Fjørt
"Wir können keine Sommerhits schreiben."
Interview
Meinung sagen, ist ein perfekt hingeschmissenes Stichwort. Ihr prangert an, ihr seid unbequem, ihr seid ehrlich, ihr seid nicht einfach. Ist das eure Schublade, die ihr euch erwählt habt oder wird es FJØRT irgendwann mal geben, wie sie von bunter Zuckerwatte trällern und schreien?
David: Ich finde es lustig, dass die Leute immer sagen, wir wären so aggressiv (lacht). Also effektiv sagen wir immer, dass FJØRT für uns immer ein Ventil sein wird, um das zusagen, was uns auf den Zeiger geht. Ich glaube so Tutti-Frutti-Songs können andere Künstler echt supergeil, so „Bailando“ und mit Kokosnüssen um sich werfen und ’ne geile Zeit haben. Ist geil, wer darauf Bock hat, super. Für uns ist Musik aber in erster Linie etwas mit dem wir Sachen verarbeiten wollen. Schöne Dinge müssen für uns nicht besungen werden. Wenn wir eine geile Phase haben, dann gehen wir eher in die Kneipe und quatschen darüber. Aber da muss ich persönlich jetzt keinen Song darüber schreiben. Es sind eher die Sachen, die uns selber aufreiben und deshalb sind wir manchmal auch sehr deutlich. Das gehört halt zu uns irgendwie. Ich glaube, ich könnte niemals so ’nen Sommerhit schreiben. Wenn ich das jetzt weiter spinne und ich stelle mir vor, wie ich auf der Tour „Verdammt ich lieb‘ dich“ von Matthias Reim singen würde. Boah, da würde ich mir so scheiße bei vorkommen. Nichts gegen Matthias Reim, aber das geht für meine Person einfach nicht. Deshalb, wenn so ein „No way“ – Gefühl dabei ist, dann lieber lassen und so ist es halt bei uns.
Man muss aber schon in einer FJØRT-Stimmung sein, um euch zu hören.
David: Man muss auf jegliche Musik ja irgendwo Bock haben. Das Geile an Musik ist ja: Man kann es AN und AUS machen. Das Interessante ist ja, wenn sich im Internet sogenannte Musikkritiker das Maul zerreißen. Dabei denke ich mir: „Hey Leute, wenn es euch nicht gefällt, dann macht es doch einfach aus. Wo ist das Problem?“ Klar hören wir alle hauptsächlich härtere Musik, aber das auch nicht durchgängig. Und das ist doch das Geile. Wir haben die Wahl.
Chris: Jede Musik hat halt ihre Daseinsberechtigung. Das ist auch irgendwie so ein Punkt, den die meisten Leute nicht verstehen oder jemals verstehen werden. Das auch Musik, die ich persönlich nicht so gut finde, nicht pauschal scheiße ist.
Das ist das grundsätzliche Problem. Nur weil mir Schlager nicht gefällt, muss man ja fähig sein anzuerkennen, dass sich das Schlagermäuschen auch im Studio ’nen Arsch abgesungen hat. Nur weil mir der Stil nicht gefällt, muss ich jetzt nicht sinnlos rumdissen.
David: Ja, aber dafür müsste man nachdenken, und das fällt leider vielen Leuten schwer heutzutage. Leider. Leider.
Würdet ihr euch als politisch bezeichnen?
David: Eher nicht. Ich nehme das Wort Politikum auch eher ungern in den Mund. Es setzt sich doch alle aus Menschen zusammen, die in einer Gesellschaft zusammenleben. Und wir sollten anfangen wieder gesund miteinander umzugehen, so wie wir es mal im Kindergarten gelernt haben. Wenn man in der Lage ist als Erwachsener unvoreingenommen auf andere Menschen zu zugehen, wie man es als Kind halt macht. Ja, das ist großartig.
Wir müssen über den Song „Windschief“ reden. Er wirkt mit seiner ehrlichen Art wie eine Liebeserklärung. Gibt es eine Geschichte dazu?
Chris: Ja, der Song hat so ein bisschen einen doppelten Boden, weil er eigentlich nichts mit Liebe zu tun hat. Der ganze Song ist ein Dialog, in dem der Protagonist selbst mit sich redet, mit der düsteren Seite von sich in Kontakt tritt und die einfach Überhand nimmt und die er nicht in den Griff bekommt. So dass er keine Wahl hat, als sich wehrlos hinzulegen und es über sich ergehen zu lassen. Und dieses Gefühl, ist halt einfach nah dem Gefühl, wenn du jemanden verehrst, weil du halt da auch immer mehr reingedrückt wirst. Deshalb ist dieser Song quasi wie eine Art Liebeserklärung geschrieben, aber ist in keinster Weise so gemeint.
Was war denn der letzte Song, der euch privat komplett im Griff hatte? Ohrwurmtechnisch.
David: Black Foxxes „Husk“.
Chris: Ja der ist richtig geil.
David: So eine richtig schöne 90s Punk-Rock-Sache. Geile Band, geiles Video.
Es geht ja nun mal sehr deutlich auf Weihnachten zu. Bestes Weihnachtsgeschenk, welches ihr jemals bekommen habt?
David: Einen Gameboy. Oaah, und da hab ich mich super drüber gefreut damals.
Chris: Bei mir war es eine Nintendo-Konsole.
David: Wir sind halt Zockerkinder. So Super Mario Land und Fußball. Das nächste Mal, wenn wir uns mal live sehen, spielen wir „International Supersoccer Deluxe“ auf dem Super Nintendo gegeneinander.
Und das schlechteste Geschenk, was man euch jemals gemacht hat?
David: Hm, ich glaube ich hab noch nie wirklich etwas Mieses geschenkt bekommen. Es gibt ja diese Videos von irgendwelchen Kindern, die Geschenke auspacken, sich die Geschenke dann maximal drei Sekunden ansehen und dann wegstellen. Ich glaube ich hab damals immer eine Sache bekommen, die ich dann sehr lange geil fand. Heute musst du eher thrillen: Da wird das Playmobilset ausgepackt, zack, weiter zum nächsten Geschenk. Halte ich echt für eine komische Entwicklung. Ich glaube wir leben aktuell zu schnell und zu viel. Ich weiß nicht, warum sich das so verändert hat und es ständig immer mehr und mehr sein muß.
Thema: Höher, schneller,weiter. Ihr dürft ja mitmachen beim „BOYSETSFIRE Family First“-Festival am 01. Februar in Köln? Gutes Ding oder?
Chris: Ja, größer geht ja schon gar nicht mehr !!!
David: Das ist wirklich eine geile Sache, dass wir dazu eingeladen wurden. Das ist schon echt genial, das wir bei solch großen Sachen dabei sein dürfen. Auf einer Stage mit BOYSETSFIRE. Geil!!!
Was war denn bisher der geilste Bühnenmoment?
David: Wir müssen uns da echt mal was zurecht legen, bei der Frage, weiß ich nie was ich sagen soll (lacht).
Ok, dann gibt es eine kreativere Frage.
David: Ne, ich kann dir das ganz einfach beantworten. Es sind nicht die großen Festivals, an die wir uns erinnern, sondern eher die Momente, die uns zusammengeschweißt haben. Die ersten Konzerten haben wir vor 5-10 Leute gespielt, die aber mega Bock hatten, also ziehst du es halt auch durch. Und dann liegst du nachts in irgendeiner Ecke mit einem kleinen Laken übern Kopf und denkst noch „Boah, so will und kann ich eigentlich nicht pennen“. Ja diese Stories sind es halt, die in unseren Köpfen bleiben. Diese kleineren Momente.
So ihr zwei habt es geschafft. Gibt es noch finale Sätze, die ihr loswerden wollt?
Chris: Ja, seid nett zueinander, achtet mehr aufeinander.
David: Hört mal mit dem Internet-Hate auf. Sprecht mehr direkt miteinander, das wäre geil. Macht doch einfach mal dieses Internet aus. So kleine Sachen tun gar nicht weh. Mal eine Colaflasche, die ein anderer herunter geworfen hat, im Supermarkt wieder ins Regal stellen oder so. Sowas ist irgendwie selten geworden. Guckt mal mehr rechts und links und auf andere. Das wäre schön.
Danke für das Gespräch und euch noch eine zauberhafte Probenzeit.
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Stile | Hardcore, Post-Hardcore |
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