Goethes Erben
Goethes Erben

Interview

Live gab es die Stücke von "Nichts bleibt wie es war" bereits auf der Tour im Frühjahr und bei diversen Anlässen zu hören. Ein halbes Jahr später erscheint nun das Album zur Tour, dessen Veröffentlichung, sowie die Zukunft von Goethes Erben, in Frage stand. Den Abschluss eines anstrengenden Interviewtages für Oswald und Mindy markiert das folgende Gespräch, welches Oswald so gut wie im Alleingang hinter sich brachte.

Begriffe wie „das letzte Album“ oder „Auflösung“ kursieren im Zusammenhang mit Eurer neuen Veröffentlichung „Nichts bleibt wie es war“. Könntet Ihr vielleicht vorab die derzeitige Situation von Goethes Erben schildern.

Es ist einfach das letzte Album unserer Geschichte, aber die Geschichte werde ich weitererzählen und weiterverfolgen. Sich aufzulösen ist im Moment also nicht aktuell -vorerst nicht.

Von einem Wandel ist die Rede. Welche Wandlung durchlebt Ihr denn gerade und welche Konsequenzen werden daraus gezogen?

Also ich denke schon, man hört dem Album einen Wandel an und das ist der Wandel den wir durchgemacht haben. Innerhalb von zwölf Jahren haben wir gewisse Sachen erlebt und auch Themen künstlerisch umgesetzt und unsere Persönlichkeit dadurch formen lassen. Auf diesem Album haben wir fast unsere Geschichte noch mal wiedererzählt und reflektiert, was war, was ist und was vielleicht kommen wird.

Das Titellied „Nichts bleibt wie es war“ ist eine Coverversion des Stückes „Shockwaved“ von Still Silent. Hat dieses Stück durch die Ereignisse des 11. September in New York einen neuen Bezug bekommen, an Aktualität gewonnen?

Der Text ist doch ziemlich adaptiert von dem, was Peter Spilles damals auf Englisch geschrieben hat, aber ich denke, da hat uns die Realität mal wieder eingeholt. Obwohl man natürlich sagen muss, dass es in „Shockwaved“ um eine Atombombe geht, aber eigentlich ist es ja egal, ob ein paar tausend Menschen in einem Feuerball verglühen oder eben eine ganze Stadt in einem Feuerball verglüht, denn die Tragik ist ja, dass überhaupt Menschen sterben.

Das Album ist in drei Kapitel unterteilt – was liegt dem zugrunde?

Es ist eben auch von der Grundstimmung in diese drei Kapitel unterteilt und auch vergleichbar mit der Dreiteiligkeit von der Dramaturgie.

Es wurde ja bereits angesprochen, dass Ihr mit diesem Album einen Wandel beschreibt. Ist es auch ein Resümee?

Der letzte Teil ist natürlich ein Resümee. Das Album hätte sehr gut auch gar nicht existieren können, es hätte auch definitiv unser letztes Album sein können, aber es besteht auch die Chance, dass es eben ein Teil unsere Erben Geschichte ist und es danach weiter gehen wird.

Wovon könnte diese Entscheidung abhängig sein?

Wenn das Album jetzt nur noch fünf Leute kaufen würden, dann würden wir wahrscheinlich keine neue Platte aufnehmen, aber ich denke uns wird es schon noch eine ganze Zeit auf Bühnen geben.

Der wirtschaftliche Aspekt ist bei dieser Entscheidung also nicht von der Hand zu weisen?

Ja klar, man kann so ein Album nur dann aufnehmen, wenn man auch wieder Geld bekommt, denn es kostet ja auch ein bisschen Geld so ein Album in der Qualität aufzunehmen.

Das Album ist auch eine Art musikalisches Kaleidoskop. Es kommen verstärkt elektrische Gitarren darin vor, elektrische Spielereien. Welche Einflüsse machen diese Vielfalt aus?

Das hat auch etwas mit unsere Vergangenheit zu tun. Wir haben uns immer schon von Album

zu Album verändert und neue Aspekte in unsere Musik integriert. Die Anfänge waren ja relativ ruhig, sehr melancholisch und haben textlich ein bestimmtes Feld beackert. Im Laufe der Zeit haben wir eben unseren Blickwinkel, unsren Horizont einfach erweitert und auch andere Einflüsse zugelassen. Wir haben uns schon immer von Album zu Album sehr verändert und bei „Nichts bleibt wie es war“ geht es eben um diese Veränderungen. Das ist letzten Endes auch die Aussage des Lebens, die Veränderung und auch das Menschen sich im Endeffekt nur dann Weiterentwickelt, wenn sie eben Leben.

Du sprichst von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Was bedeutet Zeit für Dich im Allgemeinen, welche Rolle spielt sie in Deinem Leben, welche Beachtung schenkst Du der Zeit?

Zeit ist leider etwas, dem sich jedes Lebewesen unterordnen muss. Es ist erst mal die Dimension und Menschen verstehen sie meistens mehr oder weniger als Maßeinheit. Ich denke, dass jeder Mensch in regelmäßigen Zyklen an Punkte kommt, an denen er ein wenig zurückblickt und sagt „Früher war alles besser.“, was aber mehr oder weniger Unsinn ist, denn es kommt immer auf den Blickwinkel an. Wenn heute Leute sagen, „Ach ja, im Mittelalter war das Leben viel leichter.“, dann vergessen sie, dass die Leute auch am Blinddarmdurchbruch gestorben sind und kaum älter als dreißig geworden sind – wenn man das Durchschnittsalter sieht. Und wenn ich heute sage „Ja, als ich jung war …“, da war natürlich alles ein bisschen spannender, aber es war mit Sicherheit nicht alles besser, sondern es war ein Zeitabschnitt, der in meinem Leben sehr wichtig war und ist – heute noch, wenn ich darauf zurückblicke. Jedes Alter im Leben hat so seine spannenden Momente. Ich möchte das, was ich inzwischen weis, einfach auch nicht mehr missen und ich möchte auch nicht mehr so naiv sein, wie ich mich sechzehn oder siebzehn war, auch im Denken.

Jugend – Alter, Wasser -Eis. Bist Du fasziniert vom Wandel, von den unterschiedlichen Qualitäten ein und derselben Sache, die sich aus unterschiedlichen Standpunkten ergibt?

Es sind die verschiedenen Blickwinkel. Es eine Sache der Entwicklung. Ein Mensch kommt ja auch nicht fertig auf die Welt. Ich betrachte ein Ereignis oder gerade ein Projekt wie Goethes Erben wie ein Kind, das sich langsam entwickelt. Wenn ein Kind auf die Welt kommt läuft es nicht gleich einen 100 Meter Lauf, sondern beginnt erst einmal sich zu artikulieren, durch komische Geräusche, Töne und Schreien, beginnt dann vielleicht irgendwann mal zu robben, zu krabbeln und irgendwann zu laufen. Genauso ist es auch in dem Denken eines Menschen. Und genauso ist es bei einem Projekt wie Goethes, das sich über die Zeit entwickelt und langsam immer komplexer wird. „Nichts bleibt wie es war“ ist einfach unser bislang komplexestes Album. Ich will jetzt nicht sagen wir sind ein Alterswerk – so alt sind wir ja noch nicht und hoffe auch nicht, dass es der Endpunkt unserer Karriere als Musiker bei Goethes Erben ist, denn im Moment sind wir sehr zufrieden mit dem Ergebnis – und wir sind auch ganz stolz. Ich glaube so zufrieden waren wir auch noch nie mit einem Album als es fertig war … Ja wir sind sehr überzeugt diesmal [lacht].

Die Inspiration zu dem Stück „Der Eissturm“ ist durch einen gleichnamigen Film entstanden. Kannst Du vielleicht ein paar Worte zum Film, der mir unbekannt ist, verlieren?

Der Eissturm ist ein Film von Ang Lee und das Stück ist das, was von einem Film im rudimentären inspiriert wurde.

Im Rudimentären, aber auch von der Handlung, von etwas, das im Film dargestellt wurde?

Etwas. Der Film handelt von Gefühlskälte und die Handlung, die dort dargestellt wird reflektiere ich und greife sie in „Der Eissturm auf“, führe sie aber in „Vermisster Traum“ auf anderer Ebene weiter. Deshalb zieht sich durch das Album auch immer das Symbol dieser roten Puppe. Das ist meine Puppe aus meiner Kindheit.

Im Booklet sieht man ja auch ein Bild …

Sag nicht, dass das Kind mir ähnlich sieht – das hat blonde Haare. Das bin zwar ich, aber

da sah ich noch süß und niedlich aus.

und unschuldig

und unschuldig – da war ich ja auch noch unschuldig. Noch nicht verdorben von der Welt.

Also auch ein direkter bildlicher Vergleich zwischen damals und heute?

Ganz genau.

Und die Puppe ist immer noch dieselbe?

Noch genau dieselbe Puppe. Die sieht ein bisschen ab- und totgeliebt aus, aber das ist immer noch Loli aus meiner Kinderzeit.

Die Dich dein ganzes Leben über begleitet hat?

Die mich meine Kindheit begleitet hat, dann lange nicht und jetzt wieder seit zwei Jahren.

Und wieso lange nicht?

Weil ich sie irgendwann mal in der Kiste versteckt habe bzw. sie dort hingelegt habe und mich dann einfach nicht mehr damit beschäftigt habe.

Und wieso tritt sie jetzt wieder zu Tage?

Weil ich sie jetzt wieder gefunden habe, vor zwei Jahren. Und dann bin ich einfach auf die Idee gekommen, dass es jetzt Zeit für ein Resümee ist, von dem, was hinter mir liegt und auch mal eine Bestandsaufnahme von Leben zu machen, sowie von der künstlerischen Seite, die wir bislang geleistet haben.

In den Augen der Puppe sieht man eine Weltkugel.

[lacht] Ja, das kommt wahrscheinlich daher, dass sie so abgeliebt wurde und mehrmals in der Waschmaschine gelandet ist.

Glaubst Du jeder Mensch etwas braucht, dem er sich anvertrauen kann, dessen Loyalität er sich sicher sein kann?

Ja, und ich glaube, dass Loyalste, was ein Mensch in seinem Leben haben kann ist letzten Endes der Teddy oder die Puppe oder ein sonstiges Kuscheltier, denn das ist das Erste, dem man alles anvertraut – und der verplaudert es auch nie aus. Loli hat mich noch nie enttäuscht in meinem Leben. Menschen schon des Öfteren.

Mindy, hast Du denn auch ein Kuscheltier?

Mindy: Ich habe ein lebendiges Kuscheltier.

Oswald: ein Katze, wohlgemerkt.

Mindy: eine ganz fette. Aber er erfüllt eine ganz ähnliche Funktion. Ein Tier begleitet einen auch über eine lange Zeit und ist dann auch wie ein Kind.

Was bedeutet denn Freiheit für Euch?

Freiheit ist ein Privileg, das wir hier zum Glück haben – im Denken sowohl wie im Leben. Und das halte ich für sehr wichtig, aber die wenigsten Leute sind so frei wie wir.

Und wissen es dann auch oft gar nicht zu schätzen.

Das stimmt, ganz viele wissen das nicht zu schätzen und sind sich eigentlich gar nicht bewusst, dass sie so frei sind. Wenn die Leute jammern, „Oh, ich bekomm das und das nicht“ oder „Mir geht’s ja so schlecht“, dann kann ich einfach nur lachen – bei vielen Leuten. Denn dann beobachten sie ihre Umwelt zu oberflächlich.

Meinst Du das könnte man ändern? Kann man da überhaupt was dran ändern?

Das kann man nicht ändern, da das bei manchen Menschen an der Intelligenz liegt. Bei vielen liegt es aber nicht an der Intelligenz sondern an der Bequemlichkeit. Das man eben sich lieber nicht mit negativen Dingen im Leben auseinandersetzt, denn das könnte ja die Befindlichkeit trüben.

Und Lieber nur konsumieren.

Lieber nur konsumieren und maulen – und jammern. Das ist leider so. Aber ich schließe mich da auch nicht aus, ich Jammer auch manchmal ganz gern, aber ich bin dann auch so, dass ich das auch erkenne und mir bewusst werde, wie gut es uns doch eigentlich geht. Aber gerade diesen letzten Punkt bemerken viele Leute leider nicht.

Ihr beschäftigt Euch mit Musik, Theater, Lyrik und Film. Ist da vielleicht das Bild des Universalkünstlers Vorbild?

Wir versuchen all das umzusetzen und alles andere ist ein Instrument, um das auszudrücken. Es kommt immer drauf an. In erster Linie hat Mindy weniger mit Film und Theater zu tun, sondern ihre Welt ist eben die musikalische Welt. Bei mir ist es eben mehr das Darstellende und das Visuelle.

Gibt es dann auch andere Bereiche, in denen ihr Euch verwirklichen möchtet?

Ich habe eigentlich schon alles Mögliche ausprobiert und alles gemacht wozu ich Lust hatte und im nächsten Jahr verwirkliche ich es, in einem Film mitzuspielen. Das komplette „Nichts bleibt wie es war“ Album setzten wir gerade visuell um. Da stehe ich dann auch hinter der Kamera und filme mit andern zusammen. Ich mache das ja alles nicht allein, das muss man ja auch mal so sehen, sondern es ist ein kollektives Geschehen, was man da macht. Ich versuche da eher wie ein Kapitän, die Ressourcen von allen zusammenzubringen und das Schiff auf Kurs zu halten. Allerdings ohne Steuermann, ohne Heizer, ohne Segelsetzer geht das alles nicht. Gerade bei dem aktuellen Album war das Team sehr wichtig. Die ganzen Musiker, die Gastmusiker, Peter Heppner, der den Glasgarten auch einfach bereichert hat. Ulrike Rank, die die ganze Optik mitgetragen hat, Leute die man nicht auf dem Album hört, aber bei dem Livegeschehen bei Goethes Erben ein nachhaltige Rolle spielen, die Techniker, die Lichttechniker, die Tontechniker, allein der Busfahrer, der uns von Ort zu Ort fährt – das ganze Team ist es, was es ausmacht. Das was im Endeffekt auch daran beteiligt war, dass das Album nach Aufforderung seitens unserer Fangemeinde dann doch entstanden ist, was ja lange Zeit gar nicht sicher war, dass wir es aufnehmen werden und veröffentlichen.

Du hast es bereits angesprochen, dass ihr dabei seid eine DVD zu produzieren, die zu jedem Titel einen Clip enthalten wird. Was wird dann da den Fan erwarten?

Überraschendes. Sie dürfen nicht mit dem rechnen, was sie von uns erwarten. Ich glaube, die Leute, die uns schon seit zehn Jahren begleiten, die wissen schon, dass sie am Besten gar nichts erwarten, weil sie dann sowieso überrascht werden. Es wird nicht so sein, wie man es sich vorstellt.

Des Weiteren hast Du bereits erwähnt, dass Du in einem Film mitspielst. Was ist das für ein Film?

Ein Splatterfilm, der in der Schweiz gedreht wird, auf 16mm Film und auf diversen Filmfestspielen läuft, wenn er nicht vorher indiziert wird.

Was hat Dich gerade gereizt, an einem Splatterfilm mitzuwirken?

Es war das erste Angebot, das sich konkret ergeben hat, um in einem Film mitzuspielen.

Coverversionen haben Euch bislang schon immer begleitet. Wieso kam es dazu die Stücke „Nichts bleibt wie es war“ ( „Shockwaved“ von Still Silent ) und „Was war bleibt“ ( Erblast ) zu covern?

Es sind ja eigentlich keine Coverversionen, sondern unsere Stücke. Wir wollten zeigen, dass das auch Seiten von unserem Universum sind, in dem wir aber erst mal die Alleinherrscher waren. Aber auch um noch mal zu verdeutlichen, dass Still Silent und Erblast eigentlich in das Erben Universum passen könnten, wenn wir wollten.

Sozusagen ein anderer Blickwinkel?

Genau. Ein neuer Blickwinkel. Wir haben die Stücke ja auch anders interpretiert, als in den Originalprojekten. Gerade das Erblast Stück hat eine andere musikalische Umsetzung erfahren, in der Mitte. Es beginnt fast wie das Original auf der Erblast „I“ und kippt in einen anderen, fast zornigen Charakter um und wechselt in einen straighten Rhythmus. Bei „nichts bleibt wie es war“ wurde der Titel umgeworfen und einfach textlich mehr eingegriffen.

Dieses Jahr seid Ihr auf dem M’Era Luna aufgetreten. Normalerweise heißt es ja, dass ein Festival nicht der geeignete Rahmen für Goethes Erben Auftritt ist. Warum denn doch?

Warum denn doch? Das ist eine sehr gute Frage, denn ich habe mich dann auch schon lange Zeit gefragt, warum ich denn eigentlich da spielen wollte. Für uns gibt es generell kaum Möglichkeiten neue Hörer zu begeistern, denn in machen Köpfen besteht eine vorgefertigte Meinung über Goethes Erben und die haben sich dann irgendwann entschlossen, dass sie entweder etwas mit Goethes Erben zu tun haben wollten oder dass sie uns einfach nicht mögen. Auf Festivals bekommen wir ab und zu mal die Möglichkeit Leute, die uns das letzte Mal vor sechs oder sieben Jahren gehört haben, doch mal wieder zu überzeugen „Hallo, hier sind Goethes Erben und wir machen immer mal was anderes“. Vielleicht entdecken die dann, „So schlecht sind die ja eigentlich gar nicht“ und befassen sich dann mit uns. Im Endeffekt ist ein Festival eine Werbeverkaufsveranstaltung. Als was anderes kann ich es eigentlich auch nicht sehen, denn das was wir eigentlich bei Konzerten von Goethes Erben machen können wir bei einem Festival, außer wir sind Headliner, nicht wirklich umsetzen. Und schon gar nicht bei Sonnenschein am Nachmittag. Aber wir machen immer das Beste draus und wir sind ja eine relativ vielseitige Truppe, was die musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten angeht und wir spielen ein dementsprechendes Set und für unsere Verhältnisse recht eingängiges Programm und das funktioniert dann eigentlich recht gut, weil wir auch viele Resonanzen nach dem M’Era Luna bekommen haben und begeisterte E-Mails und Gästebucheinträge vermelden konnten. Es hat etwas gebracht, es hat sich rentiert dieses Wagnis einzugehen.

Wie kam es denn zu der Zusammenarbeit mit Peter Heppner für das Stück „Glasgarten“?

Wir haben ihn letztes Jahr auf der Gala Verleihung kennen gelernt und im Vorfeld hatten wir schon einmal vorgefühlt, ob er nicht Interesse hätte, da wir ein Lied namens „Glasgarten“ hatten, welches ja schon vorher fertig war und bereits ein paar mal Live gespielt wurde, bevor wir Peter gefragt hatten, ob er nicht Lust hätte, es als zusätzliche Stimmte einzusingen. Ich war mit dem Lied in der damaligen Form einfach nicht ganz zufrieden, weil ich der Meinung war, in diesem Refrain muss jemand singen – und zwar schön singen und vor allem auch ausdrucksstark singen. Das heißt, ich falle schon einmal flach, weil ich nicht singen kann und ganz viele Sängerinnen und Sänger ebenfalls, weil sie keinen Ausdruck in der Stimme haben oder keine markantere Stimme. Ich lege einfach wert auf Stimmen, die auch etwas Markantes in sich haben, das heißt, dass in ihrem Gesang auch irgendwo das Leben ein bisschen mitschwingt. Und das ist eben bei Peter Heppner Stimme sehr vorhanden. Sein Gesang ist extrem prägnant – da lebt etwas. Und genau das habe ich gesucht für das Stück. Wir haben ihn gefragt, er hat gesagt, wir sollen ihm etwas zuschicken, dann haben wir lange Zeit nichts mehr von ihm gehört, nachdem wir es ihm zugeschickt hatten, und plötzlich bekamen wir das Stück zurück, mit seinem Gesang über unsere Aufnahmen drüber gesungen. Das war sehr schön, das hat uns sehr gut gefallen, fanden wir sehr spannend. Das war praktisch schon die Albumfassung von dem Lied und dann haben Peter Heppner und Goethes Erben gedacht, dass es eigentlich ein sehr schönes Singlelied wäre, denn dann könnte man noch ein bisschen an das Stück rangehen und das Ganze noch mal in eine andere Richtung bringen und haben dann, nachdem wir uns beide gegenseitig offenbart haben, dass das beide Seiten gedacht hatten, sich getraut hatten das dem anderen vorzuschlagen, sind wir eben noch einmal ins Studio gegangen und haben diese Singlefassung modifiziert. Und die Single unterscheidet sich doch ein bisschen vom Album, denn da ist Peter Heppner einfach gleichberechtigter und deshalb erscheint die Single auch nicht als Goethes Erben, sondern als Goethes Erben / Peter Heppner.

Wie seht Ihr die Szene denn heutzutage im Vergleich zu früher, da Ihr ja als „Speerspitze“ der Neuen Deutschen Todeskunst gehandelt werdet und man Euch auch als einer der „Szene-Mitbegründer“ bezeichnen darf?

Neue Deutsche Todeskunst ist ja schon mal totaler Quatsch.

Stammt nicht von mir.

Ne, ich weiß von wem der ist. Das ist total bescheuert und dämlich und hat noch nie das beschrieben, was wir eigentlich machen. Der Begriff hat vielleicht drei, vier oder fünf Lieder beschrieben und ist eigentlich nur eine Schublade, die irgendein Redakteur sich mal ausgedacht hat, „Jetzt bin ich mal besonders klug“, vor allem klingt sie so dämlich nach Neuer Deutscher Welle. Zur Szene kann ich auch nur sagen, so wie unser Titel heißt, so verhält sich auch die Dynamik innerhalb einer Gruppierung – nichts bleibt wie es war.

Wahrscheinlich ist diese Frage schon oft gestellt worden, aber ich wusste keine Antwort darauf. Woher kommt eigentlich der Name Goethes Erben?

Ganz einfach. Auf der ganzen Welt gibt es einen Namen, der mit deutscher Sprache in Verbindung gebracht wird, mit deutscher Kultur, und das ist Goethe. Dann war es für mich damals nahe liegend, da ich etwas Deutschsprachiges machen wollte, dass der Name Goethe dies am Äquivalentesten aussagte. Der Begriff Erben dient gleichzeitig als Zusatz und ein wenig als Provokation.

Warum wolltest Du damals provozieren?

Damals war ich eben jung, wollte einfach provozieren. Das war ein bisschen naiv und provozierend. Mit 18, 19, 20 hatte ich auch noch meine Haare senkrecht in die Höhe stehen, habe mich düster geschminkt und Leute erschreckt. Und ich erschrecke sie auch heute noch, allerdings auf der Bühne durch die Musik, die ich mache, aber es ist auch wichtig im Leben. Jeder muss da so seinen Weg gehen.

07.04.2002
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