Filter
Interview mit Richard Patrick zu "Anthems For The Damned"
Interview
Viele hielten FILTER mittlerweile schon für verblichen, erschien „The Amalgamut“ doch bereits 2002, und in den vergangenen Jahren wurde es zudem immer ruhiger um die Truppe. Doch nun hat Band-Kopf Richard Patrick die Kurve gekriegt und mit „Anthems For The Damned“ ein richtig gutes Album vorgelegt. Natürlich musste er sich diesbezüglich und überhaupt ein paar Fragen gefallen lassen…
Hi Richard. Es freut mich sehr, dass es doch mit FILTER weiter geht. Nachdem das von mir sehr geliebte „The Amalgamut“ veröffentlicht wurde, kursierten ein paar seltsame Gerüchte über eine mögliche Auflösung von FILTER und als ARMY OF ANYONE ins Leben gerufen wurden, dachte ich tatsächlich, es ist aus. Nun liegt „Anthems For The Damned“ in den Läden und was soll ich sagen… es ist großartig, dass FILTER leben. Stand es denn überhaupt jemals für dich zur Debatte FILTER aufzulösen? Was war da los in den letzten Jahren?
Eine Auflösung stand nie zur Debatte. FILTER bin ich und ich bin FILTER. Nach „The Amalgamut“ hatte ich ernsthafte Probleme mit Alkohol und Drogen und musste mein Leben auf die Reihe bekommen, wenn ich dabei nicht draufgehen wollte. Also nahm ich mir eine Auszeit, ging in die Reha um endlich wieder zu mir selbst zu kommen. Als ich aus der Reha rauskam, fing ich an, an einem vierten FILTER-Album zu arbeiten und holte meine Freunde Robert und Dean DeLeo heran, um mit ihnen an ein paar Songs zu schreiben. Diese Session verliefen so prächtig, dass wir ein ganzes Album schrieben – ARMY OF ANYONE. Danach ging es auf Tour. Nachdem dieser Zyklus dann beendet war, wollte ich wieder zurück zu meinen FILTER-Wurzeln, genauso wie Robert und Dean es bei der Reformierung der STONE TEMPLE PILOTS machten. Ich habe niemals darüber nachgedacht, mit FILTER Schluß zu machen.
Fiel es dir schwer nach all den Jahren („The Amalgamut“ erschien im Jahre 2002) neuen Stoff zu schreiben, der perfekt zu FILTER passt?
FILTERs Musik unterliegt einem ständigen Wandel und Wechsel. Wir bewegen uns von hart über Industrial zu Akustischem und Melodischem. Es war ziemlich einfach.
Der Name FILTER und der Erfolg der vergangenen Jahre setzen dich doch in gewisser Weise unter Druck oder nicht?! Mit halbgarem Zeugs hättest du ja nicht ankommen brauchen…
Ich bin FILTER… genau wie Trent Reznor NINE INCH NAILS ist, oder Josh QUEENS OF THE STONE AGE. Die Mitstreiter werden vielleicht andere sein, aber der generelle Sound und Stil werden immer dem Namen treu bleiben.
Inwiefern hattest du freie Hand beim Songwriting? Labels schauen einem ja gerne mal auf die Finger und beäugeln, bzw. behören das Resultat akribisch…
Ich habe die unabhängige Route ausgewählt, so dass ich absolut keine Einschränkung und volle kreative Kontrolle hatte, und das hat bestens funktioniert.
„Anthems For The Damned“ ist ein waschechtes FILTER-Album, wenn auch mitunter nicht mehr ganz so zackig und hart wie die Vorgänger. War es für dich im Vorfeld klar, dass auf der neuen Scheibe nicht mehr so häufig das Gitarrenbrett regieren sollte? Versteh mich nicht falsch, es gibt durchaus noch geilen Gitarrenstoff auf „Anthems For The Damned“, nur die verzerrten Klampfen klingen halt nicht mehr so knackig wie vorher, und das meine ich nun nicht negativ, es fällt halt auf…
Ich bin als Musiker, Sänger und Songwriter herangewachsen. Das Album reflektiert, wer ich heute bin, und nicht wer ich 1996 war. Musik muss wachsen, um frisch zu bleiben.
Du hast bis auf einige Ausnahmen auf Samples und Studio-/Reglergespiele verzichtet und präsentierst die Songs relativ natürlich und bis auf wenige Ausnahmen auch irgendwie „pur“. War das dein spezielles Ansinnen? Wenn ich mal an „Title Of Record“ erinnere, waren dort doch einige Sound-Spielchen zu hören, wie zum Beispiel in „The Best Things“…
Es gibt eine ganze Menge Loops und anderes Zeug auf diesem Album. „Title Of Record“ ist über ein Jahrzehnt alt, in dem wir hoffentlich alle gereift sind. Ich liebe dieses Album und spiele viele der Songs live, aber ich denke auch, dass wir uns als Künstler weiterentwickeln müssen.
Ich habe in einem fremden Review den (meiner Meinung nach dämlichen) Vorwurf gelesen, „Anthems For The Damned“ würde zu poppig klingen und du könntest dich nicht entscheiden, in welche Richtung die Scheibe gehen sollte… Enttäuscht es dich, sowas zu lesen oder lässt dich derartige Kritik kalt?
Ja, dass kümmert mich herzlich wenig. Im Prinzip wünsche ich mir nur besser informierte Kritiker. „Take A Picture“ und „Where Do We Go From Here“ waren auch richtig coole Pop-Songs. Wir haben uns schon immer zwischen hart und melodisch bewegt.
Im Booklet ist eine Widmung zu lesen: „Dedicated to the memory of Sgt. Justin Eyerly and all who have fallen“. Was genau hat diese Widmung auf sich und wer war das?
Justin Eyerly war ein Freund und riesiger FILTER-Fan, der zu den Army Reservisten gegangen ist, um sich damit seine College-Ausbildung zu finanzieren. Er wurde für den Dienst in den Irak einberufen und dort getötet, nachdem er erst zehn Tage im Einsatz war. Das war sehr traurig und hat mich ziemlich mitgerissen.
Schreibst du die Texte eigentlich aus dem Leben heraus oder sind es rein fiktive Geschichten, die du da verarbeitet hast?
Ich schreibe über das, was ich kenne. Die meisten meiner Songs handeln von den Erfahrungen die ich in meinem Leben gemacht habe.
Blickst du manchmal zurück auf die Jahre und die Entwicklungsphasen, die du mit FILTER und dementsprechend natürlich persönlich durchgemacht hast? Ist dir heute ein Album wie „Short Bus“ fremd oder fühlst du immer noch genau dasselbe wenn du die Musik hörst?
Ich fühle immer noch genau dasselbe. Ich liebe dieses Album. Es hat mir meine Karriere in der Musik ermöglicht.
Du hast dich in letzter Zeit auch außerhalb von FILTER betätigt und wie eingangs erwähnt ein Album mit den DeLeo-Brüdern zusammengebastelt. ARMY OF ANYONE heißt das Schmuckstück und ich kann nur sagen, dass ich das Teil absolut genial finde! Diese Kooperation war ja ursprünglich unter dem Banner FILTER geplant. Wie ist daraus ein eigenes Projekt entstanden und wird es ein zweites Album geben?
Wir haben darüber nachgedacht, es unter dem Namen FILTER zu veröffentlichen, aber es war nicht wirklich FILTER. Es war eine großartige Band. Dean, Robert und Ray sind absolute Top-Musiker, wir waren ein eingeschweißtes Quartett. Ich würde niemals nie zu einem neuen Album sagen. Wir sind uns immer noch sehr nahe. FILTER und die STONE TEMPLE PILOTS haben einige Shows dieses Jahr zusammen gespielt.
Du hast auch mit Wes Borland zusammengearbeitet. Soweit ich weiß aber nur für einen Song oder?
Wir haben an einigen Songs gearbeitet. Einer ist davon auf dem FILTER-Album gelandet, ein anderer auf seinem Album mit BLACK LIGHT BURNS. Er ist wirklich ein toller Kerl und großartiger Gitarrist.
Was steht als nächstes an? Hast du schon neue Projekte am Start oder eventuell sogar Ideen für ein weiteres Album?
Ich habe auf jeden Fall vor, in den nächsten Jahren sehr hart zu arbeiten.
Wie sieht es denn mit Konzerten aus. Wird es die Möglichkeit geben, FILTER auf deutschen Bühnen erleben zu können? Ist in der Richtung etwas geplant?
Wir kommen definitiv noch vor Jahresende nach Europa und Deutschland.
Ich danke dir für das bereitwillige Beantworten meiner Fragen, Richard! Ich wünsche dir und FILTER das Beste. Das nächste Mal wenn ein Gespräch ansteht kommst zu meiner Grillparty, OK?
Aber gerne doch. Ich liebe Barbeque!