüber gesprochen, dass eine Band, wenn sie sich nicht immer wieder neu erfindet, sie eine recht kurze Lebensdauer haben kann. Natürlich, AC/DC sind Legende, die bleiben immer Legende. Aber das waren auch die Ersten. Du darfst ja auch nicht die Zeit vergessen, in der wir leben. Es gab so viele Bands, es gab so viele Musikrichtungen, dass es da natürlich auch enorm schwer ist, hervorzustechen. Auch wenn du nach der Nische suchst, was wir ja sowieso nicht machen…

Obwohl, habt ihr nicht die Nische? Würdet ihr nicht sagen, dass ihr irgendwo einen relativ eigenständigen Sound gefunden habt? Ich meine, man kann ja keine Vergleichsband nehmen, wo das wirklich passen würde.

Chris: Das wollte ich gerade sagen. Es hat keine Band einen Sound wie wir und es gibt auch keine Band, der man nachsagen kann, dass die so wie wir sind. Du hast genau recht und das ist eigentlich auch ein Ding, wo man sehr stolz drauf sein kann.

Ich habe auch gesehen, dass ihr seit Ewigkeiten schon Support-Band von den ganz Großen seid. Da war ja von Slayer, über Iggy Pop, bis hin zu Alter Bridge alles dabei, auch durch sämtliche Genres. Gab es da eigentlich so besondere Erlebnisse, an die ihr euch gerne erinnert?

Chris: Wenn Iggy Pop kam, dann mussten alle den Backstage-Bereich räumen, weil der Chef halt kam. Den hast du auch vorher eigentlich nie gesehen. Und bei uns war es halt so, als wir in Hamburg waren, haben wir Iggy Pop mitten auf der Reeperbahn getroffen. Der Aren ist dann zu ihm hin und meinte: „Hi, my name is Aren, ich bin von Harmful und wir spielen als Vorband bei dir auf der Tour.“ Und er hat halt nur so gesagt: „Ah, ja, okay, alles klar.“ Weißt du, von wegen: „Das ist mir so scheiß egal.“

Nico: Aber ansonsten waren die ganzen Support-Shows eigentlich alle ziemlich geil. Bis auf diese Ausnahme mit Iggy Pop halt, das war nicht unbedingt so das Tollste, weil wir da auch als dritte Vorgruppe gespielt haben. Das hat uns nichts gebracht, war eigentlich nur Stress, aber auf der Liste haben wir es halt abgehakt. Ansonsten können wir eigentlich stolz drauf sein, dass wir schon mit Machine Head gespielt haben, mit Unida, mit Clutch, mit Slayer, mit Prong. Das sind alles Bands, die wir früher, in unserer Jugend, auf dem Plattenteller hatten. Und dann sitzt du 10 Jahre, 15 Jahre später mit den Jungs in einem Backstage-Raum und da braucht man eigentlich nicht mehr viel zu sagen.

Wie kann man sich eigentlich immer wieder motivieren, wenn man solche Highlights erlebt hat und dann wieder auf der nächsten Club-Tour teilweise vor 50 Leuten und weniger spielt?

Nico: Aus der Liebe zur Musik. Es ist einfach eine Leidenschaft, eine Berufung, Musik zu machen und genau das ist eigentlich der Motor, der uns immer wieder vorantreibt. Wir drei fühlen und denken irgendwie dieselbe Musik und das ist eigentlich was ganz besonderes, dass wir schon seit zwölf Jahren zusammen sind. Und es funktioniert auch immer wieder aufs Neue. Wir sind zusammen kreativ, wir spielen zusammen Konzerte, wir nehmen zusammen Platten auf. Und wenn diese Kreativität irgendwann nicht mehr da ist, dann wäre das wahrscheinlich auch das Ende. Aber solange neue Songs entstehen, solange wir Spaß an allem haben, werden wir auch in 10 Jahren noch vor 50 Leuten spielen.

Chris: Aber auch nur unter der Voraussetzung, dass wir uns nicht wiederholen. Weil dann bringt das nichts. Dann bringt das auch den Hörern nichts, die vielleicht über die Jahre ein gutes Bild von Harmful bekommen haben. Wenn wir uns nicht bis zu einem gewissen Grad neu erfinden können, dann war’s das halt. Ich meine, wir sind wer wir sind und können nicht auf einmal Pop-Songs wie Britney Spears machen, wir bleiben immer Rock. Aber in dem Grad halt immer neue Elemente dazukommen lassen…

Weil du jetzt gerade Britney Spears erwähnt hast. Wie ist es eigentlich, wenn ihr dann Sachen wie Nu Pagadi erlebt, die im Prinzip aus dem Nichts gepuscht werden. Denkt man sich dann nicht auch manchmal, verdammt wenn wir nun…

Nico: Nö, wir möchten das aus eigener Kraft schaffen.

Aber ich könnte mir vorstellen, dass sie von dem, was sie machen, vielleicht erstmal ein paar Jahre leben können.

Chris: Na, glaub‘ ich gar nicht mal. Die haben sich in dem Sinne ihr Talent vielleicht schon erarbeitet, was sie selbst können und so. Die Musik schreiben sie trotzdem nicht selbst. Die Band wurde quasi dahin produziert und promotet fürs Fernsehen, um zu einem Produkt zu werden, was vorher schon festgelegt gewesen ist. Na ja, und wenn du den Song hörst … ist ja nicht gerade geil, haha. Ich denke, dass gerade diese Combos und diese Bands, die werden ein Album machen, vielleicht ein zwotes, aber dann ist es schon wieder vorbei. Also es gibt immer wieder neue Retortenbabys. Das ist eigentlich sehr traurig.

Nico: The Rasmus sind auch so ’ne Geschichte…

Chris: Ja, wobei The Rasmus ja schon etliche Platten gemacht haben, weiß nur keiner. Ich war einmal im Plattenladen und hab mich gewundert, wo auf einmal die ganzen The-Rasmus-Platten herkamen. Die haben anscheinend schon ’ne Geschichte – trotzdem find‘ ich’s scheiße.

Na ja, gut, da brauchen wir nicht drüber reden.

Chris: Haha.

Das gefällt mir schon vom Gesang her nicht, waaah.

Chris: Dieses schmalzige…

Das ist ja auch wieder so ein Beispiel. Wenn man The Rasmus oder Him nimmt, ist da schon noch ein gewaltiger Unterschied dazwischen. Von daher könnt ihr noch zehnmal poppiger werden.

Chris: Das ist gut zu wissen, weil ich jetzt nicht das Gefühl habe, dass wir so poppig sind, dass wir gar nicht mehr poppiger werden können.

Gab es denn überhaupt schon Leute, die gesagt haben, dass es ihnen zu sehr Bubblegum ist?

Chris: Ne, gar nicht – das ist es ja. Im Gegenteil sogar. Also wir haben neulich ein Interview gegeben, da meinte der Interviewer, dass es für ihn der natürliche, logische Schritt war.

Der letzte Song haut dann auch noch mal auf die Pauke. War das Absicht, dass ihr noch mal zeigen wolltet: verdammt, wir können’s noch?

Chris: Ne, eigentlich gar nicht. Das war eines der Lieder, die wir vorher hatten und die Idee bestand da auch schon, in der Mitte diese akustische Gitarre einzubringen. Das basiert auf einem sehr bekannten armenischen Lied, das der Aren unbedingt einbringen wollte. Und das musste einfach mit drauf, aber gar nicht mal um zu zeigen, dass wir immer noch hart sind oder so.

Nico: Es ist doch eine schöne Sache, wenn man auch nicht genau weiß, was einen erwartet, wenn man die neue Platte von derselben Band kauft. Wenn man genau weiß: Okay, ich hab‘ die Platte jetzt in hellblau, in dunkelblau, in grau-blau, jetzt hol‘ ich sie mir noch mal in mittelblau… Bringt ja nichts.

Na gut, dann bedanke ich mich. Noch irgendwelche letzten Worte, die ihr loswerden wollt?

Chris: Äh, äh… ja, Metal forever auf jeden Fall. (lachen) Ja, hört auf jeden Fall in unser Album rein würde ich sagen, weil…

Nico: Kaufen und zur Legende machen! Nur ihr könnt das. Dann wird’s uns auch noch zehn Jahre geben.

Chris: Haha, genau.

28.08.2005

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