Firewind
Gus G. im Gespräch
Interview
Fun Fact: Es waren mehr Menschen auf dem Mond als Gitarrist bei OZZY OSBOURNE.
Was für eine Person kommt für diese höchst elitäre Position überhaupt infrage?
Nun, europäischen Metalfans war der Name Gus G. schon vor seinem Beitritt zu OZZY OSBOURNE bekannt. Trotz seines jungen Alters beackerte er die Szene und bemühte sich, möglichst eindrucksvolle Spuren zu hinterlassen. Diese Arbeit wurde nicht nur mit dem bereits erwähnten Posten belohnt, sondern auch mit erhöhter Aufmerksamkeit für seine eigene Band FIREWIND. Anlässlich der kommenden Tour mit MASTERPLAN und dem im nächsten Jahr erscheinenden Album „Stand United“ nutzten wir die Gelegenheit, uns mit dem griechischen Flitzefinger zusammenzusetzen und uns über Gott und die Welt zu unterhalten.
Das metal.de-Team wünscht euch viel Spaß mit dem Interview!
Hey Gus, es ist mir eine Ehre, dich zu treffen. Wie geht es dir und was machst du?
Gus : Danke dafür, dass ich eingeladen wurde. Ich bin gerade mitten im Umzug.
Huch, wohin ziehst du denn?
Gus: Ich bleibe in Thessaloniki. Ich wechsele eigentlich nur das Haus.
Am upgraden, was?
Gus: Ich würde nicht sagen, dass ich upgrade – es ist immer noch ungefähr derselbe Level. Ich habe eine Bude gesucht, die mir besser gefällt. Ich ziehe des Öfteren um.
Hast du dir schon ein Studio eingebaut?
Gus: Das ist die Sache. Ich habe ein Studio und brauche einen guten Keller dafür. Das Haus eines Musikers hat halt ein paar Spezifikationen, die stimmen müssen.
Das ist verständlich. Auch hier fliegen die Gitarren herum.
Gus: Dann verstehst du, was ich meine. In meinen Fall ist es so, dass ich auch noch der „Storage Guy“ für FIREWIND bin. Equipment, Licht und Co. müssen ja irgendwo gebunkert werden.
Kommen wir direkt zur ersten Frage: Die neue Single „Come Undone“ wurde vor kurzem releast. Warst du bis jetzt mit dem Feedback zufrieden?
Gus: Ja! Ich bin zufrieden. Die Reaktionen unserer Fans waren bei allen drei Vorab-Singles gut. Ich habe nicht so viel Gemecker gehört – also alles in Butter (lacht)
Sind die Lyrics vom Konflikt in der Ukraine inspiriert oder irgend einem anderen besonderen?
Gus: Ja. Es ist zwar vom Krieg zwischen Russland und der Ukraine inspiriert, doch es könnte auch um all die anderen Kriege gehen. Es geht nicht in meinen Kopf, dass es in 2023 noch Kriege geben kann. Ich dachte, dass wir diese Dinge schon lange hinter uns gelassen hätten.
Was auch ekelig ist, dass sich Menschen finden, die den Krieg anstacheln und sich an geteilten Sterbevideos erfreuen. Es ist egal, von welcher Seite es kommt: Es ist abartig.
Gus: Ich stimme zu. Ich bin generell niemand, der sich auf eine Seite schlägt. Es sind nicht meine Kriege und gehen mich nichts an. Als jemand, der zusieht, denkst du dir nur „was zur Hölle geht da nur ab?“. Warum können die Dinge nicht anders gelöst werden? Man hat eine Idee von der Zukunft, doch merkt, dass sich nicht viele Dinge verändert haben.
Die menschliche Natur ist statisch.
Gus: Das war eine der Sachen, die mich besorgten, als ich an den Lyrics gearbeitet habe.
Zum neuen Album „Stand United“ : Es ist das zweite Mal, dass du mit Herbie Langhans zusammenarbeitest. Kannst du uns noch mal erzählen, wie ihr zusammengekommen seid?
Gus: Ich habe mich Ende 2019 mit Herbie unterhalten. Mein Produktmanager bei AFM hat ihn vorgeschlagen. Wir kamen ziemlich spontan dazu, das selbstbetitelte Album aufzunehmen. Er musste sich schnell anpassen, da vieles schon fertig geschrieben war. Das Echo war ziemlich positiv, doch ich wollte ihm diesmal mehr involvieren – was er ebenfalls wollte. Ich ließ ihn so ziemlich alles als Co.-Autor mitschreiben. Natürlich war auch Dennis Ward wieder involviert, doch als Songwriter hat er sich diesmal eher zurückgehalten. Herbie schrieb viel, ich verfasst auch viele Lyrics und die Zusammenarbeit war einfach.
Ich kenne ihn von AVANTASIA. Ich war von ihm beeindruckt, doch er macht dort eigentlich fast nur Backing Vocals. Die meisten wollen eh mehr von ihm hören. Ziemlich cool. Denkst du, dass es schwer ist, einen Sänger zu halten? Wenn ja, warum?
Gus: Wenn du auf meine Karriere zurückschaust, könnte man sagen, dass es schwierig für FIREWIND ist, einen Frontmann zu halten. (lacht) Wir hatten nie das stabilste Line-Up. Aber die Sache ist die, dass jede Band durch Veränderungen geht. Aber so läuft es im Leben nun mal. Besonders wenn man seit 20 Jahren aktiv ist. Es ist unvermeidlich. Es sei denn, dass es so viel Geld gibt, dass niemand einen Grund hat aufzuhören. In unserem Fall jedoch… Nun, welches Wort soll ich benutzen? Ich war sehr „emotional“, besser gesagt „romantisch“ in meinen Entscheidungen. Wenn mir jemandes Stimme gefallen hat, habe ich diese Person einfach gefragt, ob sie mitmachen will. Ich habe mir keine Gedanken darüber gemacht, ob wir zusammenpassen oder nicht. Ich habe es auf die harte Tour gelernt, weil wir viele Sänger verloren haben und alles öffentlich passiert ist. Wenn du die Stimme verlierst, kann es sein, dass sich die Identität der Band verändert. Ich will nicht lügen: Das hat die Band schon ein wenig verletzt. FIREWIND wäre heute ein viel größere Band, wenn wir einen stabilen Sänger gehabt hätten. Aber es ist, was es ist. Es passiert nun mal. Beziehungen sind kompliziert und wir sind durch viele Veränderungen gegangen. Mit Herbie sieht es aber ziemlich gut aus. Wir sind heute viel reifer. In meinen Zwanzigern war ich sehr hitzköpfig: Ich habe kein „Nein“ akzeptiert. Heute bin ich viel diplomatischer. Bei manchen Leuten war es meine Schuld und bei anderen hat es menschlich einfach nicht gepasst.
Wie du schon erwähnt hast, hast du auch diesmal mit Dennis Ward zusammengearbeitet. Wie seid ihr an das Album herangegangen und was war sein Einfluss auf die Songs?
Gus: Mit Dennis läuft es so, dass ich ihm Demos schicke. Ich mache das Arrangement sowie die Struktur und frage ihn nach seinen Ideen. Diesmal habe ich es auch zu Herbie geschickt, woraufhin er seine Gesangslinien dazugab. Ich wollte allerdings den „Dennis Ward Qualitätsstempel“. Ich frage ihn also „Was hältst du davon?“ oder „Was würdest du ändern?“. Er hatte natürlich Vorschläge. Es im Grunde eine Kollaboration im Dreiergespann. Manchmal schicke ich Dennis auch meine Texte, weil er Amerikaner ist. Er checkt die Grammatik und guckt nach, dass es keine Fehler oder schlechtes Englisch gibt.
Es ist nicht nur für dich eine Zweitsprache.
Gus: Genau. Außerdem hat er auch die Drums und Gitarren aufgenommen sowie das Album gemixt und gemastert. Er ist ein großer Teil unserer Alben und wie ein fünftes Mitglied.
FIREWIND sind schon ewig unterwegs. Ist es da schwer, eine Setlist für die Tour im März hinzubekommen?
Gus: Ich habe darüber noch nicht nachgedacht, weil es immer schwieriger wird. (lacht) Ich weiß gar nicht, was ich rauslassen soll. Wenn wir 4-5 Songs neue Songs spielen, wird die Setlist mindestens zwei Stunden lang. Weil wir mit MASTERPLAN Co.-headlinen, werden beide Bands mindestens 90 Minuten auf der Bühne sein. Ich werde mein Bestes geben Altes und Neues zu berücksichtigen.
Wie organisierst du die Proben? Fliegt Herbie rüber?
Gus: Ja, Herbie und Johan, der in Spanien lebt, fliegen rüber.
Ferien für die beiden, was?
Gus: Ja, es ist wirklich ein bisschen wie Ferien für sie. Sie lieben das gute Essen und das Wetter.
Auch in meiner Verwandtschaft gibt es viele, die für Griechenland und Griechen schwärmen. Woran liegt es deiner Meinung nach?
Gus: Es ist eben ein typisches Land für Touristen.
Hast du eigentlich schon einen Lieblingssong auf dem neuen Album, vielleicht etwas, was ihr auf der Tour im März performen werdet?
Gus: Ja! Es gibt einen Song namens „Fallen Angel“, der unsere nächste Single wird. Er kommt im Januar heraus. Es handelt sich um eine gute Mischung zwischen dem klassischen und modernen Sound von FIREWIND. Ihr werdet hören, was ich meine.
Es ist ja bekannt, dass MASTERPLAN der zweite Headliner auf der Tour sein werden. Hast du ihre Karriere über die Jahre verfolgt?
Gus: Ich habe sie eigentlich nicht so extrem verfolgt. Ich erinnere mich natürlich an die ersten beiden Alben, als sie herauskamen. Wir haben auch damals den Tourbus geteilt. Ich war mit meiner alten Band DREAM EVIL unterwegs. Ich weiß nicht, ob du sie noch kennst…
Oh doch… (geht ins Falsett) It’s the book of Heavy Metal!
Gus: Ja, hahaha! DREAM EVIL und MASTERPLAN waren die Vorbands für HAMMERFALL. Es war sowohl die erste Tour von DREAM EVIL als auch von MASTERPLAN. Von daher kenne ich Roland und die Jungs. Leider verlor ich die Band irgendwann ein wenig aus den Augen. Ich weiß allerdings, dass es ein paar Sängerwechsel gab. Aber was auch immer ich von MASTERPLAN gehört habe, war immer hochqualitative Musik. Ich wusste, dass sie seit längeren nicht getourt haben… Als ich dieses Package zusammengestellt habe, habe ich mir bewusst gesagt, dass ich eine Band will, die zur selben Zeit wie FIREWIND bekannt wurde. Eine Band, die hochqualitative Musik macht und sich nicht auf Gimmicks verlässt. Leuten, die guten Metal mit gutem Songwriting mögen, wird dieses Paket definitiv gefallen.
Roland und du teilen dieselbe Liebe für ULI JON ROTH… oder?
Gus: (Mit rasiermesserscharfer Bestimmtheit) Korrekt!
Habt ihr es damals schon auf Tour festgestellt?
Gus: Wir saßen viel im Bus und hörten SCORPIONS, haha!
Gefallen dir ihre 70er-Sachen generell am besten?
Gus: Ich liebe die 80er-Sachen auch, doch die Alben aus den 70ern sind einfach nur Wahnsinn.
„Blackout“ und „Love At First Sting sind der Hammer, aber die 70er stehen da noch ein kleines bisschen drüber.
Gus: Da stimme ich dir zu! Ulis Beiträge waren bei dieser Band einfach nur unglaublich.
Du bist ja schon seit den späten 90ern unterwegs. Du hast sehr viele Veränderungen im Musikbusiness mitbekommen. Haben sich die Dinge eher zum Positiven oder Negativen verändert?
Gus: Ich weiß nicht ob sich die Dinge zwingend negativ verändert haben. Oberflächlich gesehen, kann man es zwar schon so sagen, weil man keine physischen Produkte mehr verkauft. Zugleich bin ich aber kein Typ, der sich darüber jammert und sich beklagt. Wir leben in einer digitalen Welt, in der wir alles über unser Telefon machen. Musik wurde in ihrem Wert herabgesenkt. Vor 15 Jahren war Musik einen Dollar pro Song wert. Heute wird der Wert der Musik in Zeit gemessen: Wir wollen den Menschen Aufmerksamkeit und Freizeit abnötigen.
Es geht also um einen Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Menschen.
Gus: Jawohl. Das ist, was sich verändert hat. Die Leute konsumieren trotzdem mehr Musik als je zuvor. Die Herausforderung liegt darin, Zeit aus den Menschen herauszubekommen. Aber das ist, was du heute tun musst.
Du bist sehr bekannt für dein Equipment und die Deals, die du mit vielen Firmen hast. Was ist geschäftlich wichtiger: Endorsement Deals oder das Touren?
Gus: Das hängt vom jeweiligen Musiker ab. Beide sind integrale Teile meiner Karriere. Beide sind wie durch eine Kette verbunden. Mein Equipment ist wie eine Marke und die beste Art, diese zu verkaufen, ist, wenn die Leute mich auf der Bühne spielen sehen. Ich bin aber auch old school. Ich toure, ich bin ein tourender Musiker. Ich mache zwar auch Zeug auf YouTube und Social Media, bin aber nicht so wie viele Jüngere. Viele jüngere Gitarristen haben kein Konzept vom Touren. Sie wissen nichts davon und präsentieren ihre Musik online. Das Internet ist ihre Bühne. Beide sind wichtig, doch wenn ich mich zwischen den Sachen entscheiden müsste, würde ich natürlich immer das Touren wählen. Ich lebe dafür, auf der Bühne zu sein und liebe das Performen. Aber es ist auch etwas Tolles, Produkte zu entwickeln. Ich liebe Gitarren und die Accessoires, die damit zu tun haben und bin tief darin involviert.
Ich kannte dich, weil du in einer Band namens MYSTIC PROPHECY gewesen bist. Wie ist das zustande gekommen und warum hast du sie verlassen?
Gus: Yeah, MYSTIC PROPHECY war eine der ersten Bands, der ich damals überhaupt beigetreten bin. Ich war bei DREAM EVIL und zur gleichen Zeit bei MYSTIC PROPHECY. Zuvor spielte ich Gitarre für jeden, der mich haben wollte. Ich wollte so viel Erfahrung sammeln wie möglich. Ich habe jede Chance ausgenutzt, die ich bekommen habe. Ich habe Lia über einen gemeinsamen Freund kennengelernt, der für ein Magazin arbeitete. Er brachte uns zusammen, ich trat seiner Band bei und machte drei Alben mit ihm. Doch dann bekam ich das Angebot, mit ARCH ENEMY auf Tour zu gehen. Das war natürlich ein großes Upgrade für mich und etwas, was ich unbedingt machen musste. Ich musste also einige Entscheidungen treffen und verließ die Band. Doch nach meiner Erfahrung mit ARCH ENEMY, entschied ich mich, alles andere zu beenden und mich nur noch auf FIREWIND zu konzentrieren und meine eigene Band aufzubauen.
…Wenn du so zurückschaust, gab es einen Moment, wo du dir gedacht hast „Meine Güte, ich habe es geschafft!“ ?
Gus: Haha, das hatte ich wohl, als ich OZZY OSBOURNE beigetreten bin.
Das war sogar meine nächste Frage. Ich weiß, es nervt ein bisschen, weil wir hier sind, um die Tour mit MASTERPLAN zu promoten, doch Gitarrist bei Ozzy zu sein ist der höchste Job, den es in der Rockmusik gibt. Du hattest ihn 8 Jahre lang. Was ist die zentrale Weisheit, die du dir daraus nimmst?
Gus: In den Jahren habe ich so einiges gelernt. Mir wurde noch deutlicher, wie wichtig es ist, professionell zu sein, sich konstant zu verbessern sowie pünktlich und immer vorbereitet zu sein. Bei Auftritten dieser Größe musst du dich für ALLES wappnen. Alles kann passieren. Ich lernte es noch viel besser vorbereitet zu sein.
Wenn ich Bock hätte, Songs zu schreiben, die in die Richtung FIREWIND gehen, worauf müsste ich achten? Was sind deine Werkzeuge beim Songwriting?
Gus: Ich würde dir erst mal sagen, dass du es nicht versuchen solltest, Songs in Richtung FIREWIND zu schreiben. Du solltest dein eigenes Ding machen, weil du dich so von anderen abhebst. Doch wenn du wissen willst, „wie ich es mache“, kann ich es dir sagen. Ich fange mit Riffs an und nehme sie mit Pro-Tools im Home Studio auf. Dann programmiere ich Drums dazu und nehme den Bass auf. Ich bastle es im Grunde Stück für Stück zusammen. Ich nehme erst auf, wenn ich ein paar gute Riffs zusammen habe. Es ist sehr selten, dass ich einfach ein leeres Projekt aufmache.
Und musiktheoretisch? Was nutzt du da?
Gus: Meist Molltonleitern. Melodisches Moll. Harmonisches Moll oder auch Phrygisch-Dur.
Es ist für Laien oft sehr schwer, Theorie praktisch umzusetzen.
Gus: Das stimmt, doch Theorie ist nur dazu da, um zu wissen, wie wir etwas nennen. Ich kann es nicht empfehlen, auf Grundlage von Theorie zu komponieren. Komposition ist etwas, was aus dem Inneren kommt. Aus deiner Fantasie, deiner Inspiration oder wie auch immer du es nennen magst. Es ist allerdings gut, wenn du benennen kannst, was du tust.
Wir sind schon fertig. Die letzten Worte gehören dir.
Gus: Danke Mann! Und danke für das Interview. Ich freue mich schon auf den Release des Albums und die Tour. Ich hoffe, dass die deutschen Fans die Tour nicht verpassen, weil es eine verdammt geile Show wird.
Danke!
Gus: Für dich nur das Beste Philipp!
Für dich auch Gus!
FIREWIND/MASTERPLAN
MASTERS OF FIRE TOUR 2024
29.02.2024 GER – Frankfurt, Das Bett
01.03.2024 GER – Bochum, Matrix
11.03.2024 GER – Munich, Backstage Halle
17.03.2024 GER – Leipzig – Hellraiser