Fvneral Fvkk
"Wir machen's einfach!"
Interview
Bereits mit ihrer EP „Lecherous Liturgies“ sorgten FVNERAL FVKK musikalisch fast einhellig für positive Reaktionen, obwohl über den Bandnamen gerne diskutiert wurde. Mit ihrem Longplay-Debüt „Carnal Confessions“ konnte die Gruppe aus Musikern, die u.a. bereits in Bands wie FÄULNIS, OPHIS oder VOIDHAVEN aktiv waren bzw. noch sind, nochmal ordentlich einen draufsetzen. Wir befragten Gitarrist Decanus Obscaenus und Sänger Cantor Cinaedicus zu ihren Ursprüngen, dem Konzept hinter FVNERAL FVKK und natürlich zum Album.
Hallo zusammen! Bitte erzählt zu Anfang mal ein wenig, wie FVNERAL FVKK überhaupt entstanden ist. Wer hatte die Idee und wie habt Ihr letztlich das Konzept der Band entwickelt?
Decanus Obscaenus: Entstanden ist die Band eigentlich aufgrund einer Idee von unserem Schlagzeuger Frater Flagellum und mir. Wir wollten schon lange Musik zusammen machen und es war zunächst überhaupt nicht so gedacht, dass wir in Richtung von melodischem Doom gehen. Eigentlich sollte es viel rauer und dreckiger werden, daher auch der Bandname, der im Prinzip als erstes entstanden ist. Dann hat sich die Musik aber in eine völlig andere Richtung entwickelt, als ursprünglich gedacht und wurde, als das Grundgerüst soweit stand, immer melodischer. Ich wollte außerdem gerne einen Sänger haben, der auch clean singt, da ich bislang immer in Bands gespielt habe, wo Schreigesang oder Gegrunze angesagt war. So kamen wir dann relativ schnell auf Cantor Cinaedicus und auch sonst fand sich die Formation recht zügig zusammen. Daraus ergab sich dann der Sound so, wie wir jetzt klingen.
Cantor Cinaedicus: Vielleicht noch ergänzend: Für zwei, drei Monate gab es noch einen anderen Sänger, was aber aus diversen Gründen nicht so richtig funktioniert hat. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich zu der Zeit noch bei OPHIS Gitarre gespielt habe, gemeinsam mit Frater Flagellum und Vicarius Vespillo. Als ersterer mir von der Idee erzählte, meinte ich noch eher aus Spaß, dass ich das Material auch einsingen könnte, wenn die anderen Bock darauf hätten. Da ich die Mucke geil fand, habe ich ein paar Gesangsdemos rüber geschickt und so ist dann auch recht schnell die EP („Lecherous Liturgies“, Anmerk. d. Verf.) entstanden.
Decanus Obscaenus: Es hat sich also alles relativ locker von selbst ergeben, wir haben da wenig geplant.
Das erklärt für mich auch ganz gut Euren Sound. Ihr werdet in der Regel als „Epic Doom“ eingeordnet, was insoweit stimmt, dass Ihr keinen gutturalen Gesang verwendet. Aber gerade was die Gitarren angeht, klingt Ihr eher nach alten MY DYING BRIDE als nach gerade in diesem Bereich aktuellen Bands wie z.B. SOLSTICE.
Decanus Obscaenus: Ja, da hast Du im Prinzip Recht, das liegt aber auch in erster Linie daran, dass ich aus der Richtung Black- und Death Metal komme und mit Doom bis dahin gar nicht so viel zu tun hatte. Für mich ist es also das erste Mal, dass ich mich in diese Doom-Gefilde vorwage. Deshalb der etwas „deftige“ Gitarren-Sound, der der Band nun letztlich auch ganz gut tut.
Cantor Cinaedicus: Ich war auch recht erstaunt, als ich dazu kam, da die Gitarren eher in einem Death- Metal-Tuning gestimmt waren. Ich mochte das aber auch sehr gern. Es soll also auch ein wenig derber klingen, als beispielsweise CANDLEMASS, auch wenn diese durchaus einen Einfluss auf das Songwriting hatten. Ich hoffe, wir haben das hinbekommen.
Decanus Obscaenus: Ich finde es aber ganz spannend, dass Du gerade MY DYING BRIDE ansprichst, da wir schon die Idee hatten, dass unser Sound ein wenig in Richtung 90er Death Doom gehen soll. Früher habe ich beispielsweise auch viel OPETH gehört, was mich vermutlich in Sachen Melodieführung auch ziemlich geprägt hat.
Allein Euer Bandname zeigt ja schon recht deutlich, dass Ihr eher mit einem gewissen sarkastischen Humor an die Sache herangeht. Die angesprochenen Themen, allen voran der sexuelle Missbrauch innerhalb der Kirche, sind aber keineswegs zum Lachen. Sagt Ihr da eher „Satire darf alles“ oder könntet Ihr auch verstehen, wenn neben Vertretern der Kirche, denen Ihr ja vermutlich gerne auf die Füße tretet, möglicherweise Betroffene Anstoß an Eurem Konzept nehmen?
Decanus Obscaenus: Deine Frage zielt eigentlich schon genau dahin, wo wir hin wollen. Ganz wichtig ist uns, dass wir uns in den Texten nicht über die Opfer lustig machen, sondern der Kirche einen Spiegel vorhalten. Das ist natürlich ein schmaler Grat, soll auch explizit sein und erst einmal anecken, aber wir machen uns hier über niemanden lustig. Das ist uns ein wirkliches Anliegen. Natürlich sprechen wir über ein ernstes Thema, was uns alle in der Band sofort gekriegt hat. Als wir anfingen, uns intensiver mit der Thematik auseinanderzusetzen, war uns deren Tiefe aber noch gar nicht wirklich klar.
Cantor Cinaedicus: Vielleicht kommt daher auch noch die natürlich durchaus vorhandene Diskrepanz zwischen dem Bandnamen und unserer jetzigen Herangehensweise an die Themen, die wir ansprechen. Das ist auch bedingt durch die Entstehungsgeschichte der Band die, wie schon angesprochen, eigentlich in eine ganz andere Richtung gehen sollte. Man merkt das vielleicht auch noch ganz gut an den Songtiteln der ersten EP. Da mussten wir selbst erst einmal herausfinden, wie ironisch oder wie ernst wir eigentlich sein möchten. Mit dem Album sind wir uns jetzt aber sehr sicher: „Carnal Confessions“ soll eine bitterböse Parodie und Satire sein, die ganz klar den Finger in die Wunde legt, um Missstände anzusprechen, die in der Kirche unter den Teppich gekehrt werden. Dort werden Täter geschützt und Opfer praktisch ein zweites Mal zum Opfer gemacht. Wie Decanus Obscaenus bereits gesagt hat, ist es uns aber natürlich sehr wichtig, dass eben jene Opfer sich nicht von uns verspottet fühlen. Ich kann aber verstehen, wenn sich daran jemand stört, da es eben in der Tat ein schmaler Grat ist zwischen Anecken, um Aufmerksamkeit für ein Thema zu erregen und einfach zu weit zu gehen – besonders wenn man einen Namen hat wie wir. Aber man kann es natürlich nie allen Recht machen.
Decanus Obscaenus: Was uns extrem aufgefallen ist: In den USA wird viel stärker auf unseren Bandnamen reagiert, als hierzulande. Da gab es wirklich Leute, die gesagt haben: „Die Musik gefällt mir total gut, aber ich kaufe die Platte wegen des Namens nicht.“ In Europa scheint man da wesentlich weniger empfindlich zu sein.
Wobei es ja wenig überraschend ist, dass gerade aus einem Land wie den USA, in dem es nach wie vor sehr viele strenggläubige Christen gibt, solche Reaktionen kommen…
Decanus Obscaenus: Prinzipiell hast Du schon Recht, aber dass auch innerhalb der Metal-Szene wirklich sehr harsch darauf reagiert wird, das hat mich doch überrascht.
Cantor Cinaedicus: Wenn wir schon bei dem Thema sind, kann ich auch noch ergänzen, dass es durchaus auch bandintern lange Diskussionen darüber gab, ob wir den Namen so beibehalten. Gerade als klar wurde, dass wir textlich ernsthafter werden wollen, da es sich um ein ernstes Thema handelt, bei dem man noch nicht einmal tief graben muss, um wirklich krasse Geschichten zu finden. Wir stellten uns also selber die Frage, ob der Name FVNERAL FVKK noch zu uns passt, oder eben nicht. Wir haben uns diese Entscheidung nicht einfach gemacht, da es auch gute Argumente dafür gab, den Namen zu ändern.
Die Titel auf der EP sind, wie von Euch schon erwähnt, mit Nummern wie „Erection In The House Of God“ oder „Fvkking At Fvnerals“ ja doch recht… sagen wir plakativ ausgefallen. Auf dem Album geht ihr jetzt ein wenig subtiler zu Werke. Nach dem, was Ihr gerade erzählt habt, gehe ich davon aus, dass es sich dabei um eine ganz bewusste Entscheidung handelte?
Decanus Obscaenus: Ja, das war eine absolut bewusste Entscheidung. Wir wollten textlich einfach ein wenig weg von diesem ganz rauen, fast schon plumpen. Das lag damals daran, dass die EP einfach komplett aus dem Bauch heraus entstanden ist. Wir sagten uns damals: „Wir machen einfach, wonach uns gerade ist, worauf wir gerade Bock haben.“ Zu diesem Zeitpunkt konnten wir aber natürlich noch nicht wissen, wie sich die Geschichte weiterentwickelt. Unser Ziel war damals einfach nur, eine EP herauszubringen, mit ein wenig Glück vielleicht noch über ein Label. Was daraus jetzt geworden ist, das ist einfach viel mehr, als wir je erwartet hätten. Wir haben uns da nicht so viele Gedanken gemacht. Bei „Carnal Confessions“ war das anders, da die Erwartungen recht groß waren und wir auch fanden, dass die bisherige Art der Texte nicht mehr zu dem passt, was wir eigentlich sagen wollen.
Nun bietet die organisierte christliche Religion ja wahrlich genug Abgründe. In Euren Songs geht es teils um Themengebiete, aber auch um konkrete Ereignisse. Wie wählt Ihr die Thematiken, die in Euren Songs aufgegriffen werden, aus?
Cantor Cinaedicus: Schwer zu sagen. Wir haben angefangen, bewusster darauf zu achten, was in den Nachrichten und allgemein in den Medien auftaucht. Da fliegt einem ziemlich viel bereits von selbst zu. Man muss gar nicht mal viel recherchieren. Es gibt natürlich auch Songs wie „The Hallowed Leech“, die eher einen historischen Hintergrund haben. Viele der zugrunde liegenden Geschichten sind aber tatsächlich eher jüngeren Datums. Es gehen ja immer wieder, sei es jetzt auf Deutschland bzw. Europa bezogen oder weltweit, Meldungen über diverse Missbrauchsskandale in der Kirche durch die Medien. Das muss man eigentlich nur noch aufgreifen.
Decanus Obscaenus: Die Kirche nimmt uns im Prinzip die Arbeit ab. Das ist erstaunlich, aber natürlich auch erschreckend. Uns fliegen diese Themen zu und sobald man versucht, ein klein wenig tiefer zu schürfen, tut sich ein Loch ohne Boden auf. Wir haben jetzt bereits unendlich viele Ideen für das nächste Album – falls noch eines kommt – zumindest was die Texte angeht. Besonders erschreckend finde ich auch, dass die Kirche nichts dafür tut, dass die Vorkommnisse irgendwie verarbeitet werden, sondern sie deckelt, vielleicht kurz sagt, dass es ihnen leid tut und große Synoden einberuft, bei denen überhaupt nichts herauskommt.
Cantor Cinaedicus: Wenn sie denn überhaupt sagen, dass es ihnen leid tut. Das ist ja eigentlich das Schlimmste. Das Widerlichste daran ist ja meistens, dass die Kirche irgendwie versucht, die Fehltritte zu rechtfertigen, auf völlig absurde Art und Weise. Dabei wird den Opfern eigentlich nochmal ins Gesicht geschlagen. Das ist für mich wirklich unfassbar.
Decanus Obscaenus: Dabei kann man fast zynisch werden. Wir finden uns dann plötzlich in einer Rolle wieder, dass wir als Underground-Doom-Band anfangen, solche Themen anzusprechen, obwohl das ja ganz klar Kirchenaufgabe wäre.
In „A Shadow In The Dormitory“ sprecht Ihr die „Gibault School for Boys“ in Indiana an, die sowohl vom „Lippenstift-Killer“ William Heirens als auch von Charles Manson besucht wurde. Wie seid Ihr auf dieses Thema gestoßen? Ist diese Schule für Euch ein Indiz dafür, dass das System Kirche schlechte Menschen hervorbringt bzw. hervorbringen kann?
Cantor Cinaedicus: Zum ersten Teil Deiner Frage: Dieser Text stammt von Frater Flagellum, daher kann ich nur aus meiner Erinnerung rezitieren. Er interessiert sich einfach generell für verschiedene Facetten von Serienkiller-Thematiken. Da gab es also eine Überschneidung, die er aufgegriffen hat.
Decanus Obscaenus: Der Song ist auch sehr früh entstanden.
Cantor Cinaedicus: Genau, das ist tatsächlich einer der ältesten Songs auf der Platte. Zum zweiten Teil der Frage: Ich habe durchaus auch christliche Freunde. Einer meiner besten Freunde ist sogar bekennender Christ, ist aber wiederum auch einer der größten Kirchenkritiker, die ich kenne. Er sagt selber, dass es einen riesigen Unterschied zwischen Glaube und Institution gibt. Ich selber kann mit Religion überhaupt nichts anfangen, kann aber verstehen, wenn jemand das tut. Das, was ich in den meisten großen Religionen, besonders den monotheistischen beobachte ist, dass sobald sie institutionalisiert werden, ein Machtfaktor entsteht. Der wird dann aufs Gnadenloseste missbraucht. Ich denke also nicht, dass man sagen kann, die Kirche bringt per se schlechte Menschen hervor. Sie bietet aber Strukturen, die extrem gut dafür geeignet sind, das zu unterstützen.
Decanus Obscaenus: Ich denke auch, dass es bei uns nicht darum geht, einen Glauben zu kritisieren. Das ist nicht unser Anliegen. Es geht vielmehr darum, dass die Institutionen, die den Glauben ins Hier und Jetzt bringen, der Fehler im System sind und nicht, dass das, was jemand glaubt, irgendwie falsch wäre. Wir schauen also, wie sich die Institution darstellt und welche Auswüchse sie auf der düstersten Seite hat.
Cantor Cinaedicus: Kurz zusammengefasst würde ich sagen: Wir sind eine explizit antikirchliche Band, aber nicht zwangsweise eine antichristliche. Obwohl sich vermutlich aufgrund unserer Wortwahl und des optischen Auftretens auch viele christliche Gläubige auf den Schlips getreten fühlen. Das ist für mich auch völlig in Ordnung, aber sicherlich nicht unsere Hauptintention.
Da wir mit „A Shadow In The Dormitory“ gerade schon bei „Carnal Confessions“ waren: Auf dem Album habt Ihr Euch im Vergleich zur ersten EP „Lecherous Liturgies“ in allen Bereichen deutlich hörbar weiterentwickelt. Sei es der Gesang, der noch sakraler klingt, die wirklich unglaublich intensiven Melodielinien oder auch der wesentlich vollere Sound. Wie seid Ihr an das Songwriting und die Aufnahmen herangegangen? Was hat Euch an der EP im Nachhinein gestört?
Decanus Obscaenus: Ich muss erstaunlicherweise sagen, dass mir die EP nach wie vor total gut gefällt. Ich halte sie für genau richtig, so wie sie klingt und sie war genau das, was wir damals machen wollten. Wir waren damals aber einfach in einer Phase, in der wir noch ausprobieren mussten, in welche Richtung dieses ganze Ding geht. Jetzt haben wir uns relativ viel Zeit gelassen, diese Songs entstehen zu lassen. Das Album musste einfach wachsen. Die EP war ein erstes Ausprobieren, ob das, was wir als Grundidee hatten, so funktioniert. Ich bin nach wie vor total zufrieden damit und finde sie perfekt, so wie sie ist und für das, was wir damals wollten. Das Album ist aber einfach ausgereifter, da wir deutlich strukturierter herangegangen sind. Was den Songwriting-Prozess angeht, sind wir relativ speziell, was wohl in erster Linie an mir liegt, da ich es hasse, im Proberaum zu sein. Wir arbeiten also fast nur zu Hause und mittlerweile sind praktisch alle am Songwriting beteiligt. Wir sitzen also alle am Rechner, es kommen Riffs zusammen, manchmal entstehen plötzlich Songs, manchmal nur Fragmente, die hierhin oder dahin geschoben werden. Das klingt zwar ein wenig unromantisch, aber es ist wirklich ziemlich viel Computer-Arbeit.
Cantor Cinaedicus: Was die Texte angeht, muss ich erst einmal sagen, dass ein Großteil davon nicht von mir als Sänger stammt, obwohl ich natürlich daran beteiligt bin und in der Regel die Endkorrektur übernehme. Auf der Platte habe ich zwei Texte mehr oder weniger komplett geschrieben. Der Großteil der Ideen und Grundtexte kommt aber von unserem Schlagzeuger Frater Flagellum. Er hat da noch mehr Bock, sich richtig in die Themen einzufuchsen. Ansonsten hat sich zwischen EP und Album im Ablauf des eigentlichen Songwritings gar nicht so viel verändert. Wir wussten jetzt ein wenig genauer, welche Stimmung wir erzeugen wollen und haben uns ansonsten nicht unter Druck setzen lassen. Auch wenn das immer etwas nach einem doofen Klischee klingt, haben wir eine Platte gemacht, die am Ende so klingt, dass wir selber sie abfeiern. Wir kannten den Produzenten auch bereits von anderen Bands und wussten, wie man mit ihm zusammenarbeiten kann, konnten ihm ganz gut unsere Ideen erklären. Im Nachhinein gab es ein, zwei kleinere Sound-Geschichten, die wir auf der EP zwar genau so haben wollten, die wir jetzt aber einfach nicht mehr so toll fanden. Das konnten wir auf dem Album recht gut anpassen.
Kommen wir mal zu Euren Live-Auftritten. Zurzeit ist Eure Bühnenshow ja relativ minimalistisch. Das Thema „Dunkle Kapitel der Kirche“ bietet aber natürlich noch mannigfaltige Möglichkeiten, hier eine spannende, aufwendigere Bühnenshow zu kreieren. Plant Ihr in dieser Hinsicht etwas? Wollt Ihr sowas überhaupt?
Cantor Cinaedicus: Ziemlich klar: Nein! Es ist pure Absicht, dass das Ganze so minimalistisch ist. Das ist z.B. auch der Grund für unsere Pseudonyme. Wir wollen ja nicht auf Teufel komm raus verschleiern, wer wir sind. Jeder, der sich mal die Mühe macht, sich ein Foto von uns anzuschauen und das mit Fotos unserer anderen Bands vergleicht, weiß das ohnehin sofort. Es geht vielmehr darum, mit den Pseudonymen und eben auch mit den Bühnen-Outfits eine Stimmung zu unterstützen und das satirische Konzept dieser bösen, lüsternen Priesterhorde, die genau das widerspiegelt, was in der Kirche falsch läuft. Das allerdings – und das ist der Grund, warum wir das nicht weiter ausbauen möchten – ohne den Fokus von der Musik zu nehmen. Das ist uns wirklich wichtig. Wir wollen nicht die KISS des Doom werden und für irgendein Bühnen- Brimborium bekannt sein. Letztlich soll schon die Musik der Grund sein, warum Leute Bock haben, uns zu sehen. Viel mehr „Karneval“ wird da also nicht stattfinden.
Decanus Obscaenus: Ich würde es auch genau andersherum sehen und gar nicht die Frage stellen, ob das jetzt mehr werden kann. Wenn man sich vorstellt, wir würden mit dieser Grundidee in Straßenklamotten auftreten, dann halte ich das aber auch nicht für passend. Daher war das der Kompromiss, dass wir sagen, wir ziehen uns ein paar Priester-Roben an und stellen ein paar Grablichter auf. Natürlich gibt es viele Bands, wie z.B. GHOST, die da ein Riesending draus machen, obwohl das natürlich eine völlig andere Größenordnung ist. Da geht es sehr stark um den Show-Aspekt. Da wollen wir aber nicht hin und da werden wir auch nie hinkommen. Wenn man Bands wie ATTIC sieht, die ich sehr schätze und die auch etwas mehr Show um ein kirchliches Thema herum machen, finde ich das bei denen sehr stimmig. Die machen aber eben auch keinen Doom. Das macht für mich schon einen Unterschied in der Atmosphäre aus.
Cantor Cinaedicus: Komplett etwas ausschließen möchte ich auch nicht, da man eh nie weiß, was als nächstes passiert. Vielleicht gibt es nochmal ein Upgrade der Bühnengarderobe, einfach weil wir das Gefühl haben, dass es stimmig ist und wir Bock drauf haben. Dazu muss man auch wissen, dass wir nach wie vor keine Band sind, die sich vorher hinsetzt und große Meetings einberuft, um alles super krass zu durchdenken. Wir überlegen uns schon genau, in welche Richtung etwas gehen soll, aber wenn irgendein Detail vielleicht mal nicht bis ins Hinterletzte durchgeplant ist, dann ist das auch okay. Aber am Ende ist es uns vor allem wichtig, dass es nicht Überhand nimmt. Die Show soll nicht der Musik die selbige stehlen. Obwohl es nicht darum geht, dass wir Show per se scheiße finden. Ich finde, dass das auch ein bisschen zur Größe und zum Status der Band passen muss. Wenn eine Band fünf Alben draußen hat, Headliner-Shows spielt und einen gewissen Eintritt nimmt, dann finde ich das als Zuschauer cool und erwarte es sogar ein bisschen, dass sie eine gewisse Spielzeit bietet und auch optisch ein bisschen was her macht. Wenn aber eine Band drei Banner und fünf Aufsteller hat und am besten noch ihr eigenes Bier verkauft, obwohl sie noch nicht mal ein Album gemacht hat, dann finde ich das schnell sehr grenzwertig. Dann lieber ein wenig Understatement, statt es direkt zu übertreiben.
Ein Freund, der Euch auch schon einmal live gesehen hat, sagte mir letztens, dass er den Auftritt musikalisch ja total super fand, aber die Ansagen von Cantor Cinaedicus albern wären und die Atmosphäre der Songs total zerstören würden. Eure Meinung dazu?
Cantor Cinaedicus: Joa, kann er finden (lacht). Das ist ja sein gutes Recht. Da sind wir wieder bei dem Punkt, dass man es nie jedem Recht machen kann. Ich finde das absolut legitim und das ist ja auch Teil des Reizes. Ich meine, als Metal-Fan oder generell als Musik-Nerd darüber zu diskutieren, was man an seinen Lieblingsbands geil oder nicht geil oder nicht mehr geil findet – was gibt es schöneres? Wir haben uns dafür entschieden, das so zu machen, denn wenn wir diese Priesterhorde darstellen, dann kann ich auch predigen. Aber klar, das kann man natürlich auch absolut albern finden. Finde ich völlig in Ordnung.
Wenn wir schon bei Meinungen über Euch sind: Einige Leute, die Eure Musik kennen, sagten mir, dass FVNERAL FVKK ein Ding wäre, was richtig durch die Decke gehen könnte. Wie seht Ihr das? Beabsichtigt Ihr sowas überhaupt, oder seht ihr die Band eher weiter im Underground? Da meines Wissens nach alle Beteiligten noch in anderen Bands aktiv sind: Soll FVNERAL FVKK ein Nebenprojekt bleiben, oder könntet Ihr Euch auch vorstellen, andere Projekte dafür hintenan zu stellen?
Decanus Obscaenus: Eine große Frage, finde ich. Wir planen da eigentlich überhaupt nichts. Die Reaktionen auf das Album haben unsere Erwartungen deutlich übertroffen.
Cantor Cinaedicus: Das hat uns wirklich ziemlich überrollt. Wir hatten zwar für uns das Gefühl, dass wir ein geiles Album gemacht haben und hatten daher zumindest das Selbstbewusstsein zu sagen: „Hey, das ist ne gute Platte.“ Aber, dass die so ankommt, wie sie im Moment anzukommen scheint, hätten wir nie im Leben erwartet. Da freuen wir uns natürlich riesig drüber. Ich denke aber trotzdem nicht, dass das in irgendeiner Weise unsere Herangehensweise ändert. Wir haben Bock, ein paar coole Shows zu spielen, wir haben Bock, coole Platten zu machen mit Musik, auf die wir Lust haben. Wenn wir dafür Ideen haben, dann machen wir das, fühlen uns aber nicht genötigt, weil das jetzt offenbar gut anzukommen scheint, zwangsweise in einem Jahr ein weiteres Album nachzuschieben.
Decanus Obscaenus: Ich glaube, wir sind jetzt alle nicht mehr in einem Alter, in dem wir sagen, dass diese Band unbedingt groß werden muss und das unser Lebenstraum ist. Wir machen alle schon sehr lange Musik in diversen Bands, mal größer mal kleiner, mal laufen sie gut, mal nicht so gut. Es kommt was kommt – das ist eine gute Einstellung. So haben wir das auch vereinbart. Wir spielen nur Gigs, auf die wir richtig Lust haben. Wir machen nur Alben, auf die wir richtig Lust haben. Wir versuchen also, das Ganze möglichst entspannt anzugehen. Diese ganzen positiven Reaktionen freuen uns wahnsinnig und wir haben sie nie erwartet, das ist alles so Over-The-Top. Wir haben eher Probleme, das überhaupt alles zu bedienen, was da gerade so reinkommt. Es freut uns, wenn Leute uns zutrauen, groß zu werden, aber da wird überhaupt nichts geplant. Wenn wir überhaupt noch ein Album machen – wir wissen es einfach nicht.
Cantor Cinaedicus: Wenn wir denken, dass wir gute Ideen haben, die den bisherigen das Wasser reichen können, dann kommt was. Wenn nicht, wäre das sehr schade, aber dann ist es eben so.
Ihr legt Euch sowohl textlich als auch musikalisch – hier besonders mit dem sakral eingefärbten Gesang – ein stilistisch relativ eng geschnürtes „Korsett“ an. Habt Ihr keine Sorge, dass es Euch irgendwann ZU eng werden könnte? Andere Bands, denen ich eine ähnliche Frage gestellt habe, meinten oft darauf, dass sie ihr Konzept gar nicht als einengend sehen. Was meint Ihr dazu?
Decanus Obscaenus: Das Kirchenthema ist ein ziemlich großes und auch nicht gerade neu im Metal, auch wenn wir versuchen, noch einmal etwas anders heranzugehen. Die reinen Thematiken werden uns also sicherlich nicht ausgehen. Du hast aber insofern Recht, da ich z.B. auch schnell dazu neige, etwas anderes machen zu wollen. Es kann also durchaus sein, dass wir sagen: „Da kommt einfach nichts mehr Gutes bei rum, in diesem Stil“. Dann wird diese Band auf Eis gelegt und wir machen alle etwas anderes. Diese Möglichkeit besteht. Ich hoffe das nicht, aber es kann passieren. Das ist natürlich ein spezieller Stil und natürlich haben das „Konzept-Bands“ auch ein wenig so an sich. Man muss das Konzept immer ein wenig bedienen und trotzdem neue Nuancen einbringen. Ob wir das schaffen werden, kann ich überhaupt nicht sagen.
Cantor Cinaedicus: Ich finde die Reaktion anderer Bands, die Du beschreibst interessant. Rein textlich finde ich es nämlich gerade sehr angenehm, dieses „Korsett“ zu haben, da es das Texte schreiben eher einfacher macht. Man hat etwas, an dem man sich orientieren kann. So eingeschränkt sehe ich uns auch tatsächlich musikalisch nicht. Klar, wir können jetzt nicht plötzlich mit Saxophon anfangen, aber auf der anderen Seite war ich auch überrascht davon, dass in vielen Reviews aufgegriffen wurde, dass wir in einem Song („Poor Sisters Of Nazareth“, Anmerk. d. Verf.) Samples verwendet haben. Wir fanden das total organisch und selbstverständlich, aber offenbar war sogar das schon etwas, was normalerweise nicht innerhalb unseres „Korsetts“ passiert. Da greift also wieder, dass wir uns im Zweifelsfall eher weniger als mehr Gedanken machen. Wenn wir es geil finden, dann machen wir es halt. Es gibt gewisse Sachen, bei denen man denkt, dass es jetzt einfach nicht passt, das hat man aber einfach im Gefühl. Ich fühle mich da bisher jedenfalls noch nicht beengt.
Decanus Obscaenus: Das einzige Korrektiv, das ich etablieren möchte, sind erst einmal alle Bandmitglieder. Alle anderen haben da erst mal nichts zu melden, was wir machen wollen und was nicht. Wenn einer in der Band sagt, dass er beispielsweise das Sample nicht gut findet, weil es nicht passt, dann wird es auch nicht genommen. Wenn wir das aber alle irgendwie passend finden, kommt es auch mit auf die Platte. Das ist für mich eine sehr entspannte Arbeitsweise, da wir uns keine Gedanken machen müssen, was möglicherweise ankommt, dass man Doom so oder so machen muss, kein umgedrehtes Kreuz haben darf. Das ist ja alles eh total widersprüchlich. Wir haben ein umgedrehtes Kreuz im Logo, sind aber Priester. Das ist ja auch alles nicht konsequent. Wir machen‘s einfach.
Cantor Cinaedicus: (Lacht) Ja, das finde ich eine gute Aussage: Wir machen’s einfach!
Perfekt, das kann ich doch direkt als Überschrift für das Interview verwenden.
Cantor Cinaedicus: Finde ich gut, ist doch ne tolle Headline (lacht).
Eines noch zum Abschluss: Lustig, dass Ihr selbst gerade angesprochen habt, dass das Thema Kirchenkritik nicht unbedingt neu im Metal ist. Das war ja tatsächlich auch einer der ersten Kommentare zur Rezension auf metal.de.
Cantor Cinaedicus: Ja, das haben wir auch gesehen und da hat der Kommentator natürlich vollkommen Recht. Dem halte ich aber immer gerne entgegen: Welches Thema gab es noch nie? Wenn man andererseits etwas nur macht, damit es auf Teufel komm raus etwas völlig neues ist, heißt das noch lange nicht, dass neu auch geil ist. Auch als Fan habe ich dann lieber etwas, was vielleicht so oder so ähnlich schon einmal da war, dafür aber auf hohem Niveau. Letztlich ist Kirchenkritik in jeglicher Couleur ja auch ein gewisses Steckenpferd im Metal und ich denke, dass wir davon eine Nuance beleuchten, die noch nicht zu überstrapaziert ist.
Ich danke Euch für das interessante Gespräch.
Cantor Cinaedicus: Vielen Dank für die interessanten Fragen!
Hinweis: Das Interview wurde per Skype geführt.