God Forbid
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Interview

God ForbidBis jetzt haben sich GOD FORBID noch nicht so richtig in die metallischen Herzen der Deutschen spielen können. In den USA sind sie schon ein anderes Kaliber, doch müssen sie sich hier momentan gegen eine Metalcore-überdrüssige Ablehnung erwehren. Dabei haben sie diese Phase mit ihrem neuen Album „IV: Constitution Of Treason“ schon längst hinter sich gebracht – wie so manch andere Band, die ihren Nutzen aus dem Hype gezogen hat und nun das sinkende Schiff verlässt. Nur steht dem eben eine Gesetzmäßigkeit entgegen, der man nicht so leicht entkommen wird: Selten wird man als Band seinen einmal ins Bein gebrannten Stempel los.
Doch GOD FORBID Sänger Byron Davis sieht das mehr oder weniger gelassen. Da macht er sich lieber Gedanken darum, wie der Metal inhaltlich dasteht im Vergleich zu anderer Musik: „Es ist langweilig, nur über schlechte Beziehungen zu reden, oder was man kaufen möchte, wenn man von wo auch immer nach Hause kommt.“ Und dann wird der ansonsten fröhliche Sänger ernst: „Das ist nicht die Realität da draußen. Zu wissen, dass Leute sich jeden Tag den Arsch aufreißen, um ihren Familien ein Leben zu bieten, ist, worum es geht. Zu wissen, dass man das gleiche oder ähnliche Problem wie andere Menschen zu bewältigen hat, zeigt doch, dass wir alle menschliche Wesen sind, die in der heutigen Zeit ums Überleben kämpfen.“

Byron ist bereit sich den Arsch abzuarbeiten für das eine Ziel, seine Band möglichst in alle Münder zu bringen. Das entschädige für einiges an Stress fördert aber auch die Hingabe zur Musik. Überwiegt die Vorfreude, endlich wieder mit einem neuen Album auf die Straße entlassen zu werden, verwundert dann doch seine Antwort auf die Frage, was ihn am Ende des Tages so wirklich das Gefühl gibt, dass er das richtige macht: „Ich rufe meine Mutter an und frage sie, wie es ihr geht.“ Dann geht er gestärkt aus dem Haus und stachelt seinen kleinen Welpen an, damit dieser so richtig „mean“ wird und – allzeit bereit – ihn vor den ganzen Schlampen beschützen. Gut – zumindest ein kleines Grinsen rutsch ihm heraus.

„Ich erwähne jetzt mal nicht,
dass es ganz nebenbei
total scheiße geklungen hätte“

Das Weichei also telefoniert mit seiner Mutter? Ist das der Grund für die stärkere Konzentration auf Melodien bei „ IV: Constitution of Treason“? So sehr er sich an seinem kleine Hund zu schaffen macht, so sehr wird seine Band zum Schmusekater? „Nein“, widerspricht Byron: „Wir trauen uns einfach, das zu tun, was wir schon immer machen wollten und konnten. Es steckte schon immer in uns drin, wollte aber nicht entschieden genug herauskommen. Ich wollte auch schon Melodien in „Determination“ hineinpacken, doch irgendwelche Leute hielten dies nicht für sonderlich wichtig bzw. glaubwürdig“, wettert er gegen einen unbekannten Widersacher in den eigenen Reihen, doch muss er auch gestehen: „Ich erwähne jetzt mal nicht, dass es ganz nebenbei total scheiße geklungen hätte!“ Der kräftige, schwarze Mann muss laut lachen, fügt aber sofort an: „Die Dinge haben sich geändert, wir sind als Musiker gereift.“

Scheint dieser Reifeprozess nötig gewesen zu sein, um innerhalb einer so kurzen Zeit – ein Jahr – und all dem Touren eine solch überlegte Scheibe schreiben könne? „Eine Kombination aus plötzlicher Inspiration und minutiöser Arbeit steckt dahinter, natürlich mit dem Schuss Freude an der Sache.“ Nicht zu vergessen seien auch die ganzen Geschehnisse um ihn herum. In dieser Umwelt würde er GOD FORBID als eine Art „Kreativ-Kanal“ verstanden wissen wollen. Doch wie sehen die anderen aus der Band das? Wir funktionieren die „Duelle“, die er sich mit seinen beiden Gitarristen und gleichzeitigen Konkurrenten am Mikro gibt? Wie funktioniert das Wechselspiel zwischen Melodie und Härte? Ist das der Knackpunkt der Scheibe? „Nein“, antwortet er lässig, „der Knackpunkt der Scheibe ist der Anfang, die Mitte und der Schluss.“ Auch den absoluten Lieblingssong des Redakteurs, „The Lonely Dead“, kann er nicht teilen. „Wenn ich einen Song herauspicken müsste, dann ’To The Fallen Hero’, weil dieser auf eine ehrliche Art und Weise den Verlust von geliebten Menschen beschreibt.“ Dass man vor lauter ergreifender Melodien seine harten Parts „überhören“ könnte, stört ihn nicht weiter. Ein genügsamer Mensch. Punkt.

„Es gibt eben Leute,
die glauben zu meinen,
das Richtige für das Kollektiv
kennen zu müssen“

Den Vorwurf, dass sein genannter Partner am Mikrofon, Dallas Coyle, trotz starker Verbesserung, die Impertinenz besitzt hin und wieder schief zu singen (besonders gut live bei der MACHINE HEAD Tour und auf Konserve bei „Welcome to the Apocalypse“ zu hören), wimmelt er mit einem „manchmal hat man einen schlechten Abend, manchmal eine guten“ ab, doch fügt er in seiner Gehässigkeit noch an: „Aber was „Welcome to the Apocalypse“ angeht, dafür musst du mal den Dallas anmachen“, und lacht sich dabei ins Fäustchen. Trotz all der Gelassenheit, stört es ihn da nicht, dass der „Mann mit den Saiten“ in sein Hoheitsgebiet vorstößt? Da werden doch irgendwie Erinnerungen an SYSTEM OF A DOWN wach, wo Daron etwas – sagen wir mal – einnehmend agiert, oder? „Es gibt eben Leute, die glauben zu meinen, das Richtige für das Kollektiv kennen zu müssen, doch am Ende müssen wir alle zustimmen, um damit zufrieden sein zu können“, fährt er seinen Ellebogen leicht in die Rippen des oben genannten. „Wir sind halt alle in den Songwriting Prozess eingebunden. Wenn nur einem von uns der Song nicht gefällt, wird er gestrichen“, fährt er den nächsten Ellebogen in die Rippen des oben genannten.

„Stattdessen gehen sie
in andere Länder und
wollen denen erzählen,
wie sie zu leben haben“

Genug auf fremde Teppiche gekackt, macht er sich lieber wieder Gedanken über seine Musik. Die Vorstellung, einem Menschen erklären zu müssen, wie sich die Musik von GOD FORBID anhört, der keine blassen Schimmer von Metal hat, bringt er auf den Punkt. Doch ist diese Beschreibung auch irgendwie beliebig austauschbar: „Harter, grooviger, ehrlicher, in deine Fresse schlagender Partyvibe…und natürlich ein bewusster Versuch, einen Wechsel herbeizurufen. So fällt die Erklärung für das Konzept ihres Album, das sie in drei Artikel aufgeteilt und als eine Art Fabel, als Spiegelbild der momentanen gesellschaftlichen Situation entwickelt haben, sehr leicht: „Es geht um den ewigen Kampf, bei dem man nicht aus seinen Fehlern schlau wird. Man macht einfach weiter, als bräuchte sich nichts zu ändern.“ Dabei schielt er auf das sich selbsterklärende Cover des Albums und versucht eine Erklärung für den Zustand seines Landes zu finden: „Wir haben Leute, die nur zu ihrem Vorteil Entscheidungen treffen. Zudem machen sie den Menschen hier zu Lande nicht bewusst, welche Probleme hier angepackt werden müssen.“ Und dann kommt der unvermeidliche Nachschlag: „Stattdessen gehen sie in andere Länder und wollen denen erzählen, wie sie zu leben haben!“

„Die richtigen Amerikaner
glauben nicht an bestimmte
Betrachtungsweisen
unserer Regierung“

Wie sieht er die Reaktion seiner Regierung auf aktuellen Naturkatastrophen in den USA? Ist George Bush, wie ihm in den Tagen so oft vorgeworfen wurde, ein Rassist? Der Sänger mit afroamerikanischen Vorfahren möchte darauf nicht eingehen, auch nicht auf die Frage, in wieweit Rassismus in den US Staaten verbreitet ist bzw. wie stark die Band selbst betroffen ist. Viel lieber möchte er eine Erklärung dafür finden, warum viele Nicht-Amerikaner gerade sein Land verurteilen. „Die haben keinen Kontakt zu den richtigen Amerikanern, sondern wissen nur das, was sie in den Medien sehen. Die richtigen Amerikaner glauben nicht an bestimmte Betrachtungsweisen unserer Regierung, sind aber gezwungen sich mit den Nachwehen auseinander zusetzten.

Doch möchte sich Byron mit seiner Band zusammen nicht damit abfinden. Vielmehr zeigt er sich als Kritiker, als aufgeweckter Bürger im eigenen Land, der diesen Rückhall auf sein Volk nicht ohne weiteres hinnehmen will. Und hier kommt der Metal ins Spiel. Was bedeutet dieser für ihn? „Metal bedeutet, die Eier zu haben, zu sagen was du denkst und wie du fühlst.“ Natürlich reicht es nicht, dies den Leuten nur auf Konserve zu vermitteln. Er will es auf der Bühne vermitteln, den Leuten direkt in die Augen sagen. Und was passt da besser, als mit THE HAUNTED im Dezember auf Europatour zu kommen. Nur ein Labelpakt oder eine musikalische Verbindung? „Das Label hat es sicherlich möglich gemacht, doch wir passen auch einfach musikalisch sehr gut zusammen, daher macht es Sinn. Natürlich muss man noch erwähnen, dass wir sie lieben und sie uns in den Anfangstagen sehr beeinflusst haben.“ Wenn man mit so einem starken Partner auf Tour geht, könnte man doch sicherlich auch die Befürchtung haben, dass man in deren Schatten die Sonne kaum sehen wird. Wieso sollten sich die Leute also auch auf einen starken Support freuen? „Weil wir es drauf haben. Wenn die Leute, die auf unsere Shows kommen, werden sie sehen, dass wir unser Geld wert sind“

„Das ist erst der Anfang.
Du wirst sehen.“

Diese Antwort hätte jedem Personalchef bei einem Vorstellungsgespräch die Haare zu Berge stehen lassen. Doch würde jede andere Antwort nicht in den Kontext Byron’s Wesenzüge passen. „Wir sind die Band der Zukunft. ‚Kompromiss’ ist für uns ein Fremdwort. Wir machen das, was wir machen, weil wir es machen wollen – nicht weil es gerade anderen gefallen könnte. Ich scheiße auf alle Zweifler, wenn sie dem Metal den Rücken kehren und es auch nicht mehr länger cool ist, harte, aggressive und melodische Musik zu machen. Wir werden es trotzdem machen. So haben wir angefangen und so haben wir bis zu diesem Zeitpunkt weitergemacht.“ Und dann setzt er noch mal neu an, um es ganz deutlich zu machen: „Das ist erst der Anfang. Du wirst sehen.“

25.09.2005

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