Famyne
"Jeder der Songs kam wie ein Gast zufällig zu einer Party."
Interview
Die UK-Doomer FAMYNE haben kürzlich erst ihre zweites Album „II: The Ground Below“ auf den Markt gebracht. Zeit also, sich Bassist Christopher Travers, Gitarrist Martin Emmons und Sänger Tom Vane zu schnappen und ein paar Fragen zu stellen. Zur Geschichte des Albums, dem Bandnamen und was sie der Queen vorspielen würden – hier im Interview mit typisch trockenem britischen Humor.
Ein warmes Hallo! Seid ihr aufgeregt nun nach der Pandemie endlich „II: The Ground Below“ herausgebracht zu haben? Was würdet ihr sagen sind die größten Unterschiede zu eurem Debüt?
Christopher: Hi! Wir sind ein Mix aus aufgeregt, erleichtert und besorgt. Dieses Projekt wurde tatsächlich nur vor etwa einem Jahr beendet, aber wie du schon angesprochen hast, hat die Pandemie die Dinge ziemlich verzögert. Davon abgesehen haben uns die Lockdowns als Folge von COVID mehr Zeit zum Reflektieren gegeben und so konnten wir Ideen modifizieren, ein wenig aufhübschen und solche Dinge. Das wäre wahrscheinlich der Hauptunterschied zu unserem Erstling.
Ich muss zugeben, dass ich mich dieses Umstands selbst oft schuldig mache, aber seid ihr die Vergleiche zu anderen Bands langsam Leid? Besonders als Doomband und dem UK mehr oder weniger als der Wiege dieser Musikrichtung mit BLACK SABBATH. Erlebt ihr das häufig? Davon abgesehen etwas, was mir seit Sichtung der Tracklist auf der Seele brennt: Ist „A Submarine“ eine THE BEATLES-Anspielung? Vom Titel her?
Christopher: Haha, wenn du ein Geheimnis bewahren kannst… Nein, ehrlicherweise hat jeder diese Vergleiche schon angestellt, uns selbst eingeschlossen. Wir beschäftigen uns nicht allzu sehr mit Vergleichen, da das oftmals der eigene persönliche Referenzrahmen von Leuten bei ihrer Arbeit ist. Vergleiche mögen manchmal reduzierend wirken, aber sie sind zumindest ein Weg, Individuen unseren Sound einfacher und verständlicher näher zu bringen. Was den „A Submarine“-Titel angeht, es ist kein gewollter Fingerzeig zu unseren Landsmännern, mehr eine Metapher für etwas, was unter der Oberfläche sitzt und einem herum folgt.
Euer Name ist meines Wissens nach vom gleichnamigen OPETH-Track geborgt, aber stilisiert. Daher wollte ich fragen, was der Name für euch repräsentiert und warum ihr euch für ihn entschieden habt?
Christopher: Gute Frage. Wir haben ihn als erstes gewählt, weil er cool klang, dann haben wir ihn stilisiert, da bereits eine 80er-Band denselben Namen hatte und wir ihm einen persönlichen Dreh geben wollten. Ironischerweise haben wir diesen „Geist der Anpassung“ irgendwann auf die Musik, die wir erschaffen, ausgeweitet und über die Zeit fühlt es sich für uns so an, als ob unsere Kunst und unser Klang diesem Namen gerechter geworden ist und der Name sie auf mehr als eine Art und Weise repräsentiert.
Welche Story erzählt „II: The Ground Below“?
Christopher: Wo soll ich da anfangen? Vielleicht wird das Coverartwork innerhalb der vier Seiten des Albums dem besser gerecht als Worte es können. Es geht um eine Art Reise und folgt derselben Person unseres Debütalbums, deshalb auch die II im Titel, die sich ihren Weg tiefer durch das „Irgendwo“ bahnt und irgendwann selbst findet. Ob das dem Zufall oder einer willentlichen Entscheidung geschuldet ist, bleibt offen. Es ist eine Geschichte, die wahrscheinlich auf jeden Hörer irgendwie zutreffen kann, wenn sie mit sich ehrlich sind.
Was ich sehr an „II: The Ground Below“ mag ist die Abwechslung und Dynamik, da Doom-Alben oft ein wenig zu gleichförmig sind. War es eine bewusste Entscheidung, Entschleunigung und Ruhe in Form solcher Tracks wie „Gone“ oder „A Submarine“ einzubauen?
Christopher: Nein, es war keine bewusste Entscheidung. Jeder der Songs kam wie ein Gast zufällig zu einer Party über die Zeit. Die Art und Weise wie sie innerhalb der Mauern des Albums organisiert wurden war allerdings schon eine bewusste Entscheidung. Wir glauben, wie der große Tony Iommi sagt, Lob sei ihm auf ewig, dass Licht und Schatten der Schlüssel zu einem guten Song oder Album sind. Es ist die Variation, die es ausmacht, ja fast wie das Werfen von Licht auf eine Erschaffung, dass wir die diverse Natur und was uns ausmacht wahrnehmen können. Dieser Prozess kommt uns allerdings ziemlich natürlich vor – ähnlich wie jemand nicht ständig dasselbe essen will, wollen wir nicht ständig dieselbe Musik hören oder machen.
Was ist für euch die Essenz von Doom? Welchen Ratschlag würdet ihr vielleicht einer neuen Doom-Band geben?
Christopher: Das ist eine schwierige Frage. Und sie kann verschieden beantwortet werden, wobei alle Antworten richtig sind, da Musik und Kunst sehr fluide sind. Für uns ist der Kern von Doom allerdings starke, ehrliche Reflektion. Wir sind keine Nihilisten, Zyniker oder ständig pessimistisch in unserem Alltag, aber wir erkennen die Tendenz von manchen Leuten, zu diesen paradoxerweise beruhigenden Sichtweisen im Leben zurückzukehren, da sie zumindest eine Art von Antwort auf scheinbar unbeantwortbare Fragen liefern können, wo andere in unserer momentanen Welt nicht wirklich zu haben sind. Musikalisch ist die Geschwindigkeit oder eher das Fehlen jener im Doom das, was den Raum gibt, um das oben Beschriebene in Erwägung ziehen zu können. Also sich quasi in jeder Note, jedem Riff oder den Lyrics so richtig zu marinieren. Was einen Ratschlag angeht: Sei du selbst in dem, was du erschaffst und leg dich nicht fest, wie ein Song zu klingen hat bis er beendet ist.
Ich finde, dass Tom eine gewisse nasale Qualität in seinem Gesang hat, nicht unähnlich zu anderen britischen Sängern Pat Walker von WARNING und 40 WATT SUN kommt mir etwa in den Sinn, aber er hat auch längere Harmonien parat, also geht diese Frage eher an ihn: Wie gehst du ans Komponieren der Gesangslinien heran, damit sie den Song verstärken? Ich finde, die Stimme gibt eine zusätzliche emotionale Komponente, die so in dieser Qualität nicht jede Doomband hat.
Tom: Vielleicht hatte ich einen Virus während der Aufnahme? Könnte auch meine Nase sein. Nein, ohne Spaß, ich probiere nasale Färbungen eher zu vermeiden, also entschuldige ich mich hierfür und verspreche, nächstes Mal besser vorbereitet zu sein! Was die Komposition der Gesangslinien angeht, gibt es keinen Plan, es ist alles nur Instinkt. Ich gehe überhaupt nicht mit Theorie oder vorher geschriebenen Noten herein. Auf den Instinkt zu hören, ist bei mir die natürlichste Art und Weise, Musik zu machen. Danke für das Kompliment der emotionalen Qualität, erneut weise ich darauf hin, dass das wahrscheinlich dem instinktiven und intuitiven Ansatz an unsere Musik zu verdanken ist, im Gegensatz zu einem mathematischen oder Musiktheorie-getriebenen Ansatz. Das ist etwas, was wir als Band nicht sein wollen oder hoffen niemals zu sein.
Ähnlich zu Tom die Fragen an Michael an den Gitarren aber auch Michael am Schlagzeug: Was ist wichtig für euch persönlich beim Komponieren für FAMYNE speziell, aber vielleicht auch allgemeiner beim Spielen von Doom oder Musik im Allgemeinen?
Martin: Als Gitarrist finde ich es am wichtigsten, nicht in die eigenwilligen Fallen des Griffbretts zu geraten. Während Doom natürlich ein sehr Gitarren-zentriertes Genre ist, finde ich es allerdings interessanter, Ideen von ausserhalb einfliessen zu lassen und diese auf die Gitarre zu übertragen. Beispielsweise stammen viele Ideen bei uns in FAMYNE von einzelnen gesungenen Stimmmelodien und in einer Art Bewusstseinsstrom werden sie ausgearbeitet. Das erlaubt es, eher externe Einflüsse einzuweben, was die Songs interessanter macht.
Tom: Mir ist beim Komponieren am wichtigsten, das ich auch selbst das mag, was ich erschaffe. Dass es authentisch ist. Und das wir genug Abwechslung zwischen den Stücken haben. Ich mag es, Sounds und Stile miteinander zu vermischen und – wo immer möglich – den eher unausgetretenen Pfad zu nehmen, auch wenn das oft nur sehr subtil ist.
Top 5 aller britischen Bands?
Christopher: CARDIACS, PENTANGLE, JUDAS PRIEST, COCTEAU TWINS, der frühe ROBIN TROWER
Top 5 von britischen Bands die niemand kennt, die aber alle kennen sollten?
Christopher: SKULL TANK, SILAS, SUMER, GODLESS SUNS, STRUCK/DOWN
Was macht das Leben bei euch in Canterbury? Was gibt es neben dem Bischofssitz Interessantes oder Wichtiges in der Stadt, das die meisten Leute noch nicht kennen?
Christopher: Canterbury ist der Ort, an dem das Christentum quasi erneut gestartet wurde, nachdem die Römer weg waren, die Wikinger haben mehrere Eroberungszüge gestartet. Es ist einen Tagesritt von Rochester entfernt, was selbst einen Tagesritt von London entfernt ist. Deshalb sind an diesen Punkten Burgen! Alle innerhalb eines Tagesritts erreichbar! Christopher Marlowe, der Schreiber von Dr. Faustus und Zeitgenosse von William Shakespeare, hat hier gelebt und wurde hier auch ausgebildet bevor er ins Auge gestochen und getötet wurde.
Was ist die größte Lehre aus eurer bisherigen Karriere?
Christopher: Wenn es beim ersten Mal nicht klappt, probier es nochmal. Es ist ein Klischee, ja, aber ziemlich wahr. Mach einfach weiter, bis du es nicht mehr machen willst oder kannst. Irgendwann kommt schon was dabei rum, auf die ein oder andere Weise.
Ihr seid hypothetisch für Tee und Kekse bei ihrer Majestät eingeladen, um eure Musik vorzustellen. Welchen Song wählt ihr aus und warum?
Christopher: Ich glaube, ich muss deine Blase ein wenig zum Platzen bringen, aber die Queen bevorzugt wahrscheinlich britische Biscuits (nicht die sprachlichen „false friends“ cookies – Anm. d. Red.), keine Cookies wie einen simplen reichhaltigen Tee oder Puddingcreme. Um deine Frage zu beantworten, wir haben einen unveröffentlichten Track von unserem Debütalbum namens „Grand Majesty“, der vielleicht sogar irgendwo im Internet herumfliegt. Es ist ein episches Doom-Stück und unser bisher längster Song. Wir sind zwar keine Royalisten, aber das wäre wahrscheinlich der passendste Tracks in einem so „königlichen“ Setting. Wir werden diesen Track in Zukunft sogar rausbringen, haltet Augen und Ohren offen!
Viel Erfolg mit „II: The Ground Below“, danke fürs Interview und Platz für letzte Worte:
Christopher: Danke dir und für alle, die momentan ein wenig mit dem Leben kämpfen – wir sind bei euch, haltet durch und macht weiter!