Fluoryne
Ein Gespräch über "Transneptunian" und die Zukunft der Menschheit
Interview
Dass mit Falk Wehmeier ein ausgesprochen kluger Kopf hinter FLUORYNE steckt, ist kaum zu übersehen / überhören. Dementsprechend war es uns eine große Freude, unserem Ex-Metal.de-Kollegen einige Fragen zu seinem musikalischen Werk, dem aktuellen FLUORYNE-Album „Transneptunian“, dem Wert von Science-Fiction-Literatur und seinem persönlichen Blick auf die Weltraumforschung zu stellen. Dass uns das Gespräch dabei von quietschenden Kettenglieder bis hin zu eher düsteren Zukunftsperspektiven für die gesamte Menschheit führt, war gleichermaßen erwartbar wie erfreulich und profitiert ausnahmsweise sogar davon, dass wir einander nicht persönlich gegenübersaßen, sondern Fragen und Antworten per E-Mail austauschen konnten.
Hallo Falk! Sorry nochmals, dass sich unser Interview von meiner Seite aus doch so verzögert hat. Immerhin dürftest du aber inzwischen schon einige Reaktionen auf dein neues Album „Transneptunian“ bekommen haben. Wie fällt das allgemeine Feedback bislang aus?
Hallo Florian! Das ist überhaupt kein Problem – ich weiß es sehr zu schätzen, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst, unabhängig vom Abstand zur Rezension. Von mir auch sorry, denn ich habe ja auch ein Weilchen gebraucht, deine Fragen zu beantworten.
Viel Feedback gibt es zu „Transneptunian“ leider (noch?) gar nicht – außer deiner Rezension (für die ich mich an dieser Stelle ebenfalls ganz herzlich bedanke!) und den Kommentaren darunter gibt es bisher lediglich ein weiteres Review, das allerdings auch sehr positiv ausgefallen ist.
Ich fürchte, dass es ohne etabliertes Label und PR-Agentur unheimlich schwer ist, Aufmerksamkeit auf „Transneptunian“ zu lenken: Das Endzeit-Kollektiv, über das sowohl „Transneptunian“ als auch VYREs viertes Album „Voidserpent“ erschienen sind, ist ja gerade erst auf der Bildfläche erschienen – auch, wenn der Name schon etwas länger im Großraum Bielefeld umhergeistert. Wir bauen die PR-Arbeit momentan erst auf und es ist wenig überraschend, dass wir von einigen Magazinen schlicht übersehen oder ignoriert werden – insbesondere in Anbetracht der Vielzahl an Veröffentlichungen und der Tatsache, dass Rezensent*innen ihre Freizeit dafür „opfern“, Alben anzuhören und ein paar Worte dazu zu schreiben.
Dass wir aktuell weder physische Tonträger als Dankeschön anbieten können, noch die Mittel haben, Werbung zu schalten, macht es auch nicht einfacher…
Ich möchte hier aber nicht über die Mechanismen der Promo-Maschinerie lamentieren – ich weiß aus eigener Erfahrung, wie die (ehrenamtliche) Arbeit in (Online-)Magazinen läuft und bin unglaublich dankbar für jede Aufmerksamkeit, die „Transneptunian“ zuteil wird. Am Ende ist FLUORYNE ja auch nichts, womit ich Umsatz oder gar Gewinn machen möchte / muss, sondern (ebenfalls) ein Hobby – und falls das, was ich im Rahmen dieses Hobby fabriziere, jemandem gefällt, freut mich das sehr.
Seit dem letzten FLUORYNE-Album „Dämmerung“ sind mehr als fünfzehn Jahre ins Land gezogen. In der Zwischenzeit warst du zwar mit GEIST bzw. EIS und VYRE nicht untätig, trotzdem sei mir die Frage gestattet: Warum hat es so lange gedauert, bis du dich wieder deinem eigenen Projekt zuwenden konntest?
„Dämmerung“ ist damals ziemlich genau am Ende eines Lebensabschnitts erschienen – tatsächlich lagen zwischen dem Abschluss meines Studiums und der Veröffentlichung von „Dämmerung“ nicht einmal drei Wochen. 2010 hat dann eine neue Phase meines Lebens begonnen – ich habe zunächst als Wissenschaftler an der Humboldt-Universität in Berlin gearbeitet und bin ein Jahr später ins „echte“ Berufsleben eingetreten. Dort habe ich dann 2016 eine Abteilungsleitung übernommen, die – so muss ich es leider sagen – Gift für meine Kreativität war, da ich meine mentalen Kapazitäten hauptsächlich dafür aufwenden musste, dieser beruflichen Verantwortung gerecht zu werden.
Auch privat ist in den letzten 15 Jahren einiges passiert: Die wichtigsten Ereignisse sind wohl, dass wir ein Haus gekauft haben und die Familie Zuwachs bekommen hat. Ohne Zweifel waren das ganz wundervolle Erfahrungen, die aber (wenig überraschend) nicht unbedingt mehr Freizeit mit sich brachten, die ich für Musik hätte nutzen können…
Mein kreativer Gegenpol während dieser Zeit war meine Aktivität bei VYRE von 2011 bis 2022, die mich aber zum Glück nicht viel „Kraft“ gekostet hat, weil ich am Songwriting der ersten beiden „The Initial Frontier“-Alben gar nicht beteiligt war, mein Beitrag zu „Weltformel“ überschaubar war und wir auch nicht sooo viele Auftritte absolviert haben.
Meine berufliche Situation hat sich dann vor knapp zwei Jahren grundlegend geändert, als ich die Chance bekommen habe, aus meiner leitenden Position in eine wissenschaftliche Experten-Rolle zu wechseln, damit also jetzt wieder verstärkt das machen kann, wofür ich studiert habe – und es ist wirklich erstaunlich, wie viel kreative Energie nach und nach frei wurde, als ich mich nicht mehr mit Umsätzen und Personalthemen befassen musste! Nach einer etwa dreimonatigen Übergangsphase (in der ich meinen Nachfolger in der leitenden Position hier und da unterstützt habe, um ihm den Einstieg zu erleichtern und einen reibungslosen Übergang zu ermöglichen) habe ich im Oktober 2023 mit den Arbeiten an „Transneptunian“ begonnen – und ein halbes Jahr später war das Album aus Songwriting-Sicht fertig. Der Feinschliff (Atom Phantoms Beiträge in der Schlagzeug-Programmierung sowie Mix und Mastering) hat dann noch ein Weilchen gedauert, bis es Ende Januar endlich so weit war…
Vor fünfzehn Jahren warst du noch ein hochgeschätzter Redaktionskollege bei Metal.de. Vermisst du die Zeit bei uns und juckt es dich manchmal noch in den Fingern, mal wieder ein Review zu schreiben?
Tatsächlich war ich sogar vor zehn Jahren noch Teil der Redaktion – meine Zeit bei metal.de, die Anfang 2009 begonnen hatte, endete im November 2015. Fast sieben Jahre, in denen ich 400 Rezensionen geschrieben habe… Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass meine Arbeit für Metal.de mich nicht geprägt hat.
Um aber deine erste Frage zu beantworten: Ja und Nein.
Ja, weil das Team bei Metal.de großartig war (und auch immer noch ist, nach allem, was ich über die sozialen Medien so mitbekomme) und ich bei Metal.de selbst und über Metal.de vielen tollen Menschen begegnen durfte.
Ja, weil ich durch die Veröffentlichungen, die ich zur Rezension bekommen habe, immer wieder echte Perlen entdeckt habe, die sonst vollkommen an mir vorbeigegangen wären.
Nein, weil es ja durchaus Gründe dafür gab, dass ich meinen Job bei euch an den Nagel gehängt habe (die aber nicht hierher gehören).
Nein, weil es mir zeitweise echt schwer gefallen ist, die „Rezensions-Brille“ abzusetzen und Musik einfach nur zu genießen – obwohl mein Musikgenuss seit jeher sehr kopflastig ist.
Letzteres beantwortet auch deine zweite Frage: Eher nicht, nein – auch, wenn ich nach wie vor zu vielen Veröffentlichungen eine Meinung habe, die ich durchaus verbalisieren könnte. Es ist schön, es nicht zu müssen.
„Transneptunian“ lebt in erster Linie von seiner Atmosphäre. Welche anderen Künstler würdest du hierbei als Inspirationsquelle sehen? Ich nehme an, dabei handelt es sich nicht ausschließlich um Musiker und schon gar nicht um solche aus dem Metal-Bereich…
Das ist eine verdammt schwierige Frage – und ich kann selbst nach längerem Nachdenken keine konkrete Antwort darauf geben, fürchte ich. Ich denke, dass alles, was ich aufnehme – seien es Bücher, Filme, Musik aus allen möglichen Genres, Gespräche – in irgendeiner Form in die Musik einfließt, die ich mache.
Klar, meine Herangehensweise an Musik – sowohl auf musiktheoretischer Basis, die schon immer eine große Rolle für mich gespielt hat (meine Aussage zur Kopflastigkeit beschränkt sich also nicht auf meine Rolle als Hörer – was man den bisherigen FLUORYNE-Veröffentlichungen auch anmerkt, schätze ich), als auch in der Herangehensweise an die instrumentelle Ausgestaltung (das bisschen, was ich an der Gitarre kann, habe ich autodidaktisch gelernt) – ist durch meine musikalische Sozialisation geprägt: Hier würde ich am ehesten die Moonfog-Veröffentlichungen um die Jahrtausendwende – SATYRICONs „Rebel Extravaganza„, DHGs „666 International“ und das selbstbetitelte THORNS-Album – als Einflüsse nennen, aber auch die Gitarrenarbeit von Rune „Blasphemer“ Eriksen oder die ersten CODE-Veröffentlichungen „Nouveau Gloaming“ und „Resplendent Grotesque„. Ich glaube aber kaum, dass man diese Einflüsse auf „Transneptunian“ mehr als nur annähernd hört – einerseits, weil ich technisch bei Weitem nicht in der Lage bin, solche Musik zu spielen; andererseits, weil über die Jahre natürlich mannigfaltige andere Einflüsse dazu gekommen sind, die ich unmöglich aufzählen oder mit den Songs auf „Transneptunian“ verknüpfen kann.
Wie zufrieden bist du mit dem Album selbst? Konntest du all das umsetzen, was du mit „Transneptunian“ ausdrücken wolltest oder gibt es bestimmte Aspekte, wo du deine selbst gesetzten Ziele nicht erreichen konntest?
Es ist vermutlich ganz normal, dass man im Nachhinein immer wieder Dinge entdeckt, die man vielleicht hätte anders machen können / wollen – sei es hier nochmal eine andere Betonung, dort ein etwas anderes Schlagzeug-Motiv / eine andere Rhythmik, hier eine leichte Anpassung des Mixes, dort eine zusätzliche Synthie-Stimme oder oder oder…
Ich denke aber, dass es ein gutes Zeichen ist, dass mir spontan kein konkretes Beispiel dafür einfällt, was ich rückblickend hätte anders machen wollen – um also deine Frage zu beantworten: Ich bin sehr zufrieden mit dem Endergebnis – und sehe mich in dieser Aussage auch dadurch bestätigt, dass ich mit jedem Anhören des Albums ein anderes persönliches Lieblingsstück habe; je nach Tagesform und Stimmung.
Tatsächlich hätte ich aber nach den Aufnahmen und der Vorproduktion nicht damit gerechnet, dass das Album am Ende so gut klingen würde – und möchte an dieser Stelle ganz ausdrücklich Atom Phantom für seine exzellente Arbeit loben. Er hat von Anfang ganz genau verstanden, wie „Transneptunian“ klingen sollte – und im Gegensatz zu mir ist er in der Lage, diesen Klang dann auch zu erreichen.
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