Gernotshagen
Warum in der Ferne schweifen...
Interview
Warum in der Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah, in diesem Fall sogar unmittelbar vor der eigenen alten Haustür. Man neigt ja als Schreiberling und Fan manchmal irgendwie dazu, Kapellen aus anderer Herren Länder zu verehren, und dabei die einheimischen etwas zu vernachlässigen, warum auch immer. Will man dem entgegenwirken, führt einen der Weg beispielsweise zu den Pagan-Black-Metallern von GERNOTSHAGEN. Außerdem ist es doch auch immer wieder ein schönes Gefühl, wenn einen Bands so richtig positiv überraschen. Auch das führt uns zu GERNOTSHAGEN. War deren letztes Album „Weltenbrand“ damals 2011 doch irgendwie an mir vorbei gerauscht bzw. recht schnell wieder in der Schublade verschwunden, schlug das neue Werk „Ode Naturae“ nun jedoch mit voller Wucht ein. Das hat natürlich seine Gründe, denen wir gemeinsam mit Sänger Askan auf die Spur kommen wollen. Also auf in den Süden Thüringens.
Grüße in die Heimat! Was ist es denn so für ein Gefühl, wenn man nach neun Jahren endlich wieder mal ein Album auf die Menschheit loslässt? Und warum zum Teufel hat das eigentlich so lange gedauert?
Gruß zurück, du Auswanderer! Hahaha. Ende letzten Jahres waren wir dann schon sehr angespannt und sogar fast schon ein bisschen aufgeregt. Vor der Entstehung des neuen Albums lag der Fokus mehr auf dem Ausstieg von Maik [ehemaliger Gitarrist und Gründungsmitglied] und dem Wechsel zu Roman, was für uns eine nicht zu unterschätzende Mehrarbeit bedeutete. Zu dieser Zeit hatte die Einarbeitung von Roman für die anstehenden Live-Auftritte absoluten Vorrang. Hinzu kommt, dass wir uns selber wie auch all die Jahre zuvor keinen Stress oder Terminzwang auferlegt haben. Für uns war und ist die Musik immer noch eine Bereicherung unseres Lebens, und das nun schon seit der neunten Klasse, als das alles mit GERNOTSHAGEN angefangen hat. [1999] Daher soll es schließlich auch weiterhin Spaß machen und nicht in reine Arbeit ausarten, denn davon haben wir im normalen Leben schon genug, hahaha.
Absolut verständlich. Es soll ja durchaus auch Leute geben, die GERNOTSHAGEN noch nicht so gut kennen. Stelle doch eure Bande bitte mal kurz vor, am besten jeden Musikanten in einem Satz.
Ja, das liegt vermutlich an unserem hohen Werbepotential und der kommerziellen Vermarktung seit Jahren, hahaha. [Ääähm, ja klar, so muss es wohl sein.]
Unsere Band kurz zusammengefasst:
Bastian – Der redefaule Hochelb vom Wasserfall
Murry – Der bierlustige Vier-Saiten-Gimli aus den Trusetaler Eisenbergen
Roman – Der Aragorn der Zupfinstrumente und Cliquen-Ältester
Jung – Der BWLer von Minas Tirith
Marcus – Der trommelschlagende Höhlentroll aus den Ruhlaer Wäldern
Askan – Der knochenbehangende Uruk-hai vom Zwergenpark
Komm nach Thüringen und du lernst fantastische Wesen kennen, das ist ja ein offenes Geheimnis. Kommen wir gleich mal auf das neue Album zu sprechen. Ich muss ja ehrlich sagen, dass mir viele eurer Ideen schon immer richtig gut gefallen haben, allerdings fand ich die Mucke am Ende dann oft zu keyboardlastig, vor allem von der Produktion her. Die neue Scheibe hingegen setzt wohltuender Weise wieder mehr auf die Gitarren. Wie kam es zu diesem Wandel? Eine Rückbesinnung auf die Anfangstage der Band?
Ja, das mit dem Keyboard wurde uns schon oft nachgesagt. Aber wir nutzen halt schon immer gerne die Vorzüge dieses atmosphärischen Alleskönners. Wem das zu viel ist, hat ja in unserem Genre sehr viel Auswahl an anderen und weniger key-schwangeren Combos. Beim aktuellen Album „Ode Naturae“ hatten wir uns, auch aufgrund des Ausstiegs von Maik dazu entschieden, wieder etwas zurück zu den alten „raueren“ Wurzeln der Band zu gehen. Aber dennoch haben wir auch versucht, uns für GERNOTSHAGEN völlig neuer Elemente zu bedienen. Das gilt zum Beispiel für den Kehkopfgesang, verschiedenste Samples und synthetische Sounds. Das alles geschah natürlich immer unter der Maßgabe, nicht den Blick auf den wesentlichen und ursprünglichen „Gernotsound“ zu verlieren. Oder noch schlimmer, gar live nur noch zu einer Playback-Kasperle-Theater-Truppe zu werden, hahaha. Das scheint ja auch gerade voll in Mode zu sein, sieht man ja des Öfteren am Equipment auf der Bühne.
Da hast du ganz sicher recht, trotzdem wollen wir hier ja nicht andere Bands dissen, hahaha, sondern lieber über GERNOTSHAGEN reden. Ihr hattet ja letztes Jahr bereits verlauten lassen, dass das neue Album anders werden würde, einerseits ein Stück weit zurück zu den Wurzeln, andererseits aber auch ein Schritt in die Zukunft. Dass es jedoch ein solch großer Sprung nach vorne in Sachen Qualität werden würde, hatte ich jetzt (ohne euch und den alten Scheiben zu nahe treten zu wollen) ehrlich gesagt nicht erwartet. Kannst du diese Überraschung nachvollziehen oder war bei euch immer die Gewissheit und Überzeugung vorhanden, dass „Ode Naturae“ letztlich genauso werden würde?
Beabsichtigt war das ein Stück weit schon. Wir wollten einfach nicht noch ein typisches GERNOTSHAGEN-Album rausbringen, das einfach nur „gut“ wird. Einen Schritt weiter zu gehen war bei jedem unserer Alben in gewisser Weise ein Ziel. Dass es vom Hörer als ein solch großer Schritt wahrgenommen wird, hätten wir allerdings nicht zu hoffen gewagt. Es war ein Experiment: Zurück zum alten Groben und dennoch Zuwendung in Richtung Neuem und natürlich höherer Qualität. Man wächst ja schließlich auch mit den Jahren mit und an seiner Musik. Und unser Ergebnis nach so vielen Jahren GERNOTSHAGEN sieht und hört man in „Ode Naturae“.
Absolut, keine Widerrede. Das neue Werk wirkt auf mich im Vergleich zu „Weltenbrand“ sehr gereift, irgendwie seriöser und erwachsener. (Das soll jetzt natürlich nicht heißen, dass ihr früher Tralala-Humpa-Sauf-Metal gespielt habt.) Aber die Scheibe hat auch eine angemessen fette Produktion und bringt alle Bandmitglieder gleichberechtigt zur Geltung. Sowohl die Richtung als auch die Mischung stimmen für mich also diesmal absolut. Wie siehst du das?
Wir sind ja auch fast erwachsen geworden, hahaha. Für die Produktion hatten wir auch lange gesucht und uns schließlich für zwei Leute entschieden. Da hätten wir zum einen Uwe Havers (Sachsenklang Studio), der auch unser Live -Tontechniker ist und die Aufnahmen mit uns gemacht hat. Und zum anderen wäre da Markus Stock (Klangschmiede-E, EMPYRIUM), der das Album dann gemastert und richtig fett gemacht hat. Beide haben hier unserer Meinung nach hervorragende Arbeit geleistet, von der sich der Hörer einfach selbst ein Bild machen muss.
Gelernt ist eben gelernt, geht doch nichts über gute Handwerkskunst. Trotzdem drängt sich mir gerade noch eine seltsame Frage auf: Ihr seid doch nicht etwa auch erwachsen geworden? Das kann ich mir eigentlich beim besten Willen nicht vorstellen, hahaha.
Wie schon erwähnt, fast. Die Spinnereien wird man wohl nie aus uns herausbekommen. Dafür sind wir einfach ein zu durcheinander gewürfelter Haufen, von denen sich die meisten schon aus Schultagen kennen.
Das beruhigt mich jetzt aber doch. Mir gefällt ja dieser etwas andere Ansatz, also epischer und weniger offensichtlich, dafür um einiges spannender, wesentlich besser. Dem guten Skirnir kann und wird man ja live sicher nach wie vor huldigen, und das ist ja auch gut so. War diese neue Ausrichtung von euch konkret so geplant, oder hat sich das ganz einfach im Laufe des Songwritings natürlich so ergeben?
Der Vergleich zu Skirnir ist uns wirklich auch schon mehrmals in den Sinn gekommen. Wir finden die Bandbreite von Songs wie z.B. „Dem Skirnir zu Ehren“, der sehr simpel gehalten ist und trotzdem reinhaut, zu Liedern wie z.B. „Transzendenz“ selber schon sehr krass. Diese neue Ausrichtung war wie schon kurz erwähnt teilweise geplant. Aber im Laufe der Entwicklungsjahre des Albums manifestierte sich dies dann immer mehr. Wir alle empfinden diesen Schritt aber als sehr angenehm und eigentlich als genau das, was wir auch machen wollen.
Da stellt sich mir natürlich gleich anschließend die nächste Frage. Welchen Einfluss hat der Ausstieg eures langjährigen Gitarristen, Gründungsmitglieds und natürlich Songschreibers Maik auf die neue Ausrichtung? Oder anders gefragt, in welchem Ausmaß hat sich der „neue“ Gitarrero Roman bei der neuen Scheibe bereits mit eingebracht?
Maik war ein wichtiger und wesentlicher Bestandteil des Songwritings und prägte eben damit auch die alten Alben. Sein Ausstieg war zwar schon länger freundschaftlich geplant, aber es war dennoch gerade im Entstehen des Albums ein kleiner, ich möchte fast sagen „Rückschlag“, da wir uns einer völlig neuen Gegebenheit stellen mussten. Auch dies hat mit dazu beigetragen, dass nun andere in der Band das Ruder in die Hand nehmen mussten. Und Roman hat mit seinem Engagement und neuen Ideen noch einmal zusätzlich frischen Wind in das Songwriting mit eingebracht.
Anderes Thema, erzähle uns doch mal ein bisschen was zu den Texten. Betrachtet man den epischen Albumtitel, dann scheint es da ja schon eine Art übergeordnetes Konzept zu geben, ist das richtig?
Das Konzept und der Albumtitel sind erst im Laufe des Songwritings entstanden. So wie das eigentlich immer bei uns ist. Es gab zwar eine grobe Struktur, aber wir erarbeiten die Feinheiten immer erst im Werdegang der Alben. Wir hatten auch lange nach einem Albumtitel gesucht, der die Thematiken der Lieder recht gut zusammenfassen würde. Wir hoffen, dass das uns gelungen ist. Die Texte selber sollten etwas reifer und komplexer werden und so mehr zum Nachdenken und selber Interpretieren bieten, aber auch Denkanstöße für gewisse Themen liefern und ein wenig das Um-die-Ecke-Denken des Hörers anregen. Wir haben ja schon immer irgendwie darauf geachtet, dass auch die Texte bei GERNOTSHAGEN nicht einfach „nur“ Texte sind.
Und dieses Vorhaben ist absolut gelungen, denn man entdeckt auch in den Texten immer wieder neue Facetten. An einem Thema kommt man in diesen Zeiten leider nicht vorbei. Ihr als „Hobby-Musikanten“ seid ja jetzt sicher nicht die klassische Tour-Band und daher zumindest finanziell nicht so arg gebeutelt wie andere Kollegen. Inwieweit trifft euch dennoch die anhaltende C-Krise, wie sehr vermisst man als Musiker die Bühne und natürlich die Gratis-Backstage-Getränke?
Ja, wir haben da, nennen wir es einfach mal „Glück“. Wir haben sehr viele Freunde aus der Profibranche, die leider sehr unter dieser Situation leiden müssen. Es ist sehr schade, zusehen zu müssen, wie ganze Clubs schließen und Techniker-Crews einfach pleite gehen. Uns trifft es halt mit den Live-Konzerten und Festivals. Da wir, wie du schon sagst, „Hobby“-Musikanten sind, finanzieren wir Album, Shirts, Patches etc. alles aus eigener Tasche und da fehlt es auch bei uns zurzeit durchaus an Geld mangels fehlender Auftritte. „Ode Naturae“ war für uns ein enormer finanzieller Kraftakt. Hierbei hat uns unser Freundeskreis sehr unterstützt, um das Album inklusive Merchandising zu finanzieren und letztlich raus zubringen. An dieser Stelle nochmal Danke an alle Beteiligten!
PS: „Gratis“ Backstage-Getränke!? Wo gibt es die!?!? Hahaha.
Muss ich da etwa mein Bild von exzessiven Backstage-Partys nochmal überdenken? Egal. Die Lage für Künstler und Veranstalter ist derzeit leider richtig ernst, da kann man allen Involvierten nur die Daumen drücken und versuchen, diese im Rahmen seiner Möglichkeiten zu unterstützen. Gibt es dennoch schon konkrete Pläne bezüglich neuer Live-Aktivitäten oder hängt das nun alles erstmal weiter in der Schwebe? Normalerweise feiert man eine neue Scheibe ja mit einer zünftigen Release-Party…
Die Festivals, bei denen wir für dieses Jahr gebucht waren, haben alle fairerweise das Billing mit uns für 2021 übernommen. Obwohl natürlich auch die heute noch nicht wissen, ob sie dann überhaupt noch existieren. Eine Scheißzeit ist das gerade. Wann wir wo spielen und was es für News diesbezüglich gibt, erfahrt ihr natürlich immer aktuell auf unserer Facebook-Seite oder der Homepage. Für den Release-Gig haben wir uns das kommende Fimbul Festival [übrigens präsentiert von metal.de] ausgesucht, das von unserem ehemaligen Gitarristen Maik (Dark Troll Festival) mit organisiert wird.
Als Thüringer finde ich es ja mächtig cool, dass neben der „Waldvolk“ von XIV DARK CENTURIES nun mit eurem Werk noch eine bockstarke Scheibe innerhalb kurzer Zeit erschienen ist. Thüringen war ja einst eine richtige Hochburg für Pagan Metal, wie würdest du die Situation heute beschreiben?
Thüringen war und ist noch eine Pagan-Metal-Hochburg. Es bestehen ja immer noch fast alle alten Bands von damals und es wachsen hier ja auch immer noch junge Bands nach. Das Erbe von MENHIR, ODROERIR ect. wird hier hoffentlich immer leben.
Dein Wort in das Ohr sämtlicher Götter! Wenn du so auf 20 Jahre GERNOTSHAGEN zurückschaust, würdest du im Nachhinein irgendetwas grundlegend anders machen, oder hat grundsätzlich schon alles soweit gepasst?
Wir würden das Album „Ode Naturae“ einfach 20 Jahre früher rausbringen, zur damaligen Zeit wäre das bestimmt ein Gassenhauer geworden, hahaha. Im Ernst, trotz aller Rückschläge und Probleme würden wir alles, aber auch wirklich alles wieder genauso machen. Denn nur das alles hat uns schließlich dort hingebracht, wo wir nach nunmehr 20 Jahren stehen. Wir sind noch da, haben immer noch Spaß an dem, was wir machen und haben auch immer noch Ideen und Muse, das Ganze weiterzuführen. Aufhören werden wir erst, wenn es live peinlich wird, hahaha.
Ok, dann geht die Reise sicher nochmal 20 Jahre weiter, prima. Zum Abschluss noch eine kleine Entweder-Oder-Runde mit der Bitte um kurze Begründung.
Pagan oder Black?
Pagan UND Black. Sonst trennt sich unsere Band, hahaha.
Schwarzmetallischer Ernst oder heidnischer Spaß?
Mittendrin. Beides für sich alleine ist albern, oder wir sind zu alt, hahaha.
Mutter Freya oder Gevatter Tod?
Mutter Freya. Die ist wesentlich angenehmer.
MENHIR oder ODROERIR?
MENHIR! Sorry ODROERIR, hahaha.
Hütes (für Nicht-Thüringer: Klöße) oder Bratwurscht (für Nicht-Thüringer: Bratwurst)?
Kann man eigentlich eine Bratwurscht im Kloß essen? *Band prügelt sich* Hahaha.
[Und das völlig zurecht, alleine die Andeutung eines solchen Sakrilegs bringt auch den humorvollsten Thüringer zur Weißglut.]
Thors Hammer oder Steindildo
Hahahaha, also wenn, dann nur Steindildos von der Firma Saycher! Die werden in mühseliger Handarbeit von unserem Sänger hergestellt. Und der Thors Hammer, naja, der ist ja mittlerweile eher zum Modeschmuck avanciert.
Ein schönes Schlusswort, denn mit irgendwelchen Modeerscheinungen haben GERNOTSHAGEN genau so viel zu tun wie die Bratwurst mit erwähnten steinernen handgefertigten Utensilien. (Wer sich dafür interessieren sollte, wird sicher bei Facebook oder Google fündig werden, wir wollen ja keine Schleichwerbung machen.)
Unter dem berühmten Strich steht mit „Ode Naturae“ ganz einfach ein Klasse Album, mit dem GERNOTSHAGEN endgültig ihren Platz gefunden haben.