God Is An Astronaut
Schmerz verarbeiten durch Musik
Interview
Im Zuge der baldigen Veröffentlichung des neuesten Streichs „Epitaph“ der irischen Post-Rocker GOD IS AN ASTRONAUT konnten wir recht kurzfristig noch einen Mailer herein bekommen. Warum die neueste Platte recht melancholisch geworden ist und was man als Tourist in Irland auf jedenfall mitnehmen sollte, erfahrt ihr hier von Torsten Kinsella.
Hey Jungs, wie ist es euch in der Zwischenzeit ergangen? Seid ihr gespannt, den Fans neue Musik präsentieren zu können?
Uns geht es gut, wir haben ein positives Momentum aufgebaut. Es gibt immer Aufregung, aber auch ein wenig Besorgnis wenn ein neues Album veröffentlicht wird, wir hängen noch sehr an den neuen Songs, haben Herzblut hineingesteckt und hoffen, dass das neue Album gut aufgenommen wird.
Wie würdet ihr die Unterschiede zwischen „Epitaph“ und den Vorgängern beschreiben?
Emotional und persönlich ist dies das dunkelste und persönlichste Album welches wir je geschrieben haben, es reflektiert die ganzen Facetten des Lebens von kindlicher Unschuld, zu frühem Tod und überwältigender Trauer, die eine Familie im Angesicht eines tragischen Verlustes erfährt.
Stilistisch haben wir experimentiert und einen gewissen Doom Einfluss (Gitarren auf Drop A gestimmt) mit in unseren Sound genommen. Zusätzlich habe ich ein Rainbow Earthquaker Pedal benutzt, das den Sound in-and-out-of-tune oszilliert. Diese Kombination fasst perfekt die Angst und die Hässlichkeit ein, die ich mit Teilen der Musik ausdrücken wollte. Rob und Conor (XENON FIELD) haben uns mit Postproduktion und Sounddesign sehr geholfen. Wir wollten, dass der Sound das Thema widerspiegelt und kleine Imperfektionen auch mit eingefangen werden.
Dabei haben wir die Aufnahmen durch mehrere Geräte mit schlechtem Tracking gejagt und eine Menge Sättigung drauf gegeben. Das Piano wurde so aufgenommen, dass es ein wenig „vintage“, alt und verstimmt klingt. Wir haben es mit einem 4-Track Akai Recorder aufgenommen und ein paar Aufnahmen sogar auf Ferric-Band. Die Aufnahmen wurden weiter bearbeitet durch eine Tape-Echo-Unit. Wir wollten, dass der Sound sich wandelt und nicht stagniert. Das Piano auf Epitaph klingt immer leicht anders in jedem Track, da verschiedene Filter und Verzerrungen gewählt wurden.
Wir haben sehr viel Arbeit in die ganzen unterschiedlichen Ebenen im Sound gesteckt, dabei haben wir Effekt-Geräte wie ein Niio lotine Core, einen Mutronics Mutator und Snazzy FX Tracer City genutzt um dem Sound diesen besonderen Analog-Klang zu geben. Wir haben selbst experimentelle Plugins wie audio Spec Ops ungefiltert genutzt um die Soundtexturen sehr ungewöhnlich zu machen. Eine Menge von Live-Amps kann man allerdings auch hören. Es musste rau und analog sein, Amp-Simulatoren hätten auf diesem Album nicht gepasst aufgrund des Stils und Themas. Jimmy Scanlon, der einen kleinen Musikladen besitzt, hat uns netterweise mit sehr vielen alten Amps ausgestattet und sogar auf dem Album gespielt. Wir haben Bandmikrofone um den Sound sehr „warm“ zu halten benutzt und haben unsere Gitarren tiefst möglich gestimmt. Das Schlagzeug wurde mit Ribbon Coles 4038 aufgenommen, was wir zuvor nie gemacht haben. Es gibt eine sehr dunkle Tonfarbe, die wir unbedingt haben wollten. Wir haben dann analog gemastert. So wollten wir sicherstellen, dass das Album nicht übermäßig dick aufträgt und gefällig ist im Sound, wie das heutzutage bei einer Vielzahl von Veröffentlichungen ist, sondern authentischer.
Euer neues Werk kann bzw. sollte auch in Hinblick auf eine Tragödie, die sich in eurem privaten Leben zugetragen hat, gesehen werden. Ist der „Epitaph“ für genau diese Person gedacht?
Ja, das Album ist für unseren 7-jährigen Cousin geschrieben, dessen Leben unter tragischen Umständen genommen wurde. Das Album ist ihm und seiner Erinnerung gewidmet, es ist unsere Art „Lebewohl“ zu sagen und mit diesem schrecklichen Verlust fertig zu werden.
Wie ist euer Ansatz an die Musik, legt ihr die Songs vorher schon genau aus oder lasst ihr Raum für Spontanität und Improvisation beim Recording?
Wir können nur komponieren, wenn etwas in uns ist, dass wir ausdrücken wollen. Jedes Album ist wie eine Leinwand für all die Emotionen, die durch bestimmte Erlebnisse und Events in uns ausgelöst wurden. Am Anfang steht immer das Grundgerüst des Songs auf den Gitarren bzw. dem Piano. Dann weben wir weitere Schichten ein, etwa durch die Synthies oder Modifikation des Sounds um den Kern des Songs. Improvisation passiert ständig während des Aufnehmens.
Wo nehmt ihr die Inspiration für diese traumwandlerische Sicherheit für Stimmungen in euren Songs? Eure Musik hat immer schon melancholische, aber auch erhebende Momente inne gehabt, ich frage mich ob das eurer natürlichen Stimmung während dem Schreiben der Songs reflektiert… oder seid ihr so gut, dass ihr „auf Kommando“ die Gefühle abrufen könnt?
Wir müssen im richtigen Mindset sein, um Musik schreiben zu können. Nach all diesen Jahren ist es für mich ersichtlich geworden, dass ich eine Schreibblockade habe, wenn es mir vollkommen gut geht. Die Musik fängt all unsere Emotionen ein: Schmerz, Verlust, aber auch Hoffnungen und Träume.
Ich finde „Epitaph“ ist introvertiert als sonst (das soll nicht heißen, dass eure vorigen Platten nicht auch introvertierte Passagen gehabt haben), lässt sich aber nicht komplett entmutigen. Hoffnung und Euphorie bricht zischen drin immer mal wieder durch, der Kampf ist noch nicht verloren. Ich denke ebenfalls, dass es manche eurer schwersten Riffs in der Karriere beinhaltet. Würdet ihr dem zustimmen?
Ja, ich würde dir zustimmen. Das Album handelt nicht nur von Schmerz und Verlust, sondern fängt auch die kindliche Unschuld und das Schwelgen in schönen Erinnerungen ein. Es ist wichtig sich immer wieder klar zu machen, dass das Leben auch sehr schön sein kann.
Wenn eure Musik ein Film wäre, welcher wäre das?
Definitiv „2001: A Space Odyssey“
Ich habe in einem älteren Interview von euch gelesen, dass ihr ein klein wenig traurig seid, dass die irischen Leute ihre eigenen kleinen Bands nicht so sehr würdigen oder bemerken wie die „Großen“: U2, Enya Sinéad O’Connor. Zeit, das zu ändern. Welche neuen, hungrigen und aufstrebenden Bands sollten eure Fans UNBEDINGT anhören?
Es gibt sehr viele tolle Gruppen, die mir in den Sinn kommen: XENON FIELD, KOLIBRI, THE BUTTERFLY EXPLOSION, GIRL BAND,OVERHEAD THE ALBATROSS, MELTYBRAINS, THE FRANTICS, SHIPS, ALTAR OF PLAGUES, PRIMORDIAL, JACK COLLERAN.
Ihr bietet eure Musik zum streamen frei auf eurer Webseite an. Ich habe ein paar andere Labels gesehen, die einen ähnlichen Weg gehen (Veröffentlichung bzw. streamen von Songs frei ab Veröffentlichungsdatum bei manchen Platten bei Denovali Records oder Ván Records beispielsweise). Ist das etwas, was ihr extra macht um damit Piraterie zuvor zu kommen? In den meisten Fällen ist das Album ja meist ein paar Tage später eh bei Youtube oben.
Es wird dieses Mal einen Albumstream geben, aber dass wir unsere Musik umsonst weggeben wäre mir neu. Ich denke es ist wichtig, dass der Künstler etwas für seine Musik bekommt. Sonst wäre es sehr schwer, die Zeit und Mühe aufzuwenden um zu schreiben, aufzunehmen und ein Album herauszubringen.
Sieht man mal von eurer Musik ab, wie ist das Leben so in Irland? Gibt es irgendwelche Empfehlungen von euch für eure Fans? Was sollte man – abseits des ganzen Standard-Touri-Krams – auf jeden Fall mitnehmen?
Wir sind sehr glücklich hier in Irland, es ist wunderschön, es ist unser zuhause. Ich denke Glendalough, der Djource Wald und Powerscourt Wasserfall im County Wicklow sind sehr sehenswert. Der „Burren“ in County Clare und natürlich Newgrange in County Meath, welches sogar noch vor den ägyptischen Pyramiden datiert ist, kommen mir sonst noch in den Sinn.
Gibt es noch gewisse Wünsche in eurem Musikerleben? Würdet ihr gerne mal mit bestimmten Künstlern spielen oder auf bestimmten Touren? Würdet ihr irgendwas an eurer Arbeitsweise beim Musikschreiben ändern, wenn Zeit und Geld keine Rollen spielen würden?
Nö, ich gebe mich keinen Tagträumereien von alternativen Leben hin und nehme alles so hin wie es kommt, Schritt für Schritt. Es wäre klasse eine Tour mit NINE INCH NAILS oder THE CURE eines Tages zu machen.
Das ist es so weit von mir, ich geh mal davon aus, dass ihr auf Tour geht um „Epitaph“ zu promoten… falls ihr eure Fans noch etwas wissen lassen wollt, hier habt ihr die Möglichkeit.
Wir planen „Epitaph“ über die nächsten 2 Jahre zu promoten. Wir hoffen so weit wie möglich zu kommen, vielleicht mit Indien, Australien, Japan. Wir werden nächstes Jahr auch zurück in den USA sein. Danke fürs Interview.