Geist
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Interview
Mit „Patina“ veröffentlicht die deutsche Band GEIST ein schwarzmetallisches Debüt, welches in allen Belangen punkten kann. Neben geschicktem Facettenreichtum ist es besonders eine gute Portion eingängiger Black Metal, die das Album so interessant machen. Klar, dass da ein Interview nicht fehlen durfte, so dass Gitarrist Alboîn kurzerhand Rede und Antwort stand.
Bis vor kurzem ward ihr ja noch unter dem Namen Eismalsott aktiv. Warum kam es zur Umbenennung?
Alboîn: Lange Geschichte, die ich eigentlich gar nicht gerne zum zehnten Male in der Öffentlichkeit ausbreiten will. Im Wesentlichen ist die Sache so: Aínvar, der Eismalsott gründete, und ich, der später dazukam, wurden uns letztes Jahr darüber einig, dass wir uns in unseren Arbeitsweisen und einigen Vorstellungen gründlich unterschieden. Das machte uns das gemeinsame Proben, Aufnehmen und Livespielen schwer und auf Dauer unmöglich, und so entschieden wir uns dazu, getrennte Wege zu gehen. Aínvar macht Eismalsott nun wieder alleine weiter, ich gründete mit den restlichen Mitgliedern GEIST – es ist also nicht wirklich nur eine Umbenennung, sondern eine komplette neue Band mit neuem, wenn auch ähnlichem Konzept wie Eismalsott. Wir haben uns übrigens nicht zerstritten, es gab zwar ein wenig Reibungshitze, die aber schnell verflogen ist. Höchstwahrscheinlich werden wir auch das zukünftige Eismalsott-Material zusammen aufnehmen, nur in einer Band werden wir wohl nicht mehr zusammen spielen.
Es gab ja auch ein paar Probleme mit dem Line-Up. Hat sich die Lage jetzt beruhigt?
Alboîn: Sehr sogar. Ich glaube eigentlich nicht, dass wir jemals noch Probleme mit der jetzigen Besetzung bekommen werden. Als im Juni, drei Wochen vor dem Auftritt auf dem Under The Black Sun, unser Basser Thalos von einem Tag auf den anderen ausstieg war ich ein wenig enttäuscht. Glücklicherweise haben wir mit Padraiq in Rekordzeit einen neuen Mann gefunden, mit dem wir auf persönlicher und musikalischer Ebene perfekt harmonieren und der uns Dinge ermöglicht, an die ich noch vor ein paar Monaten nicht zu denken gewagt hatte.
Zwar ist es immer ein wenig traurig, sich von Menschen zu verabschieden, mit denen man lange zusammen gespielt hat, aber so ist der Lauf der Dinge. Menschen kommen, Menschen gehen. Bei uns sind wirklich nur gute gekommen.
Wie sieht jetzt eure Arbeitsteilung aus, nachdem Aínvar nicht mehr in der Band ist?
Alboîn: Das „Patina“-Album ist als Zusammenarbeit von Aínvar und mir entstanden, genau genommen eigentlich eher als Split-Album aus seinen und meinen Stücken, mit wenigen Überschneidungen. Er hat allerdings fast alle Texte beigesteuert.
Dass ich nun ohne ihn arbeite hat im Grunde wenig Einfluss auf mich, auch wenn GEIST in Zukunft dadurch ein wenig anders klingen wird. Aínvar ist der Mann für die eher experimentellen Anteile an „Patina“ gewesen, beispielsweise „Thanatos Phobein“. Solcherlei Stücke, extreme Monotonie und Fremdartigkeit wird es wohl auf dem kommenden Album nicht mehr geben. Ich werde weiterhin gut die Hälfte der Stücke beisteuern, die andere Hälfte stammt von unserem Sänger Cypher D. Rex – übrigens ein ziemlich visionärer Multiinstrumentalist, der langsam zur Höchstform aufläuft. Wir ergänzen uns besser und liegen auch musikalisch noch mehr auf einer Linie, als es Aínvar und ich taten. Was die Texte angeht, so werde ich mich aller Voraussicht nach alleine darum bemühen. Im Endeffekt sollte es dem Hörer aber auch relativ egal sein, wer die Musik macht, solange sie gefällt…
Wie sind die Reaktionen für „Patina“ bisher ausgefallen?
Alboîn: Ich bin geneigt zu sagen, sie seien unerwartet sensationell. Mir war zwar klar, dass wir ein überdurchschnittlich gutes Album aufgenommen haben, dennoch zeigt die Erfahrung, dass immer irgendwo ein profilneurotischer Kerl auftaucht und sich aus Prinzip mit einem 0/10-Punkte-Review wichtig machen will. Diesmal habe ich aber in der Tat kein einziges Review gefunden, das auch nur saftig kritisch gewesen wäre. Was ich an Reaktionen von Käufern bekommen habe ist ebenfalls ausschließlich überschwänglich bis euphorisch gewesen. Die Verkäufe nach knapp vier Monaten fallen derart gut aus, dass wir bereits eine Nachpressung vorbereiten müssen. Ich habe wirklich mit vielem gerechnet, aber damit nicht unbedingt, ganz ehrlich. Ein wenig stolz macht mich das schon.
Warum habt ihr den Albumnamen „Patina“ ausgewählt?
Alboîn: Schlicht und einfach deshalb, weil er das Gesamtgefühl dieses Albums für mich am besten zusammenfasst. Ein Album über Moos, Rost, Staub und den geistigen Belag des menschlichen Geistes muss einfach so heißen. Deshalb heißt das Stück „Patina“ auch „Patina“, und weil es symptomatisch für das Konzept dieser Band ist, heißt auch das Album so.
Erzähl doch einmal, wie sich die Aufnahmen für „Patina“ gestaltet haben und in welchem zeitlichen Rahmen das ablief.
Alboîn: Man hört dem Album, finden wir, an wie es entstanden ist. Ursprünglich wollten wir das Album im Tidal-Wave-Studio (u.a. Falkenbach, Ordo Draconis, Rivendell, Enid usw.) aufnehmen, was allerdings die komplette Summe des vertraglich von unserem damaligen Label Black Attakk zugesicherten Aufnahmebüdgets gekostet hätte. Als Black Attakk sich zwei Tage vor den Aufnahmen noch immer nicht dazu entscheiden konnten, diese Summe auch zu überweisen, mussten wir umdenken. Wir haben dann das Schlagzeug im Tidal Wave und alles andere in monatelanger Stückarbeit im Proberaum aufgenommen und gemischt, alles selbst finanziert und uns ein neues Label gesucht. Die Zeit war ungewiss, beschwerlich und mit einigen Hürden gespickt, oft genug war ich wirklich kurz vorm Ende meiner Kräfte – aber eines Tages wurden wir doch fertig mit der Arbeit, und das Ergebnis ist nicht nur sehr gut, sondern vor allem überaus passend für diese Umstände ausgefallen. Allerdings muss ich auch zugeben: das brauche ich nicht noch einmal. Das nächste Mal werden wir vorher anständig planen können und uns so gut vorbereiten, dass die Aufnahmen der reinste Urlaub werden.
Der Song „Thanatos Phobein“ ist ja doch etwas „experimenteller“ ausgefallen, als die anderen Tracks. Wie kam es zu dieser Idee?
Alboîn: Wie ich schon sagte, das Stück stammt im Kern von Aínvar, zumindest das Riff und das grundsätzliche Arrangement. Ich habe mich nur noch an dem ambienten Drumherum beteiligt. Das Lied wirkt aus mehreren Gründen sehr ungewohnt: es besteht nur aus einem Riff und einigen Samples, es gibt kein Schlagzeug, der Takt ist 5/4 und damit ziemlich außergewöhnlich und der Gesamtklang bewusst befremdlich gehalten. Der griechische Titel offenbart: ein Stück über Todesangst, sehr klaustrophobisch und beängstigend. Wenn man weiß worum es geht wird auch ein so experimentelles Stück zumindest nachvollziehbar. Das Lied ist auf „Patina“ gut aufgehoben, aber auch nur dort – ich glaube, auf dem nächsten Album würde ich so etwas nicht wieder unterbringen wollen.
Wenn man sich die Lyrics durchliest, dann merkt man deutlich, dass sich da Gedanken gemacht wurde. Wie wichtig sind die Lyrics von GEÏST für Dich und versucht ihr damit ein Konzept zu verfolgen?
Alboîn: Hier fällt es mir ein wenig schwer etwas Definitives dazu zu sagen, denn wie ich schon angemerkt habe, stammt nur der Text zum Titelstück von mir und der Rest wiederum von Aínvar. Zwar haben wir sehr ähnliche Ausdrucksweisen, auch wenn ich Metrum und Reim mehr ehre als er, aber das was wir sagen wollen ist doch sehr persönlich. Wenn Du aber mit einer allgemeineren Antwort zufrieden bist: natürlich sind die Texte sehr wichtig, darauf kannst Du Dich bei uns verlassen. Mir ist jemand, der seine Musik und seine Texte nicht ernst nimmt und sich keine wirklichen Gedanken darum macht äußerst suspekt und nicht sonderlich sympathisch. Unser Konzept ist… wie soll ich das ausdrücken… durch meine Sichtweisen gewisser Dinge vorgegeben, da bedarf es keiner Ausarbeitung. Im Grunde muss ich nur Worte für das finden, was in meinen Gedanken vorgeht. In einer Welt, die von Dekadenz und innerer Leere geprägt ist, gibt es mehr als genug Inspiration.
Welche Elemente sind für eure Songs besonders wichtig, damit ein typischer GEÏST-Song entsteht?
Alboîn: Ich setze mich doch nicht hin und limitiere mich selbst, bevor ich ein Stück schreibe! Vielleicht gibt es bestimmte Merkmale, die man für GEIST als typisch bezeichnen könnte, aber die sind mir nicht wirklich bewusst. Wenn man eine Identität als Künstler hat merkt man instinktiv, ob ein Stück oder ein Riff das ausdrückt, was man ausdrücken will und was einen ausmacht. Es hat keinen Wert, Musik zu schreiben und zu spielen, sie zu leben, wenn sie mich nicht berührt. Das ist das einzige Kriterium, das ich wirklich habe, und wer diese Musik versteht, der wird genau das nachfühlen können.
Sicherlich, wir bewegen uns grob im Bereich des Black Metal, mit einem nicht geringen Anspruch und relativ viel Melodie, ich schätze die Erhabenheit und Majestät von Musik – aber das ist es dann auch schon mit den erkennbaren Elementen…
Mein Lieblingstrack von „Patina“ ist „Winters Schwingenschlag“, da hier für meinen Geschmack alle Trademarks besonders gut kombiniert werden. Welcher Song ist Dein Favorit?
Alboîn: Den gibt es nicht wirklich, meine Gänsehaut ist aber bei „Spätsommerabende“, „Patina“ und ebenfalls bei „Winters Schwingenschlag“ am deutlichsten zu spüren. Was zur Hölle nun ein „Trademark“ in diesem speziellen Fall sein soll weiß ich auch nicht, ich finde „Winters Schwingenschlag“ auch nicht zwangsläufig repräsentativ für das Album – auf dem es generell nichts Repräsentatives gibt. Diese Stücke darf man aber auch nicht als Wegweiser für das kommende zweite Album nehmen, das ganz anders klingen wird, weil es in einer anderen Zeit und unter anderen Bedingungen entstehen wird. „Patina“ ist ein Stück von mir, und ich ehre es als ganzes Album, das es ist – das hört man auch daran, dass es ein zusammenhängendes Album und nicht ein Sammelsurium von Songs ist.
Erzähl doch etwas über das KATATONIA-Cover. Wie kam es dazu und warum habt ihr euch für „Love Of The Swan“ entschieden?
Alboîn: Northern Silence, die diesen Sampler veröffentlichen werden, haben auch die Eismalsott-7“ „Best before: spring“ rausgebracht, wodurch ich erst von dem Katatonia-Tributsampler erfahren habe. Dass wir uns für das Stück „Love of the swan“ entschieden haben (ein recht exklusives Stück, das auf dem sehr raren W.A.R.Sampler erschienen ist) hat vor allem zwei Gründe: zum einen waren die meisten Stücke schon vergeben, zum anderen wollte ich unserem Cover eine unverkennbare eigene Note geben, wozu ein simples und nicht zu charakterstarkes Original nötig war. Katatonia klingen nun einmal äußerst eigen und es ist schwer, eine Band dieser Güteklasse mit Respekt und künstlerischer Eigenart zugleich zu covern. Mittlerweile ist das Stück bis auf den Gesang fertiggestellt und stimmt mich sehr zufrieden, wir haben damit spielerisch und soundtechnisch ein Bindeglied zwischen „Patina“ und dem nächsten Album geschaffen.
Du bist außerdem bei ENID und FUNERAL PROCESSION aktiv…ist das nicht etwas schwierig alle Bands (schon alleine räumlich bei FP) unter einen Hut zu bekommen?
Alboîn: Keine der beiden Bands ist „meine“ Band, ich spiele dort nur, wenn ich es mir erlauben kann. Bei Enid ist seit zwei Jahren nichts geschehen, und auch wenn wir bald anfangen werden neues Material aufzunehmen – live werden wir nicht mehr spielen. Mit Funeral Procession habe ich gerade sehr anstrengende Aufnahmen hinter mir, die sicherlich viele Leute in Erstaunen versetzen werden, wenn sie veröffentlicht sind. Höchstwahrscheinlich werden wir auch mit dieser Band in absehbarer Zeit nicht mehr auf der Bühne zu sehen sein, weil es vor allem für unseren Drummer (der den selben Spagat macht wie ich) zu zeitintensiv ist. So kann ich mich kompositorisch und auch zeitlich recht gut auf GEIST konzentrieren, was ich im Falle des Falles, dass ich mich für eine der drei Bands entscheiden müsste, auch ohne mit der Wimper zu zucken tun würde. Noch ist es aber nicht dazu gekommen, und noch macht die Arbeit mit allen drei Bands Spaß. Räumlich ist das alles halb so wild, GEIST und Enid habe ich im Umkreis von 50 Kilometern, und Funeral Procession erweisen mir die Ehre, zu mir zu kommen wenn sie mich brauchen, hehe.
Ihr habt ja auch auf dem Under The Black Sun Festival gespielt. Schilder doch mal Deine Eindrücke vom Festival und vom Auftritt.
Alboîn: Wir haben mit beiden Bands, Funeral Procession und GEIST, auf dem Festival gespielt. Die Eindrücke sind sehr gemischt – spielerisch war vor allem der GEIST-Auftritt sehr zufriedenstellend für mich, ich habe wirklich selten so viel Spaß auf der Bühne gehabt. Allerdings gab es auch einige Aspekte an diesem Festival, die mir einfach missfallen haben. Die Dummheit der Leute macht selbstverständlich auch vor einem Black-Metal-Festival nicht halt, da muss man an jeder Ecke mit Landser-Gröhlern, pöbelnden Besoffenen und sonstigem Geschmeiß rechnen – von Bandmitgliedern (d.h. Sängern), beispielsweise von Ragnarök oder Krieg, wollen wir gar nicht erst reden. Dennoch habe ich auch sehr viele nette Leute getroffen, die Zeit war angenehm, und ich würde auch gerne nochmals spielen. Den schlechten Ruf, den das Festival oft genießt, haben die Veranstalter jedenfalls nicht verdient, das muss einfach gesagt werden, auch wenn das Eine oder Andere verbesserungswürdig wäre. Es wäre schon schade, wenn man sich den Spaß an einem Festival von solchen Holzköpfen nehmen ließe.
Wie sieht es sonst so mit Konzerten bei euch aus. Habt ihr noch einiges geplant?
Alboîn: Morgen (03.09.05) haben wir einen Auftritt auf dem Nocturnal-Empire-Festival, nächsten Monat spielen wir mit Helrunar in Mainz und im März organisiere ich ein Konzert ebenfalls mit Helrunar, Darkened Nocturn Slaughtercult und eventuell den Grabnebelfürsten in Herford. Von Oktober bis März werden wir uns mit dem Schreiben des neuen Albums und intensiven Proben beschäftigen. Es hat auch einfach keinen Wert, jede Woche zwei Konzerte an jeder Hecke zu spielen, wie es so manche „Black-Metal-Hoffnung“ ja gerne tut…
Ihr habt ja auch schon ein paar neue Stücke in der Hinterhand. Gibt es (auch für das nächste Release) großartige Veränderungen, da ihr ja nun auch mit neuen Leuten agiert? Was gibt es sonst vom neuen Album zu berichten?
Alboîn: Es wird den Namen „Kainsmal“ tragen, kürzer und intensiver ausfallen als „Patina“ und auch eine wesentlich veränderte Produktion abbekommen. Bis jetzt sind drei Stücke fertig, Material für vier bis fünf weitere muss noch arrangiert werden. Mein Eindruck ist, dass durch das spielerisch stärkere Line-Up und die Möglichkeit, regelmäßig zu proben, das Material schneller an Form und Eigendynamik gewinnt. Die Stücke sind hymnischer und atmosphärischer und dadurch auch spielerisch ein wenig anspruchsvoller. Man wird hören, dass wir uns entwickelt haben, denke ich.
Nach jetzigem Stand werden wir im Frühjahr aufnehmen, uns auf jeden Fall aber so viel Zeit lassen wie es braucht, um perfekt vorbereitet zu sein. Ich denke, eine Veröffentlichung etwa im Mai oder Juni ist sicherlich nicht unangemessen, vorausgesetzt wir haben es geschafft, bis dahin auch die hohen Ansprüche an das Aussehen der CD umzusetzen.
Hast Du noch Anmerkungen oder letzte Worte?
Alboîn: Mein Leben dauert mich noch nicht lange genug für die letzten Worte, hehe. Vielen Dank für das Interesse. Kostproben gibt es auf (Link)
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