Flame, Dear Flame
"Die Erzählung steht im Vordergrund"
Interview
Im April veröffentlichten FLAME, DEAR FLAME aus dem niedersächsischen Braunschweig mit der EP „The Millennial Heartbeat“ ihr erstes musikalisches Lebenszeichen und konnten direkt einiges an Staub in der Metal-Presse aufwirbeln. Auch wir waren begeistert und vergaben neun Punkte. Da nach wie vor relativ wenig über die Hintergründe dieser, ursprünglich als Projekt gestarteten und mittlerweile zur vollständigen Band herangewachsenen, Formation bekannt ist, haben wir Sängerin Maren Lemke und Gitarrist David Kuri gebeten, uns ein paar Fragen zu beantworten.
Hallo Maren, hallo David! Bitte erzählt kurz, wie FLAME, DEAR FLAME überhaupt entstanden sind. Wann habt Ihr begonnen, an erstem Material zu arbeiten und wer hatte die Idee „Wir machen jetzt mal was mit Doom?“.
Maren: David und ich machen seit 2016 gemeinsam viel Musik und haben dabei alles Mögliche ausprobiert. Darunter waren auch viele ruhige Akustik-Cover, bei denen wir dann versucht haben, sie schleppender wirken zu lassen. Diese Grundidee hat uns gefallen, wurde verfeinert und seitdem schreiben wir an den Songs für „The Millennial Heartbeat“. Zunächst hat uns Davids Bruder Jonas sowohl bei den Songs als auch an der Gitarre tatkräftig unterstützt, dann kam Jan als Schlagzeuger dazu.
Stilistisch würde ich FLAME, DEAR FLAME irgendwo zwischen Doom Metal und Heavy Rock einsortieren. Könnt Ihr das grundsätzlich unterschreiben? Ist das genau die Schnittmenge, in der Ihr Euch auch bewegen wolltet, oder entwickelte sich das erste während Ihr die ersten Songs geschrieben habt?
David: Wir hatten mit Gründung der Band eine recht klare musikalische Vorstellung, die sich aber schwierig mit den gängigen Genre-Bezeichnungen beschreiben lässt. Grundsätzlich liegst Du mit deiner Einschätzung natürlich ganz gut, aber wir versuchen auch immer wieder die Konventionen der Genres, in die wir uns einsortieren lassen, aufzubrechen. Marens Stimme ist per se sehr untypisch für diese Musik, und das ist eine unserer großen Stärken, wenn Du mich fragst. Ich zitiere gerne Bands wie WARNING, ATLANTEAN KODEX oder auch THE DEVIL‘S BLOOD als unsere Einflüsse. Auch wenn man diese Ansätze hier und dort hört, klingen FLAME, DEAR FLAME im Kern natürlich vollkommen anders. Und das ist gut so, denn was diese so verschiedenen Bands für mich eint, ist nicht eine enge musikalische Definition, sondern eine tiefe Beziehung zur Musik, ihrer Ästhetik und Aussage.
David, Du spielst bzw. singst ja auch noch bei der eher im klassischen Heavy Metal verwurzelten Band BOOZE CONTROL. Vor kurzem habe ich aber gelesen, dass Ihr Euch bald auflösen wollt. Hat das mit den bislang doch sehr positiven Resonanzen zu „The Millennial Heartbeat“ zu tun? Wie unterscheidet sich außerdem die Herangehensweise an Songs, im Vergleich zu FLAME, DEAR FLAME?
David: BOOZE CONTROL gibt es seit knapp 10 Jahren, und die Band hat einiges an Wandel durchgemacht. Am Anfang – der heutzutage unpassende bis irreführende Bandname ist ein Relikt aus dieser Zeit – war die Musik sehr einfach, im Vordergrund standen Spaß und eine gesunde Portion Selbstironie. Schnellvorlauf: Mittlerweile ist das vierte Album „Forgotten Lands“ bei Gates Of Hell Records erschienen. Besetzungswechsel gab es keine, dementsprechend eingespielt ist das Team. „Forgotten Lands“ ist auch das letzte Album, was BOOZE CONTROL veröffentlichen werden. Nach dem Abschiedskonzert am 30. November in Braunschweig wird die Band aufgelöst. Die Gründe für diese Entscheidung sind vielschichtig und ich möchte sie an dieser Stelle nicht thematisieren. Sie ist jedoch komplett unabhängig von FLAME, DEAR FLAME gefallen.
Die grundsätzliche Herangehensweise beider Bands ist tatsächlich sehr verschieden. Bei BOOZE CONTROL geht es um starke Riffs und eingängige Melodien, die Songstrukturen sind meist relativ simpel gehalten. Auch wenn die Texte immer mehr an Tiefe gewonnen haben, wird schon mal ein Text weggeworfen und ein komplett anderes Thema aufgegriffen oder ein Text im Studio neu gewürfelt. Es ist alles etwas spontan. Bei FLAME, DEAR FLAME steht die Erzählung entschieden im Vordergrund. Oft gibt es zuerst den Text oder mindestens das Konzept dazu, bevor wir musikalisch versuchen die passende Stimmung aufzubauen. Sehr viel Augenmerk liegt auf Marens Gesangsmelodien. Die Strukturen weichen stark von den gängigen Verse-Bridge-Chorus-Konventionen ab. Die Musik ist dadurch sicher weniger einfach zu hören, belohnt aber den Hörer der sich intensiv mit dem Material beschäftigt.
Maren, Deine Stimme ist extrem klar und in dieser Ausrichtung eher selten im Metal anzutreffen, zumal Du gesanglich eben nicht in Richtung Gothic gehst. Wo liegen Deine musikalischen Wurzeln?
Maren: Musikalisch habe ich immer viele verschiedene Bands gehört. Ich liebe zum Beispiel PINK FLOYD, höre aber auch viel Soul wie z.B. NORAH JONES, oder Death Metal wie SULPHUR AEON. Solange mich die Melodien berühren, ist mir das Genre egal. Meine Stimme wurde auch nicht durch irgendein spezielles Vorbild beeinflusst. Ich singe auf die Art und Weise, die für mich am natürlichsten ist und sich echt anfühlt. Ich habe zeitweise in einer Rock-Coverband gesungen, wo die Stimme auch anders eingesetzt werden muss. Das hat nicht zu mir gepasst.
Wie genau sieht das lyrische Konzept von „The Millennial Heartbeat“ aus? Ihr schreibt selber, dass es um die Naturgewalten geht, über die Entstehung des Ozeans und das Sterben von Land. Meiner Meinung nach bilden die drei Teile auch den ewigen Kreislauf des Lebens, von der Geburt zu Beginn bis zum Vergehen aller Dinge am Ende, ab. Sehe ich das so richtig? Ist diese Thematik mit der EP für Euch abgeschlossen, oder soll sie auch weiterhin die Essenz Eurer Texte bilden?
David: „The Millennial Heartbeat“ gliedert sich in drei Teile, die wie du sagst einen Kreislauf bilden und dort enden, wo sie begonnen haben. Der erste Teil erzählt von einer Legion einer winzigen, unsichtbaren Lebensform, die auf dem Grund des Ozeans in Verehrung eines metaphorischen Herzens lebt, das nur alle tausend Jahre schlägt. Schwerkraft wird von dieser Lebensform abgelehnt, das Licht gefürchtet oder verachtet. Im Folgenden erzählen wir von der Erschließung des Landes, der Hingabe zum Licht und der Verkettung von Ereignissen, die durch diese Blasphemie ausgelöst wird. Zusammen mit einem letztendlichen physischen Release des Materials möchten wir das lyrische Konzept im Detail beschreiben, und damit ist die Thematik abgeschlossen. Unsere zukünftige Musik wird ebenso narrativ bleiben, sich jedoch mit anderen Ideen auseinandersetzen.
Die Songs auf der EP „The Millennial Heartbeat“ stammen, wenn ich die Presseinformation auf Eurer Webseite richtig deute, noch aus der Feder von David und seinem Bruder Jonas. Mittlerweile seid Ihr aber zu fünft. Plant Ihr, künftig alles neue Material klassisch gemeinsam im Proberaum zu entwickeln, oder soll es eine klare Rollenverteilung geben?
Maren: Das ist nicht ganz richtig. Die Songs für die EP haben Jan, Jonas, David und ich gemeinsam geschrieben. Dabei stammen die Riffs eher von Jonas und David, die Gesangsmelodien meist von mir. Lyrisches Konzept und Songtexte stammen komplett von David. Wie die zukünftigen Songs in der neuen Besetzung entstehen werden, finden wir selbst noch heraus. Klar ist, dass wir auch weiterhin gemeinschaftlich an den Songs arbeiten werden.
Ihr seid den, aus meiner Sicht, eher ungewöhnlichen Weg gegangen, über Anzeigen in Onlineportalen Mitmusiker zu suchen, um Euer Line-up zu vervollständigen. Die meisten Bands rekrutieren ja ihre Mitglieder aus dem persönlichen Umfeld oder von befreundeten Bands. Was hat Euch zu diesem Schritt bewogen und welche Erfahrungen habt Ihr damit gemacht? Habt Ihr Ratschläge für andere Bands, die gerade dasselbe versuchen?
Maren: Wir haben zunächst unter unseren Freunden rumgefragt und hatten mit Jonas und Bassist Arne Janßen, den David bereits seit der Schule kennt, ein komplettes Lineup zusammen. Beide haben andere Prioritäten und mussten die Band wieder verlassen, also haben wir weitergesucht. Es war nicht einfach, passende Leute zu finden. Unsere Musik ist relativ speziell, und somit hat natürlich nicht jeder Lust darauf oder überhaupt einen Zugang dazu. Online nach den richtigen Musikern zu suchen war für uns der logische Schritt.
David: Hier sind die, aus meiner Sicht, wichtigsten Dinge bei der Suche nach passenden Musikern. Erstens: Seid konkret. Ein Demo-Song ist ideal, ansonsten sucht ein paar Songs mit denen Ihr euch identifizieren könnt. Nennt die Ziele, die Ihr als Band verfolgen und erreichen wollt, denn hier gehen die Vorstellungen teilweise meilenweit auseinander. Zweitens: Inseriert überall. Ihr wisst nie, wo sich die richtigen Kandidaten herumtreiben. Drittens und vielleicht am wichtigsten: Kennt eure Erwartungen. Wenn jemand menschlich nett und sympathisch ist, aber sein Instrument nicht ausreichend beherrscht, müsst Ihr ihm absagen. Das ist absolut nicht einfach und man kommt sich teilweise wie der letzte Arsch vor, aber alles andere bringt nichts.
Im Herbst spielt Ihr Euren ersten Gig in Eurer Heimatstadt Braunschweig auf einem kleinen Doom-Festival. Wie kam es dazu? Seid Ihr an der Organisation des Festivals beteiligt?
David: Richtig, am 28. September findet zum ersten Mal das STYGIAN PILGRIMS Tagesfestival im B58 Braunschweig und damit die Erstaufführung von „The Millennial Heartbeat“ statt. Die Idee ist entstanden aus dem STEEL HELD HIGH, einem Heavy-Metal-Tagesfestival das wir von BOOZE CONTROL seit einigen Jahren gemeinsam mit dem hotel666 e.V. organisieren. Für das STYGIAN PILGRIMS haben wir gemeinsam mit Moth & Light und unseren Proberaumkollegen von ASCIAN ein, wie ich finde, sehr schönes Line-up für Freunde der verschiedenen Doom-Facetten auf die Beine gestellt.
Welche Live-Aktivitäten plant Ihr sonst noch? Ihr schreibt, dass man Euch auf ausgewählten Bühnen zu sehen bekommt. Wollt Ihr Euch also zunächst nur auf einzelne Gigs konzentrieren? Oder wäre z.B. eine Tour als Support für eine andere Band ebenfalls denkbar?
David: Eine ausgedehnte Tour passt nicht zu FLAME, DEAR FLAME. Wir werden vor allem einzelne Shows spielen, sodass wir jeder Live-Darbietung die nötige Aufmerksamkeit widmen können, um sie zu etwas Besonderem zu machen. Das STYGIAN PILGRIMS wird die einzige Show für 2019 bleiben, sodass wir uns im Winter voll und ganz auf die Fertigstellung unseres ersten Full-Lengths konzentrieren können.
Titelbild: Rainer Cziesla
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Stile | Doom Metal, Epic Doom, Hard Rock |
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