Freedom Call
Kann denn Frohsinn Sünde sein?
Interview
Die fränkischen Frohnaturen von FREEDOM CALL polarisieren seit jeher und das wird sich mit dem neuen Album „Master Of Light“ natürlich nicht ändern. Aber erstens gibt es ja überhaupt keinen Grund, plötzlich den Kurs korrigieren. Und zweitens kann man ganz sicher schlechtere Trademarks als Fröhlichkeit und Lebensfreude haben, oder? Gute-Laune-Minister und Bandchef Chris Bay ließ jedenfalls unsere penetranten Fragen geduldig über sich ergehen und lieferte so einige kurzweilige Antworten.
Hallo Chris! Ich möchte dir zunächst mal ein paar Stichworte geben und du sagst mir bitte einfach spontan, was dir dazu einfällt,ok? Here we go:
Metal muss böse, rebellisch und gefährlich sein.
Für jeden so, wie er’s gerne mag… Metal is for everyone!
Metaller müssen ernste Zeitgenossen sein, sonst sind sie ja nicht böse, logisch.
Ja, so hat man vielleicht tatsächlich mal gedacht, so kurz nach den Hexenverbrennungen.
Metal darf sich selber nie auf die Schippe nehmen, denn es ist unsere Religion.
Unfassbar, was Religionen alles so anrichten könnten…
Metal darf nie so kitschig sein, dass er genauso gut auch im ZDF-Fernsehgarten laufen könnte.
Fernsehgarten? Toller Zeitvertreib wenn es draußen mal regnet.
Metal Is For Everyone
Bravo, gut gekontert! Aber machen wir jetzt mal normal weiter. Ich habe euch bis jetzt zweimal live gesehen. Einmal vor ziemlich vielen Leuten im Vorprogramm von BLIND GUARDIAN in Lichtenfels, und einmal vor gerade mal ein Handvoll Besucher zusammen mit RHAPSODY OF FIRE im österreichischen Dornbirn. Und beide Male hattet ihr offensichtlich gleich viel Spaß auf der Bühne. Ist euch die Größe des Publikums generell eher egal?
Vielleicht liegt ja genau darin die Würze, die ein Leben als Musiker so facettenreich und interessant macht. Wenn ich jetzt natürlich behaupten würde, ich bevorzuge es, an einem Montagabend im Alpenvorland vor einer Handvoll Zuschauer zu spielen, wäre dies eher unglaubwürdig. Allerdings ist die Anzahl der Zuschauer oder die Größe der Halle absolut nicht ausschlaggebend für den Spaß und die Spiellaune, welche wir bei einem Konzert haben und rüberbringen wollen. Falls der Zeitpunkt für mich wirklich mal kommen sollte, dass man sich ausschließlich aus kommerziellem Gründen auf die Bühne „schleppt“, dann sollte man schleunigst Platz für diejenigen machen, die ihre Leidenschaft wirklich ausleben wollen.
Eine sehr lobenswerte Einstellung! Auf euren Gigs zaubert ihr ja auch vermeintlich harten Metallern zumindest ein Lächeln ins Gesicht, ich hab’s beobachtet. Ist genau das das Hauptziel von FREEDOM CALL live?
Unsere Leidenschaft ist hauptsächlich die Musik. Ich denke, dass wir uns mit unserem „Happy Metal“ ein mittlerweile eigenes Trademark geschaffen haben. Wir werden sogar in den USA als die „Happiest Metal Band of the World“ gehandelt, wenn das mal kein Ritterschlag ist! Wie Du ja bereits in deinen ersten Fragen angedeutet hattest, wird oft alles rund um die Musikrichtung Metal von der unwissenden Bevölkerung mit Attributen wie schwarz, böse, dunkel, aggressiv etc. versehen. Da muss es doch schließlich jemanden geben, der diese naiven Vorurteile mal aus dem Weg räumt und das Gegenteil beweist. Und genau diejenigen sind wir! Auf der Bühne fühlen wir uns als Band am wohlsten und demnach können wir dort einfach so sein, wie wir nun mal sind. Wir arbeiten sehr hart an unserer Musik und betreiben das Ganze auch sehr seriös. Allerdings nehmen wir uns als Personen nicht zu ernst, so dass wir eben unsere Leidenschaft gerne in einer humorvollen Art an den Mann bringen.
Was macht einen richtig guten FREEDOM CALL-Gig aus?
Wenn wir nach der Show zufrieden und gut gelaunt nach Hause oder in den Tourbus verschwinden und es dem Publikum ganz genauso geht! Oder: Wenn eine Menge scharfer Ladies am Start ist und wir nach der Show zusammen im Backstage die musikalische Performance analysieren.
Scharfe Ladies als härteste Kritiker
Ähm, ja klar, eine solche Analyse ist schon sehr wichtig. Ist es eigentlich Absicht, dass ihr mit dermaßen viel Optimismus und gute Laune die Metalszene „provozieren“ wollt?
In der Tat kann ich immer wieder feststellen, wie sehr unser „Happy Metal“ polarisiert und die Union der Metaller spaltet. Sehr wohl sind wir bewusst optimistisch und positiv dem Leben gegenüber eingestellt, aber provozieren wollen wir damit nicht. Wir bieten es einfach nur an.
Was macht ihr eigentlich, wenn ihr vor einem Konzert mal so richtig angepisst und schlecht drauf seid?
Wenn man eine Leidenschaft zum Beruf macht, ist man nicht richtig angepisst bei der Arbeit.
Stimmt, so sollte es idealerweise sein. Wo liegen für dich im Metal eigentlich die Grenzen zwischen Kitsch, Klischee und Ernsthaftigkeit?
Es gibt keine Grenzen. Diese zu setzen obliegt ausschließlich dem Empfänger.
Nervt es dich eigentlich, wahrscheinlich ziemlich oft auf euer positives Image angesprochen zu werden, so wie jetzt von mir gerade? Bei HELLOWEEN z.B. hat das meines Wissens nach ja damals auch kaum einer gemacht, als die fast ausschließlich „Kinderlieder“gespielt haben. Und das meine ich nicht abwertend, sondern anerkennend.
Nö, nerven tut das überhaupt nicht, schließlich haben wir ja damit angefangen, hahaha. Es gibt wirklich schlimmere Sachen im Leben, als über gute Laune und positive Vibes zu reden. Natürlich nur solange wir nicht ausschließlich darauf reduziert werden. Es gibt ja durchaus auch eine ernste und melancholische Seite von FREEDOM CALL.
Genau darauf wollte ich eh gerade zu sprechen kommen. Ihr habt ja auch immer mal wieder ernsthaftere Songs im Gepäck wie z.B. „Beyond“ oder eben jetzt „Master Of Light“. Was steckt da dahinter? Oder ist das einfach nur eine andere Facette von FREEDOM CALL?
Das sind eben solche Titel, die unsere musikalische Vision abrunden. Wir wollen den Zuhörer in unsere eigene Welt, quasi in unser „Beyond“ entführen. Und während einer solchen Reise durchläuft man eben verschiedene Stationen. Da kann nicht immer nur die Sonne scheinen oder der Partyclown tanzen.
Apropos Partyclown: Wie zieht man eigentlich seit nunmehr 18 Jahren sein Ding so konsequent durch? Und das obwohl diese Art von Musik ja eigentlich mal mausetot war.
Du hast mit deiner Frage eigentlich schon die Antwort gegeben: Man zieht sein Ding einfach konsequent durch.
Ok, das lassen wir einfach mal so stehen. Wie würdest du „Master Of Light“ selber in eurer Diskographie einordnen? Und bitte keine Antwort wie „Die beste und schönste Scheibe bisher“…
Na ja, diese Frage kann man gerade so kurz nach der Fertigstellung eines Albums eigentlich kaum beantworten. Zum jetzigem Zeitpunkt bin ich musikalisch immer noch viel zu aufgewühlt und somit zu befangen, um eine objektive Meinung darüber abzugeben. Das Songwriting ist mir diesmal wieder sehr leicht von der Hand gegangen und war sozusagen wie von Zauberhand geleitet. Daher strotzt „Master Of Light“ auch nur so von traditionellen FREEDOM CALL-Songs, als wäre die Zeit stehen geblieben. Auf der anderen Seite habe wir aber auch Titel geschaffen, die es so bisher bei uns nicht zu hören gab. Mit Songs wie „A World Beyond“ oder dem Titeltrack haben wir uns schon fast in progressive Sphären begeben.
Aber, ähm, ja, es ist natürlich die beste und schönste Scheibe bisher!
Das hast du zunächst schön umschrieben und dann doch klassisch beantwortet, Respekt! Ich persönlich habe noch keine wirklich schlechte Scheibe von euch gehört und würde die neue ganz klar im oberen Drittel einsortieren. Es ist meiner Meinung nach auf alle Fälle eure vielseitigste Veröffentlichung. Einsprüche?
Keine Einsprüche. Und vielen Dank für das Kompliment!
Die Kritiker wetzen bereits die Messer
Könnt ihr eigentlich von der Musik leben oder ist es eher ein zeitaufwendiges Hobby?
Wir alle sind beruflich ausschließlich in musikalischen Bereichen tätig, die aber nicht nur die Band beinhalten. FREEDOM CALL ist schon eine zeitintensive Unternehmung und wir sind viel auf Reisen. Es wäre sehr schwierig, dies mit einem „normalen“ festen Arbeitsverhältnis aufrecht zu erhalten. Wir haben uns halt einfach zu dem Wahnsinn bekannt und ziehen das Ganze bedingungslos durch.
Was steht bei euch in nächster Zeit auf dem Programm?
Nachdem wir ja jetzt die zweijährige „Beyond“-Tour mit einer tollen Show in den USA abschließen konnten, steht nun die Veröffentlichung vom neuen Album „Master Of Light“ bevor. Wir sind natürlich ganz schön aufgeregt und freuen uns darauf, die neuen Titel endlich auf die (bereits Messer wetzende) Menge von Rezensenten los zulassen, hahaha. Noch Ende 2016 werden wir unsere „Master Of Light Tour“ in Latein Amerika starten. In Mexiko, Kolumbien, Chile, Argentinien und Brasilien lassen wir unseren „Meister des Lichtes“ dann gleich mal ordentlich Sonne tanken, bevor es dann im Februar in europäischen Gefilden weiter geht. Wir freuen uns wahnsinnig darauf!
Danke an metal.de für das coole Interview und euch allen eine tolle Zeit!
Das wünschen wir euch natürlich auch, bedanken uns artig für das Interview und möge die Macht des Lichtes mit euch sein..!
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