Filter
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Interview
Wenn Richard Patrick gut drauf ist, kann er einem echt das Ohr abkauen. Und an diesem Abend war er besonders gut drauf. Wie ein Wasserfall sprudelte der Frontmann von FILTER drauf los, so dass ich meine liebe Mühe hatte, überhaupt noch zu Wort zu kommen. Es war ein weitreichender und interessanter Streifzug durch die Welt von FILTER, das Leben von Richard Patrick und vor allem durch die Musik des neuen Albums „The Trouble With Angels“.
(Im Hintergrund scheint Richard noch einen anderen Anrufer am Telefon zu haben, ein kurzer Moment der Verwirrung, doch dann…)
HEY! Ich bin Richard Patrick, Sänger von FILTER, wie geht’s Dir?
Mir geht’s gut, danke der Nachfrage! Wieviel Zeit hast du denn überhaupt für mich?
Soviel du willst… ich bin mit Koffein aufgetankt und kann solange reden, bis der Himmel schwarz wird. Wobei, schwarz ist er sowieso schon, du hast mich zu reichlich früher Stunde erwischt.
Dann will ich mal eben mein Lob zu deinem neuen Album loswerden. Ich mach’s ganz kurz: „The Trouble With Angels“ fühlt sich für einen FILTER-Fan wie mich wie „Zuhause“ an, es bündelt einfach alles, was man mit FILTER verbindet, in ein gewaltiges Meisterwerk – und dieses Gefühl, so einen schnellen Zugang zu einer Platte zu finden, hatte ich bisher noch nie bei einem FILTER-Album.
Wow, danke. Dann würde ich mal sagen: Mission erfüllt. Ich wollte allen Fans von FILTER das zurückgeben, was sie schon immer wollten, was sie verdienen. Ich wollte ein Album, das sowohl den originalen Sound von „Short Bus“ und „Title Of Record“ hat, als auch perfekt ins Jahr 2010 hineinpasst.
Für das neue Album habe ich mit einem Mann namens Bob Marlette gearbeitet – ihn hätte ich schon zehn Jahre früher treffen sollen, bzw. hab ich das ja eigentlich, aber ich hätte schon vor zehn Jahren mit ihm arbeiten müssen! Er ist ein absolut talentierter Songschreiber und mittlerweile zu einem meiner besten Freunde geworden. Ich nenne ihn den „Finisher“ weil er sich all meine Rohfassungen und ungeschliffenen Ideen vornimmt und vollendet. Und er hat es geschafft mich dahin zurückzubringen, wo ich Anfang der 90er war. Bob hat dafür gesorgt, dass der durchgeknallte Gitarrist von NINE INCH NAILS, der ich einmal war, die erste Hälfte des Albums schreibt. Ich weiß gar nicht, wie ich das beschreiben soll, aber er ist meine Muße gewesen. Bob ist im wahrsten Sinne des Wortes zur anderen Hälfte der Band geworden. Und es ist einfach toll, jemanden an deiner Seite zu haben, der schon einige hundert Millionen verkaufter Platten auf seinem Konto verbuchen kann. [einige von Marlettes zahlreichen Kunden: IOMMI, TWO, ALICE COOPER, ILL NINO, AIRBOURNE, etc.; Anm. d. Verf.]
Wann hast du dich konkret an das neue Album rangesetzt?
Das war 2009, direkt nach „Anthems For The Damned“. Ich habe gemerkt, dass mein Protestalbum zwar einiges an Aufmerksamkeit für die Soldaten im Irak erreichen konnte, aber ich hatte – mal wieder! – meine ganz alten Fans irritiert, genau wie schon mit ARMY OF ANYONE. „Title Of Record“ und „Short Bus“ sind sowas wie die Familienjuwelen von FILTER, die Meilensteine. „The Amalgamut“ hat vor allem darunter gelitten, dass ich die Tour abbrechen musste, um mein Leben grundsätzlich wieder in den Griff zu kriegen.
Als ich also zusammen mit Bob mit dem Schreiben neuer Songs begann, habe ich mir auch sofort Mitchell Marlowe ins Boot geholt, weil er einfach ein Gitarrist ist, der seinen ganz eigenen Stil hat. Zusammen wollten wir uns dem annähern, was wir als ‚zeitgenössisch‘ empfinden. Nimm z.B. „No Love“ – der Song hat dieses Killerriff, aber in den Versen hat er diese ganz bestimmte Färbung, die Mitchell durch seinen originellen Stil verfeinert hat. Er hat auch den Chorus zu „Drug Boy“ geschrieben, hat ebenso bei „Clouds“ und „Down With Me“ mitgewirkt.
Ich hab eine ziemlich kindische Scheißegal-Attitüde, wenn ich Songs schreibe. Das war so bei „The Inevitable Relapse“ oder auch „Absentee Father“, die ich im Alleingang geschrieben habe, und dann natürlich dieses große, chromatische Riff in „Drug Boy“ – es ist chromatisch und chromagnum, brutal und simpel! Es versucht dich nicht zu beeindrucken, sondern bläst dich einfach nur um! Es sagt dir: „Fick dich, ich hatte noch nie Gitarrenunterricht – BLAM!“ Genau das war auch meine Motivation, überhaupt mit der Musik anzufangen. Dimebag, mit dem ich befreundet war, hat es gefallen, wie ich meine Gitarre misshandele. Ich bin nicht zimperlich, ich schlag‘ meine Gitarre, und Dimebag hat das nahezu perfektioniert – die Gitarre war seine Sklavin. Ich habe meiner Gitarre eine geknallt und sie angeschrien: „Mach diesen Song cool!“ Es sind diese kleinen Details, wenn ich z.B. mit den Picks über die Saiten kratze…
…vor allem ist es dieser ganz spezielle Gitarrensound, den man nur auf FILTER-Alben findet, da kann man noch solange woanders danach suchen, zwecklos…
Die Kids von LINKIN PARK haben das abgekupfert, meinen Sound, den typischen FILTER-Akkord… mann, ich habe das erfunden, keiner hat es vorher gemacht! Aber Imitation ist wohl die höchste Form von Schmeichelei im Musikerleben. Ich habe ja im Grunde nix gegen sie…
Was hat sich an deinen Zielsetzungen, die du 2008 mal in einem Interview geäußert hast (heavy, industrial, electronic), im Verlauf der Entwicklung von „The Trouble With Angels“ verändert?
Die Ziele hatte ich eigentlich die ganze Zeit im Hinterkopf. „The Inevitable Relapse“ war beispielsweise einer der letzten Songs, die wir geschrieben haben. Ich sagte zu Bob, „wir hatten eine Menge Spaß mit Mitchell, haben all diese neuen Klänge in die Musik reingeholt“… aber mit diesem Song bin ich direkt zu „Short Bus“ zurückgegangen. Die gleiche Akkordstruktur, ähnliche Töne… Bruce Somers von den KIDNEYTHIEVES hat das ganze Sounddesign gemacht, die ganzen Industrialeffekte eingebaut. Und ich sagte den Jungs, „DAS muss der erste Song werden, denn jeder soll wissen: FILTER sind zurück!“ Und genau deshalb wurde „The Inevitable Relapse“ auch die erste Single.
Ich möchte nicht, dass die Leute denken, ich würde mein Wort brechen. Du hörst den ersten Song, dann geht es weiter mit „Drug Boy“, „Absentee Father“, „No Love“ und schon weiß man, wie weitreichend und vielseitig das Album ist, wieviel emotionale Energie darin steckt. Ich meine, die Leute haben mir schon damals auf „Short Bus“ erlaubt, soviel auszuprobieren, und das Album hat Platin erreicht! Die Leute lieben aber auch „Title Of Record“, also dachte ich mir: Solange mir diese emotionalen Achterbahnfahrten in der Musik gestattet werden, wie z.B. bei „Fades Like A Photograph“ oder „Take A Picture“, der zu einem Riesenhit geworden ist damals, kann ich mich innerhalb dieser Parameter auch bewegen. Vielleicht habe ich auf dem letzten Album ein bisschen zuviel experimentiert, deshalb wollte ich zurück und den Leuten geben, was sie wollten. Aber du musst auch wissen, dass ein Album nicht allein deshalb toll wird, nur weil es ein bisschen wie „Title Of Record“ klingt, aber eben die Songs nicht da sind. Und das macht das neue Album aus: Die Songs sind da, und ich glaube, das wird die große Rückkehr der Band.
Steckt da nicht in gewisser Weise auch ein riesiger Erwartungsdruck seitens der Fans dahinter? Denn abgesehen von den zwei ganz großen Alben gibt es immer wieder Differenzen, mal über die melodischen, balladesken FILTER und mal über die Industrialband FILTER.
Nun, ich hoffe ja, dass bei den Fans das zutrifft, was man auch an unserer heutigen Gesellschaft beobachten kann. Wir leben in einer eklektischen Gesellschaft, in der die Leute ein DEFTONES Album kaufen, gleichzeitig aber auch ein LADY GAGA Album – wobei das noch nicht mal ein Album ist, sondern eine Single. Das sind dann solche Sachen wie ‚Partymix‘ oder ‚Heavy Mix‘ drauf. Da ist alles von subtil bis aggressiv drauf, es ist wie ein Radiosender. Die Welt ist wie ein iPod, der auf Shuffle eingestellt ist, man hört Musik quer durch den Gemüsegarten. Selbst Leute wie Jay-Z stehen auf LED ZEPPELIN, Puff Daddy will mit Robert Plant arbeiten… oder schau dir an, wie groß LIMP BIZKIT mit ihrem Mix aus Hip Hop und Metal geworden sind. Oder RAGE AGAINST THE MACHINE mit ihrem heavy Funksound. Solange man es richtig und gut macht… deshalb sollte auch der „Take A Picture“-Fan sich die Zeit nehmen, und mal den Anfang von „Title…“ anhören, während die Fans des schwerlastigeren Stoffs ja nicht immer so heavy drauf sein müssen. Und beide sollten sich deshalb auch das neue Album mal komplett anhören. Die Leute sollten sich nicht einfach Grenzen setzen für das, was sie mögen könnten oder nicht.
Man muss nicht so puritanisch sein wie manche Leute, die sich dann online darüber aufregen, warum ausgerechnet Nuclear Blast FILTER unter Vertrag nehmen. Für mich ist das eher ein logischer Schluß, weil Nuclear Blast schon immer offen für Neues waren. Als Kevin Day [Besitzer von FILTERs US-Label Rocket Science, Anm. d. Verf.] Markus Staiger getroffen hat, hat er ihm unser Album vorgespielt, und keine Minute später hat Markus zuhause angerufen und durchgegeben, „die nehmen wir unter Vertrag.“
Musik sollte sich außerhalb aller Grenzen und Einschränkungen bewegen. Ich liebe Heavy Metal, ich mag es zu schreien, aber gleichzeitig mag ich auch solche Songs wie „Fades Like A Photograph“, weil sie mir soviel bedeuten. Wir sollten so eine grenzenlose Welt der Musik einfach nur genießen.
Um nochmal zum Thema der Songs und deren Identität zurückzukehren: Es gibt da so einige Momente, die ganz konkret dieses anfangs von mir erwähnte heimische Gefühl erzeugen, weil es nahezu Zitate, aber keine Kopien, von früheren Songs sind. Da wären diese rhythmisch prägnanten Bassriffs bei „Clouds“ oder „Catch A Falling Knife“, die einen zurück zu „Hey Man, Nice Shot“ bringen, oder „My Life Before“, welches diese schönen Harmonien von „Take A Picture“ wiederspiegelt. Gibt es Songs oder Ideen, die wesentlich weiter zurückreichen, als das aktuelle Material auf „The Trouble With Angels“?
„My Life Before“ lag tatsächlich schon seit 2002 auf meiner Festplatte herum. „Plume“ schrieb ich in der Nacht, als die USA im Irak einmarschierten, also vor sieben Jahren. Ich schrieb es aus der Perspektive von Saddam Hussein, was ihm wohl in dem Moment, in dem er alles verliert, durch den Kopf gehen könnte. Auch dieser Song hat lange vor sich hingeschlummert. Die ersten Riffs für „Drug Boy“ hatte ich auch schon 2000 fertig, und an dem Song saß ich wirklich ewig rum.
Gibt es eigentlich Songs, die etwas ganz Besonderes für Dich sind, vielleicht noch mehr als manch andere?
Ich liebe Songs, die dir das Meiste geben. Ich liebe „Drug Boy“ mit seinem Chorus, „You’re trying to help me and all I’m thinking / It’s just the biggest waste of time“ – wer hat sich nicht schon mal so gefühlt? Der Alkoholiker, den ich vorhin am Telefon hatte, dem ist momentan einfach alles scheißegal. Genauso war ich auch mal drauf. Und dann ist da eine gute Freundin, eine total hübsche, sympathische Frau, die mir eines Tages einen Abschiedsbrief geschickt hat, weil sie sich das Leben nehmen wollte. Ich habe drei Wochen lang immer wieder mit ihr gesprochen, hab ihr gesagt, dass sie das nicht tun kann, dass sie krank ist und ich ihr helfen kann… und irgendwann sagte sie diese Worte zu mir, dass meine Mühen reine Zeitverschwendung wären. Sie sagte das zwar nicht wörtlich, aber ich konnte es an ihrer Stimme hören, und es erinnerte mich an eine ähnlich schwere Zeit, die ich selbst durchlebt hatte.
Das einzige, was mich damals vor dem Schlimmsten bewahrt hatte, war der Gedanke, so aus der Welt zu treten, und meinen Neffen und Nichten nichts weiter zu hinterlassen, als dieses Ereignis. „Oh ja, Onkel Richard, der Rockstar der sich umgebracht hat.“ Der Grund, warum ich über all das rede und singe ist, dass es die Leute hören, lesen und sich selbst darin erkennen. Sie sehen ihre Probleme, die auch mal meine Probleme waren. Es ist eine Art wechselseitige Beziehung: Einige Leute sind schon an mich herangetreten, und haben mir gesagt, wie sehr ihnen meine Worte geholfen haben, dass es ihnen quasi das Leben gerettet hätte. Aber gleichzeitig retten sie damit auch mein Leben, weil es mir immer wieder vor Augen führt, dass es eine Lösung gibt, ein Ziel, und es hilft mir selbst, trocken zu bleiben.
Das ist nicht die coolste Sache der Welt, und viele Fans wollen solche Geschichten auch gar nicht in den Songs hören, aber vielen anderen hilft es eben schon. Das Lustige ist ja, dass ich das, was ich selbst erlebt habe, als Inspiration für meine Songs nutzen kann. Und so eine Liedzeile, in der quasi jede Hilfe eine einzige Zeitverschwendung ist… die drückt diese ganze Frustration einfach perfekt aus.
Es gibt da auch diese Zeile bei „No Love“, in der du u.a. singst, „20 years ago began the birth of me“ – gehst du damit auch ein Stück zurück zu deinen musikalischen Wurzeln?
Für mich hat sich damals in kurzer Zeit sehr viel verändert, viele Beziehung zerbrachen, und ich lernte auch durch mein Umfeld, wie man ein richtiges Arschloch sein kann. Gleichzeitig geht es aber auch um eine Art persönlichen Befreiungsschlag.
„We’ve crossed a million lines / and we’ve lost a million times / and the disrespect we’ve earned is the disrespect we’ve learned / and we don’t give a damn about the love we lost / and we don’t give a damn about the dreams we cost / and on and on and on we go / No Love“
Es geht um die Fehler, die immer wieder gemacht werden, die immer wieder weitergereicht werden, an junge Leute, an folgende Generationen. Wenn man sich das auf der globalen Ebene anschaut, muss man sich doch fragen: Warum gibt es immer noch Kriege, warum werden immer noch wegen Religionen Kämpfe ausgetragen, warum dieser Scheiß mit dem Djihad? Hier in den USA gibt es die sogenannte Teaparty-Bewegung, die auch christliche Werte heucheln. Was ist denn an diesen sogenannten Werten dran, wenn in deren Namen Kinderschänder gedeckt werden? Oder Menschen verbrannt zu Zeiten der Inquisition? Welcher Jesus soll das vertreten?
Das ist auch der Grund für den Titel des Albums, „The Trouble With Angels“. Es geht um Hass, um erlerntes Verhalten. Ich bin durch mein damaliges Umfeld zum Arschloch geworden, und habe mich dann auch anderen gegenüber so verhalten. Wenn man einem 10jährigen eine Waffe in die Hand drückt, damit er Menschen damit umbringen soll, wird aus ihm einer der besten Killer der Welt – denn Kindersoldaten haben kein Gewissen.
Ich denke in dem Zusammenhang aber auch an all die Stereotypen, die unsere Gesellschaft so beherrschen. Ob Vorurteile gegenüber Homosexuellen oder Schwarzen… ich meine, überleg mal, seit wann hierzulande die Sklaverei abgeschafft ist… das ist nicht mal 200 Jahre her! Das ist NICHTS! Es gibt Bäume, die älter sind! Wenn ich mir anschaue, was für Hass auf Fernsehsendern wie Fox News gestreut wird, oder dieser absurde Zirkus, den Glenn Beck und Sarah Palin kürzlich am Lincoln Memorial, zusammen mit hunderttausenden Menschen, veranstaltet haben… stell dir das mal vor: ‚Gottes Wort soll wieder bestimmend für die Regierung sein‘, ‚Wiederherstellung von Amerikas Ehre‘ und all dieser Mist – schrecklich ist das!
Und um all diese Dinge dreht sich auch „No Love“. All das ist leider erlerntes Verhalten, von Generation zu Generation unreflektiert weitergegeben, wie eine Krankheit. Es dreht sich um die Frage: Wollen wir tatsächlich so weitermachen? Die Menschen sollten sich mal zurückbesinnen auf das, was uns wirklich menschlich macht: Unsere Emotionen, unser Einfühlungsvermögen, die Bereitschaft, einander zu helfen. Aber bevor ich dich hier noch zu Tode quatsche…
Ich habe gerade die Deluxe-Edition vor mir liegen, die ich mir frisch aus den USA bestellt hatte. Bislang waren FILTER ja nicht gerade bekannt für sowas, deshalb ist dieses spezielle Digipak-Design mit dem heraustretenden Engel etwas ziemlich ungewohntes. Überall symbolische Anspielungen, ein denkwürdiger Satz über Galileo… und gleichzeitig eine Rückkehr zu diesem ‚Produktdesign‘ von „Short Bus“ und „Title of Record“, welches Musik als Produkt so wunderbar thematisiert hat.
Das ist vor allem der Verdienst von Deborah Norcross, einer wirklich fantastischen Grafikdesignerin. Vor vielen Jahren hatten wir uns mal unterhalten und sie fragte mich, ob wir nicht mal einen subtileren Weg gehen möchten. Bei den meisten Hip Hop Alben stehen die Leute mit Goldkette vor ihren fetten Karren und posieren um die Wette, aber auch im Heavy Metal findet man teilweise solche einfallslosen Cover.
Bei FILTER ist nicht alles so offensichtlich, viele Details und subtile Botschaften stecken dahinter. Da wäre z.B. die Zahl „m400“, minus 400 Jahre. Vor 400 Jahren wurde Galileo eingesperrt, weil er für sein heliozentrisches Weltbild einstand.
Wissenschaft macht die Welt kleiner, verständlicher, zugänglicher für alle. Es kann doch nicht sein, dass man an den Tag des jüngsten Gerichts glaubt, und sich deshalb einen Dreck um die Probleme der Erde schert, weil man ja sowieso irgendwann im Himmel landet. Und wer kommt dann in den Himmel, natürlich nur die, die sich selbst für die Guten halten, der Rest landet im Feuer.
Ich denke bei diesem speziellen Artwork an so vieles, das es wohl zu weit führen würde, wenn wir über das alles jetzt reden. Es geht vor allem um Interpretation, oder sagen wir Inspiration… ich will Emotionen wecken, Reaktionen hervorrufen. Der Engel – fliegt er hinaus? Zieht er sich zurück? Ertrinkt er? Lacht er oder weint er? Die Leute sollen sich ihre eigene Meinung darauf bilden, ich will sie zum Nachdenken anregen.
Nicht ganz unbeteiligt daran ist ja euer neues Label, Rocket Science Ventures. Es scheint nicht das typische 0815-Musiklabel zu sein, soviel steht schon mal fest.
Dort arbeiten absolut großartige Leute, die sich wirklich für Musik interessieren, die Musik lieben und für sie leben. Von Majors kannst Du diese Hingabe nicht erwarten, die kümmern sich einen Dreck. Bei solchen kleinen Labels kriegst du ehrliches Feedback, die sagen was sie denken, und genau das mag ich auch. Sie sind so überzeugt von dem Album, dass sie am liebsten schon die nächste Single rausbringen möchten. Egal, ob es um das Digipak-Design ging, das Artwork oder das Video, allen merkst du an, dass es ihnen was bedeutet.
Eine kleine Überraschung war es auch, Brian Liesegang in den Credits zu finden, sozusagen auch eine personelle Rückkehr zu „Short Bus“ nach langer Zeit.
Brian hat sehr gute musikalische Ideen, und ich denke, dass ich auch in Zukunft mit ihm zusammenarbeiten werde. Er hat sich nunmehr den sanfteren Klängen zugewandt, deshalb wird man ihn auch bei dieser Seite von FILTER hören.
Wie stehen eigentlich die Chancen, irgendwann mal eine FILTER-DVD zu bekommen? Mit „Title Of DVD“ gab es ja leider nur eine sehr unwürdige Premiere, die mittlerweile auch schon mehr als zehn Jahre alt ist.
In Sachen DVD sollte wirklich etwas gemacht werden, auf jeden Fall Live-Mitschnitte von Konzerten. Aber weißt du, derzeit konzentrieren wir uns lieber erstmal voll und ganz auf das Album, jetzt wo es noch so frisch ist.
Natürlich, aber schreib’s Dir lieber auf, denn das Teil ist wirklich überfällig. Da muss ich gleich noch was anderes loswerden. Mit „Remixes Of The Damned“ gab es ja zum ersten Mal ein komplettes Remix-Album (zu „Anthems For The Damned“), nur leider erschien das nur online, nicht als CD.
Ursprünglich dachte ich mir dabei, dass es wie eine Art Lückenfüller funktionieren soll, für alle Fans, während wir nach „Anthems For The Damned“ quasi abgetaucht sind, um das neue Album zu schreiben. Es war gleichzeitig ein Platzhalter für die Zeit bis zur Veröffentlichung des Best-Of-Albums. Remix-Alben verkaufen sich für gewöhnlich eher schlecht als recht, so dass man am Ende auf den Kosten sitzen bleibt, weil das Teil schlicht gesagt keiner kauft. Deshalb fand ich es auch angemessen, gerade wegen des Remixcharakters und der elektronischen Seite dieses Albums, dass ganze für computeraffine Leute als Onlinerelease zu veröffentlichen.
Ja, aber gerade im Vergleich zu den sehr elektroniklastigen Remixes der Vergangenheit lag das Augenmerk deutlich auf Rock und Gitarren, so dass es wie eine Ergänzung zu „Anthems…“ war. Denk doch mal an solche Unbelehrbaren wie mich, die viel lieber was in den Händen halten wollen, als irgendwelche gesichtslosen mp3s runterzuladen… Selbst wenn es nur eine Miniauflage von vielleicht 1000 Exemplaren gäbe – die würden weggehen wie warme Semmeln, und ich wäre einer der ersten, der sich das Teil vorbestellt.
Hm, na vielleicht machen wir das ja wirklich, irgendwann einmal. Du, ich merke grad, dass ich mich für’s Rehearsal verspäten werde, wenn ich jetzt noch endlos weitertelefoniere.
Dann noch etwas ganz Schnelles zum Abschluß: Dein Bruder Patrick soll ja ziemlich wild zugange sein bei deinen Konzerten.
Oh ja, ich meine, schau ihn dir an, er ist ganze zehn Jahre älter als ich, und ich bin schon über 40 (auch wenn ich nicht so aussehen, hehe), und er steht da im Pit, hat schon einen schlimmen Motorradunfall überlebt, und fängt an, die Menge anzuheizen. Es war absolut irre, das von der Bühne aus mitanzusehen, unglaublich. Eins der besten Konzerte, die ich je gespielt habe.
Dann hoffe ich doch, euch bald hier live erleben zu dürfen!
Auf jeden Fall, und je schneller sich die Kunde von unserem Album verbreiten kann, je mehr Leute unseren Namen hören, umso schneller wird es uns möglich sein, nach Deutschland zu kommen. Es steht derzeit zwar noch nichts definitiv fest, aber wir sind bereits bei den Planungen. Eine Tour wird kommen – WIR werden kommen!
„The Trouble With Angels“ erscheint am 24. September bei Nuclear Blast