Groza
Vom Loslassen und Festhalten
Interview
Vor wenigen Tagen haben GROZA ihr drittes Studioalbum „Nadir“ veröffentlicht. Das punktete nicht nur in der Review, sondern gewann auch unseren September-Soundcheck. Noch vor der Europatour mit ELLENDE spielten GROZA einige neue Stücke live beim 20 Years Of New Evil Music Festival in Heidelberg. Wir waren vor Ort und nutzten die Gelegenheit, uns mit Fronter P.G. zusammenzusetzen und unter anderem über das neue Album zu reden. Im Interview spricht er über ‚the good, the bad, and the ugly‘ und gibt Einblicke in die Setlist für die anstehenden Konzerte.
Wie ist denn jetzt gerade das Befinden, wo „Nadir“ draußen ist? Welche Erwartungen und Hoffnungen hattet ihr, und inwieweit wurden diese erfüllt oder vielleicht sogar übertroffen?
P.G.: Wir sind super, super froh, dass die Platte endlich draußen ist. Wir haben so lange daran gearbeitet, und es ist immer schwer, etwas so lange für sich behalten zu müssen. Jetzt bin ich einfach froh, dass die Leute es hören können. Das Feedback bisher war überragend – ich bin völlig überwältigt. Ich hoffe, dass wir mit der Platte einfach noch mehr Leute für uns begeistern können, dass sie über die Platte einen Einstieg zu uns finden. Und dann schauen wir einfach, wie es weitergeht.
Bei uns hat „Nadir“ sogar den Soundcheck gewonnen – und das gegen Bands wie UNTO OTHERS, die ja ziemlich massentauglich und aktuell etwas gehypt sind. Hättet ihr damit gerechnet?
P.G.: Verrückt, oder? Ich hätte das echt nicht erwartet. Als ich die Liste der anderen Bands gesehen habe, das war dann schon ein bisschen surreal. Aber freut mich natürlich.
Wie wichtig ist dir die öffentliche Rezeption in Allgemeinen? Es heißt ja oft: ‚Wir machen die Musik für uns.‘ Aber am Ende hängen da ja auch wirtschaftliche Aspekte dran.
P.G.: Wirtschaftlich gesehen arbeiten wir alle noch nebenbei. Das ist nicht unser Job. Deswegen sind wir wirtschaftlich nicht von der Band abhängig. Das ist, wenn man dann kreativ ist, ein großer Segen, weil man sich keine Gedanken machen muss, ob sich die Platte gut verkauft. Wir können wirklich schreiben, was wir wollen, und sind finanziell unabhängig von der Band. Aber natürlich freut man sich, wenn die Platte gut ankommt. Also würde ich lügen, wenn ich sagen würde, das ist mir egal.
Klar, im ersten Anspruch machen wir die Musik für uns selbst. Das ist halt die Klischeeantwort. Aber es stimmt wirklich, es trifft wirklich zu. Deswegen haben wir es auch angefangen. Beim Schreiben machen wir uns keine Gedanken darüber, wie es ankommt, sondern wir versuchen schon immer, einfach auf uns selbst zu hören. Und ich bin überzeugt, wenn man selbst etwas macht, womit man einfach voll zufrieden ist, dann kommt das auch bei den Leuten an. Das ist so der Ansporn bei uns.
Schreiben ist ein gutes Stichwort. Am Anfang war GROZA ein Ein-Mann-Projekt, und jetzt seid ihr zur Band angewachsen. War es schwierig für dich, das – zumindest teilweise – aus der Hand zu geben?
P.G.: Ich habe schon daran arbeiten müssen, auch Sachen loszulassen und Sachen abzugeben. Ich bin jemand, der ein klares Bild davon hat, was er erreichen will. Und wenn dann andere Meinungen ins Spiel kommen, dann ist es immer schwierig, davon abzuweichen. Mit dem zweiten Album haben wir den Schritt gemacht, die anderen Jungs mit einzubeziehen, um die Einflüsse zu erweitern. Und ich muss einfach klar sagen, dass die Songs dadurch super profitiert haben und besser geworden sind. Bei der neuen Platte war es für mich daher kein Gedanke mehr. Wir haben inzwischen einen Weg gefunden, wie wir zusammenarbeiten, mit dem ich mich richtig wohlfühle. Und im Sprung von „The Redemptive End“ zu „Nadir“ hat sich da in der Hinsicht nicht viel verändert.
Kannst du den Songwriting-Prozess kurz beschreiben? Und was muss ein GROZA-Song für dich haben, damit er sich wirklich fertig anfühlt?
P.G.: Sachen fertig machen ist ein ganz großes Problem. Wenn es nach mir ginge, dann würde ich wahrscheinlich nie fertig werden, weil es immer etwas gibt, das man verbessern kann. Aber man muss es halt irgendwann auch einfach mal gut sein lassen und loslassen, weil man sonst nie fertig wird. Der grundsätzliche Prozess sieht so aus, dass wir alle gemeinsam Ideen sammeln und uns austauschen. Jeder schreibt für sich, und meistens bin ich dann derjenige, der alles sortiert und schaut, was zusammenpasst – welche Teile in welchen Song gehören. Aus diesem Rohmaterial erstelle ich eine Demo und arrangiere sie so, wie ich mir den Spannungsfluss der Songs vorstelle. Damit gehe ich wieder zu den Jungs zurück, und wir arbeiten an den Übergängen und Details, bis das Instrumental steht und wir alle zufrieden sind. Erst dann schreibe ich die Texte und arrangiere die Vocals.
Stichwort Texte. Die sind auf „Nadir“ ja nicht gerade superhappy. Welche Einflüsse stecken da drin?
P.G.: GROZA ist in erster Linie entstanden – wieder eine Klischeeantwort – um ein Ventil zu haben. Ich bin kein Mensch, der gut über emotionale Themen sprechen kann, aber in der Musik fällt mir das viel leichter. Es tut mir persönlich sehr gut, mich auf diese Weise äußern zu können, eben auch in den Texten. Die Texte auf den letzten beiden Alben, besonders auf dem aktuellen, drehen sich um Themen, die mich im Alltag oder in meinem Leben beschäftigen – oder um Dinge, die ich bei Menschen in meinem Umfeld mitbekomme. Das alles verarbeite ich in den Texten und habe so eine Möglichkeit gefunden, das loszulassen und niederzuschreiben. Und dann ist es aus dem System und das ist etwas sehr Befreiendes.
„Asbest“ ist der erste deutschsprachige Song für GROZA. Hat das eine besondere Bedeutung oder muss man dem nicht so viel beimessen?
P.G.: Ursprünglich hatte ich nie vor, auf Deutsch zu schreiben, weil ich zur deutschen Sprache in Songs immer ein etwas komisches Verhältnis hatte. Oft klingt es schnell cheesy, weißt du, was ich meine? Es ist irgendwie zu nah dran, und auf Englisch fällt mir das leichter. Aber ich habe für KARG ein Feature gesungen, das auf Deutsch war. Und ich habe beim Einsingen gemerkt, dass das nochmal mehr auslöst. In der Muttersprache zu singen, hat einfach eine andere Ebene eröffnet, wo man nochmal mehr reinlegen kann. Deshalb habe ich das jetzt auch für GROZA ausprobiert, und es hat gut funktioniert.
Umgekehrt habt ihr bei „Daffodils“ J.J. und M.S. von HARAKIRI FOR THE SKY beziehungsweise KARG dabei. Welchen Einfluss haben die beiden auf das Stück genommen?
P.G.: J.J. hat den Text für die Stelle geschrieben, die er singt. Das war mir wichtig, weil ich finde, es ist am authentischsten, wenn er das in seinen eigenen Worten ausdrückt. M.S. hat seine Leadgitarrenparts selbst geschrieben. Ich hatte Parts im Kopf, da wollte ich, dass er sie spielt. Da habe ich nur das Gerüst geschrieben und habe ihm die Freiheit gelassen, seine eigenen Melodien zu schreiben.
Galerie mit 10 Bildern: Groza - Summer Breeze Open Air 2023Beim GROZA-Auftritt heute war aber nur J.J. dabei.
P.G.: Ja, das war eine logistische Sache. J.J. ist mit PERCHTA mitgefahren und war schon vor Ort. Aber beim Vienna Metal Meeting machen wir das dann mit beiden.
Ich bringe mal das Thema der Vergleiche mit Bands wie MGŁA und UADA auf, die immer wieder aufkommen.
P.G.: Welche Überraschung, ja.
Ja, ich weiß. Inwiefern stört dich das? Hast du vielleicht das Gefühl, dass ihr euch bewusst davon lösen müsstet?
P.G.: Ich habe gar nicht das Gefühl, dass wir uns bewusst davon lösen müssen, weil das Erwartungen von außen sind. Und das hat eigentlich keinen Einfluss. Wenn uns Leute vergleichen, ist das für mich in erster Linie ein Kompliment. MGŁA ist nach wie vor meine favorite Band, ich finde sie einfach unfassbar gut. Mich stört es nur, wenn Leute unterstellen, dass wir auf irgendeinen Hype-Train aufspringen, um Platten zu verkaufen. Das wird oft von Leuten behauptet, die nicht wissen, wie es wirklich läuft. Wir arbeiten alle noch nebenbei, GROZA finanziert uns nicht. Wir haben kein Interesse, da jetzt auf den Hype aufzuspringen für Cash.
Für uns geht es darum, dass wir diese Art von Black Metal, die MGŁA und UADA in den letzten Jahren geprägt haben, einfach lieben und etwas Ähnliches machen wollen. Ich bezeichne die erste Platte auch immer als Worship. Es gibt keinen Grund, das zu verheimlichen. Es ist meine Lieblingsband, und natürlich hört man das in unserer Musik. Wenn uns dafür jemand verurteilt, ist das okay. Also, ich habe damit abgeschlossen. Mich stört das nicht.
MGŁA-Worship ist aufgrund der Grauzonenthematik natürlich schwierig.
P.G.: Das ist natürlich eine super kontroverse Frage. Sobald die Musik zum Vehikel für irgendeine politische Agenda wird, dann trenne ich ab. Dann interessiert es mich nicht mehr, denn dann ist die Musik nur noch Beiwerk für irgendwelche Propaganda. Dann wäre es mir zu blöd. Aber dadurch, dass MGŁA textlich apolitisch sind und es einfach unbestritten gute Musik ist, da ziehe ich die Grenze. Natürlich weiß ich um die Diskussion, und ich würde das auch alles nicht gutheißen. Aber gute Musik ist halt trotzdem gute Musik. So sehe ich das.
Ein anderes schwieriges Thema. Letztes Jahr ist euer Bassist Mike gestorben. Heute habt ihr ihm im Set „The Redemptive End“ gewidmet. Wie geht es euch aktuell und wie verarbeitet ihr das? Es hat ja auch zu instrumentalen Umstellungen in der Band geführt.
P.G.: Das ist wirklich schwierig. Ich glaube, „Nadir“ hat einen großen Teil dazu beigetragen, das zu verarbeiten, weil ein Großteil davon nach seinem Tod geschrieben wurde. Aber ich könnte nicht in wenigen Sätzen erklären, was das für einen Einfluss hatte. Natürlich hat es viele Veränderungen gebracht. Es war von vornherein klar, dass wir weitermachen, weil ihm das selbst immer wichtig war. Er war lange krank, und auch während seiner Krankheit haben wir ohne ihn gespielt, weil er darauf bestanden hat. Deshalb liegt es mir am Herzen, weiterzumachen.
Jetzt spiele ich eben Bass. Wir haben lange überlegt, wie wir das handhaben. Es hat sich falsch angefühlt, einfach jemand Neuen an den Bass zu holen. Er ist nicht zu ersetzen, und das wäre zu nah dran gewesen. Deswegen spiele ich Bass und kann ihn so ein bisschen näher bei mir haben, bei den Shows. Er fehlt ungemein, aber wir verarbeiten das ein gutes Stück auf der Platte. Es gibt einige Referenzen. Es war natürlich ein Hauptthema.
Wie das „Nadir“-Cover, das ist von seiner Schwester, richtig?
P.G.: Genau. Das war auch seine Idee. Wir haben mal darüber gesprochen, dass er gerne mit seiner Schwester ein Artwork für uns machen würde. Nach seinem Ableben haben wir gesagt, dass wir das in seinem Sinne umsetzen wollen. Viele Elemente auf der Platte, wie das HARAKIRI-Feature, waren auch seine Ideen. Das versuchen wir zu würdigen, indem wir es jetzt so umsetzen, wie er es gewollt hätte.
Durch die Masken bei GROZA entsteht natürlich eine gewisse Anonymität. Die Person geht im Kollektiv auf. Andere Bands machen das ja auch. Wenn man die aber mal off-stage trifft, bringt man sie oft gar nicht mit dem zusammen, was man da auf der Bühne sieht. Wie ist eure Dynamik abseits der Bühne? Ihr seid ja sicher auch privat gut befreundet und habt Spaß.
P.G.: Absolut, das geht nicht anders. Wenn man so viel Zeit miteinander verbringt, ist es das A und O, dass man sich persönlich gut versteht. Das ist mir mittlerweile sogar wichtiger als musikalische oder kreative Entscheidungen. Wenn man dann nur von Leuten umgeben ist, zu denen man keine persönliche Verbindung hat, ist das einfach nicht erfüllend. Natürlich müssen die Leute auch gute Musiker sein, das ist völlig klar. Wir haben hohe Ansprüche an uns selbst. Aber in erster Linie sind wir gut befreundet. Das ist das Wichtigste für mich, dass man sich auch aushält. So viel wie wir spielen, das ist echt nicht immer einfach. Aber wenn man sich nicht leiden könnte, dann könnte ich es nicht machen. Ich bin generell kein super sozialer Mensch, der ewig lang mit denselben Leuten gut auskommt. Da ist es schon wichtig, dass man sich gut versteht.
Ihr geht quasi JETZT mit ELLENDE auf Tour. Was kann man vom Set erwarten? Wird es ähnlich sein wie heute? Von „Nadir“ habt ihr das Intro und „Asbest“, „Dysthymian Dreams“ und „Daffodils“ gespielt. Dann noch „The Redemptive End“ und „Unified In Void“.
P.G.: Ohne jetzt konkret die Setlist zu spoilern: Wir werden den Großteil des neuen Albums spielen. Deswegen gehen wir auf Tour – wir wollen, dass die Leute die neue Platte live erleben. Für mich ist GROZA in erster Linie eine Liveband, und es ist wichtig, die Songs auch auf der Bühne zu präsentieren. Wir spielen die neue Platte bis auf einen Song komplett, und dann die großen Songs der letzten zwei Alben, die die Leute hören wollen – besonders die Singles. Ich glaube, wir haben ein gutes Set gefunden. Ich freue mich richtig darauf.
Die letzten Worte gehören dir. Gibt es etwas, das du loswerden möchtest?
P.G.: Unsere neue Platte „Nadir“ ist raus, seit dem 27. September. Hört gerne rein. Und es gibt noch Tickets für einige Shows in Deutschland – einige sind allerdings schon ausverkauft. Wir freuen uns über jeden, der vorbeikommt!
Dann vielen Dank!
P.G.: Ich danke.