Grave Digger
Im Gespräch mit Axel Ritt
Interview
GRAVE DIGGER, mittlerweile weit mehr als nur eine Band. Über Jahre hinweg hat sich das ständig wechselnde Gespann um den Frontmann Chris Boltendahl den Status einer Legende und eines Mythos erarbeitet. Doch nicht immer traf man den Nerv der Hörer. Vor allem die ersten Alben, so zum Beispiel “The Reaper“ oder “Heavy Metal Breakdown“, waren ein Relikt des lupenreinen, des “vernichtenden“ Speed Metal. Um die Jahrtausendwende geriet die Band allerdings ins Schlingern und war kurz davor, die Kontrolle zu verlieren, die Alben wurden subjektiv betrachtet schlechter und die Verkaufszahlen sanken. Man kann den wiederaufkommenden Erfolg nicht an einer Person festmachen, jedoch war es im Jahr 2010 als GRAVE DIGGER mit einem neuen Mann an der Gitarre “The Clans Will Rise Again“ veröffentlichten und sofort auf Platz 31 der deutschen Charts landeten. Dieser Mann ist Axel “Irofinger“ Ritt und auch heute noch fester und nicht wegzudenkender Bestandteil der Band.
“Wenn man als Band so lange im Geschäft ist wie GRAVE DIGGER, läuft man immer Gefahr, sich ständig um sich selbst zu drehen und Stück für Stück den Spaß an der Arbeit zu verlieren. Es ist nicht an mir, die internen Vorgänge der Band vor meinem Einstieg zu bewerten, aber ich glaube, ich habe durch meine Art und meine Zielstrebigkeit neue Energie in die Band gebracht. Vor allem Chris hat meines Erachtens in den letzten Jahren immer mehr zu der alten Freude an seinem Beruf zurück gefunden, da er mit mir jemanden gefunden hat, der für ihn, mit ihm, aber niemals gegen ihn arbeitet! Dies muss wohl in der Vergangenheit des Öfteren nicht der Fall gewesen sein ….“, so der gebürtige Kölner.
Er spricht weiter und thematisiert sein Aufgabenfeld und seine Vorstellung eines Bandgefüges: “Ich versuche, meine Fähigkeiten, seien es musikalische Aspekte oder aber mein Wissen und meine Erfahrung aus der Business-Abteilung in den Dienst der Band zu stellen und diese so erfolgreich wie möglich zu machen. Der entscheidende Punkt, welcher über den Bestand einer Band entscheidet, ist der persönliche Respekt vor den individuellen Leistungen eines jeden innerhalb der Band. Du musst nicht der gleichen Meinung wie er, du kannst dich sogar über eine Äußerung ärgern, aber du musst dir immer bewusst machen, dass der andere diese Meinung vertritt, da er des festen Glaubens ist, dass genau diese seine die beste Entscheidung für die Band ist. Das rückt eine gegensätzliche Meinung in ein völlig anderes Licht. Solange jede Kritik konstruktiv und nicht destruktiv ist, profitiert letztendlich die gesamte Band davon.“
Genau diese Energie, dieser letzte Wille zur vollständigen Energieentladung und die Zusammenarbeit der verschiedenen Instrumente ist es, welche “Return Of The Reaper“ zu einem der, beziehungsweise dem, stärksten Album der Bandgeschichte anheben und dies auch tun sollen, “Wir haben die Prä-Konzeptalbum-Ära als Basis für das neue Album genommen.“
Zu verspielt, zu progressiv oder zu schwach, das waren Attribute für vergangene Veröffentlichungen der auferstandenen Sensenmänner, ähnlich sieht es der Gitarrist: “Bei den früheren Alben haben wir teilweise zu viel zunächst auf der virtuellen Ebene ausgearbeitet, um das Ganze dann auf die physikalische Ebene zu bringen. Dabei läuft man Gefahr, dem Metal seine Ursprünglichkeit zu rauben, man lässt unter Umständen zu viel Energie auf der Strecke … .“ Studioalbum Nummer 18 ist nahezu tadellos und mit dieser Meinung stehe ich nicht alleine da, auch für Axel Ritt ist die Scheibe “in jeder Hinsicht perfekt“, das Wichtigste für ihn ist allerdings, dass “der Funke auch auf die Fans übergesprungen ist, höchster Chart-Entry in der gesamten Band-Geschichte, das spricht Bände!“
Inhaltlich bewegt man sich auf “Return Of The Reaper“ weg von den Kämpfen rund um Schottland und Mythen vergangener Tage. “Gemäß unseres Bandnamens haben wir dieses Mal das Thema Tod und Vergänglichkeit in den Fokus gerückt. Ein Thema, was zwangsweise jeden von uns irgendwann einmal beschäftigt.“
Bereits in meinem Review erwähnte ich Songs wie “Hell Funeral“ und “Wargod“ als waschechte Perlen, für den Gitarristen und Songwriter Axel Ritt ist dies vor allem “Tattooed Rider“. Der vierte Song des Albums wagt es nach einem kraftvollen Anfangsgespann leicht auf die Bremse zu treten und mit seinen Synthesizerklängen eine ganz spezielle Art von Nostalgie zu versprühen: “Wegen des starken Achtzigerfeelings ist dies mein unbestrittener Favorit auf der Platte.“
Aber für Axel Ritt persönlich hat der Erfolg nicht nur Vorteile, sein früheres Hauptprojekt DOMAIN siecht seit 2009 vor sich hin, “Ich plane schon länger ein neues Album für DOMAIN, aber das ist leichter gesagt als getan. Da mein Engagement bei GRAVE DIGGER weit über die reine Funktion als Gitarrist hinausgeht, hat sich bis jetzt leider immer noch nicht die Zeit gefunden, ein ordentliches Album auf die Beine zu stellen. Man muss als Künstler eine eindeutige Reihenfolge seiner Aktivitäten ausarbeiten und einhalten, sonst gerät die gesamte Arbeit zum Chaos und meine Prioritäten liegen nun mal eindeutig bei GRAVE DIGGER.“
Aber auch nach 34 Jahren beinahe ununterbrochener Arbeit, 18 veröffentlichten Studioalben, unzähligen Live-Shows und mehr als 13 Chartplatzierungen ist es noch lange nicht an der Zeit, den Reaper zu begraben, “Es ist schon aberwitzig, bereits während der Listening Session zum neuen Album haben wir uns Gedanken zum übernächsten Album gemacht.“ Im Herbst geht es mit einer “Menge Metal und vier tollen Bands“ auf die dritte Auflage der Metal Attack Tour, im Gepäck dabei die “ursprüngliche Kraft und Energie, von der die Band Live profitiert“.