Ganglia
Interview mit David Smittcamp
Interview
Elektronischer Grindcore, „eGrind“ – hä? Geht das überhaupt? Potzblitz, und wie das geht! Erst vor kurzem hat uns der durchgeknallte Ami GÅNGLÎÅ seinen neuesten Gehörgangskiller „The Beginnings“ um die Ohren gehauen, und nun soll der geneigte metal.de Leser in die ganz unmysteriöse Welt des eGrind eingeführt werden… In einem kurzen Plausch mit Chef-Terrorist David Smittcamp sprachen wir vor allem über Drum Machines, solide Handarbeit, warum Emo dem Tode geweiht ist und über seine Hassliebe zu ‚echtem‘ Grindcore. Auf geht’s…
Tach David! Tja, wie soll ich anfangen… ich bin heilfroh, noch am Leben zu sein, wo mich gerade „The Beginnings“ völlig überrollt hat! Lass uns zuerst über das Album sprechen, und danach über Einsteinium Records. Wann hast Du das erste Mal darüber nachgedacht, selber Musik zu machen, und wie haben sich die ersten Gehversuche angehört?
Selbst Musik zu machen kam mir und ein paar von meinen Freunden irgendwann 1998 in den Sinn, aber wir hatten damals ziemliche Probleme, einen Drummer zu finden. Während des Sommers 1999 war ich in Deutschland im Urlaub (meine Mutter wurde dort geboren und aufgezogen), und ich erinnere mich, wie ich so da lag und überlegte, wie ich allein Musik machen könnte. Ich dachte an… Drum Machines! Als ich in den USA zurück war, fing ich an, mit einem Programm namens Hammerhead herumzuspielen. Meine ersten Versuche waren bloß Drums und Vocals. Ich benutzte eine Jungle Bass Drum und eine Snare. Sehr roh.
Du hast zuerst mit „Noisegrind“ angefangen, kurz danach dann Dein Genre spezialisiert und den Begriff „eGrind“ aus der Taufe gehoben. Ich denke mal, es wäre zu einfach, die Begriffe „electronic“ und „Grindcore“ zu verbinden, also erklär mal kurz, welches Konzept sich hinter eGrind verbirgt, und inwiefern es sich von klassischem Grindcore unterscheidet. Ist eGrind im Metal verwurzelt bzw. gibt es überhaupt eine Verbindung zum Metal/Grindcore?
Ich wollte den Grindcore Sound ohne jegliche manuelle Instrumente emulieren. Anfangs hatte ich nur Blast Beats mit hohen und tiefen Vocals. Dann fing ich an, Noise anstelle des traditionellen Gitarrensounds hinzuzufügen. Im Laufe der Zeit setzte ich weniger auf Noise und mehr auf Synths, um einen strukturierteren Sound (eine Art Riffs) zu bekommen. Ich würde sagen, eGrind besitzt Elemente von Metal und Grindcore. Nimm einfach die menschliche Komponente aus dem Grindcore (Gitarre, Bass, Schlagzeug) und ersetze sie durch Software, und schon hast du Electronic Grindcore. eGrind ist absolut maschinengemacht!
Ein Weg, seine Musik zu verbreiten, ist mithilfe des Internet. Wie sieht’s mit Deiner persönlichen Erfahrung damit aus? Was denkst Du über Musik Downloads (legal/illegal) im Allgemeinen? Welche Portale und Communities nutzt Du, oder hälst Du zumindest für nützlich? Wie wichtig ist Internetkommunikation für Dich?
Das Internet ist großartig und 90% der Leute, die mit GÅNGLÎÅ etwas anfangen können, kennen es aus dem Netz, weil ich nicht live spiele und auch nicht gerade sozial veranlagt bin. Als mp3.com noch richtig cool und kostenlos war, hat GÅNGLÎÅ eine Menge Fans dadurch gewonnen. GÅNGLÎÅ war sogar mal Nummer 1 der mp3.com Noise Charts. Heutzutage habe ich iamfrantic.com und die Seite auf MySpace, um meine Musik bekannt zu machen. Ich lade selbst Musik runter und mich kümmert’s nicht, ob andere Leute meine Musik runterladen. Ich benutze Soulseek – holt euch das Programm, wenn ihr wirklich geile Underground Mucke finden wollt!
„The Beginnings“ ist eine beeindruckende Retrospektive auf Dein bisheriges Schaffen, eine umfangreiche Sammlung der GÅNGLÎÅ Werke. Wie würdest Du Deine musikalische Entwicklung beschreiben, ausgehend vom frühen „Friday the 14th“ zu den aktuellen Tracks der „Drum Machine Compilation #3“? Welches Equipment (Hard-/Software), welche Instrumente und vor allem welche Drum Machines benutzt Du? Kannst Du irgendwas davon empfehlen?
Die frühen GÅNGLÎÅ sind eher roh und Noise orientiert, während die modernen GÅNGLÎÅ strukturierter und besser produziert sind. Meistens benutze ich Fruity Loops Studio. Ab und zu benutze ich noch Hammerhead, und Reason. Es gibt einige eGrind Bands, die die selben Midis und VSTs benutzen, aber keine hat die gleichen Synth Sounds wie ich, weil ich sie selbst erstellt habe. Ich kann nur empfehlen, eigene Synths zu kreieren! Es macht die Musik weitaus interessanter. Die besten Drum Programme, die ich benutzt habe, sind FL Studio und Reason. GÅNGLÎÅ braucht keine Hardware. Wenn Du aber was über Hardware Drum Machines erfahren willst, dann schau mal auf drummachinemusic.com vorbei.
Du hast mit einem (für heutige Emo-Kids völlig veraltetem) Format angefangen: dem Tape. Warum hast Du ausgerechnet das Tape anstatt einer CDR gewählt? Wie hast Du die Tapes beworben? Wieviele Kopien wurden davon produziert und wer hat sie gekauft? Ich kann mir vorstellen, dass die Nachfrage nicht nur aus den USA kam, sondern auch auswärts. Wie sahen denn die Reaktion aus, gab es Reviews für Deine Veröffentlichungen?
Ich fing deshalb mit Tapes an, weil die damals noch billiger als CDRs waren, außerdem hatte ich noch keinen CD-Brenner. Bekannt gemacht hab ich sie in diversen Magazinen, mit Flyern und im Netz. Keine Ahnung, wieviele insgesamt davon produziert wurden. Einige der Länder, in die ich die Tapes geschickt habe, sind: Kanada, Südamerika, Japan, Deutschland, Brasilien, Norwegen, Frankreich. Ich hab die ganzen Jahre über gute Reaktionen bekommen. GÅNGLÎÅ ist nicht für jeden gedacht, aber wer generell auf durchgeknallte Musik steht, wird es mögen. Reviews gab’s in diversen Magazinen, sowohl online als auch gedruckt.
Eins der ersten Dinge, die mir ins Auge fielen, waren die Song Titel – ich möchte sie nicht als ’selbsterklärend‘ bezeichnen, aber sie regen definitiv zum Nachdenken an, im Gegensatz zu gewöhnlichen, meistens nichtssagenden Titeln. Welches lyrische Konzept steht hinter GÅNGLÎÅ?
Ein paar meiner Songs gehen in Richtung Gore, Fun und Fantasy, aber der größte Teil handelt von realen Dingen. Meine Texte drehen sich um philosophische, theologische und gesellschaftliche Themen. Ich kann mit der Gesellschaft nicht viel anfangen, weshalb viele meiner Songs davon handeln. Die Welt, in der wir leben, verschwindet allmählich, und ich fühle mich hier wie ein Fremder.
Ein Ein-Mann-Projekt zu sein bedeutet Freiheit und keine Einschränkungen in der Kreativität. Hast Du jemals daran gedacht, aus GÅNGLÎÅ eine Band mit mehreren Mitgliedern zu machen?
Ich hab nicht vor, aus GÅNGLÎÅ eine Live Band zu machen. Ich würde gern live auftreten, aber nicht als GÅNGLÎÅ. Ein einziges Mal bin ich unter dem Namen GÅNGLÎÅ aufgetreten, und da gab es ein echtes Drumset, Turn Tables und ein Keyboard. Ich hab gesungen, und bei 3 Songs das Schlagzeug bedient. Ehrlich gesagt, das Set klang nicht wirklich nach GÅNGLÎÅ aber es hat ziemlichen Spaß gemacht!
Lass uns nun zu Einsteinium Records übergehen. Warum „Einsteinium“? Ich weiß nur, dass es ein radioaktives Element ist, was man im Niederschlag des „Ivy Mike“ Wasserstoffbombentest gefunden hat.
Ich mag Einstein. Er war ein Genie und ich liebe es, Musik zu veröffentlichen, die nach Intelligenz und High Tech klingt, deshalb habe ich Einsteinium gewählt, weil es mit Einstein zusammenhängt.
Ein Merkmal von Einsteinium Records sind die handgefertigten Veröffentlichungen. Stellst Du die alle selbst her? Vor allem das Artwork von „The Beginnings“, das fette Booklet, die DVD-Hülle und das eingefärbte CD-Label sehen richtig gut aus!
Ich mach‘ das alles selbst, und es ist verdammt zeitaufwendig! Ha ha!
Wie sieht der momentane Artist Roster von Einsteinium aus? Gibt es eine lokale eGrind-Szene? Eins von Deutschlands bekanntesten Projekten sind die Grabber-Grinder von TOURETTE SYNDROM, aber man kann hier nicht wirklich von einer Szene sprechen, es sind eher exotische Bands und Projekte (Speedcore ist zum Beispiel noch populärer, aber dafür auch mehr mit digitalem Hardcore als mit Grindcore verwandt).
Es gibt keinen Roster, ich nehme auch keine Bands unter Vertrag. Ich hab das erste ELECTROCUTIONERDZ Album rausgebracht, aber der macht nun seinen eigenen Kram. Die Bands, mit denen GÅNGLÎÅ Split-Alben gemacht hat, haben sich mittlerweile alle von der Musik verabschiedet. In meiner Gegend gibt es ein paar eGrind-Bands, aber ich würde das auch nicht eine Szene nennen. Ich hab davon gehört, dass GÅNGLÎÅ wohl etliche Leute angeregt hat, selbst Musik zu machen, weshalb es wohl jene Bands in meiner Gegend gibt. Deutschland hat LIBIDO AIRBAG! Einer meiner absoluten Favoriten!
Jetzt zu etwas völlig anderem… Was hälst Du eigentlich von EMO? 😉
(O-Ton + Geballer:)
extermination began years ago
piles of frail emo corpses lay in waste
depletion deletion devastation on the emo species i will bring havoc on each emo extinction killing off emo one song at a time
Nenn uns doch bitte ein paar Deiner bevorzugten Musiker und Haupteinflüsse auf Deine Musik! Was hörst Du Dir, abgesehen von eGrind, sonst noch an? Ich denke mal, unsere Leser bei metal.de wird es vor allem interessieren, was Du zu Metal und klassischem Grindcore zu sagen hast.
Der neue Grindcore stinkt. Existiert er überhaupt noch? Sicherlich, aber ich hab‘ nix davon gehört. Meine Lieblingsbands sind seit Jahren Discordance Axis, Naked City und Libido Airbag. Ich würde sagen, dass diese Bands einflußreich waren. Seit neuem höre ich auch Black Dahlia Murder, Amon Amarth, Amon Tobin, Venetian Snares und anderen Metal und Breakbeat Musik. Und Trollfest! 🙂
Letzter Fragenkomplex: Gibt es schon Pläne und Projekte für die nicht allzu ferne Zukunft von GÅNGLÎÅ und Einsteinium Records? Irgendwelche Kollaborationen mit anderen Musikern oder Labels?
Momentan ist eine GÅNGLÎÅ Langrille in Arbeit, aber der Gesang muß noch aufgenommen werden. Ich arbeite auch unter den Namen SARS! und Cyborg i. Auf Einsteinium Records wird eine Split dieser beiden Projekte erscheinen. Anfang nächsten Jahres werde ich dann wahrscheinlich damit anfangen, Material für die Drum Machine Compilation #4 zu sammeln. Ich bin auf der Suche nach guten eGrind / Drum Machine Bands, also meldet Euch bei mir!
Alles klar, das war’s dann auch schon! Schönen Dank für’s Beantworten der Fragen, ich denke mal, unsere Leser können jetzt schon etwas mehr mit dem Begriff „eGrind“ anfangen. Irgendwelche letzten, weisen Worte?
Schaut mal bei www.iamfrantic.com vorbei, und ich nehm‘ die Bratwurst Platte!
http://www.iamfrantic.com/ganglia
http://www.myspace.com/ganglia
http://www.iamfrantic.com/esr (Einsteinium Records)
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Stile | Electronic, Grindcore |
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