Frei.Wild
Interview mit Philipp Burger zu "Hart Am Wind"
Interview
Mit sechs Alben im Gepäck sind FREI.WILD wahrlich keine Unbekannten mehr, zumindest für diejenigen, die sich für deutschsprachige Rockmusik begeistern können. Mit dem aktuellen Album „Hart Am Wind“ aber wirbeln die Südtiroler nun ordentlich Staub auf, denn die Jungs sind wahrhaftig auf dem besten Weg in die musikalischen Fußstapfen der BÖHSEN ONKELZ zu treten. Philipp Burger (Gesang, E-Gitarre) hatte ein offenes Ohr und stellte sich unseren Fragen.
Moin Philipp. FREI.WILD haben als Coverband angefangen und neben Songs von den DIMPLE MINDS, WIZO und DEN TOTEN HOSEN habt ihr auch immer wieder die BÖHSEN ONKELZ gespielt. Was fasziniert euch denn gerade an diesen Bands und vor allem an den ONKELZ?
Hallo und danke für die Gelegenheit zu diesem Interview. FREI.WILD war eigentlich nie eine reine Coverband. Wir hatten damals schon einige eigene Songs fertig und haben dann, weil wir unbedingt live spielen wollten, auch einige Songs der genannten Bands gecovert. Ich mach auch kein Geheimnis daraus, dass wir ansonsten niemals im Stande gewesen wären nur mit eigenen Songs im Gepäck die ersten beiden Konzerte vor genau 200 Leuten zu füllen. Ich weiß die Zahl noch deshalb so genau, weil wir zweimal im selben Schuppen gespielt haben und der Veranstalter Strichliste geführt hat. Gage gab’s keine, wie so oft, aber jede Menge Alkohol. WIZO, HOSEN und DIMPLE MINDS waren deshalb mit in unserem Programm, weil sie deutschprachig gesungene Texte hatten und man die Songs auch als musikalischer Vollspast auf Anhieb spielen kann, so dass es einem gut gelaunten Publikum auch schnell gefällt und auch Stimmung aufkommt, was bei unseren ersten Songs, die wir ja noch nicht veröffentlicht hatten, nicht der Fall gewesen wäre. Ja, und die ONKELZ waren halt die geilste Band überhaupt.
Aber von den ÄRZTEN habt ihr nichts gespielt… Mögt ihr DIE ÄRZTE nicht?
Was heißt nicht mögen? Auch DIE ÄRZTE haben ein paar super Songs, ohne Frage, aber ich muss ehrlich sagen, dass mir bei den ÄRZTEN irgendwie – auch heute noch – das „Dreckige“ und „Böse“ fehlt…
Nun kann man ja zu den ONKELZ stehen wie man will. Tatsache ist jedoch, dass diese Band eine gewisse Leere in der deutschsprachigen Musiklandschaft hinterlassen hat, die bis jetzt noch niemand füllen konnte. Woran liegt das deiner Meinung nach? Was hatten die ONKELZ, was andere deutschsprachige Bands nicht haben?
Die ONKELZ hatten eine gute Zeit, die nötige Antiwerbung, welche letzten Endes die Größte war, Durchhaltevermögen, gute Texte, mit denen man sich gut identifizieren kann, den Reiz, an etwas „unbeliebten und kontroversem“ beteiligt zu sein und endlos geile, hymnenlastige Melodien. Ganz klar, was sie geschaffen haben, ist beeindruckend, und das Loch, das es zu füllen gibt, riesengroß…
Wo seht ihr euch selbst innerhalb diesem „Loch“, in dieser „Leere“?
Wir sehen uns da eigentlich nicht so wirklich in einer Leere. Es gibt in den letzten Jahren so viele gute und teils befreundete Bands, die sich auch dem deutschsprachigen Rock verschrieben haben, dass man sich vielmehr als ein Teil dieser Szene fühlt und doch selbst schaut, sich nach vorne zu bringen, oder zumindest nicht stehen zu bleiben. Die Deutschrockszene ist derzeit größer denn je, die Konzerte dementsprechend häufiger und grösser, also kann man diesbezüglich auch weniger von einer ONKELZ-Szene als vielmehr von einer härteren Deutschrock-Punkszene reden.
„Hart Am Wind“ ist bereits euer sechstes Album. Was habt ihr diesmal im Vergleich zu euren vorherigen Alben anders gemacht?
Wir haben viel mehr Zeit und Energie reingesteckt, und das mehr als ursprünglich gedacht. Die Aufnahmen, die Proben vorher, der Mix, das Mastern, die Grafikgeschichten, die Promotion und so weiter haben dermassen viel Zeit und Kraft geraubt, dass wir froh darüber sind, damit endlich raus zu gehen. Zudem waren die Vertragsverhandlungen mit mehreren Labeln und Vertrieben sehr zäh und langwierig, dass wir an einen Punkt angelangt sind, an dem wir uns immer wieder sagen: endlich ist das Teil fertig.
Von welchen Themen handeln eure Songs denn?
FREI.WILD-Songs handeln im wesentlichen von Alltagsthemen, Erfahrungen, Hoffnung, Angst, und was halt sonst noch so dazu kommt. Ich möchte jetzt auch nicht zuviel verraten. Aber im allgemeinen sind das Texte, welche uns selbst belasten oder erfreuen, welche gut zu unserer Musik passen und auch eine Message beinhalten. Solche „Waddehaddedudeda“-Scheiße findet man bei uns jedenfalls nicht.
Meiner Meinung nach habt ihr mit „Hart Am Wind“ einen Volltreffer gelandet. Nachdem ich das Album zwei/dreimal gehört hatte war es jedenfalls wieder da, dieses faszinierende Gefühl, das man von den ONKELZ kennt. Kotzt es euch nicht an, immer mit den Frankfurtern verglichen zu werden?
Danke für die Blumen, das freut uns! Was heißt ankotzen? Wir sehen uns als die Band FREI.WILD und nicht als die ONKELZ 2009. Weder wollen, noch können wir das. Allein das punkige an sich und die Stimme, welche nun mal bei fast allen Bands unverwechselbar ist oder sein sollte, unterscheidet die ONKELZ von FREI.WILD. Aber ankotzen…nein, ist ja ’ne große Band. Ankotzen tun uns Staus, schlechte Mischer und völlig durchnässte Mikros. (lacht)
Welche Alben oder welche Songs der ONKELZ liegen dir denn besonders am Herzen und warum?
Ich find‘ sie alle geil, außer die zweite CD von „Gehasst, verdammt, vergöttert…“. Jede Platte hat ihren Reiz, wobei mir die neuen Sachen ehrlich gesagt schon besser gefallen.
Und was hälst du von den Solo-Projekten der ONKELZ?
Dass Stephan sich nicht zur Ruhe setzt und weiterhin Musik macht oder produziert, war so sicher wie das Amen in der Kirche. Bei Gonzo war ich mir da auch ziemlich sicher, und von den anderen beiden hört man ja nicht so viel, außer die Geschichten von Kevins Comeback mit einer ONKELZ-Coverbands. Aber… Hey, das sind Musiker, die brauchen das.
Ihr distanziert euch eindeutig vom Rechts- und Linksextremismus und macht das auch in euren Texten klar. Eine Textzeile aus „Das Land Der Vollidioten“ lautet: „Wir tanzen keinen Adolf Hitler, tanzen keinen Mussolini, wir mögen keinen Berlusconi und schon gar nicht diesen Fini, wir mögen keinen Marx und Engels, auf Bush und Hussein wird geschissen, also redet jemand anderem ins Gewissen.“ Wie wichtig sind dir politische Statements und seid ihr der Meinung, dass Politik und Musik überhaupt zusammengehören?
Bei einer Heerschar von „Möchtegern-Gutmenschen“ und Besserwissern, welche zwar Toleranz predigen, jedoch selbst überhaupt keine haben, sind solche Songs wichtig. Eigentlich ist es traurig, dass man solche direkten Aussagen treffen muss, weil es tausend schönere Sachen gibt, über die man Songs schreiben könnte. Aber wir nehmen uns allen Themen an, die uns ankotzen. Auch ganz klar: Musik sollte niemals ein Medium für Politik sein. Politik hatte und wird auch in Zukunft nichts in unseren Texten verloren haben.
Bist du denn privat politisch aktiv?
Nein, definitiv nicht mehr. Ich hatte mich mal in der Kommunalpolitik in Brixen, unserer Heimatgemeinde betätigt, aber das ging nicht länger als zwei Sitzungen. Die Materie Politik erschien mir als dermaßen langweilig und falsch für mich, auch falsch an sich, dass es damit schon endete. Eine einzige Fehleinschätzung.
Was kann man von FREI.WILD in Zukunft erwarten? Wo und wann kann man euch denn live sehen?
Was man von uns erwarten kann ist einfach: neue Songs auf neuen Alben und so viele Livekonzerte wie möglich. Egal ob auf Festivals oder eben auch auf Tour. Die diesjährige Nightlinertour startet übrigens am 01.11. in Nürnberg und geht über 14 Tage quer durch Deutschland und die Schweiz. Wo wir sonst so stehen ist schwer zu sagen, wir warten’s mal ab. Kommt Zeit, kommt Rat…
Vielen Dank für das Interview. Die letzten Worte gehören dir:
Wir möchten uns alle bei euch bedanken und hoffen den ein oder anderen auf Tour zu sehen. Auch möchte ich nochmal erwähnen, dass am 23.10. unser neues Album „Hart Am Wind“ in den Läden steht! Kaufen! …und bleibt sauber!
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