Fvneral Fvkk
"Wir machen's einfach!"

Interview

In „A Shadow In The Dormitory“ sprecht Ihr die „Gibault School for Boys“ in Indiana an, die sowohl vom „Lippenstift-Killer“ William Heirens als auch von Charles Manson besucht wurde. Wie seid Ihr auf dieses Thema gestoßen? Ist diese Schule für Euch ein Indiz dafür, dass das System Kirche schlechte Menschen hervorbringt bzw. hervorbringen kann?

Cantor Cinaedicus: Zum ersten Teil Deiner Frage: Dieser Text stammt von Frater Flagellum, daher kann ich nur aus meiner Erinnerung rezitieren. Er interessiert sich einfach generell für verschiedene Facetten von Serienkiller-Thematiken. Da gab es also eine Überschneidung, die er aufgegriffen hat.

Decanus Obscaenus: Der Song ist auch sehr früh entstanden.

Cantor Cinaedicus: Genau, das ist tatsächlich einer der ältesten Songs auf der Platte. Zum zweiten Teil der Frage: Ich habe durchaus auch christliche Freunde. Einer meiner besten Freunde ist sogar bekennender Christ, ist aber wiederum auch einer der größten Kirchenkritiker, die ich kenne. Er sagt selber, dass es einen riesigen Unterschied zwischen Glaube und Institution gibt. Ich selber kann mit Religion überhaupt nichts anfangen, kann aber verstehen, wenn jemand das tut. Das, was ich in den meisten großen Religionen, besonders den monotheistischen beobachte ist, dass sobald sie institutionalisiert werden, ein Machtfaktor entsteht. Der wird dann aufs Gnadenloseste missbraucht. Ich denke also nicht, dass man sagen kann, die Kirche bringt per se schlechte Menschen hervor. Sie bietet aber Strukturen, die extrem gut dafür geeignet sind, das zu unterstützen.

Decanus Obscaenus: Ich denke auch, dass es bei uns nicht darum geht, einen Glauben zu kritisieren. Das ist nicht unser Anliegen. Es geht vielmehr darum, dass die Institutionen, die den Glauben ins Hier und Jetzt bringen, der Fehler im System sind und nicht, dass das, was jemand glaubt, irgendwie falsch wäre. Wir schauen also, wie sich die Institution darstellt und welche Auswüchse sie auf der düstersten Seite hat.

Cantor Cinaedicus: Kurz zusammengefasst würde ich sagen: Wir sind eine explizit antikirchliche Band, aber nicht zwangsweise eine antichristliche. Obwohl sich vermutlich aufgrund unserer Wortwahl und des optischen Auftretens auch viele christliche Gläubige auf den Schlips getreten fühlen. Das ist für mich auch völlig in Ordnung, aber sicherlich nicht unsere Hauptintention.

Da wir mit „A Shadow In The Dormitory“ gerade schon bei „Carnal Confessions“ waren: Auf dem Album habt Ihr Euch im Vergleich zur ersten EP „Lecherous Liturgies“ in allen Bereichen deutlich hörbar weiterentwickelt. Sei es der Gesang, der noch sakraler klingt, die wirklich unglaublich intensiven Melodielinien oder auch der wesentlich vollere Sound. Wie seid Ihr an das Songwriting und die Aufnahmen herangegangen? Was hat Euch an der EP im Nachhinein gestört?

Decanus Obscaenus: Ich muss erstaunlicherweise sagen, dass mir die EP nach wie vor total gut gefällt. Ich halte sie für genau richtig, so wie sie klingt und sie war genau das, was wir damals machen wollten. Wir waren damals aber einfach in einer Phase, in der wir noch ausprobieren mussten, in welche Richtung dieses ganze Ding geht. Jetzt haben wir uns relativ viel Zeit gelassen, diese Songs entstehen zu lassen. Das Album musste einfach wachsen. Die EP war ein erstes Ausprobieren, ob das, was wir als Grundidee hatten, so funktioniert. Ich bin nach wie vor total zufrieden damit und finde sie perfekt, so wie sie ist und für das, was wir damals wollten. Das Album ist aber einfach ausgereifter, da wir deutlich strukturierter herangegangen sind. Was den Songwriting-Prozess angeht, sind wir relativ speziell, was wohl in erster Linie an mir liegt, da ich es hasse, im Proberaum zu sein. Wir arbeiten also fast nur zu Hause und mittlerweile sind praktisch alle am Songwriting beteiligt. Wir sitzen also alle am Rechner, es kommen Riffs zusammen, manchmal entstehen plötzlich Songs, manchmal nur Fragmente, die hierhin oder dahin geschoben werden. Das klingt zwar ein wenig unromantisch, aber es ist wirklich ziemlich viel Computer-Arbeit.

Cantor Cinaedicus: Was die Texte angeht, muss ich erst einmal sagen, dass ein Großteil davon nicht von mir als Sänger stammt, obwohl ich natürlich daran beteiligt bin und in der Regel die Endkorrektur übernehme. Auf der Platte habe ich zwei Texte mehr oder weniger komplett geschrieben. Der Großteil der Ideen und Grundtexte kommt aber von unserem Schlagzeuger Frater Flagellum. Er hat da noch mehr Bock, sich richtig in die Themen einzufuchsen. Ansonsten hat sich zwischen EP und Album im Ablauf des eigentlichen Songwritings gar nicht so viel verändert. Wir wussten jetzt ein wenig genauer, welche Stimmung wir erzeugen wollen und haben uns ansonsten nicht unter Druck setzen lassen. Auch wenn das immer etwas nach einem doofen Klischee klingt, haben wir eine Platte gemacht, die am Ende so klingt, dass wir selber sie abfeiern. Wir kannten den Produzenten auch bereits von anderen Bands und wussten, wie man mit ihm zusammenarbeiten kann, konnten ihm ganz gut unsere Ideen erklären. Im Nachhinein gab es ein, zwei kleinere Sound-Geschichten, die wir auf der EP zwar genau so haben wollten, die wir jetzt aber einfach nicht mehr so toll fanden. Das konnten wir auf dem Album recht gut anpassen.

Fvneral Fvkk Live

Fvneral Fvkk mit Cantor Cinaedicus (2.v.r.) und Decanus Obscaenus (ganz rechts) – Foto: Kandziora Photo

Kommen wir mal zu Euren Live-Auftritten. Zurzeit ist Eure Bühnenshow ja relativ minimalistisch. Das Thema „Dunkle Kapitel der Kirche“ bietet aber natürlich noch mannigfaltige Möglichkeiten, hier eine spannende, aufwendigere Bühnenshow zu kreieren. Plant Ihr in dieser Hinsicht etwas? Wollt Ihr sowas überhaupt?

Cantor Cinaedicus: Ziemlich klar: Nein! Es ist pure Absicht, dass das Ganze so minimalistisch ist. Das ist z.B. auch der Grund für unsere Pseudonyme. Wir wollen ja nicht auf Teufel komm raus verschleiern, wer wir sind. Jeder, der sich mal die Mühe macht, sich ein Foto von uns anzuschauen und das mit Fotos unserer anderen Bands vergleicht, weiß das ohnehin sofort. Es geht vielmehr darum, mit den Pseudonymen und eben auch mit den Bühnen-Outfits eine Stimmung zu unterstützen und das satirische Konzept dieser bösen, lüsternen Priesterhorde, die genau das widerspiegelt, was in der Kirche falsch läuft. Das allerdings – und das ist der Grund, warum wir das nicht weiter ausbauen möchten – ohne den Fokus von der Musik zu nehmen. Das ist uns wirklich wichtig. Wir wollen nicht die KISS des Doom werden und für irgendein Bühnen- Brimborium bekannt sein. Letztlich soll schon die Musik der Grund sein, warum Leute Bock haben, uns zu sehen. Viel mehr „Karneval“ wird da also nicht stattfinden.

Decanus Obscaenus: Ich würde es auch genau andersherum sehen und gar nicht die Frage stellen, ob das jetzt mehr werden kann. Wenn man sich vorstellt, wir würden mit dieser Grundidee in Straßenklamotten auftreten, dann halte ich das aber auch nicht für passend. Daher war das der Kompromiss, dass wir sagen, wir ziehen uns ein paar Priester-Roben an und stellen ein paar Grablichter auf. Natürlich gibt es viele Bands, wie z.B. GHOST, die da ein Riesending draus machen, obwohl das natürlich eine völlig andere Größenordnung ist. Da geht es sehr stark um den Show-Aspekt. Da wollen wir aber nicht hin und da werden wir auch nie hinkommen. Wenn man Bands wie ATTIC sieht, die ich sehr schätze und die auch etwas mehr Show um ein kirchliches Thema herum machen, finde ich das bei denen sehr stimmig. Die machen aber eben auch keinen Doom. Das macht für mich schon einen Unterschied in der Atmosphäre aus.

Cantor Cinaedicus: Komplett etwas ausschließen möchte ich auch nicht, da man eh nie weiß, was als nächstes passiert. Vielleicht gibt es nochmal ein Upgrade der Bühnengarderobe, einfach weil wir das Gefühl haben, dass es stimmig ist und wir Bock drauf haben. Dazu muss man auch wissen, dass wir nach wie vor keine Band sind, die sich vorher hinsetzt und große Meetings einberuft, um alles super krass zu durchdenken. Wir überlegen uns schon genau, in welche Richtung etwas gehen soll, aber wenn irgendein Detail vielleicht mal nicht bis ins Hinterletzte durchgeplant ist, dann ist das auch okay. Aber am Ende ist es uns vor allem wichtig, dass es nicht Überhand nimmt. Die Show soll nicht der Musik die selbige stehlen. Obwohl es nicht darum geht, dass wir Show per se scheiße finden. Ich finde, dass das auch ein bisschen zur Größe und zum Status der Band passen muss. Wenn eine Band fünf Alben draußen hat, Headliner-Shows spielt und einen gewissen Eintritt nimmt, dann finde ich das als Zuschauer cool und erwarte es sogar ein bisschen, dass sie eine gewisse Spielzeit bietet und auch optisch ein bisschen was her macht. Wenn aber eine Band drei Banner und fünf Aufsteller hat und am besten noch ihr eigenes Bier verkauft, obwohl sie noch nicht mal ein Album gemacht hat, dann finde ich das schnell sehr grenzwertig. Dann lieber ein wenig Understatement, statt es direkt zu übertreiben.

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Quelle: Interview mit Decanus Obscaenus und Cantor Cinaedicus / Fvneral Fvkk
25.11.2019

"Time doesn't heal - it only makes you forget." (Ghost Brigade)

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