Feuerschwanz
Das Interview Teil 2 - "Wir pumpen das Öl aus dem Boden, zünden es an und tanzen nackt ums Feuer"
Interview
FEUERSCHWANZ verkünden „Das Elfte Gebot“ – Ein Album zum reflektieren Besäufnis
FEUERSCHWANZ haben nun mit “Das Elfte Gebot“ ein gewaltiges Album veröffentlicht. In Teil 1 des umfangreichen Interviews zur neuen Platte verriet uns Prinz R. Hodenherz III. (“Hodi“) seine Gedanken zu den neuen Liedern. Nun ist es Zeit ein wenig ins Detail zu gehen. Was würde passieren, wenn alle Menschen das elfte Gebot befolgen würden? Gibt es Songs von vergangenen Alben, die die Band nicht mehr spielen würde? Und sind FEUERSCHWANZ mittlerweile erwachsen geworden?
metal.de: „Das elfte Gebot gebietet zu leben“ – warum ist diese Botschaft für euch so wichtig, dass sie titelgebend geworden ist?
Hodi: Die Botschaft ist eigentlich das, was FEUERSCHWANZ seit der ersten Stunde ausmacht. Die Formulierung ist zwar dieses Mal eine andere, aber eigentlich ist es das, was wir schon immer sagen wollten – es hat nur zwischen all dem Ficken und Saufen keiner gemerkt. Wir predigen schon immer, das Leben zu genießen und eine gute Zeit zu haben, auch auf Festivals und Konzerten und es dabei nicht zu eng zu nehmen.
metal.de: Ich hätte es tatsächlich noch ernster gesehen. Es mag nicht philosophisch sein, aber immerhin zum Nachdenken anregend.
Es ist ja auch ernst gemeint, das ist ja das Schöne daran! “Wir machen Gaudi“ ist auch eine Lebenseinstellung, hinter der man steht. Das legt man nicht ab und ist nach dem Konzert ein Miesepeter. Diesmal haben wir es besonders auf die Religion abgesehen. Das kommt auch größtenteils von mir, muss ich gestehen. Kritik am Christentum ist keine Masche, sondern stammt direkt aus meinem Leben. Ich bin katholisch erzogen worden, hab da aber so meine Zweifel. Das wollten wir mit diesem Titel zum Ausdruck bringen. Abgesehen von den 10 Geboten gibt es eines, unserer Meinung nach wichtigeres, welches nicht so einengend und dogmatisch ist.
metal.de: Bleiben wir bei kritischen Songs. “Totentanz“ gibt mir einige Rätsel auf. Kritisiert ihr die Menschheit an sich, Entscheidungsträger, denen die Welt egal ist, oder sogar SALTATIO MORTIS?
Nein, mit der Band hat es nichts zu tun. Der Totentanz ist ein mittelalterliches Motiv, woran sich SALTATIO MORTIS genauso bedient haben. Eigentlich hast du die Kritik an der Menschheit an sich ganz richtig erkannt. Wir zeigen ungern mit dem Finger auf andere. Es ist eher das Vorhalten eines Spiegels, der einen explizit selbst nicht ausschließt.
metal.de: Mir gefallen die ernsteren Songs besonders gut. In „Im Bauch des Wals“ nehmt ihr erstmals derart direkt zu aktuellen gesellschaftlichen Debatten Stellung. Was läuft eurer Meinung nach beim Umweltschutz falsch in der Welt?
Ich finde die Debatte nicht so aktuell, nur, weil es medial aktuell ist. Bei der Frage was schief läuft, kann man auch nur schlecht auf jemanden zeigen. Schlussendlich ist es unser aller Energie- und Wachstumshunger, der auf Kosten der Umwelt geht. Ich habe auch keine Lösung dafür. Wir wollten das Thema musikalisch emotionalisieren mithilfe eines Wals, einer so würdevollen Kreatur. Wenn ich nur von einem Wal rede, der voll mit Plastik ist und daran krepiert, schnürt es mir die Kehle zu.
metal.de: Ist es fair zu sagen, dass FEUERSCHWANZ erwachsen geworden sind?
Was heißt fair? Es ist richtig, würde ich sagen. Wir haben uns zwar das innere Kind bewahrt, denn die Gaudi-Nummern gibt es trotzdem. Auf Dauer ist uns das aber zu eindimensional geworden. Völlig unreflektiertes Saufen – das braucht auch einen Grund.
metal.de: Was ist denn reflektiertes Saufen?
Wenn man sich mit der Welt um einen herum beschäftigt und zum Schluss kommt, dass es nur ein Leben gibt, das wir haben. Das gilt es zu genießen. Wenn ich das am besten kann, indem ich aufs MPS oder Wacken fahre und mir die Birne wegsaufe, sollte ich mir keinen Zwang antun. “Do what you love and let it kill you.“
metal.de: Stilistisch seid ihr mit der Band mittlerweile weiter Weg vom klassischen Mittelalterrock als jemals zuvor. Bietet eine metallischere Ausrichtung mehr musikalischen Spielraum?
Auf jeden Fall! Bei Ruhrgebiets-Rock mit Dudelsäcken ist schon vieles auserzählt. Das können andere auch besser als wir. Im Metal haben wir das Gefühl uns austoben zu können. Es gibt auch nur wenige Bands, die das machen. ELUVEITIE spielen Metal mit Flöte – das war es schon fast. Es fühlt sich daher an wie ein noch nicht so stark beackertes Feld und da hat man auch mehr Spaß beim Austoben. Das geht mit den etwas ernsteren Themen gut Hand in Hand. Ein Metalsong über Gänseblümchen, das kann J.B.O., sogar auch sehr gut, aber geiler ist es natürlich, wenn es bei Metal auch um Schlachten und Drachen und Epic Stuff geht.
metal.de: Welche Rolle spielt euer Gitarrist Hans dabei? Bringt er sich mehr ein als zuvor?
Man könnte sagen, dass wir ihn mehr von der Leine lassen. Der Hauptmann würde sagen: “Wenn du ein Rennpferd im Stall hast, dann solltest du damit nicht den Acker pflügen.“ Er ist kein ehemaliger Dudelsackspieler, der auch eine Gitarre im Keller hatte, er ist durch und durch Metalgitarrist. Und das macht richtig Spaß mit ihm!
metal.de: Gibt es Lieder von vergangenen Alben, die ihr mittlerweile weder so noch einmal schreiben noch live spielen würdet?
Ja! Nochmal schreiben würden wir sie sowieso nicht nochmal so, denn es ist ja immer eine Momentaufnahme. Da rennst du bei mir offene Türen ein, denn ich bin mein härtester Kritiker. Es reicht sogar schon, wenn der Song ein halbes Jahr alt ist. Dann kommt von mir: “Ach das würde ich heute alles viel geiler machen“ – aber deswegen macht man ja auch neue Alben. Wenn du immer warten würdest, bis es perfekt ist, würdest du ja nichts auf die Reihe kriegen. Aber es gibt keinen Song, den wir nicht spielen würden. Das krasseste Beispiel ist dabei ja “Wunsch Ist Wunsch“ – das ist der Humor eines 20jährigen. Da war der Zeitgeist etwas anders und der Witz ein bisschen lustiger. Ich würde das weder heute nochmal so machen, noch über den Witz lachen. Dafür ist man dann doch zu reflektiert. Da sind wir sogar als Gesellschaft insgesamt ein bisschen weiter, wenn sich so ein Witz nicht mehr cool anfühlt. Ich würde es nicht nochmal machen, aber ich kann es reflektieren. Wir spielen den Song ja auch ab und zu noch in Form von Medleys. Aber uns ist natürlich das volle Ausmaß der Nummer bewusst.
metal.de: Neben den angesprochenen ernsten Songs gibt es auch reichlich Partymaterial auf „Das Elfte Gebot“. Wie schwierig ist es nach über 15 Jahren FEUERSCHWANZ noch ein gutes Trinklied zu schreiben?
Das ist tatsächlich die höchste Kunst! Es liegt eigentlich daran, dass man sich immer neue Wörter dafür einfallen lassen muss. Die Musik schreibt sich dann fast von allein. Das ist die Erfahrung aus vielen Jahren und Konzerten. Natürlich hat man auch selbst reichlich gefeiert und weiß worauf man steht, wenn man ein paar Bier in der Birne hat. Sie hohe Kunst als Partyband ist es, den Song so klingen zu lassen, dass es dann auf CD nicht peinlich wird. Deswegen konzentrieren wir uns auch auf ein oder zwei Lieder pro Platte, sonst erträgst du es ja selbst nicht. 10 Songs lang, 10 verschieden Formulierungen für “Met saufen“ – das schafft nicht mal ein Hauptmann. Deswegen ist “Metfest“ eine ganz coole Nummer und der Name der Konzertreise im letzten Jahr. Das war die Zusammenfassung dessen, wofür FEUERSCHWANZ die letzten 15 Jahre stand. So kann man sich austoben, sucht sich aber daher auch noch zahlreiche andere Themen aus.
metal.de: “Kampfzwerg“ ist ein solcher Song – wer von FEUERSCHWANZ passt am besten auf die Beschreibung im Lied? Wer ist der größte (oder trinkfesteste) Kampfzwerg der Band?
Zwerge sind wir ja alle nicht. Von der Körpergröße ist Johanna von der Vögelweide der Kampfzwerg, verträgt dann auch mehr als man denkt. Insgesamt wäre aber wahrscheinlich der Hauptmann unser Kampfzwerg, wobei er ja nicht fett ist. Tja, wir haben wohl keinen echten Kampfzwerg. Die stehen dann meistens in der ersten Reihe, breit gebaut, glücklich und mit einem Methorn in der Hand.
metal.de: Wie stark trifft euch die Corona-Krise?
Ich bin Profimusiker und daher sowohl finanziell als auch psychisch stark getroffen. Jeder in der Band, der noch einen anderen Job hat, der nichts mit Musik zu tun hat, kann das noch besser abfangen als ich. Ich habe mit DARTAGNAN schon eine Tour verschieben müssen, das ist hart. Wir hätten jetzt schon einige Konzerte mit FEUERSCHWANZ gespielt, wovon ich meine Miete bezahle. Es ist eine Katastrophe. Wir haben für unser “11:O:A“ eine Startnext-Kampagne eingerichtet, bei der die Fans uns unterstützen konnten. Alles was nicht ins Konzert floss, ist dann zum Beispiel dazu da, das Ganze abzufedern. Die Show hat allein schon etwa 15.000€ gekosten. Dann gehen Steuern und sonstige Ausgaben weg und den Rest brauchen wir, um zu überleben.
metal.de: “Das elfte Gebot“ hat mit „Sieben Todsünden“ eine spannende Bonus-Scheibe. Wer kam auf die Idee und von wem stammen die Songvorschläge?
Bei der Idee an sich weiß ich es nicht mehr, denn es ist ja auch keine neue. Das Novum bei uns ist den FEUERSCHWANZ-Sound auf andere Bands zu übertragen. Das ist natürlich trotzdem spannend. Der Titel stammt von mir und die Songauswahl erfolgte gemeinsam. Covern ist zwar cool, aber es sollte alles auch ein bisschen an der Schmerzgrenze sein, entweder auf das Genre bezogen oder auf Songs, an die man sich normalerweise nicht rantraut. Man musste bei jedem Song aus Ehrfurcht etwas schlucken, denn es hatte alles eine gewisse Fallhöhe. Die ganzen Stürze haben wir ganz gut überlebt. Es war aber total spannend – SEEED und DEICHKIND auf Mittelalter Metal zu machen ist schon heftig.
metal.de: Hast du einen Favoriten? Und wenn ja, welchen?
SEEED ist schon unser größtes Kampfschiff dabei. Ich verbinde damit ja, wie du bestimmt auch, Abiabschlusspartys oder blöde Mainstreampartys, aber bestimmt kein WACKEN oder SUMMER BREEZE. Daher haben wir das mal in unsere Welt geholt. Im Nachhinein die größte Überraschung war die POWERWOLF-Nummer, an die wir uns erst nicht so richtig rangetraut haben. Das ist lupenreiner Power Metal und singen wie Attila Dorn kann bei uns auch keiner. Die Musik ist so schnell mit viel Double Bass – Hilfe, wie soll man das nur spielen? Soll ich diese Highspeedgitarren etwa auf der Flöte spielen oder was? Da dachten wir uns: “Ja! Wir machen es genau da, wo es wehtut.“ Im Nachhinein höre ich den Song mit am liebsten an. Man kann ja immer was bei den Kollegen lernen, wenn man sich tiefer mit einem Song beschäftigt. Das schöne bei “Amen & Attack“ ist ja, dass es um die Kreuzzüge geht. Das wusste ich vorher nicht, bis ich mal den Text gelesen habe. Das passt richtig gut zu FEUERSCHWANZ. Das war bei der SABATON-Nummer ähnlich. Die Melodie ist ja wie im Folk aufgebaut und hat daher nur darauf gewartet, mit Dudelsäcken, Flöten und Geigen gespielt zu werden. Bei DEICHKIND und SEEED war es natürlich ein bisschen schwieriger, aber auch da passt die weirde Synthie-Melodie zum Dudelsack.
metal.de: Bei RAMMSTEIN war ich sehr überrascht, wie gut es geworden ist. Ich bin sehr großer Fan der Band und hatte zunächst Bedenken – entweder wird es richtig gut oder richtig mies. Mittlerweile bin ich bei erstgenanntem Urteil. Mich hat es sehr erstaunt, dass so wenige E-Gitarren darin enthalten sind.
Das war auch unser Konzept dabei. Wir wollten es möglichst mittelalterlich gestalten, da das ganze Lied quasi auf einem Akkord durchläuft. Das passt natürlich zum Mittelalter, wenn die ganze Zeit ein Bordun mitspielt. Die E-Gitarren könnte Hans natürlich sehr gut nachspielen – aber dann ist es eben nur nachgespielt. Daher haben wir es so gemacht, wie es nicht im Original ist, Akustikgitarren statt E-Gitarren und Mönchchor anstatt der Engel
metal.de: In einer Welt, in der alle Menschen das elfte Gebot befolgen würden – was würde sich ändern?
Unter Einhaltung des kategorischen Imperativs oder nicht? Das muss man ja dazu sagen.
metal.de: Schwierig, aber ich sage mal ja.
Also keine totale Gewalt und “Hier kommt Alex“ – das wäre nämlich die eine Möglichkeit. Das wäre der Leviathan nach Thomas Hobbes. Eine Gesellschaft ohne irgendeinen Zusammenhalt ist pure Gewalt. Aber im anderen Fall wäre die Welt gerechter, würde ich sagen. Wir neigen ja alle dazu, uns Reichtümer anzuhäufen und andere auszubeuten. Wenn man also nicht an Über-Übermorgen denken und Reichtümer für eine Zukunft anhäufen würde, die niemals kommt, sondern heute das Richtige damit macht, wäre es vielleicht ein bisschen gerechter. Aber es ist eine harte Frage. Was wir aus der Umwelt machen, ist totaler Hedonismus. Wir pumpen das Öl aus dem Boden, zünden es an und tanzen nackt ums Feuer. Es ist also schon ein wenig so, als warte morgen der Tod. Es ist harter Tobak, ein großes Thema, vor dem man beim Songschreiben keine Angst haben sollte. Wenn man sich keine Gedanken darüber macht und nur mit groß klingenden Worthülsen um sich wirft, wird es auch schnell albern. Das ist ein gefährlich schmaler Grat, auf dem man sich mit solchen Themen bewegt. Ich kann nicht von mir behaupten, dass ist das in Gänze begriffen hätte – es wäre eine Lüge, wenn es irgendjemand behauptet. Es ist keine absolute Wahrheit, sondern nur eine Auseinandersetzung damit. Das macht es so spannend! Es sind widersprüchliche Gefühle und Tatschen, die solch einem Song die Tiefe geben.
metal.de: Vielen Dank für das umfangreiche Interview!
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