Hammerfall
"Physische Verkäufe sind nicht tot."

Interview

HAMMERFALL hatten viel Glück für die Tatsache, dass sie eine Band während der Pandemie waren. Immerhin konnten sie ihre Europatour zu „Dominion“ noch beenden, ein amtliches Livedokument davon veröffentlichen und nun steht mit „Hammer Of Dawn“ planmäßig die nächste Langrille in den Startlöchern. Für die kommende Tour mit HELLOWEEN sieht es leider düster aus, aber trotzdem war der zum Interviewzeitpunkt frisch gebackene Fünfzigjährige Bandleader Oscar Dronjak in unserem Interview guter Dinge, was die Zukunft angeht. Ach ja, alles Relevante zum neuen Album hat er uns natürlich auch verraten!

Alles Gute nachträglich! Wie fühlt es sich an, 50 Jahre alt zu sein?

Danke! Es fühlt sich gar nicht wirklich anders an, um ehrlich zu sein. Es gibt eigentlich keinen Unterschied. Ein halbes Jahrhundert ist zwar eine sehr lange Zeit, aber es beeinflusst meinen Alltag nicht, es ist nur eine weitere Zahl. Ich bin froh, älter und hoffentlich weiser zu sein. Ich habe mich eigentlich nie so alt gefühlt, wie ich bin. Mit 30 habe ich mich eher wie 20 gefühlt, mit 40 eher wie 35 und so weiter. Ich hänge immer ein bisschen zurück, vielleicht ist es dieses Mal wieder so.

Als wir im September 2020 zuletzt gesprochen haben, sagtest du, dass es euer Plan sei, 2021 zu touren und 2022 ein neues Album herauszubringen. Touren fanden ja nicht statt, hat die ganze Situation also den Schreibprozess des neuen Albums beeinflusst?

Ein bisschen, im Guten wie im Schlechten. Das Gute war, dass wir Zeit hatten, keinen Stress mit den Deadlines. Das Schlechte war, dass wir ohne Shows nicht diesen gewissen Energieschub bekommen haben, nichts, worauf wir uns freuen konnten. So ist es schwer, Energie zum Schreiben der Songs zu finden. Zum Glück waren viele Songs schon fertig und wir mussten nur noch ein paar beenden. Das hat aber deutlich länger gedauert als sonst. Ende 2020 sah es düster aus, es war kein Ende der Situation in Sicht.

Wir waren daher trotzdem früher mit den Songs fertig und hätten eigentlich erst im Sommer 2021 aufnehmen müssen, aber wir haben schon im März 2021 mit dem Schlagzeug angefangen, weil ich so früh wie möglich anfangen wollte. Im April und Mai haben wir die Gitarren und den Bass gemacht. Ende August und Anfang September kamen dann die Vocals. Wir hatten viel Zeit, alles sorgfältig einzuspielen.

Es war also eine Art anderer Ansatz durch die fehlenden Touren?

Ja genau, du kannst in allem Gutes wie Schlechtes finden. Ich versuche immer, so viele positive Dinge zu finden wie möglich, auch bei den negativsten Ereignissen.

Du hast gesagt, ihr habt das Album nach und nach aufgenommen. Wart ihr denn immer alle anwesend oder gab es da Einschränkungen?

Das war in der Tat seltsam. Wir sind zwar mittlerweile nie alle immer anwesend, wenn wir ein Album aufnehmen, so machen wir das einfach nicht mehr. Aber es gibt immer bestimmte Zeitpunkte, wo alle fünf dabei sind. Dieses Album war das erste, bei dem es nicht so war. Wir waren maximal zu viert, oft zu dritt und manchmal auch nur zu zweit. Es war eine komische Aufnahmesession. Wegen Covid-19 konnten wir nicht so viele Leute anwesend haben. Das hat die Aufnahmen aber nicht negativ beeinflusst.

Das stimmt, der Einfluss der Pandemie ist nicht zu spüren. Wenden wir uns schöneren Dingen zu. „Hammer Of Dawn“ ist ein weiterer Song mit „Hammer“ im Namen. Wieso habt ihr euch für dieses Lied als Titelsong entschieden?

Es war der Song, der sich am besten dafür anhörte. Manchmal wissen wir schon früh, welcher Song der Albumtitel wird und Joacim und ich sind uns da auch meistens einig. Da gab es nie irgendwelche Diskussionen, außer einmal. Ich wollte unser fünftes Album auf jeden Fall „Unbent, Unbowed, Unbroken“ nennen und Joacim meinte, das sei zu seltsam, Leute werden sich den Namen nicht einprägen. Er wollte es „Chapter V“ nennen. Unser Kompromiss war dann „Chapter V: Unbent, Unbowed, Unbroken“. Nun nennen es die Leute immer nur „Chapter V“ und vergessen den Rest.

Ich habe dieses Mal einen Song geschrieben, den ich „Hammer Of Dawn“ genannt habe und ich glaube Joacim hat dann vorgeschlagen, dass es der Albumtitel werden soll. Wenn wir einen Haufen Songtitel haben, wählen wir meistens daraus den aus, den wir am besten finden.

Das Cover wurde ja wieder von Sam Didier designt. Dieser hat ja auch Artworks für Blizzard Entertainment gemacht und ich finde, dass Hector dieses Mal ein wenig aussieht wie Tyrael aus der „Diablo“-Serie. Wie war denn eure Idee für das Cover?

Er hat uns neun Skizzen zugesendet, welche eigentlich nur gezeigt haben, wo wir Hector und den Hammer haben wollen würden. Das haben wir dann auch ein oder zwei Stück eingegrenzt. Da wir zu dem Zeitpunkt schon wussten, wie das Album heißen soll, habe ich mir dabei einfach Hector vorgestellt, wie er in dieser Pose fliegt mit dem Himmel und den Farben des Morgens im Hintergrund.

Ich finde, es ist bisher die schönste Arbeit von Sam. Alle anderen Cover sind auch auf ihre eigene Art und Weise cool, aber dieses Bild ist wirklich schön. Mir gefällt es, wie Hector etwas schlanker gemacht wurde auf diesem Cover im Gegensatz zu „Dominion“ zum Beispiel. Dort sah er für mich eher aus wie ein Videospiel-Charakter, groß und mächtig mit der Rüstung und so. Klar, dort war er der dämonische Hector, da musste er so aussehen, aber mir gefällt er auf dem neuen Cover besser.

Habt ihr bestimmte, textliche Themen auf dem Album, die du hervorheben möchtest? „Too Old To Die Young“ klingt schon ein bisschen selbstironisch.

Ja, wir sind einfach schon zu lange dabei, dass wir nicht mehr jung sterben können. Dafür sind wir einfach zu alt geworden. Joacim mag diese kleinen Wortspiele, die sich ein bisschen abheben. So haben wir den Song dann auch angegangen. Er steht für das Vermächtnis von HAMMERFALL, wofür wir die ganze Jahre schon stehen.

Hast du Favoriten auf dem Album? Mir gefällt „Brotherhood“ und der Titeltrack sehr gut.

„Brotherhood“ war einfach die perfekte Wahl, er fällt direkt mit der Tür ins Haus. Die beiden Songs, die du genannt hast, haben wir tatsächlich auf Tour geschrieben. „Brotherhood“ haben wir in den USA, als wir 2018 mit FLOTSAM & JETSAM getourt sind, geschrieben. „Hammer Of Dawn“ habe ich in Ludwigsburg angefangen und ein paar Tage später in einem Hotelzimmer in Trieste beendet. Der kam relativ natürlich zustande, wir hatten einen Offday, an dem ich den Song beendet habe.

Songs schreiben gibt dir auch eine weitere Beschäftigung auf Tour. Nach ein paar Wochen ist der Ablauf einfach immer ähnlich und so kannst du dich selbst beschäftigt halten. Es macht auch wahnsinnig viel Spaß, kreativ zu sein. Zudem sind die Ergebnisse meines Songwritings auf Tour immer besonders gut.

Also schreibst du auch Songs auf Tour, die nicht zwingend auf dem nächsten Album sein müssen?

Genau. Das war eine bewusste Entscheidung. „Brotherhood“ habe ich gegen Ende des Songwritings für „Dominion“ geschrieben, das wir erst im Januar 2019 angefangen haben aufzunehmen. Als ich den Song im Sommer 2018 geschrieben hatte, waren die meisten Lieder schon fertig. Ich hatte für „Brotherhood“ im Kopf, dass er einen besonderen Platz auf dem Album bekommen sollte. Und auf „Dominion“ wäre er vermutlich einfach nur irgendwo gelandet. Es hätte sich angefühlt, den Song zu verschwenden. Also habe ich ihn zurückgehalten, weil ich ihn für so besonders gehalten habe. Und wieder stimmte Joacim mir zu, als ich ihm ihn vorspielte.

Es ist also wieder eine Sache der Planung. Wir möchten das bestmögliche Ergebnis in Albumform abliefern, aber ich möchte auch verhindern, dass einzelne, spezielle Songs in der Menge untergehen.

Denkst du trotzdem, dass Alben immer noch das Format der Wahl sind? Es geht der Trend teilweise ja auch hin zu EPs oder Singles, gerade aus den Gründen, die du auch eben genannt hast.

Ich habe darüber auch lange nachgedacht, schon vor fünf, sechs Jahren, statt einem Album alle zwei, drei Jahre meinetwegen zwei EPs alle drei Jahre zu veröffentlichen. Aber du weißt wie es ist, man kann einem alten Hund keine neuen Tricks beibringen. Wir sind älter geworden, sind mit dem Albumformat groß geworden, ich denke nicht, dass wir daran was ändern werden.

Außerdem glaube ich, dass Metalfans sehr traditionell sind. Ich denke nicht, dass das für uns funktionieren würde. Es passt auch finanziell nicht, weil du jedes Jahr ins Studio müsstest. Das ist einfach nicht der Typ Band, der HAMMERFALL ist. Außerdem glaube ich, dass die Fans es nicht mögen würden. Sie wollen lieber eine vollwertige Veröffentlichung haben. Physische Verkäufe sind nicht tot. Viele Leute hören Streams, klar, es ist einfach über den Computer Musik mit Knopfdruck verfügbar zu haben. Ich benutze das auch. Aber du kannst es nicht damit vergleichen, das richtige Album in der Hand zu haben.

Da bin ich ganz bei dir. Zum Album-Hören gehört auch das Blättern im Booklet und so weiter.

Ja, da beschwert sich auch Joacim schon seit Jahren drüber. Er nimmt sich viel Zeit, Lyrics zu schreiben und keiner liest sie. Es frustriert ihn manchmal.

In unserem letzten Interview sagtest du, du bist optimistisch gegenüber dem Neustart von großen Touren. In zwei Monaten geht ihr mit HELLOWEEN auf Tour. Wie optimistisch bist du, wenn man sieht, wie viele Touren schon auf 2023 verschoben werden?

[Anm. der Redaktion: Zum Zeitpunkt des Interviews war die Tour noch nicht verschoben] Ja, ich weiß. Die Situation ist nicht gut zur Zeit. Omikron läuft überall Amok. Das Ding ist, das könnte eine gute Sache sein, die Omikron-Welle gerade. Die Symptome sind weniger stark, es sterben weniger Leute und weniger Leute werden ernsthaft krank. Es ist hoffentlich die letzte große Covid-Welle.

Dänemark, Spanien und weitere Länder degradieren Covid-19 zu einer normalen Erkrankung anstelle von einer gefährlichen Pandemie. Deren Einstellung ist, dass es es nicht wert ist, die Gesellschaft herunterzufahren, weil sie nun Möglichkeiten haben, damit umzugehen. Das liegt natürlich auch an der hohen Impfquote in den Ländern.

Was auch immer passiert, wir werden dieses Jahr zurück auf die Bühne gehen. Das ist 100% sicher. Aber gerade für Deutschland und Schweden sieht es derzeit leider echt düster aus. Das Schlimmste an der Pandemie ist nicht, dass wir nicht live spielen können, sondern, dass wir immer wieder neue Hoffnung bekommen und uns auf eine Tour vorbereiten, die dann immer und immer wieder verschoben wird. Das nervt.

Quelle: Zoom-Call mit Oscar Dronjak
25.02.2022

Redakteur für alle Genres, außer Grindcore, und zuständig für das Premieren-Ressort.

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