Forbidden
Interview mit Craig Locicero über "Omega Wave"
Interview
Exakt ein Jahrzehnt waren die Thrasher von FORBIDDEN weg vom Fenster und auch nach ihrer Reunion 2007 war ein neues Album lange Zeit nicht im Plan. Glücklicherweise haben sich die Kalifornier schlussendlich doch entschieden, neues Material zu schreiben und liefern mit “Omega Wave” nun ein fantastisches neues Album ab, auf dem sie zeigen, dass sie sich auch nach jahrelanger Pause nicht hinter den großen Namen des Genres verstecken müssen. Grund genug, uns Gitarrist Craig Locicero einmal zum Interview vorzuknöpfen. (Interview: Katharina.Beck Fragenvorbereitung: Sickman, Katharina.Beck)
Hey Craig! Wie geht’s dir denn?
Ganz gut! Wir haben gerade viel um die Ohren, da wir morgen früh auf Tour gehen!
Alles Gute zum neuen Album “Omega Wave”. Meiner Meinung nach ist es ein echtes Killer-Album geworden. Wie siehst du das? Habt ihr vorher geahnt, dass es so gut werden würde?
Vielen Dank. Ob es wirklich sehr gut ist, liegt natürlich immer im Auge des Betrachters. Man weiß vorher nie, was oder wie etwas passieren wird, aber für uns war es einfach wichtig, etwas zu machen, was aus unseren Herzen kommt, um unsere persönlichen Ansprüche zu erfüllen. Jeder hat seinen Teil dazu beigetragen und ich denke, ich kann da getrost auch für die anderen sprechen, dass wir sehr zufrieden mit dem Resultat sind. Ich persönlich bin einfach sehr stolz, besser hätten wir es momentan wirklich nicht machen können.
Ihr habt euer letztes Album “Green” vor 13 Jahren veröffentlicht. Kurz danach habt ihr euch aufgelöst, nur 2001 für ein Konzert wiedervereinigt, wieder aufgelöst und seid erst seit 2007 wieder wirklich zurück. Was ist damals eigentlich passiert, warum ihr euch aufgelöst habt und was war der Ansporn dafür, euch doch noch einmal aufzuraffen?
Ok, fangen wir ganz von vorn an. 1997, kurz nachdem wir “Green” veröffentlichten, kam der Tag, an dem wir einfach fühlten, dass es vorbei ist. Wir waren sehr frustriert, weil wir einige schlechte Erfahrungen mit dem Label gemacht hatten. Eigentlich haben sie einen guten Job gemacht, wussten aber irgendwie nichts mit uns anzufangen. Eine Band wie FORBIDDEN kann eben nicht mit MANOWAR auf Tour gehen. Wir haben dann beschlossen, getrennte Wege zu gehen, ich habe weiter Musik gemacht und an anderen Projekten gearbeitet.
Bei dem Konzert 2001 war ich nicht beteiligt, ich habe gerade mit meiner anderen Band MANMADE GOD ein Album aufgenommen. Und die anderen hatten wirklich Bock auf diesen Auftritt und wollten mich auch unbedingt dabei haben, aber es ging nicht. Das Studio hat jede Menge Geld gekostet und wir konnten die Aufnahmen einfach nicht unterbrechen. Also haben die anderen die Show gespielt, alles verlief super, es war ein wirklicher Erfolg, aber niemand hatte dennoch das Gefühl, FORBIDDEN wirklich ins Leben zurück rufen zu wollen. Vor allem auch, weil ich nicht mit dabei war, sondern ein ehemaliger Gitarrist, Glen Alvelais. Im Nachhinein hat mich das wirklich traurig gemacht, alle haben von der Show gesprochen, aber die Stimmung war trotzdem nicht die beste.
Dann kam 2007. Wir hatten bis dahin immer noch nicht wirklich über eine Reunion gesprochen, ich hatte auch eigentlich keine wirkliche Lust dazu. Doch dann habe ich mir den Film “Get Thrashed” angesehen und danach hatte ich einfach das Gefühl, noch einmal da raus gehen zu wollen und noch einmal Spaß zu haben, an ein neues Album habe ich aber gar nicht gedacht. Die anderen wollten gleich neue Songs schreiben, aber noch immer hat einfach nicht alles gepasst. Wir mussten ein neues Line Up zusammen stellen, Tim Calvert z.B. hat zu dieser Zeit gerade eine Ausbildung zum Piloten gemacht, also hatte er keine Zeit. Und ich habe auch einfach etwas Zeit gebraucht, um zu warten, bis die Chemie wieder stimmt und ich neue Songs schreiben kann. Dann standen irgendwann die Wahlen zum neuen US-Präsidenten an und plötzlich hatte ich ein Thema, über das ich schreiben konnte. Meiner Meinung nach gehört es zum Thrash Metal dazu, sozialkritisch zu sein, aktuelle Themen zu behandeln und den Hörern den eigenen Standpunkt zu vermitteln.
“Omega Wave” zeigt, dass ihr euch im Vergleich zu “Green” musikalisch auf jeden Fall verändert habt, kein Wunder nach 13 Jahren. Kannst du dich noch erinnern, welches Feeling hinter diesem Album stand? Wie würdest du die Entwicklung seit “Green” beschreiben?
In den Jahren zwischen 1991 und 1997, als wir “Green” geschrieben haben, ist so viel Scheiße passiert, dass es einem vor kam, als wären 100 Jahre vergangen. In den 90ern regierte Grunge die Welt und Thrash Metal lief einfach nur beschissen. Sämtliche Bands, die übrig geblieben waren, haben versucht, METALLICA zu imitieren, um sich über Wasser zu halten und auch FORBIDDEN kann ich da nicht ausschließen, auch wenn wir vielleicht noch ein bisschen QUEENSRYCHE versucht haben, einzubringen. In dieser Zeit voller Scheiße haben wir uns irgendwie selbst verloren und vergessen, wer wir sind. Und das spiegelt “Green” auf eine gewisse Weise wieder, wir haben alles darauf gesetzt, so brutal wie möglich zu sein, um diese Zeit zu überleben. Bei “Omega Wave” war alles anders. Wir haben einfach die Musik geschrieben, die für uns persönlich Sinn machte und die sich richtig anfühlte, die aus unseren Herzen kam. Und so vereint es alles, was FORBIDDEN jemals ausgemacht hat und steigert es in jeglicher Hinsicht. Das Album ist melodischer und zugleich aggressiver als alles, was wir bisher gemacht haben.
Da gebe ich dir Recht! Aber ich muss sagen, dass “Omega Wave” meiner Meinung nach nichts für die Die Hard-80er old school Fans ist, da es auch sehr viele moderne Einflüsse enthält. Und es wird – ähnlich wie damals “Green” – sicher polarisieren. Habt ihr Angst, die alten Fans zu verlieren oder kümmert euch das eher weniger – Hauptsache ihr zieht euer Ding durch?
Natürlich wollen wir niemanden verschrecken oder verlieren, doch selbst wenn, dann kümmert es uns auch nicht, denn, wie schon gesagt, wollen wir die Musik schreiben, die aus unseren Herzen kommt und nicht einfach das analysieren, was wir mal gemacht haben und versuchen, es zu klonen. “Forbidden Evil” z.B. ist ziemlich naiv, wenn ich es heute so betrachte. Wir haben einfach drauf los geknüppelt und uns über nichts Gedanken gemacht, das können wir heute einfach nicht mehr. Ich glaube, die einzige Band, die heute immer noch dieselbe Musik macht wie in den 80ern ist DEATH ANGEL. Sie haben immer ihr eigenes Ding gemacht, was großartig ist, keine Frage, aber grundsätzlich haben sie sich nie verändert. Ihre Musik hat viele Facetten, aber der Sound ist und bleibt immer DEATH ANGEL. Dagegen haben sich TESTAMENT oder EXODUS z.B. völlig gewandelt. Und wir werden auch niemals die 80er wieder ausgraben, SLAYER werden schließlich auch nie wieder klingen wie auf “Show No Mercy”. Alles geht immer weiter.
Das stimmt, aber dennoch ist mir gleich aufgefallen, dass das Cover der neuen Platte offensichtlich an das von “Forbidden Evil” angelehnt ist, obwohl sich die Platten nicht wirklich vergleichen lassen. Was war eure Intuition bei der Auswahl des Covers?
Das hat einfach etwas damit zu tun, womit die Leute FORBIDDEN assoziieren. Und genau das Cover von “Forbidden Evil”, der blaue und der rote Totenkopf, symbolisiert für die meisten einfach FORBIDDEN und auch beim neuen Cover werden sofort alle Leute wissen – das ist FORBIDDEN!
Ok, dann lass uns ein wenig mehr über die Musik sprechen. Besonders auffällig auf „Omega Wave“ ist, dass die Scheibe echt abwechslungsreich ist und gerade das Gitarrenspiel diesen Aspekt am meisten unterstützt. Worauf kommt es dir speziell an, wenn du ein Riff schmiedest? Einfach drauf los und dann gucken, was passiert oder hast du konkrete Ideen?
Dazu musst du wissen, dass ich in den vielen Jahren, in denen ich nichts mit FORBIDDEN zu tun hatte, regelrecht studiert habe, wie man Songs komponiert. Ich habe in vielen verschiedenen Bands gearbeitet und sehr verschiedene Musik geschrieben, die absolut nichts mit Thrash Metal zu tun hat. Wenn ich ein Riff schreibe, dann habe ich ein Bild im Kopf. Und zu diesem Bild lasse ich mein Gehirn ein Riff basteln, dann probiere ich es erst auf der Gitarre aus. Ich glaube, genauso wird Pop-Musik geschrieben, man hat eine Melodie im Kopf und schreib den Song drumherum. Ich lasse meine Finger mir nicht das Riff diktieren, sondern mein Gehirn diktiert es meinen Fingern.
Worauf kam es euch an beim Songwriting zu „Omega Wave“ an? Gab es eine bestimmte Marschrichtung, wie z.B. besonders heavy, anspruchvoll oder old school zu sein?
Ich habe nie versucht, das zu analysieren. Andere in der Bands schon, aber ich schreibe einfach drauf los und nur über die Lyrics wurde vorher wirklich gesprochen, worum es auf dem Album gehen soll und wie wichtig der Inhalt des Albums ist. Dass wir nicht mehr über Circle Pits und Bier singen, war uns gleich klar. Und besonders wichtige Themen in wenige Worte zu packen ist gar nicht so einfach, denn man kann schließlich kein Buch schreiben, man muss es auf den Punkt bringen. Und das ist uns auf “Omega Wave” meiner Meinung nach besonders gut gelungen.
Wie kam es dazu, dass ihr bei NB unterschrieben habt? Und wie zufrieden seid ihr mit der noch recht jungen Zusammenarbeit?
Sie sind einfach die besten. Es gibt kein Label, das einen, besonders in Europa, besser supporten kann. 2007 war ich beim Graspop Festival, das war eine großartige Erfahrung, und dann kam Jaap von Nuclear Blast auf mich zu und hat mich gefragt, ob wir Interesse hätten. Zu diesem Zeitpunkt habe ich angefangen, darüber nachzudenken, wieder ein Album zu schreiben. Aber ich habe mir zunächst nicht viel dabei gedacht, zumal ich nie einen Vertrag unterschreiben wollte, bevor nicht der letzte Song eines Albums fertig geschrieben ist. Und nun ist das Album draußen und du siehst, letztendlich sind wir tatsächlich bei Nuclear Blast gelandet! Noch kann ist nicht viel zu der Zusammenarbeit sagen, aber bisher gibt es auf jeden Fall nichts zu meckern.
Beim diesjährigen Bang Your Head Festival habt ihr den DIO-Song “Children Of The Sea” gespielt und ich war unglaublich beeindruckt. Warum gerade dieser Song und was bedeuten DIO und sein Tod für euch?
Dies Frage kann ich nur schwer beantworten, dazu könnte dir Russ mehr sagen. Ich hatte viele anderen Songs im Kopf, z.B. “Falling Off The Edge Of The World”, einfach etwas, was heavy ist. Dann kam Russ zur Probe und wollte unbedingt “Children Of The Sea” singen. Er sagte, dies wäre der Song, der ihm am meisten bedeutet und er könnte nur mit diesem Track den Menschen zeigen, wie viel DIO ihm wirklich bedeutet hat. Und allein die Art, wie er es gesagt hat, war ausreichend, uns ohne weitere Worte zu überzeugen.
DIO war einfach ein großartiger Mensch. Er hat sich jedes Gesicht und jeden Namen gemerkt, wenn man nur einmal mit ihm gesprochen hat, er hat niemals jemanden vergessen. Ich habe ihn drei Mal getroffen, das letzte Mal 2008 beim Sweden Rock Festival. Er sah schon nicht mehr wirklich gesund aus, aber ich dachte trotzdem, dass dieser Mann noch ewig leben würde.
Plant ihr, demnächst auf Tour zu gehen, um das neue Album bestmöglich zu promoten und wird es euch auch über den großen Teich verschlagen?
Ja, diese Woche sind wir erstmal mit OVERKILL und EVILE in den Staaten unterwegs, danach spielen wir das 70 000 Tons Of Metal und danach werden wir natürlich nach Europa kommen. Wir haben viele Angebote und überlegen derzeit, welche wir davon wahrnehmen wollen. Ein paar Shows stehen schon fest, natürlich werden wir auch einige Festivals spielen.
Ok, ich freue mich auf jeden Fall schon sehr darauf! Aber sag mal, ihr habt inzwischen einen großen Teil eures Lebens in der Metal-Szene verbracht. Wie denkst du, inwiefern hat sich die Szene seit den 80ern verändert? Gibt es Dinge, die ihr an der heutigen Zeit schätzt oder Dinge, die ihr im Vergleich zu damals vermisst?
Die Dinge werden nie wieder so sein wie früher, das ist klar. Aber man hat heute ganz andere Möglichkeiten, z.B. mit dem Internet. Dennoch gibt es heute einfach nicht mehr die typische Thrash-Attitude, die es in den 80ern gab. Andy Galeon, der erste Drummer von DEATH ANGEL und ich waren die jüngsten in der ganzen Szene früher, mit 15 oder 16. Heutzutage gibt es sehr viele junge Bands und die haben meiner Meinung nach zwar ein paar gute Ansätze, aber einfach die falschen Quellen der Inspiration. Wir haben früher alten Heavy Metal gehört, wie SAXON, JUDAS PRIEST oder IRON MAIDEN, METALLICA haben zu dieser Zeit auch erst angefangen, aber die Kids heute hören eben Bands wie EXODUS, aber selten die alten Sachen, sondern eher das, was aus EXODUS über die Jahre geworden ist. Das ist wirklich etwas ganz anderes.
Gibt es denn junge Thrash Metal-Bands, die du magst und die sich eben von den Kids abheben, die deiner Meinung nach nicht das richtige Feeling für diese Musik haben?
Es gibt viele junge Bands, die ich mag, aber nicht wirklich im Thrash Metal. EVILE haben jede Menge Potenzial, aber sie können es noch nicht komplett ausschöpfen bisher. Ich habe sie in diesem Sommer kennen gelernt, als wir mit DEMONICA auf dem Alcatraz Festival gespielt haben. Ich glaube schon, dass sie etwas besonderes sind. Das heißt aber nicht, dass alle jungen Thrash Metal-Bands schlecht sind! Nur habe ich noch keine gehört, die mir wirklich den Schädel wegblasen kann.
Wie geht es jetzt mit FORBIDDEN weiter? Plant ihr schon ein weiteres Album? Ich hoffe, ihr wollt euch nicht wieder auflösen 😉
Ich weiß nicht, was die Zukunft für uns bringen wird. Fest steht, dass ich nie wieder Sklave meiner Umstände sein möchte und ich hoffe einfach, dass die Metal-Fans uns mit offenen Armen empfangen nach so vielen Jahren und die Musik mögen, die wir jetzt machen. Leider muss ich mir eingestehen, dass wir nicht mehr die jüngsten sind! Rock kann ich auch mit 60 noch spielen, aber Thrash Metal? Ich mache mir Mut, indem ich mir Bands wie SLAYER, MEGADETH oder METALLICA anschaue, die auch schon etwas älter sind und immer noch ihr Ding durch ziehen, aber wer weiß, ob FORBIDDEN das auch können.
Vielen Dank für das Interview, willst du noch was los werden?
Ich danke auch. Ich kann es kaum erwarten, euch alle auf einer unserer kommenden Shows zu sehen!
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