Gorgoroth
Interview mit Infernus zu "Quantos Possunt ad Satanitatem Trahunt"
Interview
GORGOROTH sind zurück! Mit dem neuen Album „Quantos Possunt ad Satanitatem Trahunt“ – und ansonsten genau so, wie es sich Bandkopf Infernus vorstellt. Offenbar hat der Konflikt um die Namensrechte bei Infernus eine Initialzündung ausgelöst, denn seitdem geht der alte und neue Frontmann von GORGOROTH äußerst zielstrebig zu Werke. Daran lässt er auch im Interview mit metal.de keinen Zweifel.
„Quantos Possunt ad Satanitatem Trahunt“ ist eine gute neue GORGOROTH-CD. Musikalisch könnte sie als Mischung aus alten GORGOROTH und DISSECTION durchgehen. Wie siehst Du das?
Ich weiß nicht so ganz, was ich dazu sagen soll. Dadurch dass ich in den ganzen Produktionsprozess einbezogen war und wir im letzten Sommer sehr hart am Album gearbeitet haben, bin ich halt zu eingenommen und deswegen etwas blind und undimensional für solch eine Beschreibung. Ich würde ganz generell sagen, dass eine solche Frage besser von jemand beantwortet wird, der nicht direkt involviert ist. Wir wollen, dass das Album für sich selbst spricht, und nicht, dass ich mich dazu detailliert dazu äußere, woran es mich erinnert. Aber ganz unabhängig davon, bin ich doch sehr stolz auf das Album und halte es als wesentlich reifer und geschlossener als das meiste, was wir zuvor gemacht haben. Außerdem würde ich es als unser finsterstes Album seit langem bezeichnen.
Worin sieht Du die größten Unterschiede zum letzten Album?
Das auffallendste ist sicherlich, dass das letzte Album von jemand anders geschrieben wurde. Ein weiterer Unterschied ist, dass wir das neue Album selbst produziert haben, komplett ohne externe Hilfe. Dadurch haben wir ungefähr zehnmal so viel Zeit reingesteckt, bevor wir uns mit dem Ergebnis wirklich zufrieden geben konnten. Das Album wird am Freitag veröffentlicht werden, also kann jeder, der daran interessiert ist, es selbst rausfinden.
In einem Interview aus dem letzten Jahr hattest Du angekündigt, dass das Album schon viel früher aufgenommen werden sollte, aber jetzt hat es doch länger gedauert. Was war der Grund dafür?
Unser Ziel war es, dass wir eine lange Zeit im Studio verbringen. Wir hatten vor, im Januar die Gitarren im Laboratorio6 in Pindamonhangaba (Brasilien) aufzunehmen. Dann kam uns aber plötzlich die Entscheidung im Prozess um die Namensrechte dazwischen. Dadurch lag unser Zeitplan außerhalb unserer Kontrolle. Als uns der Zeitplan vom Richter vorgeschlagen wurde, hätte ich die Verhandlung wegen der Aufnahmen auch nach hinten schieben können. Ich habe mich aber dann dafür entschieden, die Gitarrenspuren erst im Sommer aufzunehmen, und zwar stattdessen im Monolith Studio in Stockholm (Studio von Drummer Tomas Asklund; Anm. d. Verf.).
Also habt Ihr das Album komplett im Monolith Studio aufgenommen?
Yeah, wir haben mit der Vorproduktion schon vor langer Zeit angefangen, kurz nachdem Asklund in die Band gekommen ist, das war im November 2007. Wir hatten vor, die Drums hier in Schweden aufzunehmen, und für die Gitarrenspuren wäre ich dann zu meinem Kumpel in Brasilien geflogen – übrigens der Gitarrist von OPHIOLATRY. Na, und dann kam das Verfahren dazwischen, weswegen wir unsere Pläne umschmeißen mussten und dann alles in den Monolith Studios aufgenommen haben.
Eine Frage zum Sound: Es klingt so, als wenn das Schlagzeug komplett getriggert wäre, sogar die Toms. Warum habt Ihr Euch zu diesem Schritt entschlossen?
Alles, was mit Triggern oder Nicht-Triggern zu tun hat, haben Asklund und ich nach unserem Geschmack entschieden. Wir haben es produziert, und wir haben es genauso gemacht, wie wir es haben wollten.
Für die neue CD hast Du alle Songs geschrieben, während auf den beiden Vorgängeralben King und Gaahl nahezu alles Material geschrieben haben. Was war der Grund für Deine damalige Zurückhaltung?
Nun, ich habe eigentlich in meinem gesamten Erwachsenenleben jede Woche etwas geschrieben, aber im Grunde ist die Frage ja, ob man ehrlich genug ist zuzugeben, dass etwas gut genug ist oder nicht. In einigen Phasen kannst du inspiriert sein und in anderen nicht. Ich habe also immer Musik geschrieben, aber bis 2006 war ich mir nicht zu einhundert Prozent sicher, ob ich das Material immer noch mögen würde, wenn es denn veröffentlicht worden wäre. Aber ich befinde mich jetzt grundsätzlich in einer Phase, in der ich inspirierter bin als zuvor. Und wenn ich das jetzt sage, kann ich es doch nicht für die Zukunft vorhersagen, weil ich es nicht kontrollieren kann. Aber im Moment befinden wir uns bereits mitten in der Vorproduktion zum nächsten Album. Wir haben damit vor drei Wochen in Stockholm begonnen – dort hängt der Geruch von Blut in der Luft, und das ist es auch, was nötig ist.
Auf dem aktuellen Album haben ein paar Deiner Kumpel die Texte geschrieben. Kannst Du kurz etwas zu ihnen sagen, und warum habt Ihr Euch diesmal dazu entschlossen, die Texte von jemand anders schreiben zu lassen?
Wir haben diesmal in einem recht frühen Stadium entschieden, dass zwei meiner engsten Freunde die Texte schreiben sollten, und das haben sie getan. Sie können zwar in keiner Weise als Metalmusiker durchgehen, aber sie haben große Qualitäten und ich schätze sie sehr als Person. Und die Entscheidung habe ich getroffen und bin sehr glücklich damit. Was die Zukunft anbelangt, so wird Pest eventuell die Hälfte der Texte schreiben. Was die andere Hälfte angeht, wirst Du es früh genug erfahren.
Okay… ist es denn jetzt ein Problem, dass Pest einige von Gaahls Lyrics singen muss?
Wir haben kein Problem. Du musst Dir nur ins Gedächtnis rufen, dass wir bereits neun Alben aufgenommen haben. Wenn wir also unser Liveset zusammenstellen, haben wir genügend Material zur Verfügung, dass solche kleinen Hindernisse gar nicht erst thematisiert werden müssen. Ab jetzt werden wir dem Material, an dem die illoyalen Ex-Mitglieder mitgewirkt haben, keinen hohen Stellenwert mehr einräumen.
Auf dem Livealbum „True Norwegian Black Metal“ hat Pest den Gesang von Gaahl ersetzt. Wie kam es zu dieser Enscheidung?
Das haben wir aus einer Vielzahl an Gründen gemacht, die ich jetzt nicht alle einzeln erläutern möchte. Als wir uns getroffen hatten, um den Gesang für das neue Album aufzunehmen, haben wir uns dazu entschlossen, Gaahls Gesang auf jenen Aufnahmen komplett zu ersetzen, und außerdem haben wir noch einige zusätzliche Aufnahmen gemacht, die letztlich nicht auf dem Album gelandet sind. Das alles ging innerhalb von wenigen Stunden über die Bühne, bei ENTOMBED-Nico (Elgstand, Anm. d. Verf.) in den Threeman Recording Studios, die ungefähr eine Stunde Fahrzeit vom Monolith liegen. Große Sache.
Dabei hast Du auch Kings Basslinien ersetzt?
Ja, habe ich. Das hat ungefähr einen Tag gedauert. Ich habe das wieder zusammen mit Nico umgesetzt – es war ziemlich einfach, weil ich ja in den guten alten Tagen die meisten Bassspuren selbst eingespielt hatte.
Kann man die CD denn als Livealbum ansehen?
Natürlich sehe ich es nicht als Livealbum an, aber man muss es einfach als das betrachten, was es ist: Es ist eine Art Dokument der Geschichte. Du musst es vor dem Hintergrund der Geschehnisse betrachten, in die ich hineingezogen wurde. Als wir das Album aufnehmen wollten, brach ein komplettes Chaos aus. Erst haben wir zwei Liveaufnahmen in Schweden gemacht, aber um ehrlich zu sein, klangen die wirklich scheiße. Dann haben wir versucht, die Aufnahmen im Studio zu retten, aber das hat nicht geklappt. Wir mussten aber Regain Records etwas abliefern, weswegen wir auf die Idee von diesem Live-Im-Studio-Ding kamen. Ich möchte einfach das einhalten, was ich verspreche. Deswegen habe ich ein wenig improvisiert, damit sie weniger enttäuscht von uns sind, dass wir uns in diese Situation hineinmanövriert haben. Danach nahmen die Probleme immer mehr überhand, weswegen es einfach gewesen wäre, dieses Projekt einfach abzublasen. Ich wollte es aber unbedingt zu Ende bringen, weswegen die CD jetzt so geworden ist, wie sie ist.
Was kannst Du über die Live-DVD „Black Mass Krakow 2004“ erzählen, die letztes Jahr von Metal Mind veröffentlicht wurde – sind die ganzen Probleme mit der polnischen Justiz jetzt beseitigt? Und wie findest Du die DVD?
Die DVD wurde veröffentlicht, weil dafür ein Vertrag bestand, und letztlich gibt es auch keine rechtlichen Probleme mehr, die mich eine ganze Weile beschäftigt hielten. Ich könnte jetzt noch lange darüber referieren, was ich über Metal Mind denke und über diese ganze Episode, die sich bis letztes Jahr hinzog. Die kurze Version ist aber: Ich bin froh darüber, dass wir es gemacht haben. Ich bereue nichts.
Ich würde gerne noch einmal kurz zurück zu den Lyrics gehen. Es gibt eine Zeile im Song „Rebirth“, wo es heißt: „Rebirth of GORGOROTH“. Vielleicht kannst Du sagen, in welcher Hinsicht diese Wiedergeburt zu sehen ist?!
Hmm, generell würde ich sagen, dass jeder Tag in der Geschichte der Band eine Art Wiedergeburt darstellt. Bis jetzt haben wir in der Band um die 30 Line-Up-Wechsel gehabt, weswegen man die Bedeutung des späteren Gerichtsstreits nicht überbewerten sollte. Er ist nur einer von mehr als tausend Hürden der vom ersten Tage an geplagten Band. Und was ich über den Track konkret sagen möchte: Er sollte das Recht erhalten, für sich selbst zu sprechen.
Gut, obwohl es über 30 Line-Up-Wechsel in der Geschichte der Band gegeben hat – verfolgt Ihr denn mit GORGOROTH immer noch dieselbe philosophische Vision wie am Anfang?
Da hat sich nichts wesentliches geändert. Wir sind in erster Linie eine satanische Band, jetzt wie schon immer, und wir sollten als eine solche Band angesehen werden. Und das unabhängig davon, dass wir irgendwann einige Typen in die Band gebracht haben, die sehr auf die Medien fokussiert waren und vielleicht etwas anderes erzählt haben.
Lass uns mal ein wenig über das neue Line-Up sprechen: Es ist ja multinational, aber Du hast sehr schnell nach dem Auseinanderfallen des alten Line-Ups Tomas Asklund (ex-DISSECTION, DARK FUNERAL) und Frank Watkins (OBITUARY) rekrutiert. Wie bist Du mit ihnen in Kontakt gekommen und worin liegen ihre größten Stärken für die Band?
Wir waren schon seit einigen Jahren Freunde gewesen. Und ich habe immer ihre Qualitäten im professionellen und im persönlichen Bereich geschätzt. Sie sind sehr erwachsene Typen, die genau das abliefern, was ich von ihnen erwarten kann. Und ich wusste, dass ich mich auf sie verlassen konnte, als die ersten Bewährungsproben anstanden. Sicherlich hätte ich ganz praktisch denken können und ein paar Kinder in meiner Umgebung fragen können, ob sie den Job machen möchten. Das wäre einfacher gewesen, hätte sich aber nicht richtig angefühlt. Ich möchte halt mit Leuten zusammen arbeiten, denen ich trauen kann, und das ist der Preis, den ich dafür zahlen muss.
Wie steht es mit Pest und Tormentor – die beiden waren ja vor langer Zeit schon einmal Mitglieder bei GORGOROTH gewesen und sind jetzt zurückgekehrt…
Die beiden waren immer enge Freunde. Sogar als Pest aus persönlichen Gründen in die USA gehen musste. Wir haben uns aber immer mal wieder getroffen, und ich sehe sie als gute Freunde an. Also war es auch keine große Geschichte, dass ich Pest für den Job am Mikro gewinnen wollte: Ich habe ihn angerufen und er hat zugesagt, kein Hokuspokus. Und was Tormentor angeht – er ist mein bester Freund überhaupt. Er hat auch jeden Schritt der Band sehr genau verfolgt. Der Grund, warum er 2002 ausgestiegen war, hing maßgeblich mit der Persönlichkeit – oder dem Mangel daran – dieses siebten Bassisten zusammen. Als jener weg war, gab es wieder eine passende Atmosphäre in der Band, so dass Tormentor wieder einsteigen konnte.
Wie geht Ihr denn mit dem Proben vor und wie kommuniziert Ihr?
Wir leben in modernen Zeiten und kommunizieren über Telefon und Internet, aber wir müssen natürlich immer mal wieder proben. Wenn wir uns im Studio treffen, können wir das in Schweden problemlos tun, und so haben wir es bisher immer gehandhabt. Dann haben wir in Bergen für Auftritte geprobt, und Mitte Oktober gehen wir für eine Woche in ein Studio in Trondheim.
Aber Ihr hattet ja auch in der Vergangenheit immer wieder Probleme, beispielsweise als Ihr „Twilight Of The Idols“ aufnehmen wolltet und auf Gaahl warten musstet, der gerade inhaftiert war.
Es gab eigentlich immer irgendwelche Probleme in der Band, weswegen das nichts Neues für mich ist. Wir versuchen immer, das Beste aus der Situation zu machen. Es gibt neue Schwierigkeiten, aber auch neue Möglichkeiten. Es kommt immer darauf an, aus welchem Blickwinkel man es betrachtet. Ich bin zufrieden, dass wir jetzt eine tighter klingende Band sind und mehr proben, seit wir das „Under The Sign Of Hell“-Album eingespielt hatten. Und was ich nicht vergessen möchte: Der Spirit ist wieder da, mehr denn je. Mir macht die ganze Sache zur Zeit wieder richtig Spaß.
Eine letzte Frage: Wie sieht es mit Touren aus?
Wir werden auf jeden Fall wieder auf Tour gehen. Die Sache ist einfach die, dass der ganze Konflikt ein guter Test der Loyalität bestimmter Leute in unserem Umfeld war. Wir mussten ein paar Leute entfernen und das betraf auch das ganze Booking. Wir arbeiten jetzt mit Henry Klaere aus Deutschland zusammen, mit dem OBITUARY bereits seit sieben Jahren erfolgreich kooperieren. Wir werden also auf jeden Fall touren, auch wenn noch nichts spruchreif ist. Ich vermisse es, live zu spielen, und wir werden auf jeden Fall wieder vermehrt live spielen. Das ist ein Versprechen!
Sehr schön! Wird es denn weiterhin die vier Kreuze auf der Bühne geben oder habt Ihr diese Idee zu Grabe getragen?
Dazu möchte ich nur sagen, dass das jeder selbst herausfinden soll.
Alles klar. Danke Dir für das Interview! Irgendwelche letzten Worte an unsere Leser?
Nicht wirklich, aber danke dafür, dass Du Dir Zeit genommen hast, Dich über die aktuelle Bandsituation zu informieren. Und danke an unsere loyalen Zuhörer, die nach allem, was geschehen ist, die entscheidene Kraft sind, so unabhängig und sicher weiterzumachen. Thank you and Hail Satan!
Fotos: Christian Misje ; (c) Gorgoroth/Christian Misje