God Is An Astronaut
"Promo ist zu oft unterschätzt"
Interview
Zehntes Album in der Karriere, mittlerweile fast 20 Jahre Bandbestehen, das erste Album, das während eines Lockdowns aufgenommen wurde: In vielerlei Hinsicht stellt „Ghost Tapes #10“ eine Besonderheit für die irischen Post-Rocker GOD IS AN ASTRONAUT dar. Wir haben Bandkopf Torsten Kinsella anlässlich der Veröffentlichung einem Fragenhagel unterzogen.
Photocredit. Bryan Meade
metal.de: Hallo von Deutschland und ein frohes neues Jahr ans GOD IS AN ASTRONAUT-Camp! Ihr habt die Coronazeit genutzt um an einem neuen Album zu arbeiten, genauer dem zehnten Album in eurer Karriere, passenderweise „Ghost Tapes #10“ betitelt. Verglichen mit dem mehr introspektiven und melancholischen Vorgänger „Epitaph“, wurde euer neues Album als wahrscheinlich bislang euer „most heavy“ album betitelt. Mir kommt es aber, trotz der definitiv aggressiven Parts, die mich manchmal an eine Nähe zu Post-Black-Metal-Leads denken lassen, auch manchmal ziemlich „Rock’n’Roll“ vor. Wie lief das Songwriting für das neue Album ab und seid ihr auch thematisch nun auf grüneren Wiesen unterwegs verglichen mit „Epitaph“?
God Is An Astronaut (GIAA im folgenden abgekürzt): Unser letztes Album „Epitaph“ war als Erinnerung an unseren verstorbenen siebenjährigen Cousin geschrieben und sehr düster und emotional. Wir haben instinktiv gespürt, dass „Ghost Tapes #10“ ein wenig mehr im Tempo nach vorne gehen sollte und intensiver klingen sollte, es ist kein Album mit spezifischem Thema, aber wurde definitiv von Ereignissen über die letzten zwei Jahre geprägt. Wir haben ein wenig „Kabinenkoller“ bekommen, was der Intensität glaube ich zuträglich war. Niels hat ein paar sehr aggressive und verzerrte Basslinien geschrieben, die definitiv Punk-beeinflusst waren, Startpunkt für ein paar der neuen Songs gewesen sind. Wir wollten auch ein paar herausfordernde Taktarten mit einfließen lassen und uns auch an ein paar Arrangements versuchen, die den Hörer überraschen und bei Stange halten. Das Album ist so dynamisch wie möglich, wir haben es vermieden beim Mix zu sehr zu komprimieren. Jeder hat seine Teile auch selbst aufgenommen. In der Vergangenheit habe ich öfter die zweite Gitarre oder die Pianoparts aufgenommen, aber Jamie hat nun all die Gitarrenlinien, die er auch live spielt selber aufgenommen. Mit der ganzen freien Zeit hatten wir auch die Möglichkeit, verschiedene Amps und Pedale auszuprobieren. Wir sind sehr zufrieden mit dem Sound auf dem neuen Album und haben unsere digitalen Amps sogar verkauft. Das neue Album ist rauer, kantiger und ausdrucksstark.
metal.de: Ihr habt „Burial“ als erste Releasesingle ausgewählt. Wer oder was wird dort begraben?
GIAA: „Seance Room“ war der letzte Song, den wir für „Epitaph“ geschrieben haben. „Burial“ ist in gewisser Weise ein „Brückentrack“, der die beiden Alben verbindet. „Burial“ repräsentiert für mich die unmögliche Aufgabe, die traumatischen Erfahrungen der Vergangenheit zu begraben.
metal.de Was ist euer Lieblingssong auf dem neuen Album und warum?
GIAA: Es ändert sich ständig, aber momentan ist es „Fade“. Es ist ein richtiger Adrenalinrausch und schwer zu spielen, wir haben einen Zehn-Achtel-Takt der sich in Zwölf-Achtel wandelt. Der Song ist gleichzeitig einer der schnellsten den wir je geschrieben haben mit 210 bpm und einem schnellen Schlagzeugebeat über einer richtig eingängigen „fuzzy“ Bass-Linie. Es geht um einen hypnotischen Rausch, der Lärm der Gitarren mit der Melodie zusammen mit ein wenig Elektronik. Der Song brauchte während den Proben sehr lange, bis er sich „richtig“ angefühlt hat und ist gleichzeitig wahrscheinlich am weitesten Weg von all unserem anderen Material.
Corona wird uns noch eine Weile begleiten, wie hat euch der ganze Prozess im Hinblick auf Musikindustrie, aber vielleicht auf persönlicher Ebene auch zum Denken gebracht? Mit einem pessimistischen Blick auf 2021 hinsichtlich Liveaktivitäten, was steht euch als Band in Zukunft bevor?
GIAA: Es war schwer für uns, wir sind sehr abhängig vom Touren um davon unser Leben bestreiten zu können. Auf der positiven Seite konnten wir uns mehr aufs Songschreiben, -recorden und Experimentieren fokussieren. Wir haben alte Songs geprobt, die wir lange nicht gespielt haben. Es ist wichtig aus negativen Erfahrungen das beste rauszuholen, aber wir alle hoffen bald wieder auf Tour gehen zu können in 2021. Realistisch betrachtet sieht es momentan aber eher nach 2022 aus. Wir haben auch geplant 2 Live-Alben herauszubringen. „All Is Violent, All Is Bright“ und „Epitaph“ zum Feiern des 20-jährigen Jubiläums.
Was ist der beste Tipp, den ihr als Musiker bekommen habt und welchen Tipp würdet ihr vielleicht selber aufstrebenden Musikern mit auf den Weg geben?
GIAA: Mein Vater hat uns früh gesagt, unsere Musik weltweit verfügbar zu machen und uns nicht zu sehr auf „zuhause“ zu fokussieren, was für einen schmalen Bereich wie Post-Rock definitiv guter Rat ist. Ich würde sagen, dass es wichtig ist sich hauptsächlich aufs Songwriting zu konzentrieren, es aber gleichermaßen wichtig ist, sich um das Recorden und auch die Promotion Gedanken zu machen. Ich denke die meisten Künstler müssen sich bewusst machen, dass ihr fehlender „Einschlag“ daher kommt, dass entweder die Musik bei nicht genug Menschen ankommt oder Menschen keine Beziehung dazu aufbauen können.
Denkt ihr, dass Post-Rock als Genre ein wenig eingeschlafen ist oder neuen kreativen Input gebrauchen könnte?
GIAA: Ich denke, dass viele Genres da auf der Schuldseite stehen und ich glaube auch nicht, dass „Post-Rock“ da vorne mit dabei ist. Es gibt viel generischere Musik, die massenweise Tag ein, Tag aus veröffentlicht wird.
Rock und im weiteren Kontext Metal wurde oft in seiner Geschichte schon oft für „tot“ erklärt. Ihr seid als Band seit Anbeginn nun wahrlich keine Puristen eurer Karriere und habt euch deutlich an verschiedenen Einflüssen probiert. Was denkt ihr, muss ein Künstler heute mitbringen, um aus der ganzen Veröffentlichungsflut herauszustechen?
GIAA: Ich glaube nicht, dass Rock „tot“ ist, es gab einfach noch keinen glaubwürdigen Ersatz für ihn. Man könnte argumentieren, dass die Musik nicht mehr so wichtig ist, wie sie einmal war, als du ein Kind warst und die Musik ein Stück weit deine Identität mitgeformt hat. Wir haben immer experimentiert nicht nur im Hinblick auf den Sound, aber auch Songwriting und Arrangement und ich glaube auch unser neuestes Album reflektiert das. Ich glaube jeder ist einzigartig und wenn man es schafft, viel von seiner Persönlichkeit in die Musik fließen zu lassen, kann sie auf diese Weise einzigartig sein. Promo ist aber oft zu sehr unterschätzt, wie ich bereits sagte. Denn erst wenn deine Musik die Hörer erreicht, entscheidet sich dein Schicksal. Und um das zu können, muss sie die Menschen erst einmal erreichen.
metal.de: Vielen Dank für eure Zeit! Um mit ein wenig positiverem Geist zu enden, beantwortet die folgenden Fragen möglichst kurz und präzise:
Wenn du ein Instrument sein könntest, dass deiner Persönlichkeit entspricht, welches Instrument wärst du?
GIAA: Der harmonische Reso-Harfe-Hybrid.
Was war der peinlichste Augenblick auf Tour?
GIAA: Auf dem Eurosonic 2012 wollte ich meine Pedale auf der Bühne korrekt ausrichten und ich brauchte eine weitere Perspektive dafür. Ohne groß nachzudenken bin ich rückwärts gegangen und von der Bühne gefallen, die ziemlich hoch war (um die 2m). Irgendwie habe ich es aber geschafft nichts außer meinen Stolz zu verletzen, hehe.
Dem gegenübergestellt, auf welchen Moment auf Tour bist seid ihr am meisten stolz?
Ich habe viele tolle Erinnerungen, etwa in Indien oder Russland vor ausverkauften Häusern zu spielen. THE CURE in Rumänien als Support war auch toll.
An welchen ungewöhnlichen Stellen und Plätzen überfällt euch die Kreativität?
Kreative Inspiration kann zu jeder Zeit oder an jedem Ort kommen. Ich finde neue Einfälle kommen zu mir oft im Auto, was sehr gefährlich sein kann, da meine Aufmerksamkeit auf die Straße gerichtet sein sollte.
Wenn ihr von nun an mit einem weiteren Instrument in eurer Musik leben müsstet, würdet ihr eher ein Akkordeon oder ein Kazoo nehmen und warum?
Ich würde definitiv das Akkordeon nehmen, was ich sehr mag und was auch in irischer Volksmusik sehr populär ist. Das Kazoo würde sehr gut mit Rolf Harris, der sein „Wobble-Brett“ spielt, zusammen passen und wir wissen, wohin das führen kann (Rolf Harris ist ein australischer Musiker/Künstler/Fernsehentertainer, der mit einem „schwingenden Stück“ Wellblech als Instrument berühmt geworden ist und später dann wegen sexuellen Missbrauch Minderjähriger verurteilt wurde – Anm. d. Redaktion ).
Für welche Künstler würdet ihr gerne den Opener machen?
THE CURE, MY BLOODY VALENTINE oder NINE INCH NAILS