Fear My Thoughts
Fear My Thoughts
Interview
Die Freiburger Melodic-Deather FEAR MY THOUGHTS haben ja bekanntlich Anfang des Jahres ihr neues Album "Vulcanus" veröffentlicht. Die nunmehr experimentellere Ausrichtung ihrer Musik war dabei unüberhörbar. Höchste Zeit also, uns über Veränderungen im Soundgefüge, musikalische Vorbilder der Band und anderes ausgiebig Bericht erstatten zu lassen. Der geduldige FEAR MY THOUGHTS-Growler Mathias gab bereitwillig Auskunft.
Die Gründung der Band liegt mittlerweile etwa zehn Jahre zurück, wobei die Anfänge etwas nebulös sind, auch die Frage, wann genau wir uns jetzt wie gegründet haben… Überliefert ist allerdings, dass wir uns gegründet haben, um der Langeweile, welche in unserer Herkunftsstadt vorherrscht entgegenzuwirken.
Interessante Dinge? Nun. Für uns genommen würde ich sagen, daß der ganze Aufstieg und alles was wir bisher erlebt haben, recht interessant war. Für den Leser? Hm. Vielleicht unser zweites Konzert in Ungarn, bei dem wir auf die Mädels in der ersten Reihe so anziehend gewirkt haben müssen, dass sie vor Ort gleich die Potenz und die Formen der Gemächte testen wollten, so was kommt ja immer gut an… Oder die Zeit, in der wir für eine warme Suppe ungefähr sechs Stunden Autofahrt hinter uns gebracht haben, um dann, nach dem Konsum der Suppe vor fünf zahlenden Leuten zu spielen und das, obwohl uns der Veranstalter versicherte, er habe ganz viel Werbung gemacht und all seinen Freunden Bescheid gesagt…
Sonst gäbe es halt noch von vielen durchaus lustigen Konzerten zu berichten, bei denen vielerlei erheiternde Dinge geschehen sind. Ich erinnere mich z.B. an ein Konzert in Davos, bei dem wir es geschafft haben, jemanden, der dafür dann ein Shirt von uns bekam, durch einen Basketballkorb werfen zu lassen… nun ja. Die anderen Erfahrungen zu berichten würde wohl doch etwas weit führen. Gehen wir also zur nächsten Frage:
Dass mit dem Basketballkorb ist ja mal wirklich innovativ, wie ich finde… Eure ersten Alben waren noch eher dem Metal Core verhaftet. Warum seid ihr vom damaligen Trendzug abgesprungen, um euch nun dem Melo-Death zu verschreiben?
Wir hatten nie ein Ticket für diesen Zug gelöst. Vielmehr wurden wir von Fahrplankennern in den Zug gesetzt. Ob das nun daran lag, dass der Heimatbahnhof unserer letzten zwei Platten eher zu diesem Genre gerechnet wird, oder ob unsere Uniformen eher denen des Core-Personals zugezählt werden, kann ich nicht sagen. Wir haben vielmehr ständig versucht, unsere eigene Strecke zu fahren und wurden, vermutlich, weil die Zuordnung zu schwer gefallen ist, dorthin verfrachtet. Um es aber abschließend zu formulieren: mir ist es relativ egal, wie die Leute unsere Musik klassifizieren, wichtig ist doch nur, daß der Respekt für das, was wir gemacht haben, da ist, oder nicht?
Sicher und eine gute Antwort zudem. Das „Hell Sweet Hell“-Album war mein Einstieg in die Welt von FEAR MY THOUGHTS . „In The Hourglass“, „Sweetest Hell“ und „Masters Call“ sind Highlights des insgesamt guten Albums für mich. Wo seht ihr den Unterschied zum neueren „Vulcanus“?
Ich kann jetzt hier natürlich die übliche “wir sind einfach reifer geworden, haben die Schwächen des letzten Albums erkannt und wollten diese verbessern”-Reden schwingen. Zum Teil trifft dies natürlich auch ganz klar zu. Für uns war aber auch wichtig, etwas zu machen, dass vorherrschende Grenzen etwas auflöst und experimenteller daherkommt, als das, was grad da ist. Uns war es wichtig, uns selbst keine Limitierungen aufzuerlegen und das zu machen, was sich richtig anfühlt. Einen nicht unerheblichen Beitrag dazu leistete sicher auch unser Drum-Boy Norman. Er war bei dieser Platte richtig ins Komponieren involviert und hat dementsprechend auch wichtige Impulse und Akzente setzen können.
Ist „Vulcanus“ vielleicht etwas experimenteller ausgefallen als „Hell Sweet Hell“?
Ja.
Klare Antwort, hehe… Auf jeden Fall ertönt „Vulcanus“ angenehm vielseitig: „Accompanied By Death“ steht stellvertretend für Melo-Death der schwedischen Bauart, „Blankness“ mit seinem Klarrefrain tönt moderner, „Culture Of Fear“ mit seinem organisch warmen Grollchorus (für mich ein Highlight der Scheibe) ist epischer angelegt, man könnte fast meinen, in eurem Bandkörper schlagen mehrere Herzen, oder?
Ich kann hierzu nur sagen, dass wir bisher immer mehrere Aspekte in den einzelnen Songs hatten. Wir sind fünf Individuen, die alle eine andere Herangehensweise an Musik und einen anderen Geschmack haben. Dementsprechend sind auch unsere Einflüsse verschiedener Natur und so kommt es halt zustande, dass die Songs nie einheitlich sein werden. Darüber hinaus war es für uns wichtig, dass wir Lieder haben, die schnell zünden und Hitcharakter haben, gleichzeitig aber auch solche, die eine längere Halbwertszeit besitzen und nicht so schnell langweilen.
Bisweilen baut ihr, ähnlich DARK TRANQUILLITY, kleine Elektrospielereien in eure Sounds ein. Was gefällt euch so daran?
Zum einen gibt es dem ganzen eine weitere Komponente, die man entdecken kann. Dann ist es natürlich auch wichtig, etwas zu haben, dass den Songs eine gewisse Tiefe gibt und, gerade bei den Refrains, so etwas wie einen Soundteppich unterlegt, um so die Wirkung zu verstärken. Dass es gewisse Teile auch stark auflockert ist selbstverständlich auch eine netter Nebeneffekt.
Immer wieder hört man experimentellere Klänge bei euch. Kann man euch generell als progressiv bezeichnen?
Teilweise auf jeden Fall. Wie gesagt, wir versuchen, verschiedene Elemente zu kombinieren, um so ein für uns schlüssiges Gesamtbild zu erschaffen. Wie ich bereits erwähnte sind unsere Geschmäcker verschieden. Bei einigen steht Progrock auch recht hoch im Kurs. Demzufolge fließt es natürlich auch in unsere Musik mit ein.
Eure Soli verkörpern nicht nur metallische Elemente, sondern auch durchaus rockige, oder?
Auch hier verweise ich wieder auf die obengenannten Einflüsse. Und wenn wir mal ehrlich sind ist die ganze Metalmusiksparte ja nichts anderes als Rock, der halt in verschiedenen Tempi gespielt wird, oder nicht?
In der Tat. Lediglich in „Accelerate Or Die“ erinnert man sich meiner Meinung nach eurer Core-Vergangenheit. Ganz könnt ihr davon nicht lassen, oder?
Das hast jetzt du gesagt… Für mich ist es ein relativ klassischer Thrash-Song, der etwas moderner verpackt wurde und durch den Beitrag der beiden DESTRUCTION-Leute den Bogen zurück in die Vergangenheit schlägt. Wie so oft ist es halt Geschmacks- bzw. Ansichtssache.
Werdet ihr die melodischen Refrains, die ihr bisweilen auffahrt, in Zukunft öfter als bisher bringen? Oder bleibts bei der Mischung Growls und Cleanvocals?
Das ist noch nicht ganz klar. Ich denke aber schon, dass wir weiterhin in diese Richtung arbeiten werden. Allerdings hat es mit solchen Prognosen manchmal etwas gemein wie mit der Vorhersage von Erdbeben: prinzipiell wäre es ja möglich, gewisse Anzeichen zu nehmen und diese zu verwenden, mit genauer Sicherheit ist es aber nie möglich. Aber das gute daran ist, dass ich genauso gespannt bin, wie es werden wird…
Also ist in der Hinsicht noch alles offen. Instrumental seid ihr talentiert, das habt ihr auf jeder Veröffentlichung bewiesen. Das Instrumental
„Vulcanus“ ist vielseitig. Gibts davon in Zukunft mehr?
Wir haben versucht, auf jedem der bisher erschienen Alben ein Instrumental-Stück zu veröffentlichen. Daran, und das ist ziemlich sicher, wird sich so schnell nichts ändern.
Mit „Wasteland“ stellt ihr ans Albumende ein interessantes Experiment. Nach einem Gitarrenintro beginnt dieser Song mit einer Mischung aus TOM WAITS trifft auf FAITH NO MORE-Vocals und mutiert schließlich zum Deathbrett. Die Zukunft von FEAR MY THOUGHTS?
Du versuchst mich echt zu etwas zu bewegen, dass mir ungemein schwer fällt: ich kann es schlicht und ergreifend nicht wirklich vorhersagen. Die vier neuen Sachen, die wir bisher gemacht haben, gehen eher mehr in Richtung Rock und Thrash. Es ist aber sicher nicht auszuschließen, dass wir Stücke in diese Richtung schreiben werden…
Die Drums zaubern interessante Figuren über die einzelnen Tracks. Sie stehen auch sehr stark im Vordergrund. Groove und Rhythmus variieren. Kommt euer Schlagzeuger aus dem Metal oder wird er von anderen Musikrichtungen beeinflusst?
Er hat im Metal angefangen, ist aber darüber hinaus auch stark vom Jazz beeinflusst. Auch besucht er eine Schlagzeugschule, um sich so tiefer in dieses Metier einzuarbeiten.
Jazz? Das erklärt einiges. Wie erschafft ihr eigentlich eure Songs? Lasst ihr euch von eurer Vorliebe für älteren schwedischen Death Metal á la AT THE GATES leiten? Oder spielen auch modernere Einflüsse eine Rolle, etwa OPETH oder Neo Thrash?
Sowohl als auch. Wie schon erwähnt, haben wir einen sehr weiten musikalischen Horizont und wollen uns nicht limitieren. Auch wäre es meiner Ansicht nach sehr engstirnig, sich nur nach den alten Größen zu richten. Es gibt sehr viel gute neue Bands, die uns genauso beeinflussen, wie das die alten tun. Musik entwickelt sich immer weiter, es wird also nie den Punkt geben, an dem man sagen kann, dass man alles weiß und kennt.
Von welchen Bands würdet ihr euch beeinflußt sehen, was Texte und Musik angeht? Sind es eigene Erlebnisse, die ihr in eure Songtexte einfließen lasst?
Textlich von den KASSIERERN und musikalisch von BRITNEY SPEARS. Oder war es umgekehrt? Ich versuche ziemlich viel von meinen persönlichen Ansichten und Gefühlen in die Texte zu bringen. Das hat manchmal schon fast therapeutischen Charakter: wenn mich was beschäftigt, dann schrei(b)e ich mir das von der Seele. Teilweise ist es ganz interessant, die alten Alben noch mal vorzukramen und mich so durch die Texte zu lesen. Hin und wieder geschieht es aber auch, dass der Schalk mir Nacken sitzt und ich einfach nur provokante Blödsinnstexte schreibe, die nicht wirklich ernst zu nehmen sind. Das ist aber eher als Ausnahme zu betrachten. Was die musikalischen Einflüsse angeht würde ich fast behaupten, dass der Platz hier nicht ganz reichen würde, um alles aufzuzählen. Mein Vorschlag wäre also: anhören und selber entscheiden.
Das mit den KASSIERERN und BRITNEY SPEARS ist interessant; da müssen wir wohl noch ein separates Interview führen… Was anderes: interessieren euch Bands wie OPETH, PORCUPINE TREE oder MESHUGGAH?
Das sind drei der Bands, die oben auf jeden Fall gestanden hätten. Alles sehr großartige Bands, die auch bei allen Mitgliedern sehr viel Zuspruch erhalten.
Nach meiner Ansicht ist die Produktion von „Vulcanus“ professionell geraten. Die Musik ist einerseits heavy genug, hat ein paar Thrash-Metal-kompatible Passagen und experimentelle Licks. Seid ihr mit dieser Aussage einverstanden? Und seid ihr zufrieden mit der Produktion des Albums?
Wir sind ja absichtlich wieder zurück zu Jacob nach Dänemark, da uns seine Arbeitsweise und seine Produktionen sehr zusagen. Sicher gibt es immer kleine Dinge, die man im Nachhinein anders machen würde bzw. könnte. Aber das Ziel perfekt zu werden wird wohl immer ein fernes bleiben, da man sich ja auch, wenn man die perfekte Platte gemacht hat, eigentlich auch auflösen kann…
Hoffentlich gibts nie eine perfekte Platte… Auch der Sound und die Produktion von „Vulcanus“ sind bisweilen ein wenig progressiv. Da hab ich doch Recht?
Ja. Aber das versteht sich auch ein Stück weit von selbst. Stücke wie “Culture Of Fear” oder “Wasteland” kommen mit einer klassischen Metal-Produktion nicht so rüber. Dementsprechend muss die Produktion den Liedern angepasst werden.
Das Cover von „Vulcanus“ wirkt düster. Was habt ihr euch dabei gedacht?
Da mußt du schon unseren Gitrarristen Markus fragen, der hat es gemacht… Mal im Ernst: Ich persönlich halte nicht soviel davon, meine Erklärung dazu abzugeben, da ich der Meinung bin, dass es auf jeden seine eigene Wirkung hat. Wenn ich jetzt also sage, daß es Bedeutung XY hat, sehe ich das als eher hinderlich an, wenn es darum geht sich seine eigenen Gedanken zu machen. Ich finde es wichtig, dass jeder seinen persönlichen Bezug herstellt und somit die Platte bzw. das Cover auf seine Situation bezieht.
Euer Album ist ja seit einigen Monaten veröffentlicht. Wie hat das Publikum auf „Vulcanus“ reagiert?
Bisher gab es durch die Bank weg nur positive Reaktionen, was mich und uns natürlich erfreut, gleichzeitig aber auch überrascht. Wir waren uns nämlich nicht ganz so sicher, ob die experimentellere Sache jedermans Ding ist. Glücklicherweise wurden wir aber bisher eher dafür belohnt, nicht auf Sicherheit zu gehen und den “Hell Sweet Hell” Nachfolger einzuspielen.
Habt ihr es als deutsche Melodic Death-Band eigentlich schwerer als es eine schwedische oder finnische Combo hätte?
Hm. Ich denke schon. Besonders wenn es darum geht unsere Wikinger-Herkunft zu beschwören…
Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann. Sicher sind die Skandinavier eine Bezugsgröße was den Bereich angeht… na gut, was Musik allgemein angeht, aber ich würde nicht sagen, dass sie es leichter hätten. Man muss wohl einfach immer viel Glück haben, dass man mit dem was man macht auch erfolgreich ist. Die Herkunft dürfte da m.E. nicht so wichtig sein, außer natürlich als europäische Band auf dem amerikanischen Markt.
Habt ihr Kontakt zu anderen deutschen Bands, z.B. SACRIFICIUM, BEHIND THE SCENERY (an deren Gitarrenspiel ihr mich manchmal erinnert) oder anderen Melodic Death-Acts?
Nicht wirklich. Außer vielleicht ein wenig zu NIGHT IN GALES, mit denen wir mal für drei Tage auf “Tour” waren. Mehr als sich bei Konzerten zu treffen und auszutauschen ist da nicht vorhanden.
NIGHT IN GALES? Gute Band, übrigens… Könnt ihr uns noch was zu anstehenden Touraktivitäten sagen? Gibts demnächst Konzerte in deutschen Landen mit eurer Beteiligung?
Wir waren ja Anfangs des Jahres mit KATAKLYSM auf Tour. Das war ganz gut und auch echt erfolgreich. Zur Zeit konzentrieren wir uns aber mehr auf einzelne Konzerte am Wochenende. Die Tourdaten stehen immer auf unserer Homepage bzw. direkt bei Century Media. Zur Zeit sind fast ausschließlich Konzerte in Deutschland gebucht. Vielleicht klappt es, dass wir bei euch in der Nähe spielen. Wenn nicht, treffen wir uns ja im Sommer eventuell beim WFF oder dem Summerbreeze…
Wovon du ausgehen kannst. Ein nettes Toupackage wäre FEAR MY THOUGHTS, BEHIND THE SCENERY, FRAGMENTS OF UNBECOMING, BURDEN OF GRIEF und NIGHT IN GALES… Als Headliner DARK TRANQUILLITY und/oder PORCUPINE TREE, das hätte doch was, oder?
Hört sich auf alle Fälle ganz gut an und dürfte die Freunde solcher Musik sicher erfreuen. Ich finde es aber immer etwas einseitig, wenn Bands, die ähnlich klingen, auf Tour gehen. Interessanter finde ich es immer, wenn unterschiedliche Richtungen zusammenkommen und man so mehr Leute anspricht und diese dann eventuell eine Band kennenlernen, die sie sich sonst eher nicht angeschaut hätten.
Solche Offenheit gegenüber anderen Stilen wünsche ich mir in der Tat öfter. Wollt ihr zum Abschluss noch etwas loswerden? Welche anderen Musikstile könnten euch sonst noch gefallen?
Eigentlich höre ich fast alles außer Techno, Hip Hop, Reggae und Volksmusik. Man sollte jedem zumindest mal eine Chance geben und schauen, ob es etwas gibt, dass einen anspricht. Bereits angesprochenen TOM WAITS finde ich recht gut, CASH gilt es nicht zu vergessen, HANK WILLIAMS III, MUSE, DREDGE usw.
Danke für das Interview! Bis zu den einschlägigen Sommerfestivals…