Harakiri For The Sky
"Alles andere würde mich zu einem schlechten Poeten machen."

Interview

HARAKIRI FOR THE SKY konnten im Sommer beim Fimbul Festival und beim Wolfszeit Festival spielen. Wie war die Erfahrung für euch als Künstler?

J.J.: Ich habe es nicht als so schlimm empfunden. Es war auf jeden Fall besser als ein Sitzkonzert. So eins habe ich mit KARG gespielt. Das war auch in Ordnung, also bitte nicht falsch verstehen. Es ist aber doch etwas anderes, wenn Leute an Biertischen im Graben sitzen, als wenn sie mit Masken vor der Bühne stehen. Insgesamt fand ich, dass es eigentlich recht gut funktioniert hat. Bis auf ein paar richtig Angesoffene, die bei jeder Gelegenheit die Maske wieder runtergezogen haben und darauf gewartet haben, wieder ermahnt zu werden. Da gab es wirklich ein paar Spezialkandidaten.

Beim Wolfszeit Festival habe ich mir das ganze Set von ELLENDE angesehen und musste immer wieder den Kopf schütteln, weil es jedes Mal, wenn sich der Security umgedreht hat, wieder dieselben zwei Typen waren, die sich die Maske runtergezogen haben. Man trinkt ja sowieso sein Bier, zieht die Maske kurz runter und bekommt auch wieder kurz Luft, aber so was finde ich einfach ein bisschen kindisch. Man sieht ja jetzt auch, dass im Osten von Deutschland die meisten Fälle sind, weil es dort viele Coronaleugner gibt. Das hat mich dann auch nicht gewundert.

Galerie mit 25 Bildern: Harakiri For The Sky - Wolfszeit Festival 2020

Die Orga hat es aber auf beiden Festivals echt super durchgezogen und es hat alles super geklappt. Da kann man echt nichts dran aussetzen. Blöd wäre es zum Beispiel gewesen, wenn wir den Soundcheck mit Maske hätten machen müssen, denn spielen und sich bewegen ist dann doch ein bisschen anstrengender als herumstehen. Aber wir sind das ja jetzt sowieso schon alle gewohnt. Ich komme mir schon nackt vor, wenn ich mit Leuten zusammenstehe und keine Maske aufhabe.

Ich hoffe aber natürlich auch, dass das Kasperletheater bald sein Ende findet und ich werde mich auch sofort impfen lassen, sobald ich die Gelegenheit dazu habe. Denn es gibt nichts, was mir wichtiger ist als meine Freiheit und dass ich endlich wieder reisen kann. Ich kann dir gar nicht sagen, wie gerne ich ins Flugzeug steigen und wegfliegen würde. Deshalb sofort impfen, aber das wird für normale Leute wie mich, die nicht in eine Risikogruppe fallen, wahrscheinlich bis zum Frühjahr dauern.

In der E-Mail mit der Interview-Einladung bin ich über den Satz „die Band stellt sich auch gerne den kritischeren Fragen“ gestolpert. Mit welchen kritischen Fragen habt ihr denn da gerechnet?

J.J.: Da gab es eine Geschichte mit Audrey Sylvain [ex-AMESOEURS, ex-PESTE NOIRE]. Die wäre ursprünglich auch auf „Mære“ gewesen, da wir eine Art AMESOEURS-Revival geplant hatten. Wir haben uns aber leider etwas zu wenig mit den Hintergründen dieser Frau beschäftigt und wussten nicht, dass sie eben doch in eher nationalistischen Kreisen unterwegs ist. Uns hat sie schon vor Jahren erklärt, dass sie mit diesen Leuten nichts mehr zu tun haben will. Matthias und ich haben uns gedacht, es ist besser, solchen Leuten eine zweite Chance zu geben, denn wenn man sie ihnen nicht gibt, rennen sie sowieso nur wieder zu ihren alten Gefährten zurück.

Als wir dann Anfang September die Tracklist veröffentlicht haben, kamen gleich sehr viele Zuschriften, hauptsächlich von politisch sehr engagierten Leuten, was ja auch in Ordnung ist. Die haben uns mitgeteilt, was sie unter der Hand sonst so macht. Da hatten wir einfach viel zu schlecht recherchiert. Wir haben sie dann wieder vom Album runtergenommen. Das alles ist innerhalb von eineinhalb Tagen passiert. Es war auch etwas schwierig, das Ganze zu deichseln, denn wir mussten erst herausfinden, ob man das noch rückgängig machen kann und ob die Platten schon gepresst sind. An einem Freitagnachmittag in diesen Zeiten ist das ziemlich schwierig.

Konzertfoto von Harakiri For The Sky - Full Force Festival 2019

Harakiri For The Sky – Full Force Festival 2019

Dass wir sie kicken, war keine Frage, aber wir mussten überlegen, wie wir das mit einem möglichst geringen Schaden für HARAKIRI FOR THE SKY hinbekommen. Das ist dann etwas nach hinten losgegangen. Wir haben sie gekickt, sie war tierisch beleidigt und hat dann private Nachrichten von uns gescreenshottet und im Internet veröffentlicht. Darin kommt es so rüber, als gehe es uns eher um die Kohle, was natürlich überhaupt nicht der Fall ist. Wir haben nur gesagt, „würden wir das Album mit dir rausbringen, hätten wir Probleme, es bei gewissen Händlern zu verkaufen“. Klingt im Englischen vielleicht auch ein bisschen anders, als ich es im Deutschen formulieren würde.

Uns ist dann vorgeworfen worden, dass wir sie nur wegen der Kohle gekickt hätten, damit wir mehr Platten verkaufen. Das haben wir zwar nicht gesagt, aber es ist eben immer alles Auslegungssache und es gibt überall – egal ob politisch oder nicht politisch – einen Haufen kleinkarierte Leute, die immer nur das hören, was sie hören wollen. Leider kann man es nicht immer jedem recht machen. Ich finde, wir haben gut reagiert, indem wir sie sofort gekickt haben, als wir ihre politischen Geschichten mitbekommen haben. Man kann leider nicht mehr tun, als sich zu entschuldigen und sie da rauszunehmen.

Ich war mein Leben lang links, habe in Hardcorebands und Punkbands gespielt und lasse mir deshalb sowieso nichts unterstellen. Sollen die Leute ihre Meinung haben, aber ich weiß, wie Matthias und ich ticken. Das war wirklich einfach ein blöder Zwischenfall. Es war unser Fehler, das sehe ich auch ein. Wir hätten da besser recherchieren sollen. Wir dachten, sie hat diese PESTE NOIRE-Geschichte abgehakt, nachdem sie da seit fünf Jahren schon nicht mehr dabei ist. So hat sie es uns ja auch gesagt. Da dachten wir eben, wir geben ihr eine zweite Chance. Vom Umgang her war sie auch in Ordnung und hat nicht den Eindruck gemacht. Sie ist zum Beispiel auch ohne irgendein Problem mit Dave von HERETOIR aufgetreten.

Da sich unsere Zeit leider gerade dem Ende zuneigt, die obligatorische letzte Frage: Hast du von deiner Seite noch etwas loszuwerden?

J.J.: Ich hoffe, dass das mit dem Touren bald wieder funktioniert. Unsere Album-Release-Tour ist jetzt um ein Jahr nach hinten verschoben, auf Februar 2022. Ich hoffe, dass bis dahin alles wieder problemlos abläuft. Vielleicht auch schon im Sommer oder im Herbst bei Open Airs. Das wäre jetzt das Wichtigste für die Musikindustrie. Aber vielleicht hat es auch etwas Positives und die Leute haben nach dieser Krise wieder umso mehr Bock, Konzerte zu besuchen und sehen Konzerte nicht mehr als so etwas komplett Selbstverständliches an. Ich glaube, dass die Leute das nach dieser Geschichte wieder mehr zu schätzen wissen.

Vielen Dank für das Interview!

J.J.: Ich sage Danke!

*Der ursprünglich genannte Termin war der 29.01.2021. Wie am 23.01.2021 bekannt wurde, musste der Release wegen einer Verzögerung im Presswerk auf den 19.02.2021 verschoben werden.

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Quelle: J.J., Harakiri For The Sky
22.01.2021

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